Klösterliches Leben und synodaler Weg
AIM Bulletin. Heft 123 (2022)
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Jean-Pierre Longeat OSB
Lectio Divina
Lectio divina, Synodalität ... und Theokratie (Lukas 24,13-35)
Geraldo González y Lima OSB
Perspektiven
Ein bescheidener Anfang des synodalen Weges im Trappistenorden
Bernardus Peeters OCSO
Benediktsregel und Synodalität
Andrea Savage OSB
Mit dem Ohr des Herzens hören
Jennifer Mechtild Horner OSB
Die Gemeinschaft von Tibhirine
Marie-Dominique Minassian
Herausforderungen des benediktinischen Klosterlebens in Westafrika
Thérèse-Benoît Kaboré OSB
Wirtschaft und Klosterleben
Das klösterliche Ökosystem in Frankreich.
Marie-Catherine Paquier
Liturgie
Der syro-malabarische Ritus.
Clement Ettaniyil OSB
Zeugen für das monastische Leben
Mutter Pia Gullini OCSO (1892–1959)
Maria Augusta Tescari OCSO
Berichte
Ausbildung in Kloster Sainte-Marie von Bouaké (Elfenbeinküste)
Sekretariat der AIM
Leitartikel
Das Bulletin der Aim versucht, mit den vielfältigen Impulsen des kirchlichen Lebens und des Lebens in der Welt in Einklang zu stehen. Daher stimmt die vorliegende Ausgabe auf den synodalen Weg zum Thema Synodalität ein, wie ihn Papst Franziskus wünscht.
Hat das monastische Leben diesbezüglich etwas Besonderes zu sagen und zu leben? Zweifellos, und es ist unsere Pflicht, den besonderen Charakter unserer Sendung zum Ausdruck zu bringen. Die drei Begriffe, die im Brief von Kardinal Mario Grech, dem Generalsekretär der Bischofssynode, an die monastischen Gemeinschaften hervorgehoben wurden, geben gut wieder, was unseren Ansatz kennzeichnet: Zuhören, Bekehrung, Gemeinschaft. Ein tiefes Zuhören, zu dem der Benedikt schon im Prolog seiner Regel einlädt und das er im Laufe der Zeit entfaltet; eine Bekehrung, die vom Verstand zum Herzen führt, um dort die Beziehung zur Quelle des Lebens zu pflegen; und eine echte Gemeinschaft, um von dieser Grundlage aus alle unsere brüderlichen, freundschaftlichen und sozialen Beziehungen zu harmonisieren.
Wenn wir gemeinsam auf diesen schönen Horizont blicken, hat keiner von uns die Muße, resigniert zu verzagen, falls jemand dazu versucht sein sollte. Um uns zu ermutigen weiterzugehen, lässt uns Pater Geraldo González y Lima, Mitglied unseres internationalen Teams, an der Begegnung mit dem Auferstandenen teilhaben, wie sie die Emmaus-Wanderer erlebten, indem sie ihre Zweifel und Fragen teilten und die Erleuchtung dessen empfingen, der sich in seinem Wort und beim Brechen des Brotes schenkt. Dom Bernard Peeters teilt seine ersten Eindrücke als neuer Generalabt der Trappisten, der mit dem ganzen Orden unterwegs ist. Zwei benediktinische Nonnen erzählen uns von ihrem Ansatz der Synodalität nach der Regel Benedikts. Eine Theologin, die sich auf die Schriften von und über Tibhirine spezialisiert hat, berichtet über die tiefe Erfahrung von Synodalität, die die algerische Gemeinschaft gemacht hat.
Verschiedene Rubriken teilen sich, wie üblich, den Rest dieser Ausgabe. Die Dynamik des Teilens im Bereich des klösterlichen Handels gibt ein Echo der wirtschaftlichen Praxis der Klöster. Die syro-malabarische Liturgie der Abtei Kappadu in Kerala sorgt für Abwechslung; und die beeindruckende Gestalt von Mutter Pia Gullini aus Laval/Grottaferatta/Vitorchiano gibt uns ein anregendes Zeugnis des klösterlichen Lebens. Schließlich stellen wir die Praxis des Studiums in Bouaké an der Elfenbeinküste vor, das von der AIM unterstützt wird.
Wie man sieht, ist der monastische Beitrag für die Kirche und die Welt nach wie vor sehr lebendig. Die Mönche, Nonnen, Brüder und Schwestern unserer großen Familie müssen sich ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht immer mehr bewusst werden und darauf achten, dass sie sich nicht auf den engen Bereich ihrer örtlichen Gemeinschaft beschränken. Lassen Sie uns gemeinsam im Wort Gottes und im Leib Christi verwurzelt sein, um unseren Weg mit geweitetem Herzen in Gemeinschaft mit all unseren Brüdern und Schwestern auf dem Weg dieses Lebens voranzuschreiten.
Jean-Pierre Longeat OSB
Präsident der AIM
Artikel
Lectio divina, Synodalität... und Theokratie!
1
Lectio divina
Gerlado González y Lima OSB
Abtei São Geraldo (São Paulo, Brasilien)
Lectio divina, Synodalität...
und Theokratie!
Lukas 24,13-35
Viele unserer klösterlichen Gemeinschaften erleben schwierige Zeiten mit alternden Mitgliedern, fehlenden Berufungen, den sozioökonomischen Folgen von Pandemien, Klimawandel usw. und müssen angesichts ihrer Gegenwart und ihrer nahen Zukunft komplexe Entscheidungen treffen.
In diesem Zusammenhang haben wir auch einen erneuten Aufruf von Papst Franziskus erhalten, die Tradition und Weisheit des Konzepts der „Synodalität“ zu nutzen, bei dem jeder eingeladen ist, zuzuhören und gehört zu werden.
Wenn man an „Synodalität“ in benediktinischen Begriffen denkt, fällt einem sofort das dritte Kapitel der Benediktsregel ein, in dem alle „zum Rat gerufen werden“, einschließlich der jüngeren Mitglieder. Angesichts komplexer Entscheidungen mit starken Konsequenzen für unsere Gemeinschaften fragen wir uns jedoch oft, ob wir eine „Monarchie“ oder eine „Demokratie“ sind, und dieselbe monastische Tradition erinnert uns daran, dass wir weder das eine noch das andere sind, sondern vielmehr eine „Theokratie“, wobei „Theokratie“ als die Gemeinschaft verstanden wird, die gemeinsam nach dem Willen Gottes und seiner konkreten Umsetzung in ihrem Leben sucht.
Wie können wir also die „Synodalität“ mit der „Theokratie“ in Einklang bringen, um den Willen Gottes und seine Erfüllung in unseren Gemeinschaften gemäß der benediktinischen Tradition zu suchen?
Wieder einmal hinterlässt uns die benediktinische Klostertradition ein wertvolles Instrument: die geteilte lectio divina! Machen wir von diesem Instrument Gebrauch? Ich schlage daher diese Möglichkeit vor, die auf dem biblischen Text der Emmausjünger (Lukas 24,13-35) basiert:
„13 Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist. 14 Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte.“
Sprechen wir auf den „Wegen“ und in der Heilsgeschichte unserer Gemeinden über alles, was geschieht, seien es Momente des Zweifels und des Schmerzes oder des Glücks und der Freude? Es lohnt sich, daran zu denken, dass, wenn ich einen Schmerz teile, er halbiert wird, und wenn ich eine Freude teile, sie sich vervielfacht.
„15 Und es geschah, während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen. 16 Doch ihre Augen waren gehalten, sodass sie ihn nicht erkannten.“
Wo zwei oder mehr in seinem Namen versammelt sind, d. h. in einer gemeinsamen lectio divina, „wandelt“ Jesus da nicht mitten unter ihnen? Auch wenn wir ihn manchmal wegen unserer Trockenheit nicht erkennen, er „ist“ unter uns!
„17 Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen 18 und der eine von ihnen – er hieß Kleopas – antwortete ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als Einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist?“
Manchmal beginnen wir die lectio divina traurig, aber durch sein Wort hört Jesus nicht auf, uns zu fragen und den Grund für unsere Traurigkeit zu suchen. Habe ich diese Ausdauer, um Gott zu suchen?
„19 Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk. 20 Doch unsere Hohepriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. 21 Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist. 22 Doch auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, 23 fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe. 24 Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht.“
Begegnen wir in der lectio divina nicht ständig dem Leiden, dem Tod und der Auferstehung Jesu? Und finden wir nicht in derselben lectio divina die Bedeutung des Leidens, des Todes und der Auferstehung unserer „Gemeinden“?
„Ich weiß, dass Ostern ist, weil ich die Freude erhalte, dich zu sehen“, sagt Benedikt zu dem Priester, der ihn in Subiaco aufgesucht hat, um mit ihm Ostern zu feiern (Zweites Buch der Dialoge, Kapitel 1).
„25 Da sagte er zu ihnen: Ihr Unverständigen, deren Herz zu träge ist, um alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. 26 Musste nicht der Christus das erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen? 27 Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“
Bezeugt uns Jesus in der lectio divina also nicht seine und unsere Heilsgeschichte? Um diese „Einsicht“ zu erlangen, ich meine, um diese „göttliche Lesung“ der Ereignisse auf der Grundlage der Heiligen Schrift vorzunehmen, muss ich jedoch immer um die Hilfe des Heiligen Geistes bitten.
„28 So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen, 29 aber sie drängten ihn und sagten: Bleibe bei uns; denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt! Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben. 30 Und es geschah, als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen. 31 Da wurden ihre Augen aufgetan und sie erkannten ihn; und er entschwand ihren Blicken.“
Wenn wir den „Tisch des Wortes“, den Ambo, und den „Tisch des Brotes“, den Altar, teilen, erkennen wir dann nicht, wer Jesus ist? Bleibt er nicht in seinem geteilten Wort bei uns „wohnen“?
„32 Und sie sagten zueinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete? 33 Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück und sie fanden die Elf und die mit ihnen versammelt waren.“
Entflammt die lectio divina, die an diesen „Tischen“ geteilt wird, nicht unsere Herzen? Verwandelt sie nicht Traurigkeit in Freude und Sinnlosigkeit in Hoffnung? Richtet uns die gemeinsame lectio divina nicht auf das himmlische Jerusalem aus, die Stadt des Friedens, in der sich Gottes Wille für uns erfüllt?
Fragt uns Benedikt nicht: „Ist nicht jede Seite oder jedes von Gott beglaubigte Wort des Alten und Neuen Testamentes eine verlässliche Wegweisung für das menschliche Leben“ (RB 73,3).
„34 Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen. 35 Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.“
Führt uns die geteilte lectio divina dazu, mit Jesus aufzuerstehen? Wäre das nicht auch der Weg zur Auferstehung für unsere Gemeinschaften? Werden wir in der geteilten lectio divina nicht Zeuge der Begegnung mit Jesus und der Einsicht in den Willen Gottes, des Vaters, durch den Heiligen Geist?
Ist das nicht die Bedeutung des „Suscipe me“ in unseren Gemeinden: „Nimm mich auf, Herr, nach deinem Wort, so werde ich leben, und enttäusche mich nicht in meiner Hoffnung“ (Psalm 118,116)?
Herr!
indem wir dein Wort teilen,
erkennen wir dich im Brot des Lebens
und in der Geschichte unserer Erlösung!
Amen.
Ein bescheidener Anfang des synodalen Weges im Trappistenorden
2
Perspektiven
Bernardus Peeters OCSO
Generalabt der Trappisten
Ein bescheidener Anfang des synodalen Weges
im Trappistenorden
Am 11. Februar 2002 wählte mich das Generalkapitel des Ordens der Zisterzienser von der Strikten Observanz in Assisi (Italien) zu seinem neuen Generalabt. Es war ein Ereignis, das in einer beeindruckenden Atmosphäre der Synodalität stattfand, ohne dass dieses Thema explizit angesprochen wurde. Die Zusammenfassung, die am Ende dieses ersten Teils des Kapitels vorgelegt wurde, fasste die Erfahrung wie folgt zusammen: In diesem Kapitel „erkennen wir, dass keine Lösung Hoffnung geben kann, wenn sie nicht den Beginn eines gemeinsamen Weges markiert, eines synodalen Weges, in dem wir Einheit und Energie in der Nachfolge Christi, des Weges, der Wahrheit und des Lebens, finden, der uns dazu aufruft, ihm in Liebe und Vertrauen zu folgen.“
Obwohl die Synodalität kein explizites Thema war, lag sie natürlich in der Luft, da wir Teil einer Kirche sind, die voll und ganz in den synodalen Prozess eingebunden ist, der zur Bischofssynode im Jahr 2023 führen wird. Der neue Generalabt und sein Rat wurden daher gebeten, den synodalen Weg im Orden zu initiieren. In den letzten Monaten habe ich damit begonnen.
Da wir planten, den zweiten Teil unseres Generalkapitels im September 2022 zu feiern, sagte ich den Oberen nach meiner Wahl, dass ich gerne alle regionalen Treffen besuchen würde, die in der Zwischenzeit stattfinden würden, um die Oberen des Ordens besser kennenzulernen, aber auch um zu hören, was sie zur Zeit für das Leben des Ordens für wichtig erachten. So hatte ich mich selbst festgelegt und verließ am 20. Mai Rom für eine sechswöchige Reise, um an verschiedenen Regionaltreffen in England, Belgien, Frankreich, Kanada, den Vereinigten Staaten und Spanien teilzunehmen. Der Schwerpunkt lag mehr auf den Treffen der Oberen und weniger auf dem Besuch einzelner Gemeinschaften, obwohl auch einige Gemeinschaften während dieser Reise besucht wurden.
Zuvor hatte ich die Regionalversammlungen gebeten, ihre Träume über die Zukunft des Ordens untereinander und mit mir zu teilen. Damit diese Träume nicht unrealistisch sind, habe ich sie auch gebeten, mitzuteilen, wie sie die Verwirklichung dieses Traums im Geist einer synodalen Kirche sehen, in der Partizipation und Mitverantwortung wesentlich sind (Vorbereitungsdokument, 20 und VIII). Hören wir mit dem Heiligen Geist, der uns das Charisma gegeben hat, das wir haben, durch das Wort und die Tradition, in dem Wunsch nicht nach einem anderen zisterziensischen Leben, sondern nach einem azisterziensischen Leben, das anders ist.
Ich bin auf diese Frage gekommen, weil ich während des ersten Teils des Generalkapitels das Büchlein von Papst Franziskus „Let us dream. The path to a better future“ (Simon & Schuster, New York, 2020) gelesen hatte. Er schrieb dieses Büchlein inmitten einer Pandemie und behauptet darin, dass Träume uns aus der Krise helfen können. Auf dreifache Weise helfen uns Träume, uns der Realität zu stellen und Öffnungen in eine neue Zukunft zu sehen. Sehen – Wählen – Handeln sind die drei Schritte, die wir ausgehend von unseren Träumen gehen müssen.
Es ist an der Zeit, groß zu träumen, unsere Prioritäten zu überdenken – was wir schätzen, was wir wollen, was wir suchen – und uns zu verpflichten, in unserem täglichen Leben nach dem zu handeln, was wir geträumt haben. Was ich in diesem Moment höre, ähnelt dem, was Jesaja von Gott zu hören bekommt: „Komm und lass uns diskutieren, spricht der Herr. Lasst uns wagen zu träumen.“ (Prolog)
Dies erwies sich als gutes Werkzeug für die Oberen, um auf eine völlig neue Art und Weise miteinander zu sprechen. Normalerweise sind regionale Treffen dadurch gekennzeichnet, dass Berichte über die Situation in den Gemeinschaften ausgetauscht werden. Oft bleibt dies sehr äußerlich, denn sich gegenseitig verwundbar zu machen, bleibt selbst für Obere eine schwierige Aufgabe. Bei allen regionalen Treffen während meiner Reise war die Erfahrung dieselbe, dass das Teilen der Träume jedes Einzelnen die Anwesenden auf eine andere Ebene brachte. Es gab keine Versuche, einander zu widersprechen oder die Träume des anderen herauszufordern. Nur eine Übung des Zuhörens, mit Respekt vor dem Sehen, dem Wählen und dem Handeln. Die Absicht ist, dass ich all diese Träume zusammenbringe und von dort aus eine Eröffnungsrede für den zweiten Teil unseres Generalkapitels im September halte. Dieser Traumprozess ist ein erster Schritt in dem synodalen Prozess, den wir im Orden begonnen haben. Er hat sehr zaghaft begonnen, denn ist Träumen nicht unrealistisch? Aber mittlerweile haben viele Gemeinschaften das Thema aufgegriffen und bereits begonnen zu träumen und den Träumen anderer zuzuhören. Auf dem synodalen Weg werden noch weitere Schritte nötig sein, aber wir haben Zeit.
Man hört oft, dass das monastische Leben von Natur aus synodal ist. Ja, das ist sicherlich wahr, aber wie ich am Ende des ersten Teils des Generalkapitels sagte, ist es manchmal gut, das, was man hat, wiederzuentdecken. Und seien wir ehrlich, die Synodalität mag in unseren Strukturen vorhanden sein, aber nutzen wir sie wirklich?
„Es stimmt, das Zuhören ist in der Regel allgegenwärtig, aber hören wir wirklich auf Gott in unserem Gebet, unserer Lectio und unserer Arbeit? Sind wir als Obere gute Zuhörer füreinander in der Gemeinschaft, oder hören wir nur einer ausgewählten Gruppe von Brüdern oder Schwestern zu? Es ist leicht zu sagen, dass wir den Jüngeren zuhören, aber ist das wirklich die Realität? Wie hören wir auf unsere Ortskirche, zu der wir gehören? Wie steht es mit unserem Gehör für die Menschen, die an unsere Türen klopfen? Sind sie wirklich Christus für uns oder stören sie uns nur? Dieses Generalkapitel hat mich davon überzeugt, dass wir die Fähigkeit haben, zuzuhören. Dies ist möglich, weil wir durch unsere Taufe ausnahmslos diese Gabe des Heiligen Geistes erhalten haben. Sie wurde durch unsere Firmung bestätigt und wird täglich durch die Eucharistie genährt. Mein Traum für uns alle wird es sein, dass wir zu wahren Zuhörern werden! Aber Vorsicht, das erfordert von uns allen Bekehrung!“ (Abschlussrede zum 1. Teil des Generalkapitels 2022).
Es ist noch zu früh, um Schlussfolgerungen aus dieser Reise durch die Träume der verschiedenen Regionalgruppen zu ziehen. Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich noch einige weitere besuchen, und darunter befinden sich auch die drei großen Regionen der südlichen Hemisphäre. Eine Zusammenfassung oder ein Fazit wäre daher verfrüht und würde nicht von einer synodalen Haltung zeugen. Und dies um so mehr, als ich den Ehrgeiz habe, diese Regionen stärker in die Richtung einzubeziehen, die der Orden einschlagen soll.
Diese erste große Reise bestätigt das allgemeine Gefühl des ersten Teils des Generalkapitels, dass wir mehr Aufmerksamkeit auf ein persönliches und gemeinschaftliches Wachstum vom „Ich“ zum „Wir“ richten müssen. Maria weist uns den Weg, wie es sich für gute Zisterzienser gehört. Am Ende des ersten Teils des Generalkapitels überreichte ich den Oberen die Ikone von Maria, der Jungfrau der Stille, als Mittel, um auf dem synodalen Weg gut begleitet zu werden und im Zuhören die drei Bewegungen dieser Ikone zu leben: Haltet inne, werdet still und lebt in der Erwartung!
Benediktsregel und Synodalität
3
Perspektiven
Andrea Savage OSB
Äbtissin von Kloster Stanbrook (England)
Benediktsregel und Synodalität
Vortrag auf der Delegiertenkonferenz der
Communio Internationalis Benedictinarum (CIB),
23 Mai 2022
Synodalität ist in der heutigen Zeit sehr aktuell. In der katholischen Kirche sind wir in den Prozess eingebunden, der uns zur Bischofssynode im Herbst 2023 führen wird. Wir sind alle gemeinsam auf dem Weg. Papst Franziskus hat jeden Getauften dazu eingeladen, an einer Zeit des Hörens auf den Heiligen Geist und auf unsere Brüder und Schwestern in der Menschheit teilzunehmen.
Der gemeinsame Nenner zwischen der Regel Benedikts und der Synodalität ist das Wort „Hören“ wie auch das Wort „Gemeinschaft“. Die Regel beginnt mit dem Wort „Hören“ und dieses Hören steht im Mittelpunkt von allem, was Benedikt schreibt. Im Zentrum steht unser Hören auf den Willen Gottes, der uns während unseres gesamten monastischen Lebens leitet, im Gebet, in der lectio divina, durch unsere Schwestern und Brüder und in der Arbeit, die wir in der Gemeinschaft zu verrichten haben.
Wir alle lernen nach und nach, was es bedeutet, eine synodale Kirche zu sein. Papst Franziskus beschreibt es kurz und knapp in seiner Ansprache zum 50. Jahrestag der Einrichtung der Bischofssynode im Oktober 2015:
„Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Hörens, in dem Bewusstsein, dass solches Hören mehr ist als akustisches Wahrnehmen. Es ist ein gegenseitiges Zuhören, bei dem jeder zu lernen hat. Das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom: Jeder hört auf den anderen, und alle hören auf den Heiligen Geist, den ,Geist der Wahrheit‘ ( Joh 14,17), um zu wissen, was er den Kirchen sagt (Offb 2,7).“
Ich möchte hinzufügen, dass eine synodale Kirche sehr benediktinisch sein würde. In der Regel gibt es viel, was die Kirche übernehmen und anwenden kann in der Kunst, einander und Gott zuzuhören. Und in der Tat zitiert das vom Vatikan produzierte Vorbereitungsdokument für die Synode 2023 RB 3,3 über die Berufung der Gemeinschaft zu gemeinsamer Beratung:
„Dass alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“ (RB 3).
Dies ist ein Prinzip, das wir in der gesamten Kirche im synodalen Prozess und in unserem Zuhören anwenden sollten. Grundsätzlich sind wir dazu aufgerufen, einander zuzuhören, um zu erkennen, welcher Weg der richtige ist. Wir sind gemeinsam auf dem Weg, um zu hören, was der Heilige Geist zum Volk Gottes, zu allen Getauften, sagt. Das bedeutet, allen eine Stimme zu geben. Wenn die Menschen keine Stimme haben, werden sie frustriert und fangen an zu murren, und wir alle wissen, was Benedikt über das Murren zu sagen hat. Es ist das Einzige, was er verabscheut! Er sagt uns (RB 4,39): „Nicht murren.“ Obwohl wir in RB 6 auch ermutigt werden, zu schweigen, selbst bei guten Worten, gibt es in der Regel ein Gleichgewicht zwischen den Zeiten, in denen wir reden sollen, und den Zeiten, in denen wir schweigen sollen.
Das Schweigen ist dazu da, damit wir die Stimme des Herrn hören, die uns den Weg des Lebens zeigt, und das tun wir in der Stille unseres Gebets und unserer lectio divina, aber auch im Hören auf unsere Schwestern und Brüder, im Beispiel, das sie uns geben. Bei all dem lernen wir, klug zu unterscheiden (discretio), wann wir sprechen und wann wir schweigen sollten. Wie oft finden wir in den Gemeinschaftskapiteln, dass diejenigen, die selten sprechen, am meisten zu geben haben?
Dies bewahrt uns auch vor den versteckten Anliegen und Planungen, die wir alle haben. Wenn wir in Gemeinschaftstreffen Themen ansprechen, müssen wir darauf achten, dass unsere persönlichen Anliegen nicht das Wirken des Heiligen Geistes blockiert, weil wir nicht innerlich offen sind.
Wie wir wissen, weist uns die Benediktsregel das Evangelium als Richtschnur an; ich bin kürzlich dazu übergegangen, die Emmaus-Geschichte als Illustration der Synodalität am Werk zu sehen. Es war zunächst einmal eine Reise zu Fuß, aber es war auch eine spirituelle Reise. Man könnte es als die Geschichte eines klösterlichen Kapiteltreffens im Kleinformat beschreiben. Alle Elemente sind vorhanden: die beiden Jünger – die Gemeinschaft, Jesus – der Abt, und sie besprachen eine aktuelle Angelegenheit. Kehren wir zur Geschichte zurück, wie sie sich abspielt. Die beiden Jünger sind offensichtlich sehr niedergeschlagen, denn sie hatten gehofft, dass Jesus derjenige sein würde, der Israel erlösen würde (Lukas 24,21). Sie hatten sich gewünscht, dass er der Messias sei, der Israel befreien würde. Das tat er auch, aber nicht ganz so, wie sie es erwartet hatten und nicht gemäß ihrer eigenen Planung:
„25 Da sagte er zu ihnen: Ihr Unverständigen, deren Herz zu träge ist, um alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. 26 Musste nicht der Christus das erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen? 27 Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ (Lukas 24,25-27)
Die Jünger öffneten ihre Herzen und hörten zu. Wir wissen, dass sie zuhörten, weil sie bereit waren, sich zu verändern. Jesus hat nicht nur Israel, sondern die gesamte Menschheit befreit. Erst als sie am Tisch sitzen und er das Brot nimmt, es segnet und bricht, gehen ihnen die Augen auf; dann erkennen sie, wer zu ihnen gesprochen hat, aber Jesus ist verschwunden. Sie fragten sich: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ Sehr oft, wenn wir zusammenkommen, um wichtige Angelegenheiten zu besprechen, ermöglichen unsere Offenheit und unsere Bereitschaft zuzuhören, dass der Heilige Geist seine Arbeit tun kann.
Ich erinnere mich an die Zeit, als unsere Gemeinschaft Ende der 1990er Jahre den Weg nach vorne erkannte. Die Frage, die wir uns alle stellen mussten, war, was uns das Leben schenken würde. Wenn Sie mich 1996 gefragt hätten, ob ich umziehen und ein neues Kloster bauen möchte, wäre meine Antwort ein schallendes Nein gewesen. Was hat sich geändert? Es begann damals ein Prozess der Unterscheidung zusammen mit der gesamten Gemeinschaft, wobei zum ersten Mal Moderatoren eingesetzt wurden. Es war nicht das, was ich als durchschlagenden Erfolg bezeichnen würde, aber es ermöglichte uns, miteinander zu reden und einander zuzuhören. Wir erhielten alle möglichen professionellen Hilfen auf praktischer Ebene: Finanzexperten, Architekten etc. Wir hörten uns an, was sie zu sagen hatten. Wir erhielten auch ausgezeichnete geistliche Ratschläge von innerhalb und außerhalb unserer eigenen Kongregation. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass unsere gesamte gewohnte Sichtweise umgestürzt wurde. Es kam der Moment, in dem wir die ausgetretenen Pfade verlassen mussten!
Unsere ursprüngliche Vision bestand lediglich darin, unser Kloster anzupassen und zu verändern. Mutter Joanna Jamieson, die damalige Äbtissin, beschloss jedoch dann, unsere Vision nicht einzuschränken, sondern uns zu erlauben zu träumen. „Träumen Sie vom benediktinischen Leben der Frauen in Großbritannien im 21. Jahrhundert und wenden Sie es auf das Leben unserer Gemeinschaft an.“ So beschlossen wir, alle Optionen zu prüfen, die sich uns bieten könnten. Am Ende hatten wir fünf Optionen. Das war der Moment, in dem ich spürte, dass sich alles verändert hatte. Die Erlaubnis zu träumen hat mich befreit; die Fenster wurden geöffnet und der Heilige Geist durfte eintreten. Einige Ratschläge von Mutter Joanna halfen mir ebenfalls: „Gott ist in den Tatsachen zu finden.“
Wenn ich jetzt auf den Weg zurückschaue, den wir gemeinsam als Gemeinschaft gegangen sind, so muss ich sagen: Wir haben viele Pläne gemacht, die im Papierkorb gelandet sind. Gott hat uns aber dazu gebracht, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Wir haben viel aus unserer gemeinsamen Reise gelernt, es gab viele Höhen und Tiefen. Wir haben Fehler gemacht, aber vor allem sind wir zusammen als Gemeinschaft stärker geworden. Wir haben gelernt, gemeinsam zuzuhören, aber wir waren auch bereit, uns zu verändern. Der Spruch des heiligen John Henry Newman kam mir in den Sinn: „Leben heißt sich ändern, und vollkommen sein heißt, sich oft geändert zu haben.“
Mit dem Ohr des Herzens hören
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Perspektiven
Jennifer Mechtild Horner OSB
Priorat Beech Grove (USA)
Mit dem Ohr des Herzens hören
Benediktsregel und Synodalität
Am 10. Oktober 2021, dem Beginn des synodalen Prozesses, hielt Papst Franziskus eine Predigt, in der er die notwendigen Elemente dessen beschrieb, was eine Synode sein sollte. Papst Franziskus sagte, Synodalität bedeute zu feiern, dass wir gemeinsam auf demselben Weg gehen. Indem er untersuchte, wie Jesus mit anderen ging, enthüllte Papst Franziskus die drei Wege, die wir als Gemeinschaft von Gläubigen gemeinsam beschreiten sollen. Wir sind aufgerufen, zu begegnen, zuzuhören und zu unterscheiden. Als ich die Predigt von Papst Franziskus hörte und später nochmals las, war ich beeindruckt von der Art und Weise, wie er die benediktinische Lebensweise beschrieb, ohne sie beim Namen zu nennen.
Die klösterliche Lebensweise ist wirklich ein Weg der Begegnung. Durch die Begegnung hoffen wir, im Vertrauen zu wachsen, im Vertrauen zu Gott und zueinander. Diese Begegnung findet täglich auf dem Gelände des Klosters statt, wenn eine Schwester eine andere Schwester trifft. Diese Begegnung lädt jede Nonne ein, sich für die anderen zu öffnen, indem sie in ihrem Herzen Platz für die Bedürfnisse und die Blicke der anderen macht. Durch den Alltag jeder Begegnung öffnet sich eine Schwester für die Möglichkeit der Umkehr, indem sie den Mut hat, zu sprechen, und die Demut, zuzuhören. Jede Begegnung wird durch die Tiefe ihres Zuhörens geformt. Es ist die Tiefe des Zuhörens, die uns verändert und uns zur Umkehr führt.
Indem Benedikt seine Regel mit dem Wort „obsculta“ – „höre“, beginnt, macht er deutlich, wie wir als Nonnen unser Leben miteinander leben sollen. Wir sind aufgerufen, „zu hören, mit dem Ohr unseres Herzens“. Im Zuhören, im gegenseitigen Aufeinanderhören, ist eine Gemeinschaft auf dem Weg zu Gott. Es ist dieser gemeinsame Weg, der uns dorthin führen wird, wohin wir berufen sind – zum Herzen Gottes selbst. Es geht darum, einander zuzuhören, damit wir wirklich hören können, was Gott zu uns sagt. Es geht nicht darum, dass nur einige zuhören, sondern vielmehr darum, dass alle zuhören. Unser Charisma der Gastfreundschaft führt uns noch einen Schritt weiter. Durch unser Charisma der Gastfreundschaft sind wir dazu berufen, denen zu begegnen, die außerhalb des Klosters sind, und auch denen tief zuzuhören, die wir vorfinden oder die ins Kloster kommen, um Rat und Hilfe zu suchen.
In Kapitel 3 der Regel sagt Benedikt der Äbtissin/Vorsteherin, dass sie jedes Mal, wenn eine wichtige Entscheidung getroffen werden muss, die ganze Gemeinschaft einberufen soll, damit jedes Mitglied gehört werden kann. Es ist dieser gegenseitige Austausch innerhalb der Gemeinschaft, der den Kern von Papst Franziskus’ Verständnis von Synodalität bildet. Nach Papst Franziskus müssen alle gehört werden, nicht nur einige wenige. Dies kann sich deutlich von dem unterscheiden, was in der Welt und manchmal sogar in der Kirche getan wird. Das macht den Aufruf von Papst Franziskus zu dieser Synode zu einem echten Geschenk für unsere Kirche. Nicht nur der Klerus ergreift das Wort, sondern alle, damit die Stimme Gottes in der ganzen Kirche widerhallen kann.
Obwohl Benedikt möchte, dass jeder gehört wird, nimmt er sich in Kapitel 3 die Zeit, die Art und Weise zu benennen, wie jede Schwester ihre Stimme teilen soll, wenn sie zu einer Beratung zusammenkommt. Jedes Mitglied soll mit Demut sprechen, ohne stur seine Meinung zu vertreten. Natürlich findet jede Teilung im Rahmen der Regel statt und sollte nicht von ihr abweichen. Die Mitglieder sollen nicht dem Wunsch ihres eigenen Herzens folgen und dürfen der Äbtissin/Vorsteherin nicht mit herausfordernd begegnen. In Kapitel 69 macht Benedikt sehr deutlich, dass sich niemand anmaßen darf, einen anderen zu verteidigen. Jedes Mitglied muss für sich selbst sprechen. Die Form dieses Austauschs ermöglicht es jedem Mitglied, tief zu teilen, aber nicht in einer Weise, die der Gemeinschaft schaden würde. Wenn man um Rat gefragt wird, kann man, wenn man einander zuhört, die Bewegung des Geistes erkennen. Die Äbtissin/Priorin muss ihrerseits tief zuhören und über das Geteilte nachdenken, um eine Entscheidung treffen zu können. Diese Entscheidung wird nicht leichtfertig getroffen, sondern so, dass sie eine Gemeinschaft aufbaut und ihr Frieden bringt.
Während Benedikt sicherstellen wollte, dass jeder, von den Jüngsten bis zu den Ältesten, gehört wird, schafft er damit keine Demokratie. Ja, jeder sollte gehört werden, aber nachdem eine Entscheidung getroffen wurde, ist jede Schwester zum Gehorsam aufgerufen. Benedikt wusste, dass Entscheidungen getroffen werden müssen und dass nicht jeder immer das bekommt, was er will. Wie oft haben wir schon die Worte gehört: „Du hast mir nicht zugehört“ oder „Ich wurde nicht gehört“? Die Wirklichkeit sieht so aus, dass diese Person durchaus angehört wurde, aber einfach nicht das bekommen hat, was sie unbedingt wollte. Ich weiß, dass wir uns sicherlich manchmal schuldig gefühlt haben, wenn wir einer solchen Haltung begegnen. Es ist schwierig, das zu teilen, was in unseren Herzen ist, und festzustellen, dass die Gemeinschaft sich berufen fühlt, in eine andere Richtung zu gehen. Das ist das Zuhören und Unterscheiden der Gemeinschaft. Wir müssen unsere Stimme anbieten, auf die Stimme der anderen hören und dann offen sein für die Stimme der Gemeinschaft als Ganzes. Nur wenn wir unseren eigenen Willen aufgeben können, sind wir in der Lage, auf den Geist in unserer Mitte zu hören. Um in dieser Hinsicht zu wachsen, müssen wir die Erfahrung gemacht haben, dass unsere Stimme ernst genommen wird. Wenn wir das einmal erlebt haben, können wir lernen, im Vertrauen zu wachsen.
Bei der Berufung zur Synodalität spielt die Äbtissin/Priorin eine wichtige Rolle. Sie muss mit dem Ohr ihres Herzens tief in das hineinhorchen, was in den Herzen der einzelnen Mitglieder vorhanden ist. Natürlich geschieht dies, wenn die Gemeinschaft aufgerufen wird, sich zu einer Beratung zu versammeln. Aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass dies auch zu anderen Zeiten geschieht. Tatsächlich ist das gesamte klösterliche Leben ein Aufruf zur Synodalität. Tag für Tag sind wir als Mönche/Nonnen dazu aufgerufen, gemeinsam auf demselben Weg zu gehen. Wir sind dazu aufgerufen, einander zuzuhören, nicht nur bei Kapitelssitzungen, sondern während unseres gesamten gemeinsamen Lebens. Wir sind dazu berufen, immer im Modus des Zuhörens zu sein, wenn wir die Psalmen singen, die Mahlzeiten am gemeinsamen Tisch teilen, während der Zeit der Handarbeit und während der Erholungszeiten. Jedes Mal sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam denselben Weg zu gehen. Jeder Augenblick gibt uns die Gelegenheit zuzuhören, und dieses tägliche Zuhören ermöglicht es uns, tiefer zuzuhören, wenn wir als Kapitel zusammenkommen. In diesem täglichen Zuhören wachsen wir im Vertrauen zueinander. Deshalb sprach Benedikt so eindringlich über das „Murren“. Murren ist das Gegenteil von Zuhören. Über eine andere Schwester zu murren, bedeutet in gewissem Sinne, ihren Namen vergeblich auszusprechen. Es ist ein Bruch und keine echte Beziehung zum anderen. Synodalität kann nur stattfinden, wenn wir in der Lage sind, die anderen zu ermutigen und damit zu beginnen, im Vertrauen zu wachsen.
Die Äbtissin/Priorin muss daher die Gemeinschaft zu einer tiefen Liebe füreinander aufrufen. Sie muss einen sicheren Raum schaffen, in dem man reden kann und gehört wird und in dem Unterschiede eher akzeptiert als gefürchtet werden. Sie muss die Liebe fördern und die Bitterkeit zurückweisen, damit der gute Eifer in der Gemeinde überwiegt und der schlechte Eifer zurückgedr.ngt wird. Während wir diesen Weg gemeinsam gehen, ist das Ziel für alle das gleiche. Um in den Worten Benedikts zu sprechen: „Sie sollen nichts Christus vorziehen, der uns alle gemeinsam zum ewigen Leben führen möge“.
Die Synodalität in der benediktinischen Lebensweise geht über die Mauern der einzelnen Klöster hinaus und wird auch auf andere Weise gelebt. In dem Maße, in dem sich Gemeinschaften zu Föderationen oder Kongregationen zusammenschließen, entwickelt sich eine andere Form der Synodalität. Solche Gemeinschaften unterstützen sich gegenseitig und werden durch ihren Austausch solidarischer, als sie es als Einzelne sein könnten. Gemeinsam verwalten alle das benediktinische Charisma, insbesondere bei der Weitergabe von einer Generation zur nächsten.
Eine weitere Erfahrung von Synodalität findet sich in der „Internationalen Gemeinschaft der Benediktinerinnen“ (CIB). Das erste Treffen der CIB, an dem ich teilnahm, fand in Südkorea statt. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, an den Moment, als ich im Kloster in Daegu ankam. Ich war ein wenig nervös, weil ich noch nie zuvor an einer solchen Versammlung teilgenommen hatte. Die koreanischen Schwestern empfingen uns mit offenen Armen. Wir kamen aus verschiedenen Ländern, sprachen verschiedene Sprachen, hatten verschiedene Kleidungsformen und waren doch alle Benediktinerinnen. Ja, einige waren Schwestern, andere Nonnen und einige unserer Bräuche waren aufgrund unserer Kultur anders, aber unser Wesen war dasselbe. Wir sind Benediktinerinnen im Geiste. In den Tagen, in denen wir zusammen waren, hörten wir tief zu und tauschten unsere Ansichten und Vorschläge mit Respekt und im Schwung der Gnade aus. Wir kamen als Fremde, gingen aber als Freundinnen. Da wir gemeinsam denselben Weg gehen, wird die IBC zu einem Ort, an dem wir zusammen wachsen und unser Charisma mit der Welt teilen können.
Ich bin sicher, dass wir alle Erfahrungen mit Synodalität in unseren eigenen Gemeinschaften, Föderationen, Kongregationen und der Communio Internationalis Benedictinarum gemacht haben. Manchmal fällt es leicht, manchmal scheint es schwierig, und doch ist Synodalität immer notwendig, wenn wir in der benediktinischen Lebensweise wachsen wollen. Sie ist ein Geschenk, das wir mit der Welt teilen müssen. Lassen Sie uns dies mit Mut und Entschlossenheit tun!
Die Gemeinschaft von Tibhirine, Beispiel für Synodalität
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Perspektiven
Marie-Dominique Minassian[1]
Universität Fribourg
Die Gemeinschaft von Tibhirine[2]
Beispiel für Synodalität
„Das Thema Synodalität ist kein Kapitel aus einem Traktat über Ekklesiologie, noch weniger ein Schlagwort oder ein neuer Begriff, den wir in unseren Sitzungen verwenden oder ausbeuten können. Nein! ,Synodalität‘ drückt das Wesen der Kirche aus, ihre Form, ihren Stil, ihre Sendung.“3
In einer Ansprache an die Diözese von Rom erklärte Papst Franziskus in einfachen, aber treffenden Worten diese Einsicht, die er in der ganzen Kirche zum Leben erwecken möchte: Synodalität sagt etwas über uns selbst aus, über unsere Identität, über unsere Beziehungen, die wir ermutigen müssen, in uns zu wachsen.
Eine synodale Kirche ist eine Kirche, die zuhört, die ein Bewusstsein des Zuhörens hat. Es ist ein gegenseitiges Zuhören, bei dem jeder etwas zu hören hat.4 Um das Modell der Synodalität, das er in der Kirche fördern möchte, zu verdeutlichen, verweist Papst Franziskus auf die Person eines Heiligen, der ihm sehr am Herzen liegt, nämlich Franz von Assisi: „Er war aufmerksam für die Stimme Gottes, aber auch für die Stimme der Armen, für die Stimme der Kranken, für die Stimme der Natur. All das hat er in eine Lebensweise verwandelt.“5
Auf das Wort hören
Es gibt eine deutliche Parallele zwischen Franziskus und Tibhirin. Tibhirin ist auch ein Lebensstil, eine Art des Zuhörens. Je länger wir uns mit den Schriften beschäftigen, die uns diese Spiritualität vor Augen führen, desto mehr schätzen wir, was in ihrer Spiritualität an erster Stelle stand, nämlich das Hören auf das Wort Gottes. Für die Mönche ist das nichts Neues. Hier ist ein erster Text von Christian de Chergé, Prior der Gemeinschaft, der uns ein wenig von seiner Erfahrung mit diesem Wort erzählt:
„Das Wort Gottes ist ein Brunnen. Jedes Wort, jedes Wort... In der Wüste unserer Sprache gibt es ,hohle Worte‘, und es gibt auch ,Brunnen‘ (wie ein Wasserhahn mit lauwarmem Wasser, frisch oder warm), das Wort, das von der Zunge gleitet, das Wort, das direkt aus dem Herzen kommt. Jeder, der auf das Wort hören will, wird diese Quelle entdecken. Für jedes überbrachte Wort muss gebohrt werden, muss tief gebohrt werden.“6
In dem Moment, in dem wir uns an den Rand dieses Brunnes wagen, müssen wir uns auf die Dynamik des Wortes einlassen, die diese Worte in uns entfalten können. Stehen wir neben lauwarmem, kaltem oder warmem Wasser? Was ist es, das unsere Worte füllt? Dies ist eine Frage, vor die uns das Wort ständig stellt. Sind wir tatsächlich dieser Ort der Verkörperung des Wortes? Hören wir noch einmal auf Bruder Christian in einem Kapitel an seine Brüder:
„Er [Gott] ist es, auf den wir hören [das Wort]. Er ist es, den wir feiern. Es ist sein Werk, das wir tun wollen. Das bedeutet, dass wir lernen, uns selbst auszulöschen: Wir kleiden uns ganz, ohne Stellung zu beziehen. Das Wort hat das Risiko auf sich genommen, sich uns anzuvertrauen... Nicht, um es in unserem eigenen Sinn zu verschließen (das wäre eine Verleugnung des Sinns), auch nicht in unserer eigenen Art zu lesen, als ob es unsere Aufgabe wäre, es zum Leben zu erwecken. Es hat ein Leben unabhängig von uns. Wir brauchen ihm keinen Atem zu geben... Vielmehr müssen wir spüren, dass es wirklich unser eigener Atem ist.“7
Wenn wir das Buch aufschlagen, ist das, was wir tatsächlich empfangen, der Atem von jemand anderem. Wie bei einem gefüllten Segel sind es nicht wir selbst, die das Boot vorwärts bewegen, es ist der Wind, der Atem. Es liegt an uns, uns zu öffnen und zuzulassen, dass wir von diesem Wind, diesem Atem, der der Geist ist, geformt werden. Bruder Christopher, das jüngste Mitglied der Gemeinschaft, bringt diesen Gedanken auf seine Weise zum Ausdruck:
„Im Wort leben heißt nicht, es brav wie eine auswendig gelernte Lektion zu wiederholen, sondern es zu bewohnen, es Wurzeln schlagen zu lassen, von ihm zu leben, sich von ihm nähren zu lassen, bis man sich ihm anpasst, sich seiner Bewegung, dem Atem, anschließt.“8
Was sollten wir also erwarten, wenn wir die Heilige Schrift aufschlagen? Wir sollten eine Umkehr erwarten, eine tiefe Bewegung der Umkehr zu einer anderen Person, einen Exodus und eine Umkehr. Kehren wir zu Bruder Christian zurück, der in einem anderen Kapitel an seine Gemeinschaft noch einen Schritt weiter geht:
„Zweck der lectio: ein bevorzugtes Mittel in der Schule der Kontemplation und für das Erwecken des ,Glaubens an die Wirklichkeit der Gegenwart Gottes in uns und um uns herum‘. Sie ist ,Quelle des ständigen Gebets‘, das eine Vereinigung des Herzens mit Gott ist, der zum Herzen spricht. ,Entdecke das Herz Gottes im Wort Gottes‘ (Hl. Gregor). Was ist das Ergebnis? Wer liest, wird die Gnade erhalten, dieses Wort in seinem Leben zu verkörpern, und dieses wird dadurch völlig verändert werden. Vgl. die Frage Jesu an den Schriftgelehrten: „Was liest du in der Schrift? Was steht geschrieben?“ Die (französische Bibelübersetzung) sagt sogar: „Wie liest du?“ (Lk 10,26) ... Tu das, und du wirst das Leben haben [...] ,Lasst uns innerlich mit der Schrift übereinstimmen‘, sagt der heilige Bernhard. Isaak von Stella: „Christus sei für uns das Buch, das außen und innen geschrieben ist [...]. Legt den anderen euer Leben zum Lesen vor“! Eine wahre Askese des Verstandes und des Verhaltens.“9
Dies ist ein langer und sehr verdichteter Text. Einige Elemente daraus seien hervorgehoben. Zunächst einmal: Je mehr wir das Wort Gottes lesen, desto mehr dringen wir in das Geheimnis einer Gegenwart ein, der Gegenwart Gottes in uns selbst. Nach und nach werden wir uns dieser Gegenwart Gottes in uns, aber auch um uns herum immer mehr bewusst. Wir entdecken, dass Gott spricht... und durch andere und durch Ereignisse spricht...
Ein zweiter Punkt, der hervorzuheben ist: Je mehr wir das Wort Gottes lesen, desto mehr empfangen wir die Gnade, das, was dieses Wort uns mitteilen möchte, in unser Leben zu inkarnieren und das, was dieses Wort in unserem Leben verwirklichen möchte, mit anderen zu teilen.
Und schließlich: Teilen Sie mit anderen Ihr Leseerleben. Es scheint mir, dass wir so die Kraft und den Wunsch wiederfinden, Zeugnis zu geben, etwas weiterzugeben, das Gott „atmet“ und andere dazu bringt, die Frage nach der tiefen Quelle unserer Existenz zu stellen. Frère Roger von Taizé hatte dazu einen sehr schönen Ratschlag: „Sprich nicht von Gott, wenn dir niemand Fragen stellt, sondern lebe so, dass man dir Fragen stellt.“
Jeden Tag werden wir durch das Hören herausgefordert. Jeden Tag fragt der Psalmist im Gebet der Vigilien: „Willst du heute auf sein Wort hören?“ (Psalm 94). Es gibt also im Geist eine Kraft, die uns auf den Weg bringt, die uns zum Leben erweckt und die uns wachsam macht gegenüber dem Wort der anderen.
Aufeinander hören
Damit sind wir bei der zweiten Dimension des Zuhörens: dem gegenseitigen Zuhören. Nehmen wir den Faden unserer Überlegungen mit Papst Franziskus auf:
„Der Heilige Geist kennt in seiner Freiheit keine Grenzen und lässt sich auch nicht durch Äußerlichkeiten einschränken. Der Heilige Geist braucht uns. Hört auf den Heiligen Geist, indem ihr einander zuhört“.10
Frère Christian könnte dies kommentieren, wenn er sagt:
„Jeder kann sich an den Bemühungen um die Übersetzung des Wortes beteiligen. Man kann den Heiligen Geist niemals auf einem Foto festhalten. In der Vielfalt unserer Temperamente und unserer Kulturen hat jeder von uns etwas über dieses Wort zu sagen, das das Leben eines jeden Menschen ist.“11
Damit diese Übersetzung aktiv bleibt, müssen wir unsere Aufmerksamkeit erweitern, um in den Reichtum des Heiligen Geistes einzudringen, der in jedem Menschen spricht. Lassen Sie niemanden außen vor! Das beginnt schwierig zu werden, weil wir die ganz natürliche Tendenz haben, zurückzuschrecken, wenn wir uns in dem, was andere sagen, nicht wiedererkennen. Um noch einmal Frère Christian zu zitieren:
„Die Menschheit ist durch die Güte berufen, das Universum zu beherrschen, aber wenn wir uns von der Güte abwenden, geben wir der Versuchung und der Illusion der Macht nach. Dieses Bekenntnis zur Güte Gottes führt zur Aufnahme derer, die es teilen: ein solcher Mensch ist das Fleisch meines Fleisches. Gott braucht meine Bekehrung zum Anderen, um mich weiterhin nach seinem Bild zu erschaffen, als Mann und Frau, von Generation zu Generation.“12
Dieser Abschnitt ist sehr wichtig, da er das Kriterium für die innere Gesundheit unserer Gemeinschaften definiert, die eben in der Fähigkeit zur „Aufnahme des Anderen“ besteht. Grundsätzlich gilt: Je gastfreundlicher ich bin, desto gastfreundlicher sind unsere Gemeinschaften und desto weiter sind wir in diesem Bekenntnis zur Güte Gottes und umgekehrt. Das ist geistige Gesundheit. Es setzt eine ständige Umkehr zum Anderen voraus. Was für eine Voraussetzung! Tibhirine war eine kleine Gemeinschaft, weniger als zehn Brüder, also unmöglich einander zu entkommen! Sie pflegten zu sagen, dass es eine „unmögliche“ Gemeinschaft war, mit starken Temperamenten, unterschiedlichen sozialen Milieus, unterschiedlichen Theologien, unterschiedlichen Haltungen, aber dennoch bildeten sie eine Einheit, eine Gemeinschaft – und was für eine Gemeinschaft! Alles ist möglich in der Verbindung, die der Geist uns anbietet, wenn wir uns auf diese ständige Umkehr zu anderen einlassen.
„Da wir alle aus Fleisch und Blut sind, sind wir alle auf dem Weg, Glieder des Leibes Christi zu sein. In jedem von uns will das Wort Fleisch werden, d.h. jeder Bruder nach dem Fleische kann für mich zum Wort Gottes werden.“13
Wenn wir das Risiko eingehen, dem Evangelium bis zu seinen Wurzeln zu folgen, müssen wir uns auf eine Reise weit weg von unserer Komfortzone einstellen. Dies ist ein Thema, das auch Papst Franziskus am Herzen liegt. Die Peripherien sind nicht nur äußere Grenzen, sie sind auch unsere eigenen inneren Grenzen. Bereiten wir uns also auf eine Reise vor, um bis zum Ende dieser Echos des Wortes zu gehen und zu hören. Das Zweite Vatikanum bietet uns eine interessante Formel. Die Konzilsväter sprachen von den „Samen des Wortes“, die verborgen, aber offen für unser Hören ist. Wir müssen in der Lage sein, es in allem und in jedem Menschen wiederzuentdecken. Es muss betont werden, dass wir unseren Bruder oder unsere Schwester nicht sofort als ein Wort Gottes wahrnehmen können. Das innere Murren, auch wenn es nicht verbalisiert wird, existiert auf der tiefsten Ebene unseres Wesens, und wir müssen darauf achten und wirklich beharrlich sein, um zu diesem Klima der Liebe beizutragen.
Den Ereignissen zuhören
Je mehr wir im Hören auf das Wort Gottes, das uns verwandelt, wachsen, desto mehr hilft es uns, dem anderen zu begegnen und ihn als ein Wort für uns zu sehen. Dieses Hören umfasst die Gesamtheit dessen, was wirklich ist, und alles, was uns widerfährt. Nach und nach werden auch die Ereignisse zu einem wichtigen Wort für uns und unseren Weg zu Gott. Hören wir noch einmal Papst Franziskus:
„Wir müssen über die 3-4% hinausgehen, die die uns Nahestehenden repräsentieren, und in die Ferne gehen, um den anderen zuzuhören, die dich manchmal beleidigen und schikanieren werden. Aber wir müssen auf das hören, was sie denken, ohne uns unsere eigene Meinung aufzudrängen, und dem Geist erlauben, zu uns zu sprechen.“14
Sich auf die 3-4 % zu beschränken, die uns am nächsten sind, bedeutet in Wirklichkeit, sich eines großen Teils der Wirklichkeit zu berauben. Die Idee des Papstes besteht darin, den 96 % zu begegnen, die wir vermeiden, in dem Bewusstsein, dass uns diese anderen wirklich fehlen. Dies hilft uns auch, eine wesentliche Dimension der Kirche, die Katholizität, zu verstehen.
„Es ist unmöglich, ,Katholizität‘ zu verstehen, ohne sich auf dieses weite und einladende Feld zu beziehen, das keine festen Grenzen hat. Kirche zu sein bedeutet, sich auf diese Weite Gottes einzulassen“.15
Dieses Konzept des Eintretens in die Weite Gottes bedeutet, dass wir nicht vorrangig Christen, Muslime oder Buddhisten sind, sondern letztlich und im Wesentlichen Kinder Gottes, und dass es nur ein Lager gibt, nämlich das derer, die Gott liebt. Wir müssen bereit sein, das Leben Gottes von all den anderen zu empfangen, von den 96 %, die außerhalb unseres unmittelbaren Kreises auf uns warten.
Gibt es eine Spur davon in der Geschichte der Mönche von Tibhirine? In dem Rundbrief, der jedes Jahr an die Eltern, Freunde und Förderer der Gemeinschaft verschickt wird, finden wir einige ihrer „Unternehmungen“, die Frucht des Hörens auf ihre Umgebung, manchmal mit überraschenden Ergebnissen:
„Im Kapitel haben wir eine leicht revolutionäre Entscheidung getroffen. Wir haben den Kleinen Schwestern Jesu, die einen sicheren Ort für eine Gemeinschaft der Ruhe und des Gebets suchen, ein kaum genutztes Gebäude angeboten, in das die Kleinen Schwestern der Region, vor allem der Sahara, kommen können, um in der heißen Jahreszeit neue Kraft zu schöpfen. Unsere Klausur wird dadurch natürlich gemischt, aber ihre kontemplative Berufung vervielfacht sich auch (mindestens!). Auf Nachfrage erklärte der Kardinal ohne Umschweife: „Das ist die beste Lösung. Vor fünf Jahren hätte ich Ihnen etwas anderes gesagt. Aber das ist fünf Jahre her, und Sie wären damals nicht einmal auf die Idee gekommen, mir eine solche Frage zu stellen.“16
Ein zweites Beispiel:
„Dieser Ribat (,Verbindung des Friedens‘) besteht seit zehn Jahren und vereint Christen, die auf die spirituelle Dimension des Lebens der Muslime achten und ihr Leben und ihr Gebet mit dem unserer muslimischen Brüder in Verbindung bringen wollen.“17
Ursprünglich handelte es sich um eine Gruppe von Christen, die ihre tägliche Lebenserfahrung mit Muslimen teilen wollten. Schnell schlossen sich ihnen auch Muslime an. Sie trafen sich zweimal im Jahr und arbeiteten in den sechs Monaten zwischen den Treffen persönlich an der Vorbereitung dieses Austauschs. In diesem Jahr lautete die Frage: „Wie lässt sich das geistliche Leben des anderen mit meinem verbinden?“ Dann verbrachten sie zwei Tage miteinander, um die Früchte ihrer Erfahrungen und des tiefen Zuhörens in ihrem täglichen Leben zu teilen.
Eine weitere Besonderheit war die Nutzung eines Teils des Gartens außerhalb der Mauern, um die Erfahrung der Gemeinschaft zu vertiefen. Vier junge Familienväter teilten sich mit den Brüdern die Arbeit und den Verkauf der Produkte. Eine weitere Besonderheit: Muslimische Nachbarn wurden zum Gebet eingeladen, während sie auf den Bau einer Dorfmoschee warteten – eine ganz außergewöhnliche Solidarität des Teilens.
Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Zuhören
Was haben wir von der Gemeinschaft von Tibhirine mitgeteilt bekommen? Wir haben den Finger auf die Wunde gelegt, die mit dem Begriff „ganzheitliches Zuhören“ umschrieben ist. Diese Mönche lehren uns, was mit einem Zuhören gemeint ist, das seinen Ursprung in der offenen, freimütigen und hartnäckigen Aufnahme des Wortes Gottes hat, einer entschlossenen Aufnahme des Wortes, die in uns dieses Zuhören verstärkt und uns in eine erweiterte Fähigkeit versetzt, auf das ganze Leben, seine Ereignisse, seinen Kontext zu hören, und uns so befähigt, alles, was uns widerfährt, im Licht dieser Gegenwart Gottes in jedem von uns neu zu begreifen.
1 Marie-Dominique Minassian ist Schweizer Theologin und unterrichtet an der Universität Fribourg. Sie betreut die Herausgabe der Schriften der Mönche von Tibhirine.
2 Gekürzter Vortrag anlässlich der 150-Jahr-Feier der Pfarrei Vevey vom 5. Mai 2022.
3 Papst Franziskus, Ansprache an die Diözese Rom bei der Diözesanversammlung vom 18. September 2021.
4 Papst Franziskus, Ansprache anlässlich der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Einrichtung der Bischofssynode, 17. Oktober 2015.
5 Fratelli Tutti, 48.
6 Predigt zum 3. Fastensonntag, 14. März 1982. Aus: L’autre que nous attendons , S. 57.
7 Kapitel zum 2. März 1991: Dieu pour tout jour, S. 373.
8 Bruder Christophe, undatierte Anmerkung zur lectio von Joh 8, 31.
9 Christian de Chergé, Kapitel von Samstag, 23. November 1991, in: Dieu pour tout jour , S. 384-385.
10 Papst Franziskus, Ansprache an die Diözese Rom bei der Diözesanversammlung vom 18. September 2021.
11 Christian de Chergé, Kapitel von Dienstag, 14. Juni 1994, in: Dieu pour tout jour , S. 491.
12 Christian de Chergé, Kapitel vom Mittwoch, 23. Juli 1986, in: Dieu pour tout jour , S. 138-139.
13 Christian de Chergé, Predigt zum 22. August 1982.
14 Papst Franziskus, Ansprache an die Diözese Rom, 18. September 2021. 15 A.a.O.
16 Chronik der Hoffnung, 13. Dezember 1977.
17 Rundbrief von 1988.
Herausforderungen des benediktinischen Klosterlebens in Westafrika
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Perspektiven
Thérèse-Benoît Kaboré OSB
Priorat Notre-Dame von Koubri (Burkina Faso)
Herausforderungen des benediktinischen Klosterlebens in Westafrika
Als ich gebeten wurde, im Bulletin einen Einblick in meine Dissertation[1] zu geben, dachte ich an die Herausforderungen des monastischen Lebens in Westafrika, weil sie echte Orte der Provokation sind. Meiner Meinung nach können sie zu einer Reflexion führen, die dem monastischen Leben in Afrika und insbesondere im französischsprachigen Westafrika zugutekommen wird, denn die Herausforderungen fordern uns auf, wachsam zu bleiben und an einer Optimierung unserer Lebensweise zu arbeiten. Denn wenn das monastische Leben vorankommen will, muss es in der Lage sein, sich selbst zu hinterfragen und sich hinterfragen zu lassen. Wir möchten in diesem kleinen Beitrag einige Problematiken hervorheben, die die Verantwortlichen und die monastischen Gemeinschaften in Westafrika wirklich herausfordern müssen.
Der Umgang mit Berufungen
Immer häufiger wird heute von Afrika als einem Brennpunkt für Berufungen in der Kirche gesprochen. Diese Tatsache trifft jedoch nicht auf alle Länder Afrikas und auch nicht auf einige besondere Berufungen wie das monastische Leben zu, das im Übrigen sehr unbekannt ist. In der Tat zieht die Besonderheit dieses strengen Lebens nicht an und die meisten, die an die Klosterpforte klopfen, bleiben nicht dabei. Die Realität ist, dass die große Mehrheit der Klöster mehr als fünfzig Jahre nach der Gründung kaum genügend Mitglieder hat, um eine Neugründung in die Wege zu leiten. Der emeritierte Abt von Koubri, André Ouédraogo, stellt Folgendes fest:
„Wenn ich mir unser Kloster zum hl. Benedikt von Koubri anschaue, das am 11. Juli 2013 sein 50-jähriges Gründungsjubil.um feierte, haben wir von 1963 bis 2013 eine beträchtliche Anzahl von Kandidaten aufgenommen, die auf der Suche nach der monastischen Berufung waren. [...] Wären all diese Kandidaten geblieben, hätten wir mehrere Klostergründungen vornehmen können, sowohl im Inland als auch in anderen Ländern. Aber leider! Heute ist es so, dass von dieser sehr großen Zahl an aufgenommenen Kandidaten nur wenige geblieben sind. Die anderen Klöster in unserer afrikanischen Subregion könnten das Gleiche berichten. Angezogen vom großen Mysterium sind viele Kandidaten eingetreten, aber nur sehr wenige sind geblieben.“[2]
Es stimmt, dass das Klosterleben als Weg des Evangeliums Verzicht und Anforderungen mit sich bringt, die man auf sich nehmen muss, wenn man sich dafür entscheidet. Dennoch muss diese Realität einer großen Anzahl von Austritten die Klöster zu einer Klärung herausfordern, wie sie das monastische Leben führen und es der Außenwelt präsentieren. Auch wenn es nicht darum geht, ein gemischtes Klosterleben zu fördern, sollten ernsthafte Überlegungen angestellt werden, um angemessene Lösungen für diese Frage zu finden. Es geht um die Zukunft des monastischen Lebens in Westafrika. Nach fünfzig Jahren der Gründung sind mehrere Klöster immer noch in Experimentierphasen.
Die Frage der Ausbildung im monastischen Leben
Obwohl sich das Ausbildungsniveau der Kandidaten heute weiterentwickelt hat, bleibt noch einiges zu tun. Viele Kandidaten haben Ausbildungsdefizite, die eine zusätzliche Schulbildung erfordern. Auch wenn der Mönch aus Berufung kontemplativ ist, kommt er nicht umhin, seinen Verstand mit Wissen auszustatten und selbstständiges Denken zu lernen. Das eigentliche Problem besteht darin, das monastische Leben zu verwurzeln. Wie Pater Denis Martin, einer der großen Förderer des benediktinischen Klosterlebens in Afrika, einmal feststellte, „treiben ewige Professen, die nicht das geringste Bildungsniveau haben, dahin, als hätten sie nichts, auf das sie ihr Klosterleben stützen könnten.“ Diese Feststellung ist auch heute noch gültig. Man muss zugeben, dass das Gleichgewicht im Leben eines Klosters ohne eine ernsthafte Förderung der religiösen, aber auch der menschlichen Bildung der Mönche illusorisch ist, vor allem angesichts einer sich ständig verändernden Welt. Dabei geht es nicht nur um die Erstausbildung, sondern auch um die ständige Weiterbildung.
Die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Ordensgelübde
Der afrikanische Mönch übernimmt gewissenhaft und bewusst die Aufgabe, mit seinem ganzen Leben Zeugnis für Jesus Christus abzulegen. Seine monastische Weihe stellt eine Selbstaufopferung dar. Um Christi willen ist er bereit, die kulturellen Werte zu opfern, die den drei evangelischen Räten Keuschheit – Armut – Gehorsam entgegenstehen.
Die Herausforderung des Keuschheitsgelübdes
Das Keuschheitsgelübde ist für den afrikanischen Ordensmann der Ausdruck der grundlegendsten Armut; dieses Gelübde erreicht ihn in seinen wesentlichen symbolischen Darstellungen. Ein kongolesischer Zisterzienser rief in Bezug auf die Entscheidung des Evangeliums für den geweihten Zölibat aus: „Das ist ein Sieg des Christentums in unserem Kulturraum; und es ist ein gewaltiges Wunder!“ Diese Situation ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Unfähigkeit afrikanischer Ordensleute, das Gelübde der Keuschheit voll zu leben. Sie bedeutet nicht, dass sie ein ungeordnetes Sexualleben akzeptiert. Für afrikanische Ordensleute wie für alle anderen Ordensleute auf der ganzen Welt besteht die Anforderung, in der Wahrheit zu dem zu stehen, wozu sie sich freiwillig verpflichtet haben. Für afrikanische Ordensleute gibt es keine halben Sachen. Ihre Keuschheitspraxis um des Reiches Gottes willen muss ein konkretes Zeugnis auch gegen „eine hedonistische Kultur sein, die die Sexualität von jeder objektiven moralischen Norm löst, sie oft auf ein Spiel und ein Konsumgut reduziert und einer Art Vergötterung des Instinkts nachgibt“ (Vita Consecrata 88). Da das Keuschheitsgelübde nicht die Möglichkeit gewährt, wie körperlose Wesen zu leben, dann stellt dieses Gelübde eine Herausforderung und eine Herausforderung für denjenigen dar, der sich darauf einlässt.
Die Herausforderung des Armutsgelübdes
Auf einem Kontinent, auf dem ein großer Teil der Bevölkerung unterernährt ist, über keine angemessene Unterkunft verfügt und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder anderen Einrichtungen hat, die anderswo auf der Welt kostenlos zur Verfügung gestellt werden, können Ordensleute ihr Armutsgelübde nicht auf die leichte Schulter nehmen. Doch wie sollen Ordensleute und vor allem Mönche die Armut umarmen? In der Nähe der Klöster sollten die Menschen verstehen können, dass die Mönche ihr Armutsgelübde leben, indem sie radikal auf das Recht auf individuellen Besitz und auf die persönliche Nutzung der Einkünfte aus ihrer Arbeit verzichten, aber auch indem sie praktizieren, ihren Besitz mit anderen zu teilen. Auf jeden Fall stellt dieser Einwurf einer unserer Ältesten im klösterlichen Leben in Afrika uns alle in Frage: „Mögen unsere Brüder nie sagen können, wenn sie sehen, wie wir Geschäfte abwickeln: ,Wie sehr sie doch das Geld lieben!‘“ Oder dass sie nie die folgende Bemerkung einer Nonne gegenüber ihrer Mitschwester machen können: „Sie denkt daran, Geld zu verdienen, bevor sie an das Heil der Seelen denkt!“
Die Herausforderung des Gehorsamsgelübdes
Dr. Michael Hochschild stellte nach einer Untersuchung in mehreren europäischen Klöstern fest: „Ein Außenstehender möchte Demut und Gehorsam im Klosterleben finden, aber allzu oft sind in Wirklichkeit individuelle Autonomie und Selbstverwirklichung der vorrangige Wert.“[3] Diese Feststellung lässt sich ebenso gut auf die Realität einiger Klöster in Afrika und insbesondere in Westafrika übertragen. Der Individualismus greift um sich und erstickt die Dimension des prophetischen Zeugnisses, die sich auf das Gehorsamsgelübde bezieht, wie auch auf die beiden anderen Gelübde. Dennoch muss es gelingen, Dynamik, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein mit dem Geist des Gehorsams in Einklang zu bringen. Man muss zu einem reifen christlichen Gehorsam gelangen, der den eigenen Willen entmachtet, aber nicht ängstlich, unterwürfig und heuchlerisch ist, oder mit Vorbehalten für die Zukunft wie „Wenn ich erst einmal die ewige Profess habe, kann ich tun und lassen, was ich will.“ Von diesem Standpunkt aus ist es zwingend notwendig, dass die monastische Ausbildung dem Kandidaten hilft, zu einem erwachsenen, überlegten und freiwilligen Gehorsam zu gelangen.
Die Herausforderung
des brüderlichen Lebens
Das brüderliche Leben in der Gemeinschaft bleibt der Kampfplatz des Alltags. Die Herausforderungen sind dort vielfältig und es fehlt nicht an Hindernissen. Eine der Bedrohungen für dieses brüderliche und gemeinschaftliche Leben ist der Individualismus. Wenn man nur an sich selbst und seine Arbeit denkt, wird das Gemeinschaftsleben schnell zweitrangig oder sogar hinderlich für den eigenen Tagesablauf. Tatsächlich gibt es Mönche, die davon überzeugt sind, dass sie anderen einen Dienst erweisen, wenn sie hart und fleißig arbeiten. Allerdings: Inwieweit trifft diese Denkweise zu? Sie interessieren sich weder für andere noch für ihr eigenes Leben. Das Problem ist, dass die Gemeinschaft durch dieses Verhalten ihren Lebensmut verliert, „die Kommunikation verschlechtert sich und in der Folge gibt es immer weniger allgemeines Interesse an der Gemeinschaft.“ In der Tat muss man verstehen, dass das zönobitische Klosterleben in keiner Weise verstanden und gelebt werden kann, ohne die anderen zu berücksichtigen, ohne die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Gemeinschaft zu berücksichtigen. Auch andere Schwierigkeiten können im Gemeinschaftsleben auftreten: Kommunikationsschwierigkeiten, die manchmal mit Generationsunterschieden zusammenhängen, Rivalitäten, Herrschsucht, Mangel an gegenseitigem Zuhören und Empfangen. Auf diesem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen sollte die folgende Bemerkung des Dominikaners Sidbe Semporé uns alle in Frage stellen: „Wir werden als Vorbilder genommen, und wenn man von Heiligkeit spricht, wendet man sich spontan an uns. Aber sind wir überhaupt ernsthafte Christen?“
Die Frage der wirtschaftlichen Autonomie in den Klöstern Westafrikas
Die westafrikanischen Klöster behaupten nach wie vor, dass in Bezug auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens jede Gemeinschaft dank ihrer Arbeit autark sein kann, dass sich aber bei außergewöhnlichen Ausgaben wie z.B. einem Bauvorhaben oder größerem Materialeinkauf ein finanzielles Defizit auftut.[4] Hier gilt es, ein Organisations- und Ausbildungsproblem zu lösen. Das Mönchtum in Afrika kann nicht den Anspruch auf Autonomie erheben und gleichzeitig die wirtschaftliche Frage vernachlässigen. Die wirtschaftliche Zukunft der Klöster in Afrika müsste eingehender untersucht werden. Oft wurden europäische Klöster in Afrika als florierende Wirtschaftsbetriebe präsentiert. Doch es wäre vielleicht auch gut, wenn man einmal europäische Klöster zeigt, die mit einem sehr bescheidenen Haushalt auskommen müssen und verschuldet sind, aber dennoch überleben, auch wenn sie kaum irgendeine Unterstützung nach außen geben können. Auf jeden Fall kann man sich heute nicht mehr nur auf Wohltäter verlassen – sei es die AIM oder eine andere Organisation, oder einzelne Personen, um Maschinen oder Bauten zu finanzieren. Dies stellt die Gemeinden vor die Herausforderung, ein Budget und Abschreibungen für das, was zu ersetzen, einzuplanen.
Apropos Hilfe: Die Klöster in Afrika haben über Jahrzehnte viel von AIM International erhalten. Heute wäre es interessant, über eine Organisation AIM Afrika nachzudenken, wie es Pater Boniface Tiguila, Gründer des Klosters der Inkarnation von Agbang in Togo, in seiner Rede bei der Feier des Goldenen Jubiläums der AIM im Jahr 2011 wünschte. Damit ist nicht beabsichtigt, AIM International abzuschaffen. Vielmehr können und sollen auch die Klöster in Afrika etwas zum Geben und Nehmen beitragen. Intern, in Afrika, kann diese Struktur den Klöstern, die Hilfe brauchen, auch wenn sie noch so klein ist (wir denken an das Witwen-Almosen), helfen. Die Klöster in Afrika können nicht warten, bis sie blühen, bevor sie eine solche Struktur aufbauen. Dieser Vorschlag würde eine besondere Berücksichtigung verdienen. So hoffe ich, dass AIM Afrika bald das Licht der Welt erblicken wird!
Ein Klostermodell für Afrika
Afrika lebt in einer Situation der Armut, die sich nicht verbergen lässt. In einer solchen Situation kann ein strenger Lebensstandard spießig erscheinen. Reichtum, selbst relativ bescheidener Reichtum, der als solcher nicht erkannt wird, erscheint in afrikanischen Augen übertrieben groß. Man muss auf die Entwicklungsbedingungen jeder Region achten und versuchen, dass das kollektive Zeugnis der Armut einer Gemeinschaft die Bevölkerung herausfordert (vgl. Perfectae Caritatis 13; Can. 640). Wenn das monastische Leben prophetisch sein will, ist man gezwungen, diese Realität zu berücksichtigen.
Müssen in diesem Sinne die Gründungen und die Arbeitsweise der Klöster in Westafrika nicht neu überdacht werden? Könnte man in Afrika nicht die Möglichkeit erfinden, das monastische Leben in kleiner Zahl, in kleinen Gemeinschaften voll auszuleben? Ist jede Neugründung zwangsläufig dazu berufen, eine große Gemeinschaft zu werden, damit die Möglichkeit eines authentischen monastischen Lebens gewährleistet ist? Gibt es neben den großen Klöstern des klassischen Typs nicht auch Platz für leichtere Optionen, kleinere Gemeinschaften mit begrenzter Investitions- und Wachstumsperspektive? Solche Fragen wurden bereits beim ersten Treffen der afrikanischen Klosteroberen 1964 in Bouaké in bewundernswerter Weise gestellt.[5]
Eine solche Perspektive erfordert ernsthafte Überlegungen, aber auch gewagte Experimente. Kleine klösterliche Gemeinschaften in der Nähe von Dörfern mit einem Lebensstandard und Wohnraum, der so weit wie möglich dem ihrer Verwandten entspricht, könnten das wahre Gesicht des Mönchtums und das Ziel, das es verfolgt, erkennen lassen. Mit einer weniger erdrückenden Architektur und einer einfacheren Lebensweise werden diese kleinen Gemeinschaften das tatsächliche Zeugnis einer echten Armut ablegen können, die in den Augen all derer, die sie leben sehen, das spürbarste Zeichen der Vergänglichkeit der irdischen Dinge bleiben wird. Als Gebets- und Arbeitsgemeinschaften werden sie eine große Ausstrahlung inmitten der sie umgebenden Bevölkerung haben können.
Die Beziehung des afrikanischen Mönchs zu seiner Familie
Gegenüber ihrer leiblichen Familie erleben afrikanische Ordensleute Freuden und Leiden in einer Weise mit, deren hohes Ideal vollkommener Harmonie durchaus in Richtung ihrer Ordensgelübte gehen. Obwohl sie alles verlassen haben, um Christus nachzufolgen, bleibt es ebenso wahr, dass die Probleme ihrer Familie sie hart treffen. Unter solchen Umständen leiden einige afrikanische Ordensleute aus armen Familien darunter, dass sie sich in einer etwas komfortablen Situation befinden, während ihre Familien sehr ärmlich leben und nicht in der Lage sind, für ihre materiellen Bedürfnisse zu sorgen. Aufgrund dieser Ungleichheit treten einige aus, andere unterschlagen, um ihre Familien zu unterstützen, und wieder andere bleiben zeitlebens verunsichert. So ist zu beobachten, dass oftmals nach einem Familienbesuch Brüder oder Schwestern aufgrund der Probleme und Schwierigkeiten ihrer Familie eine Zeit lang verstört sind. Dies ist ein sehr heikles Thema, das besondere Aufmerksamkeit und eine konkrete Antwort verdient. Die Regel sieht zwar nichts in dieser Richtung vor, aber man kann eine solche Situation nicht ignorieren, die in Afrika ein echtes Problem darstellt.
1. Die in Arbeit befindliche Dissertation soll den Titel tragen: Vie monastique et législation canonique : la question de l’identité bénédictine face aux défis contemporains en Afrique de l’Ouest.
2. Vgl. André Ouédraogo: Chemin pour l’accueil et pour le discernement des vocations dans la vie monastique, in: Ders. und R. Ferrari, “Si revera Deum quaerit”. Linee guida per il discernimento monastico, Parma 2018, S. 46.
3. Michael Hochschild: Autonomie und Gemeinschaft. Untersuchung zu einem prekären Verhältnis im Klosterleben der Gegenwart, in: AIM-Bulletin 46 (2013), S. 28.
4. So zum Beispiel beim Treffen der westafrikanischen Oberen, in: Bericht über die Begegnung vom 20. bis 26. Januar 2014, AIM-Bulletin 47 (2014), S. 89-90.
5. Vgl. André Ouédraogo: Chemin, a.a.O., S. 99-100, schlägt die Einrichtung kleiner Gemeinschaften vor, die mit großen Gemeinschaften verbunden sind. Er denkt auch über ein Mönchtum auf Zeit nach, d.h. ein Mitleben des Klosteralltags für eine begrenzte Zeit, gesteht dann aber selbst, dass ein solches Experiment nur in solchen Gemeinschaften gelingen kann, in denen das Mönchtum bereits tief verwurzelt ist.
Das klösterliche Ökosystem in Frankreich
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Wortschaft und Klosterleben
Marie-Catherine Paquier[1] European Business School Paris
Das klösterliche Ökosystem in Frankreich
Beispiel für ein kooperatives und solidarisches Netzwerk
Das klösterliche Modell inspiriert Unternehmer: gegenseitige Hilfe, Kooperation, kollektive Innovation, solidarischer Vertrieb, faire Preise, Ethik der Produkte und Praktiken, ganzheitliche Ökologie, Nüchternheit in der Kommunikation, Vorliebe für lange Zeiträume bei der Entscheidungsfindung – diese Eigenschaften sind heute für viele kommerzielle Marken erstrebenswert, die nach einem Unternehmensethos streben. Aber wie sieht es wirklich aus, warum inspiriert die wirtschaftliche Organisation, die heute von und für Klostergemeinschaften geschaffen wurde, klassische Unternehmen, die sich doch grundlegend darin unterscheiden, dass für sie die Steigerung des wirtschaftlichen und finanziellen Profits ein Ziel an sich ist? Im Anschluss an die sehr umfangreichen historischen, soziologischen und wirtschaftlichen Untersuchungen[1] die sich mit den Produktions- und Handelsaktivitäten der Klöster im Laufe der Zeit befassen, bieten wir hier einen Einblick in die Organisation des heutigen Ökosystems der französischen Klöster. Dieses Ökosystem, das nach und nach von den Klöstern im Laufe der Zeit aufgebaut wurde, ermöglicht es heute klösterlichen und weltlichen Akteuren, gemeinsam zu arbeiten. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass Mönchsorden, Männer und Frauen, verschiedene Generationen und Sensibilitäten über wirtschaftliche Fragen Hand in Hand arbeiten und gleichzeitig die Tür für verschiedene Partnerschaften mit Laien öffnen. Ein schönes Beispiel dafür, dass die Wirtschaft ein Nährboden für Beziehungen ist! Schauen wir uns an, wie die Klöster von heute ihre Wirtschaft in Netzwerken organisieren, indem sie ihre wirtschaftlichen Entscheidungen nach ihren spirituellen Prioritäten gestalten und nicht umgekehrt.
Wirtschaftliche Entscheidungen, die von der Spiritualität diktiert werden
Die klösterliche Wirtschaft ermöglicht es den Mönchen und Nonnen, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit unter dem Auge Gottes zu verdienen. Diese einzigartige Wirtschaft, die auf der Entmachtung von Gütern und Lasten beruht und manchmal als Laboratorium für alternative Wirtschaftsformen angesehen wird, ermutigt jeden dazu, nach seinen eigenen Möglichkeiten zum Unterhalt beizutragen.[2] Die Arbeitsfähigkeit hängt von der Anzahl der Brüder oder Schwestern im Kloster, ihren Fähigkeiten und der für die Arbeit vorgesehenen Zeit ab, die mit den Zeiten des individuellen und gemeinsamen Gebets in einem Gleichgewicht steht. Es sei daran erinnert, dass die Arbeit der Mönche und Nonnen drei Formen annimmt, die sich aufteilen in Dienste für die Gemeinschaft (Reinigung, Instandhaltung, Kochen, Reparaturen...), klösterliche Gastfreundschaft im Gasthaus (Empfang, geistliches Gehör, Reinigung und Vorbereitung der Zimmer, Servieren der Mahlzeiten...) und eigentliche Erwerbsarbeit (Produktions- oder Dienstleistungswerkstätten, Geschäfte...). Wir interessieren uns hier für diese dritte Form der Arbeit, die sich entweder der Produktion an sich oder ihrer Organisation und Kontrolle widmet, wenn sie von angestellten Laien oder Subunternehmern durchgeführt wird, oder dem Handel in physischen Geschäften oder online.
Die gewinnbringenden Aktivitäten der Klöster sind meist in einer von der Gemeinschaft getrennten Rechtsstruktur zusammengefasst, die auf die jeweilige Aktivität zugeschnitten ist und die Arbeit der Mönche und Nonnen durch eine an die Gemeinschaft gezahlte Ausschüttung entlohnt. Innerhalb der Gemeinschaft wird die Erwerbsarbeit sehr häufig von einem Wirtschaftsrat verwaltet, der sich aus dem Abt oder der Äbtissin, dem Ökonomen und den Verantwortlichen für die verschiedenen Aktivitäten oder Dienste zusammensetzt. Bei wichtigen Entscheidungen wie der Gründung eines neuen Unternehmens, der Verteilung von Aufgaben oder der Gestaltung von Arbeitsplätzen wird die Gemeinschaft nicht nur konsultiert, sondern oft auch in die Entscheidungsfindung einbezogen. Die von den Klostergemeinschaften produzierten und verkauften Produkte umfassen landwirtschaftliche Erzeugnisse, Lebensmittel, Kosmetika, dekorative Kunst, Devotionalien, Bücher und verschiedene Dienstleistungen (Druck, Schneiderei, Restaurierung von Gemälden, Buchbinderei usw.), die über ein Netz physischer und Online-Vertriebspartner verkauft werden, die entweder Mönche oder Laien sind. Die Produktions- und Handelsaktivitäten zusammengenommen liefern die notwendigen Mittel für die Bedürfnisse der Gemeinschaft und ergänzen die Gehälter, sofern vorhanden, sowie Einnahmen aus Gästehäusern und andere Einkommensformen. Die Klöster, die oft zwischen wirtschaftlichen Anforderungen und religiösen und spirituellen Anforderungen hin- und hergerissen sind[3], betreiben ein maßvolles Marketing oder sogar ein De-Marketing[4]: Verkaufen, Herstellen oder mehr verdienen ist kein Ziel an sich, und viele Gemeinschaften zögern nicht, auf kommerzielle Möglichkeiten zu verzichten, um ihre spirituelle Priorität zu wahren.
Die Gemeinschaft als aktives Mitglied eines genossenschaftlichen Netzwerks
Obwohl die Gemeinschaften in ihren Entscheidungen und Konten völlig autonom sind, bleiben sie nicht voneinander isoliert. Um ihre Bemühungen zu bündeln und zu koordinieren, haben die französischen Klöster zum Beispiel vier Vereinigungen gegründet, deren Aktivitäten sich ergänzen und gegenseitig befruchten: „Monastic“[5] für die Ausbildung im Bereich Wirtschaft und die Vergabe der gleichnamigen Marke, „Aide au Travail des Cloîtres“ für die Unterstützung der Verbreitung von Klosterprodukten durch die Marke „Artisanat Monastique“, „La Boutique de Théophile“ für die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Online-Shops und „Liens des Monastères pour le Commerce“ für die Ausbildung und den Austausch von Best Practices zum Thema Shop und Handel. Diese vier klösterlichen Akteure agieren als Sockel zur Unterstützung der Klosterwirtschaft und werden von Ordensleuten und Laien gemeinsam geleitet.
Über die konzertierten Aktionen hinaus gibt es zahlreiche Fälle von Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaften, sowohl bei der Herstellung von Produkten als auch bei deren Vermarktung (jeder Klosterladen verkauft nicht nur die Produkte seiner Gemeinschaft, sondern verkauft auch eine mehr oder weniger breite Palette von Produkten anderer Klöster). Die Zusammenarbeit nimmt auch die Form einer echten kollektiven Intelligenz an: Beratung einer Gemeinschaft bei der Entwicklung eines neuen Produkts oder Vermittlung von Kontakten zwischen zwei Gemeinschaften bei der Herstellung komplementärer Produkte. Darüber hinaus zieht die Vermarktung der Klosterprodukte private weltliche Wiederverkäufer an, die zum Teil echte dauerhafte Partnerschaften eingehen und es den Gemeinschaften ermöglichen, große Herstellungsmengen lange im Voraus zu planen. Schließlich achten die Gemeinschaften darauf, treue Beziehungen zu ihren Lieferanten aufzubauen, die nach Möglichkeit aufgrund ihrer Nähe und der Qualität ihrer Arbeit ausgewählt werden. Die Klosterwirtschaft funktioniert somit wie ein kollaboratives[6], ja sogar kooperatives[7] Ökosystem, in dem monastische und weltliche Akteure nicht nur wirtschaftliche Werte, sondern auch menschliche und spirituelle Solidarität koproduzieren.
Käufer und ihre Suche nach Authentizität als treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung von Klöstern
Auf der Seite der Käufer und Verbraucher von Klosterprodukten, ob fromme Katholiken oder sonstige Interessenten, haben Klosterprodukte von vornherein ein großes Vertrauenskapital, das sich aus einer Aura von Natürlichkeit, Handwerkskunst, Tradition, Authentizität und Spiritualität zusammensetzt. Es hat sich gezeigt, dass Unterstützung und Spenden eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung spielen[8], insbesondere wenn diese in einem klösterlichen Umfeld, in einem Geschäft oder im Internet erfolgt[9]. Die Verbraucher, die von den mittelalterlichen Archetypen des entdeckungsfreudigen und autarken Mönchs geprägt sind, neigen dazu, sich selbst eine idealisierte Geschichte dieser Produkte und ihrer Herstellungsverfahren zu erzählen, selbst auf die Gefahr hin, damit einem Mythos zu verfallen, der nicht der heutigen Realität der Klöster entspricht[10]. Dies ist nicht ohne Gefahr für das Vertrauensverhältnis zwischen den Klöstern und ihren Kunden, und es ist wichtig, die Verbraucher dabei zu unterstützen, die neuen Arbeitsweisen der Klöster zu verstehen. Denn der Rückgriff auf die Mitarbeit von angestellten Laien oder Subunternehmern darf in keiner Weise die Kontrolle der Gemeinschaft über den gesamten Lebenszyklus des Produkts schmälern, von der Konzeption über die Beschaffung der Rohstoffe, die Herstellung, die Verpackung und den Versand bis hin zur Vermarktung.
Die in die gesamte Gesellschaft eingebetteten Klosterwirtschaften haben sich vom primären zum sekundären und schließlich zum tertiären Sektor entwickelt und sind so von der Subsistenzlandwirtschaft und Viehzucht über die Herstellung handwerklicher Produkte zur Erbringung von Dienstleistungen und zum Handel übergegangen. So haben sich die Dienstleistungen immer mehr entwickelt, manchmal auf Kosten der Handarbeit, die in den Zönobitenregeln, von denen die bekannteste die Regel Benedikts ist, hervorgehoben wird. Heute ist der Klosterladen für viele Gemeinschaften, vor allem für die älteren, eine wichtigere Einnahmequelle als die handwerkliche Produktion. Wie in einer Pendelbewegung stellen wir jedoch seit einigen Jahren eine Tendenz zur Rückbesinnung auf die klösterliche Fertigung und Handarbeit fest, selbst auf die Gefahr hin, interessante Tätigkeiten aufzugeben (außer dem Laden, der nach wie vor unverzichtbar bleibt): Reinvestitionen in Werkstätten und Ausbildung der Mönche in neuen handwerklichen Tätigkeiten. Diese Neuausrichtung auf die Herstellung, die manchmal neue Formen von Bündnissen mit Laien erfordert, steht im Mittelpunkt der aktuellen Überlegungen der Gemeinschaften.
Zwänge, die zu Innovationen führen
Schließlich ist die Klosterwirtschaft nicht nur eine Wirtschaft der Bedürfnisse (verdienen, was man braucht), sondern auch die Wirtschaft der Grenzen: Grenzen der Kompetenzen, des Personals, des Raums, der Zeit.... Diese Grenzen, die wir im weltlichen Leben als Einschränkungen betrachten würden, werden von den monastischen Gemeinschaften als Freiheits- und Gestaltungsräume angegangen, die Veränderungen[11] und Innovationen[12] begünstigen. Für die Klöster besteht die Herausforderung darin, die wirtschaftlichen Aktivitäten aufrechtzuerhalten oder zu entwickeln und gleichzeitig die Anpassung an die aktuellen gesellschaftlichen Trends mit der Treue zu den spirituellen Grundlagen des Zönobitenlebens zu vereinbaren. In dieser durch solche Grenzen „geschlossenen“ Wirtschaft ist die Suche nach dem Maß für das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Zeiten, den verschiedenen Aktivitäten und den verschiedenen Orten bwesentlich, um „die bestmögliche Übereinstimmung zwischen der vernünftigen Befriedigung der Bedürfnisse des Einzelnen und der Gruppe, der vernünftigen Mobilisierung der Arbeitskraft und der vor Ort verfügbaren menschlichen Fähigkeiten und dem Dienst an den Menschen zu erreichen“[13]. Die Produktions- und Vermarktungslogik folgt somit einer dreifachen Vermittlung zwischen (1) den Erwartungen der Kunden auf der Suche nach natürlichen, authentischen und spirituellen Produkten, (2) den einzigartigen Wirtschaftsstrategien der Klöster und (3) der internen Abstimmung, um den spirituellen Prioritäten und den religiösen Rechtfertigungen der Arbeit treu zu bleiben: Wie kann man das Internet und die unverzichtbar gewordenen sozialen Netzwerke nutzen und sich gleichzeitig von der Welt zurückziehen, wie kann man alle Bestellungen von Wiederverkäufern erfüllen, ohne das spirituelle Gleichgewicht zu beeinträchtigen, wie und in welchem Umfang kann man mit Laien zusammenarbeiten, was kann man in den Geschäften verkaufen und was nicht, wie kann man die Solidarität bewahren und gleichzeitig die Zahl der Online- Shops vervielfachen, wie kann man das Vertrauen der Verbraucher festigen und gleichzeitig transparent über die neuen Praktiken sein, wie kann man die Aufrufe zur ganzheitlichen Ökologie in die Praxis umsetzen usw.? Diese Fragen treiben heute die Überlegungen des klösterlichen Ökosystems an. Auch wenn die Situationen und Fragen jedes Mal einzigartig sind, sind die Antworten, die der eine oder andere gibt, alle relevant und angemessen, sofern sie das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Reflexion sind, die im Einklang mit den internen und externen Zwängen steht. Es gibt also so viele Ideen und Lösungen wie es Gemeinschaften gibt, ohne kopierfähige Modelle, in einer zuversichtlichen Geisteshaltung, die es ermöglicht, dass die spirituellen Entscheidungen der Gemeinschaft den wirtschaftlichen Entscheidungen vorangehen und nicht umgekehrt.
* M.-C. Paquier, Dr. rer. pol., ist Dozentin an der EBS Paris und assoziierte Forscherin am CNAM Paris. Seit ihrer Dissertation forscht sie zu den Herstellungs- und Handelsaktivitäten von Klöstern. Sie begleitet dabei die Gemeinschaften, ihre Cellerare und Verantwortliche für Werkstätten und Läden bei ihren Veränderungen sowie die klösterlichen Instanzen, die für Herstellungs- und Handelsaktivitäten zuständig sind. Ihre Forschungsergebnisse werden in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Dieser gekürzte Artikel erschien erstmals in der Zeitschrift „Les Amis des Monastères“.
1. Genannt seien: J. Dalarun, Modèle monastique – Un laboratoire de la modernité, éd. CNRS, 2019 ; R. Stark, Le triomphe de la raison. Pourquoi la réussite du modèle occidental est le fruit du christianisme? Paris 2007 ; P. Benoit und K. Berthier, « L’innovation dans l’exploitation de l’énergie hydraulique d’après le cas des monastères cisterciens de Bourgogne, Champagne et Franche-Comté », Actes des congrès de la Société d’archéologie médiévale 6 (1996), p. 58-66 ; D. Hervieu-Leger, Le temps des moines, clôture et hospitalité, Presses Universitaires de France 2017 ; I. Jonveaux, « L’organisation monastique, une entreprise comme une autre ? », Revue droit des religions 5 (2018), 23-38 ; D. Hervieu-Leger, Le temps des moines, clôture et hospitalité, Presses Universitaires de France 2017 ; I. Jonveaux, « L’organisation monastique, une entreprise comme une autre ? », Revue du droit des religions 5 (2018), S. 23-38.
2. Dazu B.-J. Pons., L’économie monastique : une économie alternative pour notre temps, éd. Peuple libre 2018. Vgl. zu dieser Thematik auch das AIM-Bulletin 122.
3. Dazu I. Jonveaux und D. Hervieu-Leger, Le monastère au travail : le royaume de Dieu au défi de l’économie, Bayard 2011.
4. Vgl. S. Lawther, G. B. Hastings und R. Lowry, De-marketing: putting Kotler and Levy’s ideas into practice, in: Journal of Marketing Management 13 (1997), S. 315-325.
5. https://www.monastic-euro.org/.
6 Vgl. J. F. Moore., Predators and prey: a new ecology of competition. Harvard Business Review 71 (1993), S. 75-86.
7. Vgl. E. Laurent, L’impasse collaborative. Pour une véritable économie de la coopération. Les liens qui libèrent (2018): „Die Zusammenarbeit strebt ein Ziel an, das über Nützlichkeit und Effizienz hinausgeht, sie nimmt die Form einer kollektiven Intelligenz an, die das Unerwartete und das Neue entstehen lässt.“
8. Vgl. M. Paquier, Buying monastic products, gift or purchase? in: Journal of Management, Spirituality and Religion 12 (2015), S. 257-286.
9. M. Paquier und S. Morin-Delerm, « Le contexte, un amplificateur d’expérience : le cas de l’achat de produits monastiques en points de vente religieux », in: Décisions Marketing 81 (2016), S. 9-26.
10. M. Paquier und S. Morin-Delerm, « Le silence monastique, ou les vertus de la sobriété en comunication », in: Revue Française de Gestion 45 (2019), S. 91-104.
11. Vgl. dazu den Artikel von I. Jonveaux in AIM-Bulletin 119.
12. M. Paquier und S. Morin-Delerm, « Innover pour rester fidèle à la tradition, le cas de l’écosystème monastique français », in: Gestion 2000 34 (2017), S. 293-313.
13. Vgl. D. Hervieu-Léger, Le temps des moines, clôture et hospitalité, Presses Universitaires de France 2017, S. 633.
Der syro-malabarische Ritus
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Liturgie
Clement Ettaniyil OSB
Abt von Kloster Kappadu (Indien)
Der syro-malabarische Ritus
Der heilige Thomas, der Apostel Indiens, unser Vater im Glauben
Im Jahr 52 n. Chr. gelangte der Apostel Thomas an die malabarische Küste Keralas in Südindien. Am 3. Juli 72 n. Chr. erlitt er in Mylapur den Märtyrertod. Am Sonntag, den 3. Juli 2022, jährt sich der Tag des Martyriums des heiligen Thomas zum 1950sten Mal. In diesem Jubiläumsjahr des heiligen Thomas lohnt es sich, über die Liturgie der syro-malabarischen Kirche nachzudenken.
Die syro-malabarische Liturgie gehört zur ostsyrischen Liturgiefamilie, die von den Schülern des heiligen Thomas entwickelt wurde. Die Messe im syro-malabarischen Ritus wird Qurbana genannt, was so viel bedeutet wie: Opfergabe, Gabe oder Oblation. Qurbana fasst das gesamte Mysterium der Erlösung in seiner Feier der Eucharistie zusammen. In der syro-malabarischen Kirche gibt es drei Formen der Heiligen Messe: Die einfache Form, die feierliche Form und die feierlichste Form, Raza, die das Unterscheidungsmerkmal der syro-malabarischen Liturgie ist. Wenn sie korrekt zelebriert wird, dauert es zweieinhalb Stunden, um die Raza zu vollenden.
Das Wort Raza könnte auch bedeuten: „Geheimnis“. Die Raza ist die Feier des Kreuzes, des Wortes Gottes und des Leibes und Blutes Christi, die drei lebendige Darstellungen unseres Herrn sind. Sie haben in verschiedenen Gebeten, Hymnen und Ritualen der Raza die höchste Priorität. Das Geheimnis des Kreuzes, des Wortes Gottes und des Leibes und Blutes Christi wird in der Raza vollständig enthüllt. Das Kreuz ohne die Figur Christi bedeutet den auferstandenen Herrn. „Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden" (Lukas 24,5). Die Taube auf der Spitze des Kreuzes bedeutet die paulinische Theologie über die Rolle des Heiligen Geistes bei der Auferstehung. Der Lotus darunter weist auf den Versuch der Christen des heiligen Thomas hin, die Bedeutung des Kreuzes im indischen Kontext zu interpretieren. Der Lotus ist in der indischen Kultur das Symbol für Reinheit; er ist unsere Nationalblume. Das Kreuz auf dem Lotus erklärt, wie gut das indische Christentum in das Land integriert ist. Die Knospen, die an den vier Enden dieses Auferstehungskreuzes zu blühen beginnen, bedeuten das neue Leben und die Hoffnung, die vom auferstandenen Herrn geschenkt wurden. Das Kreuz am oberen Ende der drei Stufen bedeutet den Kalvarienberg, auf dem das Kreuz errichtet wurde.
Die Raza beginnt mit der Prozession zum Bema (kleiner Altar in der Mitte der Kirche) und die beiden Kerzen werden auf das Bema gestellt, der das Alte und das Neue Testament symbolisiert. Die Diakone, die während der Prozession die Kerzen tragen, symbolisieren die Jünger, die dazu berufen sind, das Licht der Welt zu sein. Die Raza wird durch die Erinnerung an das Gebot Christi (Lk 22,19) eingeleitet, sowohl durch den Zelebranten als auch durch die Gläubigen. Die Raza beginnt mit der Verkündigung der Menschwerdung unseres Herrn durch das Symbol des Engelshymnus „Ehre sei Gott in der Höhe...“. (Lk 2,14). Nach und nach tritt die anbetende Gemeinde in den einleitenden Riten in den Kontext des Alten Testaments, der Inkarnation und des verborgenen Lebens Jesu ein. Die Gemeinde antwortet darauf jeweils mit dem Aussprechen von Amen, was bedeutet: „Wahrlich, so sei es, getreulich, gewiss“; dieses Wort „Amen“ ist wie die Rekonstruktion des gesamten Heilsmysteriums. In der Raza wird „Amen“ 65 Mal verwendet.
Das Gebet des Herrn wird in der Raza dreimal rezitiert, wie auch in anderen Formen des Qurbana. Als besonderes Merkmal der ostsyrischen Liturgie wird das Gebet des Herrn am Anfang und am Ende der Raza rezitiert. Nach dem Ritus der Versöhnung ruft die gläubige Gemeinde, die makellos ist, ein reines Herz und ein vertrauensvolles Gesicht hat, den Vater im Himmel mit dem Vaterunser an, wie es in allen Liturgien, auch in der der lateinischen Kirche, üblich ist.
Eines der Gebete, die in der Raza oft wiederholt werden, lautet: „Lasset uns beten, der Friede sei mit uns“. Es wird vom Diakon gesprochen. Es wird fünfzehn Mal in verschiedenen Kontexten verwendet. In gewisser Weise ist Raza eine Feier des Friedens, des auferstandenen Herrn. Die Verwendung der Psalmen führt uns in das Mysterium der Inkarnation und ermöglicht es uns, uns mit dem Leben des Alten Testaments zu identifizieren und es als Teil des Mysteriums unserer Heilsgeschichte zu verkünden.
Eines der einzigartigen Merkmale der Raza ist die Einhaltung eines besonderen Ritus nach den Psalmen, nämlich die Hymne des Heiligtums und der Kuss des Kreuzes. Nach dem priesterlichen Gebet, das auf die Psalmen folgt, übergibt der erste Diakon dem Zelebranten im Bema das Kreuz. Nachdem er ihm mit einem Kuss gehuldigt hat, hilft er dem Archidiakon, den Diakonen, den anderen Amtsträgern und den Gläubigen, das Kreuz zu küssen. Der Chor singt währenddessen die Hymne des Heiligtums.
Die Auferstehungshymne Laku Mara d-Kolla, die während der Raza dreimal gesungen wird, wird Simeon Bar Sabba (323-341) zugeschrieben. Es ist eine Hymne, mit der der Sieg über Leid, Tod und Satan gefeiert wird. Wenn Laku Mara gesungen wird, wird der Vorhang des Heiligtums aufgezogen. Es ist unsere Tradition, das Heiligtum verhüllt zu halten. Der Schleier hat die Funktion, zu enthüllen und zu verbergen. Der Schleier des Heiligtums trennt das Heiligtum vom Rest der Kirche. Indem der Schleier das Heiligtum verbirgt, enthüllt er den Teilnehmern das Geheimnis des Himmels, das jenseits der Wahrnehmung des Menschen liegt, sofern es ihm nicht offenbart wird. Der Schleier des Heiligtums zeigt an, dass der Himmel vor der gewöhnlichen menschlichen Wahrnehmung verborgen ist. In der Liturgie wird der Himmel erfahren. Der Vorhang des Heiligtums symbolisiert Jesus, der der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist (1 Tim 2,5), und die Enthüllung wird mit der Öffnung des Himmels identifiziert (Lk 4,25). Die aufgehängte Lampe des Heiligtums symbolisiert die Gegenwart Gottes und steht auch für Christus als das Licht der Welt.
In unserer Liturgie findet der Ritus des Räucherns fünfmal statt. Der Ritus des Räucherns weist auf die Verherrlichung Gottes, die Vergebung der Sünden und die Heiligung des Menschen hin. Während des Hymnus Laku Mara beräuchert der Diakon das gesamte Heiligtum, die ganze Kirche und die versammelte Gemeinde. Der Weihrauch ist ein Symbol für unsere völlige Unterwerfung unter Gott, für das Gebet der Gemeinde, das zum Himmel aufsteigt; er ist auch ein Zeichen für die Vergebung der Sünden. Während des Vorbereitungsritus werden der Kelch und die Patene inzensiert. Der Weihrauch ist Teil der Prozession mit dem Buch der Evangelien. Zu Beginn des eucharistischen Hochgebets Qudasha werden die eucharistischen Gaben und der Altar vom Zelebranten als Zeichen der Ehrfurcht und Anbetung mit Weihrauch beräuchert. Schließlich werden beim Versöhnungsritus als Symbol für die Vergebung der Sünden der Zelebrant, die Diakone, die Gemeinde, der Altar und die darauf liegenden heiligen Mysterien mit Weihrauch beräuchert. Dieser ausgefeilte Ritus des Räucherns beim Versöhnungsritus ist nur in der syro-malabarischen Liturgie zu sehen.
Das öffentliche Leben unseres Herrn wird während des Wortgottesdienstes in der Raza gedacht. Sie beginnt mit dem Trisagion ( Jes 6,3; Offb 4,8), das dreimal gesungen wird. Die Kirche verkündet in diesem Hymne die Rolle der Heiligsten Dreifaltigkeit bei der Errettung des Menschen und drückt die große Freude der liturgischen Versammlung aus, die Einzelheiten dieser Heilsgeschichte durch die Heilige Schrift zu hören, zu verstehen und anzunehmen.
Es gibt vier biblische Lesungen in der Raza, die dem Tag der liturgischen Festzeit entsprechen. Im Allgemeinen stammen die Lesungen aus dem Gesetz, den Propheten, den Apostelbriefen und dem Evangelium. Die vier Lesungen der Raza sind eine umfassende Feier der gesamten Bibel und ein bedingungsloses Bekenntnis als Quelle des christlichen Glaubens. Die Kombination aus Responsorialem Hymnus (Shurraya), Lehrhymnen (Turgamma) und Halleluja- Hymnus (Zummara) während der Raza zeigt, wie wichtig das Wort Gottes für die Menschen ist. Die Lehrhymnen vor der Lesung des Apostels und des Evangeliums und die feierliche Prozession des Evangelienbuches sind einzigartige Merkmale der syro-malabarischen Liturgie, insbesondere für die Raza. Bei der Lesung der Epistel wird nur eine einzige Kerze getragen. Dies bedeutet, dass die Offenbarungen vor Jesus unvollkommen sind.
Am Ende des Halleluja-Gesangs nehmen der Archidiakon und der Diakon zusammen mit allen anderen Amtsträgern das Buch der Evangelien und das Kreuz, die auf der rechten bzw. linken Seite des Altars aufgestellt sind. Der Archidiakon führt die Prozession an und hebt das Evangeliar bis zur Stirn; er erreicht das Bema und übergibt das Buch dem Zelebranten. Der Zelebrant küsst es zuerst und reicht es dann den anderen Amtsträgern und allen Gläubigen zum Küssen. Die Diakone begeben sich zum Eingang des Heiligtums, stellen sich dem Volk gegenüber und wechseln das Turgamma des Evangeliums mit der Gemeinde ab. Am Ende des Turgamma singt der Zelebrant das Evangelium, während die Diakone zu beiden Seiten mit brennenden Kerzen stehen und der Archidiakon auf seiner linken Seite das Kreuz hält. Nach dem Gesang des Evangeliums schließt der Zelebrant das Evangeliar, küsst es und gibt es dem Diakon zu seiner Rechten, der es auf den Tisch des Bema legt. Das Kreuz wird ebenfalls auf denselben Tisch gelegt.
Der zweite Diakon stimmt das Fürbittengebet an, das die innere Haltung und Situation der Gläubigen ausdrückt. Die Antwort auf die Fürbitten, „Herr, erbarme dich unser“ (Mt 20,29-34; Mt 15,22; Lk 17,13), bezeugt die richtige Haltung eines Menschen, der um die göttliche Gnade bittet. Nach den Fürbitten betet der Zelebrant laut mit ausgestreckten Händen. Wenn das Gebet beendet ist, nimmt der Archidiakon das Kreuz und übergibt es dem Zelebranten, der es wiederum an den Diakon zu seiner Linken weitergibt. Der Zelebrant nimmt dann das Buch der Evangelien und übergibt es dem Diakon zu seiner Rechten. Die Diakone gehen zum Altar hinauf und stehen sich vor dem Altar gegenüber.
Am Ende des Wortgottesdienstes werden die Hände aufgelegt. Es ist zu beachten, dass der Segen direkt von Gott gegeben werden soll und daher währenddessen alle in der Gemeinde, einschließlich des Zelebranten, ihren Kopf neigen. Der Zelebrant begibt sich in Begleitung des Archidiakons in die Mitte des Kirchenschiffs neben einen großen Schleier (mit einem aufgedruckten Kreuz), der auf dem Boden liegt, und spricht das Gebet mit Blick auf den Altar. Im Wortgottesdienst feiern wir das öffentliche Leben Jesu und während des Ritus der Gabenbereitung gedenken wir seines Leidens, seines Todes und seiner Grablegung. Dieser Vorbereitungsritus ist eine unmittelbare Vorbereitung auf den zentralen Teil des Qurbana. Nun entlässt der Diakon all jene, die nicht getauft sind, Sünder, die noch keine angemessene Versöhnung ihrer Verfehlungen empfangen haben, und Katechumenen, die noch nicht die Heilige Kommunion empfangen können. Danach küsst und empfängt der zweite Diakon das Buch der Evangelien, das vom ersten Diakon gehalten wird, und der erste Diakon küsst und empfängt das Kreuz, das vom zweiten Diakon gehalten wird. Das Evangeliar und das Kreuz werden dann auf die rechte und linke Seite des Altars gelegt, was symbolisiert, dass der Sohn und der Heilige Geist zur Rechten und Linken des Vaters sitzen.
Der Zelebrant beginnt dann den Hymnus und der Chor und die Diakone antworten ihm. Nach jedem Teil des Hymnus kniet der Zelebrant nieder und küsst den Schleier dreimal auf dem Boden, steht auf und segnet die Gemeinde mit dem Kreuzzeichen. Er tut dies auch auf den anderen drei Seiten des Schleiers und kehrt dann in die ursprüngliche Position mit Blick auf den Altar zurück. Die Diakone, die nun dem Altar zugewandt sind, singen die Strophen: „Für immer...“ und wenden sich an den Zelebranten und singen: „Wir bitten um deine große Barmherzigkeit...“. Der Zelebrant und die Diakone singen die Strophen: „Siehe, ich bin bei euch allen...“ und „Durch deine Gnade...“ jeweils dreimal. Am Ende jedes Vortrags gehen die Diakone zum Zelebranten hinunter. Sobald sie den Schleier erreicht haben und vor dem Zelebranten stehen, singen alle: „Rette uns vor den Versuchungen...“. Dann werfen sich alle gemeinsam nieder und küssen den Schleier. Während er kniet, segnet der Zelebrant die Diakone. Dann stehen alle auf und der Zelebrant segnet sie alle. Der Archidiakon und die Diakone küssen den heiligen Sitz (Paina) des Zelebranten. Das gesamte Ritual, das für die indischen Thomas-Christen einzigartig ist, wird als Demütigung des Zelebranten, als unmittelbare Vorbereitung auf die Qudasha-Anaphora, die Verehrung des Kreuzes und als Abschiedszeremonie des Zelebranten betrachtet, während er bald das Bema verlassen wird.
Der Zelebrant wäscht sich im Bema die Hände als Symbol für die Reinigung der Gemeinde, während der Archidiakon und der Diakon zur Bethgaze gehen – die Schätze werden auf beiden Seiten des Altars aufgestellt. Der Kelch und die Patene werden in der südlichen bzw. nördlichen Bethgaze vorbereitet. In jeder Raza werden nur die für die Kommunion notwendigen Brotpartikel vorbereitet. Während der Chor die eigenen Hymnen singt, bringen der Archidiakon und der Diakon die eucharistischen Gaben zum Altar, was den Leichenzug unseres Herrn symbolisiert. Der Archidiakon hebt sie dann in seinen Händen in Form eines Kreuzes, legt sie auf den Altar und bedeckt sie mit einem Tuch in Form eines Quadrats, Soseppa, um das Begräbnis unseres Herrn und die Bedeckung des Grabes mit einem Stein zu symbolisieren.
Im zweiten Teil der Raza gedenkt die Gemeinde all derer, die in einer für den heiligen Thomas typischen christlichen Haltung eng mit dem Heilsmysterium verbunden sind: die Heilige Dreifaltigkeit, die selige Jungfrau Maria, alle Apostel – ganz besonders der heilige Thomas –, die Patriarchen, die Märtyrer, die Gerechten, die Bekenner und die Verstorbenen. Das Glaubensbekenntnis wird von der Gemeinde feierlich gesprochen, während man sich dem eucharistischen Gebet zuwendet, dem zentralen Teil der Erinnerung an das Heilsgeheimnis in der Raza.
Der Zelebrant nähert sich dem Altar in aller Demut, indem er sich auf dem Weg dorthin dreimal verbeugt. Nachdem er den Altar erreicht hat, umfasst er die Mitte, die rechte und die linke Seite des Altars, die jeweils den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist repräsentieren.
In der Anaphora bittet der Zelebrant dreimal um die Gebete der Gemeinde, was ein Ausdruck der innigen Beziehung zwischen dem Zelebranten und der liturgischen Versammlung im kirchlichen Körper ist. Während des Qudasha, dem Höhepunkt des Christusereignisses, wird der Tod und die Auferstehung Jesu gefeiert und verkündet. Die Auferstehung wird als das höchste Wirken des Heiligen Geistes gepriesen. So wird das entscheidende Wirken des Heiligen Geistes bei der menschlichen Erlösung auch in der Anaphora durch den typischen Ritus der Epiklese verkündet. In der Qudasha der Apostel Mar Addai und Mar Mari gibt es Gebete der Bitte und des Dankes. Sie werden vom Zelebranten mit geneigtem Kopf und leiser, aber hörbarer und modulierter Stimme vorgetragen. Am Ende des zweiten Gebets, g’hanta, wird der Hymnus „Heilig ist der Herr“ ( Jes 6,3; Offb 4,8) gesungen. In der Mitte des dritten und vierten g’hanta- Gebets werden jeweils die Einsetzungserzählung und die Epiklese eingefügt.
Der Ritus der Versöhnung betont die Versöhnung der Menschheit mit dem himmlischen Vater durch die Hilfe des Heiligen Geistes. Dieser Ritus beginnt mit dem Gebet: „Friede von denen, die im Himmel sind...“, das eine Kombination aus der paulinischen Theologie in den Briefen aus der Gefangenschaft und der Theologie der Psalmen ist. Die Psalmen 51 und 122 werden verwendet, um ein reumütiges Herz zu zeigen, das bereit ist, Sünden zu bekennen und um Vergebung zu bitten. Beim Brechen des Leibes und seiner Vermischung mit dem Blut wird die reinigende Wirkung der Heiligen Qurbana verkündet sowie die Rolle der Heiligsten Dreifaltigkeit bei der Feier der Mysterien. Nach der Vermischung des Leibes mit dem Blut werden die beiden Hälften über Kreuz übereinander auf die Patene gelegt, so dass die gebrochene Seite des Partikels unten dem Kelch und der Partikel oben dem Zelebranten zugewandt ist. Danach macht der Zelebrant das Kreuzzeichen auf seiner eigenen Stirn und auf der Stirn der Diakone. Dies ist eine Zusammenfassung eines ausgeklügelten Versöhnungsritus, der in der frühen Kirche existierte. Mit dem Dialoggebet im zweiten Teil des Versöhnungsritus wird Raza zu einem öffentlichen Akt der Versöhnung mit seinen vertikalen und horizontalen Aspekten. Dieser Gruß ist ein öffentliches Bekenntnis der Tatsache, dass sich die Heilige Dreifaltigkeit in Jesus Christus den Menschen vollständig hingibt.
Da alle, die nicht würdig sind, weiterzumachen, am Ende des Wortgottesdienstes entlassen werden, ist die Kommunion ein sehr „privilegierter“ Akt bei der Raza. Die Kommunion unter den beiden Gestalten, die in jeder Feier geweiht werden, wird an die Gemeinde ausgeteilt. Im Kommunionsritus werden die Gläubigen mit dem auferstandenen Leib des Herrn vereint. Dadurch werden sie zu Erben des Himmelreichs. Nach der Kommunion bringen die Gemeinde, der Diakon und der Zelebrant getrennt ihre Danksagung zum Ausdruck. Dann wird nach dem Gebet des Herrn, die Huttamma, das abschließende („versiegelnde“) Gebet vom Zelebranten mit dem Kreuzzeichen und dem Segen gesprochen, wobei er etwas rechts von der Tür des Heiligtums steht. Die Raza endet mit der Verabschiedung des Zelebranten vom Altar mit dem Gebet: „Bleibe in Frieden, Altar der Vergebung...“. Er spricht es allein, schweigend, und küsst den Altar.
Der syro-malabarische Qurbana-Ritus ist eine Liturgie, die eine einzigartige mystische Welt präsentiert. Die mystische Erfahrung dieser Welt liegt jenseits der menschlichen Logik und Vorstellungen. Sie führt die Menschen in den Himmel, d. h. sie erhebt die Erde zum Himmel und bringt den Himmel auf die Erde herab. Die Liturgie ist der Punkt, an dem sich Himmel und Erde treffen und sie eins werden. Daher ist Zophars Herausforderung an Hiob auch eine Herausforderung für uns alle: „Willst du die Tiefen Gottes finden? Willst du bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen vordringen?“ (Ijob 11,7-8).
Mutter Pia Gullini
9
Zeugen für das Monastische Leben
Maria Augusta Tescari OCSO
Abtei Vitorchiano (Italien)
Mutter Pia Gullini OCSO (1892–1959)
Eine große Äbtissin des 20. Jahrhunderts
In der Geschichte und dem Leben unserer Gemeinschaften gibt es Wege, die sich einer oberflächlichen Analyse entziehen: Man muss tief graben, um die geheimnisvollen Wege zu erahnen, derer sich die Vorsehung bedient, um sich eine Bahn durch die menschlichen Widersprüche zu schaffen.
Manchmal ist man erstaunt über die Fruchtbarkeit der Gemeinschaft von Vitorchiano, die zahlreiche Klostergründungen ins Leben gerufen hat. Diese Vitalität, die an ein Wunder grenzt, lässt sich mit dem biblischen Gesetz vom Weizenkorn erklären, das stirbt und dabei viele Früchte hervorbringt. Jeder kennt das Opfer unserer seliggesprochenen Mitschwester Maria Gabriella, aber in der komplexen Geschichte unseres Kloster, das aufgrund seiner materiellen und intellektuellen Armut lange Zeit das Aschenputtel des Ordens war, gab es ein anderes, weniger bekanntes Korn mit außergewöhnlichen Qualitäten: Mutter Pia Gullini, Äbtissin von Grottaferrata von 1931 bis 1940 und von 1946 bis 1951. In ihr erreichten Demut, Mütterlichkeit und Sinn für die Kirche einen außergewöhnlich hohen Grad.
Wir wissen, dass Mutter Pia immer den Wunsch hatte, eine Gemeinschaft zu gründen; sie verglich diesen Wunsch mit einem Baum, den sie gepflanzt hatte und den andere (Obere und die Umstände) immer wieder gefällt hatten, der aber dennoch immer wieder neu ausschlug. Im Jahr 1948 schrieb sie an einen Abt des Ordens:
„Wenn der Herr will, wird er zu diesem Baum sagen: ,Lass deine Blumen wachsen‘, dann wird es sein Frühling sein und niemand wird sein Blühen aufhalten können.“
Und an denselben Empfänger vier Jahre später:
„Der Herr geht langsam voran, aber er erreicht immer sein Ziel. Ich vertraue auf ihn und lasse ihm seine unendliche Freiheit. Wenn ich bereits bei Ihm bin, wenn Er diesen Wunsch erfüllt, werde ich doppelt helfen.“[1]
Mutter Pia war in vielerlei Hinsicht eine Prophetin: in Bezug auf die damals aufkeimende Ökumene und die Nützlichkeit, die einfache Botschaft der Liebe und Hingabe von Schwester Maria-Gabriella zu verbreiten, aber auch in Bezug auf ihren eigenen Tod und dabei erfahrene Unmöglichkeit, bei ihrer Gemeinschaft in Vitorchiano zu sterben, ihre Gemeinschaft, die 1957 von Grottaferrata dorthin umgezogen war. Und wir wissen nur zu gut, dass Propheten nie ein leichtes Leben haben.
Ihr Leben
Maria Elena Gullini wurde am 16. August 1892 in Verona geboren, wo ihre Familie wegen der Arbeit ihres Vaters mehrere Jahre lang wohnte. Sie gehörte einer Familie des gehobenen Bürgertums in Bologna an. Ihr Vater Arrigo war Ingenieur bei der Eisenbahn: Er arbeitete in Italien und Montenegro. Er ließ sich mit seiner Familie in Rom nieder, wahrscheinlich wegen des Universitätsstudiums seiner drei Kinder. Er war stellvertretender Direktor der Staatseisenbahnen und Präsident und Verwalter der wichtigen Gesellschaft der Werften von Genua, der Ansaldo.
Die Mutter Celsa Rossi zeichnete sich durch ihre außergewöhnliche Schönheit, Güte und Intelligenz aus. In ihrer Jugend hatte sie über eine religiöse Berufung nachgedacht, konnte diese jedoch nicht verwirklichen; sie war sehr fromm, lebte ihren Glauben intensiv und versuchte, ihn an ihre Kinder weiterzugeben. Da sie zurückhaltend war und alles Eitle nicht mochte, ließ sie sich gerne von ihrer älteren Tochter, die schön und unternehmungslustig war, bei den weltlichen Verpflichtungen vertreten: Maria begleitete ihren Vater also zu den verschiedenen Empfängen und Mahlzeiten der feinen Gesellschaft.
Eine Freundin berichtete, dass im Büro des Ingenieurs Gullini ein großes Ölporträt von Maria in schwarz-weißer Abendgarderobe mit tiefem Ausschnitt und nackten Armen hing – sehr zum Missfallen ihrer Mutter –, ein Porträt, das den Platz verriet, den die älteste Tochter im gesellschaftlichen Leben ihres Vaters einnahm. Mutter Pia erzählte, dass sie auf einem Ball plötzlich ihre Unzufriedenheit mit nichtigen und vergänglichen Dingen erfuhr und so den Entschluss fasste, einer Ordensberufung zu folgen.
Von ihrem achten bis achtzehnten Lebensjahr war sie in Venedig bei den Sacré-Coeur-Schwestern zur Schule gegangen und hatte dabei die Bildung genossen, die damals den Töchtern aus gutem Hause zuteil wurde. Der Unterricht wurde auf Französisch gehalten. Mit ihrem künstlerischen Temperament zeichnete sich Maria in Musik und Malerei aus. Mit zehn Jahren empfing sie von Patriarch Joseph Sarto, dem späteren Pius X., die Erstkommunion. Im Alter von 12 Jahren geriet sie durch eine tuberkulöse Bauchfellentzündung in Lebensgefahr, die sie ihr ganzes Leben lang anfällig für Ermüdungserscheinungen machte. Sie war sehr lebhaft, stolz und aufmüpfig, sogar aufbrausend, freiheitsliebend, mit offensichtlichen „Führungsqualitäten“; sie liebte die Natur, hatte tiefes Mitgefühl für die Leiden anderer und die Bedürfnisse der Armen, war geradlinig und loyal, ohne die geringste Spur von Ängstlichkeit. Ihre Sommerferien verbrachte sie in der Villa des Familienguts in der Nähe von Bologna oder in Montenegro. Wegen der Arbeit ihres Vaters war sie Patin bei der Einweihung von Eisenbahnabschnitten und auf Familienfotos ist sie mit Blumensträußen in der Hand zu sehen, während sie ein Band durchschneidet. Entfernte Verwandte oder Bauern erinnern sich noch daran, wie das „Fräulein“ in das Landhaus der Großeltern kam und wie einfühlsam sie sich um deren materielle und geistige Bedürfnisse kümmerte.
Sie lernte zusammen mit ihrem Vater Englisch und Deutsch nach der Berlitz-Methode – eine Neuheit zu jener Zeit! – und mit einem „Teacher“, der für den praktischen Unterricht zu ihr nach Hause kam. Als Sportlerin liebte sie Schlittschuhlaufen und Reiten und besuchte die Reitställe in Rom. Nach dem Ausbruch des Krieges hatte sie den Krankenpflegekurs in „La Samaritana“ absolviert, mit dem Wunsch, an die Front zu gehen und verwundete Soldaten zu pflegen. Ihr Vater war gegen dieses Vorhaben. Maria ging fast jeden Morgen mit ihrer Mutter in die Messe und unterrichtete die Kinder in der eleganten Gemeinde San Camillo und in der ländlichen Gemeinde Sankt Helena im Prenestino, die sie liebte, im Katechismus. Durch den Umgang mit den Kleinen Schwestern von Mariä Himmelfahrt in der Via Nino Bixio begleitete sie diese oft und half ihnen bei der Armenfürsorge.
Heiratsanträge, die ihr gemacht wurden, lehnte sie regelmäßig mit Argumenten ab, welche die Familie verstimmten: „Nein, der ist nicht schön! Ihm fehlt es an Feingefühl! Er ist zu groß! Er ist zu klein!“ Die Bewerbung eines „idealen“ Partners stimmte sie um und sie verlobte sich – wenn auch nicht offiziell – mit einem sehr sympathischen jungen Ingenieur aus Venedig. Als dieser als Offizier an die Front musste, wollte er, dass ihre Verbindung geklärt würde. Daraufhin antwortete ihm Maria, die sie sich ihrer religiösen Berufung bewusst geworden war und ihn nicht heiraten würde.
Ihr Beichtvater und geistlicher Begleiter war der bekannte Pater Di Lorenzo vom Heiligen Sakrament; er war derjenige, der sich am meisten gegen ihren Eintritt in den Trappistenorden wehrte. Er meinte, bei ihrem überschwänglichen und zur Selbstständigkeit neigenden Temperament sei es unmöglich, dass Maria das Schweigen und den Gehorsam der Trappisten wähle. Später wurde er zu einem eifrigen Gast in Grottaferrata. Im Übrigen hatte Maria Gullini anfangs nicht die geringste Absicht gehabt, in den Trappistenorden einzutreten. Der Dienst und die Fürsorge für die Armen zogen sie zunächst in eine aktive Kongregation. Trotz des Widerstands ihrer Familie hatte sie um die Aufnahme bei den Kleinen Schwestern von Mariä Himmelfahrt gebeten. Sie war groß, schön, lebenslustig und intelligent, hatte aber zu viele außergewöhnliche Eigenschaften, um „sic et simpliciter“ angenommen zu werden. Mutter Therese, die Oberin, schickte sie daher zu Dom Norbert Sauvage, dem Prokurator der Trappisten, um Rat zu suchen, und dieser verhalf ihr zu einem achttägigen Rückzug in den Trappistenkloster Grottaferrata in Klausur. Das war am 14. November 1916 und Maria schrieb:
„Ich mache diese Exerzitien, indem ich für die Sünder bete: Was das Ergebnis betrifft, Herr, inspiriere den Vater und ich werde tun, was er mir sagt.“
Dom Norbert, der ihr zu Beginn der Exerzitien angekündigt hatte: „Wir werden über Jesus Christus sprechen“, sagte zu ihr:
„Fräulein, es scheint mir, dass Sie zu einem Leben der Liebe berufen sind; Jesus scheint von Ihnen das vollständige Opfer zu wollen. Ihre Natur will das aktive Leben, Ihre Seele verlangt und fordert das kontemplative Leben.“
Er schlug ihr unverblümt den Trappistenorden vor. Aber nicht an diesem Ort.
„In Laval, einem der ersten Klöster des Ordens, gibt es achtzig Nonnen, darunter viele junge Menschen. Ein Teufel wie Sie wird in einer solchen Masse von Nonnen nicht allzu sehr auffallen.“
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Dom Norbert daran dachte, Maria Gullini eine solide klösterliche Ausbildung zukommen zu lassen. Später sollte sie dann nach Grottaferrata zurückkehren, um die dortige Gemeinschaft zu leiten, aber die Dokumente geben in dieser Hinsicht keine eindeutige Klarheit.
Sicher ist jedoch, dass von diesem Zeitpunkt an für Maria eine Zeit des Kampfes begann: mit ihren Eltern, mit ihrem Beichtvater und anderen Priestern, die Dom Norbert beschuldigten, ihr den Kopf verdreht zu haben, aber vor allem mit sich selbst, die sich nicht der Gnade ergeben wollte. Das Ergebnis dieses Kampfes war der Sieg ihres „süßen Herrn“ und Marias Einzug in Laval am 28. Juni 1917. Die ungehemmte Art des Mädchens verwirrte allerdings die Nonnen in Laval, wie sie auch schon die Nonnen in Grottaferrata verblüfft hatte. Aber ihre Berufung war offensichtlich, wie auch der gute Wille der Kandidatin. Aus diesem Grund geduldete man sich auf beiden Seiten. Am 29. September 1917 legte Schwester Pia – diesen Namen hatte sie in Erinnerung an den Papst erhalten, der ihr in Venedig die Erstkommunion gespendet hatte – das Trappistengewand an; am 16. Juli 1919 legte sie ihre ersten Gelübde ab und drei Jahre später, am selben Tag, ihre ewige Profess ab.
Im Jahr 1923 wurde sie zur Leiterin der Konversenschwestern ernannt, von denen es etwa 40 gab. Eine Konversenschwester beschrieben sie so:
„Mutter Pia wurde fast sofort nach ihrer Profess Mutter Meisterin. Die Ehrwürdige Mutter Lutgarde2 hatte Vertrauen zu ihr; sie sagte, dass Mutter Pia, abgesehen von einigen äußerlichen Mängeln, vollkommen sei. Ich habe sie am meisten geliebt; sie hat mir am meisten Gutes getan: Ich war entzückt, sie von Jesus sprechen zu hören und ihren Glaubensgeist zu sehen...“
Sie glühlte in ihrer Gottesliebe und sie liebte die Regel. Sie ging, um die alten Schwestern zu waschen und ihre Betten vor vier Uhr zu richten. Sie hatte nie im Garten gearbeitet, aber sie kam mit den Schwestern zum Umgraben und dankte ihnen danach... Sie hatte für alles gute Eigenschaften... Ihre Mutter Meisterin erinnerte an ihre extreme Einfachheit und beschrieb sie als großmütige, feurige Seele, die zu allen Opfern fähig war.
1923 bat Mutter Agnes Scandelli, die Äbtissin von Grottaferrata, in Laval um personelle Hilfe für die sehr arme italienische Gemeinschaft gebeten. Die Äbtissin von Laval, Mutter Lutgard, konnt ihr personelle Hilfe – widerwillig – erst drei Jahre später geben! Und diese Hilfe war natürlich die Italienerin Mutter Pia: „Wir bringen ein großes Opfer und Mutter Pia auch; aber wir wollen dem lieben Gott nichts abschlagen.“[3] Es gab noch einen weiteren Grund für die Rückführung der jungen Nonne: Mutter Pia litt an einer beginnenden Tuberkulose und man hoffte, dass ein Luftwechsel ihr guttun würde, was auch tatsächlich geschah, wenn auch langsam. Mutter Pia kam am 9. November 1926 in Grottaferrata an. Der harte Abschied von „ihrem“ Kloster in Laval war sehr schmerzhaft, und die Eingliederung in ihre neue Gemeinschaft alles andere als leicht. Die neue Schwester, die aus einer anderen Kultur und Bildung stammte, kränklich war und außergewöhnliche menschliche Gaben besaß, rief zunächst Ablehnung hervor. Ihre Entscheidung, im darauffolgenden Jahr ihre Stabilität auf Grottafarrata zu übertragen, hatte unter den gegebenen Umständen etwas Heroisches an sich.
Die „Chroniken“ sprechen auch vom Druck seitens ihrer Eltern, sie nach Italien zurückzuholen.[4] Aber aus einigen Briefen und anderen Dokumenten lässt sich ein diskretes Drängen seitens der höheren Oberen im Trappistenorden herauslesen, die sich um die Zukunft von Grottaferrata sorgten. Dort gab es keine Schwestern, die die Nachfolge der alten und kranken Äbtissin hätten antreten können. Nachdem sie ihr Kloster in der inneren Bereitschaft zu einem vollständigen Opfer verlassen hatte – „ein Opfer kann man nie ablehnen ... ich werde gehen, wohin Gott mich ruft“ –, überwand Mutter Pia ihre Sehnsucht, nach Laval zurückzukehren, und ebenso das Drängen der Gemeinschaft von Laval, sie zurückzuholen: Sie setzte jedoch den Briefwechsel mit ihrer geliebten Mutter Lutgarde bis 1942 und mit der Gemeinschaft bis drei Jahre vor ihrem Tod fort.
Die sehr schwierige Situation der Gemeinschaft in Grottaferrata, die sehr an ihrer Äbtissin hing, belastete Mutter Pias ohnehin schwache Gesundheit zusätzlich. 1928 verschlimmerten sich ihr Leberleiden so sehr, dass sie sich einem damals recht heiklen chirurgischen Eingriff unterziehen musste, der sie für einige Tage in Lebensgefahr brachte.
Zu diesem Zeitpunkt bot eine Konvertitin unter den älteren Schwestern ihr Leben für die Genesung ihrer jüngeren Mitschwester an. Diese erholte sich nach einem Aufenthalt bei ihrer Familie, war Subpriorin, Krankenschwester und schließlich Priorin und zeigte Mutter Agnes gegenüber völligen Gehorsam, obwohl sie unter vielen Dingen litt, die in der Gemeinschaft hätten geändert werden müssen, aber laufen ließ.
1931 reichte Mutter Agnes Scandelli nach 33 Jahren als Oberin ihr Rücktrittsgesuch ein. Mutter Pia wurde daraufhin durch päpstliche Entscheidung zur Äbtissin ernannt, und zwar aufgrund eines Dekrets von Kardinal Lega, Bischof von Frascati, das das Datum des 30. Dezember 1931 trägt. Eine reguläre Wahl war aufgrund der Zuneigung der Nonnen zu ihrer ehemaligen Oberin nicht möglich gewesen. Es ist nicht schwer, sich den Mut und den Glauben vorzustellen, die in einer so besonderen Situation erforderlich waren: Doch Mutter Pia gewann die Achtung und die Liebe der Gemeinschaft, die sie bei den Wahlen von 1935 und 1938 fast einstimmig bestätigte. Wie sie sagte, wollte sie aus Grottaferrata ein Trappistenkloster machen, „wie ich es selbst erleben durfte“, womit sie ihr geliebtes Laval meinte.
Obwohl die Klostermauern selbst von Gebet und Opfergeist durchdrungen waren, ähnelte Grottaferrata von seiner Anlage her eher einer franziskanischen als einer zisterziensischen Gemeinschaft. Ein Umbau war wegen der Armut schwierig – oft wurde die monatliche Rechnung des Bäckers von der Familie Gullini bezahlt –, wegen der geringen Größe und Produktivität des Anwesens (zweieinhalb Hektar), wegen des ungeeigneten Hauses, der geringen Anzahl von Chorschwestern, der feindseligen Haltung einiger Schwestern und später wegen der Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs.
Als Schwester Maria-Gabriella 1939 starb, begann für Grottaferrata und seine Äbtissin eine sehr fruchtbare, aber auch sehr stürmische Zeit. Im Dezember 1940, also vor dem Ende ihres dritten Trienniums, war Mutter Pia gezwungen, ihren Rücktritt einzureichen. Die Schwierigkeiten – der Fall war nicht neu, da es sich um eine intelligente Frau mit starkem Willen handelte – kamen vor allem von den männlichen Vorgesetzten. Bei den Entscheidungen, die zu ihrem Rücktritt führten, spielten neben den unterschiedlichen Ansichten über die Führung der Gemeinschaft wahrscheinlich auch die Korrespondenz über die Ökumene und die Veröffentlichung der Biografie von Schwester Maria Gabriella[5] eine Rolle – eine Haltung der Offenheit, die nicht von allen verstanden oder akzeptiert wurde!
Die ausgezeichnete Mutter Tecla Fontana, die ihr in der Leitung der Gemeinschaft folgte, vertraute ihr das Noviziat an, und Mutter Pia widmete sich als gute Erzieherin, die sie war, mit Freude der Ausbildung junger Menschen, während sie ihre enorme Korrespondenz und ihre ökumenischen Beziehungen fortsetzte.
Sechs Jahre später, 1946, wurde sie erneut zur Äbtissin gewählt und bereits bei der ersten Wahl 1949 durch ein fast einstimmiges Votum bestätigt. In jenen Jahren behielt sie auch die Leitung des Noviziats. Unversöhnliche Widerstände, wenn auch nur in sehr geringer Zahl, blieben jedoch bestehen: Mutter Pia hoffte auf die Unterstützung des neuen Generalabtes und des neu ernannten Oberen von Frattocchie, um eine Gründung zu beginnen, an die sie seit Jahren dachte. Doch 1951, noch vor dem Ende ihres Trienniums, brach eine Krise aus, die schon lange geschwelt hatte. Am 19. April versammelten der Obere (der noch nicht zum Abt gewählt war) und der unmittelbare Vater, der Abt von Mont-des-Cats, die Gemeinschaft nach dem Stundengebet der Non und verkündeten, dass Mutter Pia „aus besonderen Gründen“ resigniert und die Gemeinschaft bereits verlassen habe.
Mutter Tecla würde die Zügel der Gemeinschaft als Oberin ad nutum übernehmen. Es war ein Donnerschlag in einem heiteren Himmel: Fast die gesamte Gemeinschaft verstand nie die wahren Gründe für diesen Weggang.
Mutter Pia wartete in Rom bei den Ursulinen auf ihren Pass. Ich sah sie in diesen Tagen, die sehr traurig gewesen sein müssen, ruhig und besänftigt: Sie wirkte wie ein königlicher Gast und nicht wie eine Schwester auf einer Reise ins Exil[6]! Sie ging in die Abtei La Fille-Dieu und sollte dort acht Jahre lang bleiben, bis sie nach Italien zurückgerufen würde. 1953 wurde ihr nicht gestattet, in ihr Heimatland zurückzukehren, weder für die Wahl der Äbtissin noch zu den politischen Wahlen, obwohl zwei andere italienische Schwestern, die im Schweizer Kloster lebten, aus diesen Anlässen zurückkehren durften.
Lassen wir uns nun von den Schwestern von La Fille-Dieu beschreiben, wie sie während ihres Aufenthalts erlebt wurde:
„Mutter Pia war die Güte selbst: Ihre Freundlichkeit, ihr lächelndes Gesicht taten uns gut. Wir trafen uns gerne mit ihr, denn ihre großen Gesten schienen uns in ihr Herz einzuhüllen. Sie hatte großes Mitleid mit den Leidenden: Sie hätte sie gerne getröstet, ihnen geholfen ... Ihr Glaubensgeist führte sie zu Jesus Christus: Sie wäre stundenlang in der Nähe des Tabernakels geblieben. Sie war eine große Schweigerin, blieb mit dem lieben Gott vereint und lebte in seiner Gegenwart. Ihr künstlerisches Talent leistete uns große Dienste... – Sie verbrachte acht Jahre in La Fille-Dieu und gab das Beispiel einer vollkommenen Ordensfrau; sie war eine großzügige Seele mit einem sehr großen Glaubensgeist, einer vollkommenen Nächstenliebe und voll von wahrhaft mütterlicher Zartheit, ein Herz aus Gold, das nur daran dachte, Freude zu bereiten. Sie war eine stille Seele: Für sie war das Schweigen eine Audienz der Liebe mit unserem Herrn. Mein ganzes Leben lang werde ich Ihm dafür danken, dass ich in Kontakt mit ihr gelebt habe. Sie trat in den Hintergrund, suchte unbemerkt zu bleiben. In allen Tugenden gab sie ein Beispiel und ging bis zum Heroismus. Eine große Nonne: unser wandelndes Te Deum...“[7]
Währenddessen trat in Italien die 1953 gewählte Äbtissin, der wir den Umzug der Gemeinschaft von Grottaferrata nach Vitorchiano verdanken, 1958 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Eine Oberin ad nutum wurde ernannt. Für 1959 wurde die Wahl einer neuen Äbtissin angesetzt und Mutter Pia wurde offiziell vom Abt des Mutterklosters nach Vittorchiano zurückberufen. Wir wissen nicht, ob diese Rückberufung im Hinblick auf die bevorstehende Wahl geschah oder mit der Absicht, dass Mutter Pia in Zukunft eine untergeordnete Rolle einnehmen sollte. Auf jeden Fall wünschte die große Mehrheit der Gemeinschaft ihre Rückkehr, und die Oberen, die sie früher abgesetzt hatten, unterstützten nun ihre Rückkehr. Aber wer war sich bewusst, dass Mutter Pia zu diesem Zeitpunkt schon an der Schwelle zum Tod stand? Dass angesichts ihres Gesundheitszustands allein schon die Anreise aus der Schweiz sehr anstrengend sein würde? Wie auch immer, es war nicht ihre Aufgabe, zu entscheiden, sondern nur zu gehorchen: Sie ging, sehr müde, aber gelassen.
Am 22. Februar 1959 verließ sie das Kloster, das sie aufgenommen hatte und in dem sie sterben wollte. Am 25. Februar wurde sie auf Intervention ihres Bruders, der Arzt war und von ihrem schlechten Aussehen entsetzt war, in die Poliklinik in Rom eingeliefert, wo man ihr noch viele Bluttransfusionen verabreichte. Es wurde ein Tumor in einem sehr fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert: Außerdem waren die Nieren, das Herz und andere Organe irreparabel geschädigt. Mutter Pia nahm die Pflege und Aufmerksamkeit, die man ihr zuteil werden ließ, mit distanzierter Dankbarkeit, mit Ruhe und einem Lächeln an.
Am 15. April wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen und bei den Schwestern von Bethlehem aufgenommen, wo sie eine nunmehr nutzlose Therapie fortsetzen sollte, bis sie nach Vitorchiano reisen konnte. Ihr war klar, dass sie keine Führungsaufgaben hätte übernehmen können; sie spürte, dass sie sich ihrem Tod näherte. Sie sah – und sie sagte es mit königlicher Ruhe und Distanz –, dass sie niemals lebend zu ihrer Gemeinschaft zurückkehren würde: „Ich werde zum Herrn gehen, bevor ich zurückkehre“, sagte sie.
Da ich wusste, dass sie im Krankenhaus lag, besuchte ich sie; sie saß in einem Sessel. Dieser Besuch hat mich sehr beeindruckt. Kein Wort über die Vergangenheit, kein Wort über die Zukunft, kein Zeichen von Freude – nicht einmal ein leises –, die jemand in ihrer Situation empfinden könnte, denn der Rückruf nach Italien war schließlich eine Rehabilitation.
Ihre Rückkehr nach Vitorchiano war für den 5. Mai 1959, am Tag Christi Himmelfahrt, geplant. Sie starb an einem Herzversagen am 29. April, dem Tag, an dem der Orden nach dem damaligen liturgischen Kalender den Jahrestag der Geburt des heiligen Robert, ihren Lieblingsheiligen unter den Gründern von Cîteaux, im Himmel feierte. Wahrscheinlich identifizierte sie sich mit seiner Suche, seinem Wunsch nach einer Klostergründung und seinem Verzicht.
Mutter Pia war 67 Jahre alt und seit 40 Jahren im Orden. Sie war die erste Schwester, die auf dem neuen Friedhof in Vitorchiano beerdigt wurde, gemäß der Vorhersage, die sie einer italienischen Nonne von La Fille-Dieu gemacht hatte.
1. Soweit nichts anderes angemerkt ist, entstammen alle Zitate aus Dokumenten, die im Archiv der Abtei Vitorchiano aufbewahrt werden.
2. Lutgarde Hémery war Äbtissin von Laval von 1900 bis 1944.
3. Brief von Äbtissin Lutgarde an den Generalabt vom 24. Oktober 1926.
4. Chroniken von Vitorchiano 1875-1975, S. 142.
5. M. della Volpe, La strada della gratitudine, Jaca Book, Mailand, 2. Aufl. 1996.
6. E. Francia, Lettere e scritti di Madre Pia, Roma, 1971, S. 92.
7. Briefe der Schwestern von Fille-Dieu, 1959.
Ausbildung in Kloster Sainte-Marie von Bouaké
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Berichte
Ausbildung in Kloster
Sainte-Marie von Bouaké (Elfenbeinküste)
Sekretariat der AIM
Die Ausbildungsinitiative des Klosters Bouaké kann als Beispiel für ein gelungenes Gleichgewicht zwischen monastischer und philosophisch-theologischen Ausbildung gelten. Beides ist gleichermaßen notwendig für das Überleben unserer Gemeinschaften in einer sich ständig wandelnden Welt.
Aus Sorge um die Ausbildung des Klosternachwuchses und die Zukunft der Gemeinschaft hat Pater Jean- Luc Molinié, Oberer des Klosters Bouaké und Mönch der Abtei En-Calcat (Frankreich), 2016 in seiner Gemeinschaft ein Studium für philosophische und theologische Ausbildung eingerichtet, das mit dem Studiengang der Theologischen Fakultät der UCAO (Katholische Universität Westafrikas mit Sitz in Abidjan) verknüpft ist.
Zwischen dem Studium und der Fakultät wurde eine Vereinbarung über den Studiengang (Programme und Stunden), die beteiligten Professoren der Fakultät sowie die Abschlüsse geschlossen. Die Vereinbarung sieht auch eine stärker auf das Klosterleben ausgerichtete Ausbildung vor, da das Studium Mönche ausbildet (biblische Studien, Patristik, spirituelle Theologie, Liturgie). Der Studiengang, der an der UCAO zwei Jahre dauert, ist für das Studium auf fünf Jahre angelegt. Am Ende des Studiums stellt die Universität ein Dokument aus, in dem die anerkannten Leistungspunkte offiziell anerkannt werden, sowie das kanonische Bakkalaureat für Theologiestudenten.
Um die Reisekosten zu senken, wurden in Absprache mit der philosophischen Fakultät der UCAO auch Verbindungen zur philo sophischen Fakultät der Universität Alassane Ouattara in Bouaké geknüpft.
Der Theologie-Zyklus des Studiums dauert jedes Jahr von Februar bis April, der Philosophie-Zyklus von Oktober bis Dezember. Das Studium wurde zunächst den in Bouaké in Ausbildung befindlichen Mönchen angeboten und 2020 für Mönche und Nonnen, Ordensleute aus anderen französischsprachigen Gemeinschaften Afrikas geöffnet. Diese Vielfalt ist eine glückliche Gelegenheit für die Studierenden, ihre Lebenserfahrung zu bereichern und ihre Reflexion über das religiöse und monastische Leben in Afrika zu vertiefen.
Die Zahl der Studierenden schwankt zwischen zehn und zwanzig. Sie kommen aus der Elfenbeinküste, Burundi, Kongo-Brazzaville, Gabun, Togo, Ruanda, aus Benediktinergemeinschaften, aber auch aus anderen Orden wie der monastischen Fraternität Jesus Eucharistie (aus Gagnoa), den Klerikern von Saint-Viateur, der von Pater Zacharias in Burundi gegründeten Gemeinschaft usw.
Die Finanzierung des Studiums wird durch einen Beitrag der Studenten und durch die Unterstützung der AIM sichergestellt, wozu Reisekosten der Professoren der Fakultäten, Unterbringung der Studenten, Lehrveranstaltungen usw. zählen.
Die Professoren
Um das Projekt des Studiums zu sichern, ist es wichtig, dass einige Mönche zusätzlich zu den Professoren, die aus den Fakultäten kommen, einen Teil der Ausbildung übernehmen. Da das Studium unter der akademischen Aufsicht der UCAO steht, sind nur Mönche mit mindestens einem Master-Abschluss berechtigt, Lehrveranstaltungen anzubieten. Der Leiter des Studiums muss einen Doktortitel haben. Einige Mönche der Gemeinschaft in Bouaké, die bereits einen Abschluss in Theologie haben, setzen ihr Studium am Ausbildungszentrum der Dominikaner in Yamoussoukro oder am Jesuiteninstitut für Theologie in Westafrika in Abidjan fort, um anschließend Aufgaben im Studium zu übernehmen
Der Ort der Sitzungen
Seit 2004, nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen an der Elfenbeinküste, versucht die Gemeinschaft, eine Krankenstation für die lokale Bevölkerung einzurichten. Auf Einladung der Gesundheitsbehörden des Landes wurde das Projekt in ein großes Gesundheitszentrum umgewandelt: Entbindungsstation, Labor, Ambulanz... Leider gab es zahlreiche Schwierigkeiten, die eine Fortführung des Projekts unmöglich machten: fehlende finanzielle Mittel, schlechte Verwaltung durch die beteiligten Fachkräfte, Instandhaltung der Gebäude, Betriebskosten etc. Die Gemeinschaft beschloss daher schließlich, das Projekt aufzugeben und die beiden Gebäude in ein Aufnahmezentrum für die Studierenden des Studiums für philosophische und theologische Ausbildung umzuwandeln. Die AIM beteiligte sich finanziell an der Sanierung der nunmehr in Betrieb befindlichen Gebäude. Während der sechsmonatigen jährlichen Ausbildungszeit beherbergen die beiden Gebäude die Studenten für Unterkunft und Unterricht; den Rest des Jahres stehen die Gebäude Jugendgruppen für geistliche Exerzitien zur Verfügung.
Das Vorbereitungsjahr
Die Ankunft neuer Studierender zwingt jedes Jahr dazu, über ihre Integration in den Studiengang nachzudenken, da sie zu Studierenden stoßen, die bereits eine gewisse Anzahl von Sitzungen absolviert haben. Darüber hinaus hat die Erfahrung der ersten Jahre des Studiums gezeigt, dass es notwendig ist, einen Grundstock an philosophischer und theologischer Ausbildung zu schaffen, der den vertiefenden Sitzungen vorausgeht, auch wenn der Student anschließend nur den theologischen Studiengang wählt. Denn die aktuellen Herausforderungen der Gesellschaften und die Fragen und Probleme, die sie in den Religionsgemeinschaften aufwerfen, setzen ein Mindestmaß an philosophischer Bildung voraus, um sie zu verstehen und darüber angemessen reflektieren zu können. Aus diesen beiden Gründen – und unter der Bedingung, dass jedes Jahr mindestens fünf neue Studierende aufgenommen werden – hat das Studium gerade eine obligatorische Vorbereitungszeit von etwa neun Monaten für alle Studierenden eingeführt, die zu den Studiengängen des Studiums hinzukommen. Diese Zeit umfasst einen dreimonatigen Philosophiekurs (Einführung in die Philosophie, Methodologie, Hermeneutik, Anthropologie, Politik, antike Philosophie, Augustinus, Thomas von Aquin), einen dreimonatigen Theologiekurs (Einführung in die Bibel, das Neue Testament, Theologie, Methodologie, Fundamentaltheologie, Sakramente, Verbindung von Philosophie und Theologie, intellektuelles und spirituelles Leben, Einführung in das Kirchenrecht, frühes Christentum usw.) und eine Zeit für Wiederholungen und eventuelle Prüfungen. Diese Grundausbildung kann auch für Brüder und Schwestern nützlich sein, die sich nicht für ein mehrjähriges Studium verpflichten können oder wollen.
Zukunft
Das Studium scheint mittlerweile gut etabliert und sein Betrieb gesichert zu sein. Es wird hilfreich sein, die Werke der Bibliothek der Mönche in Bouaké den Studenten des Studiums besser zugänglich zu machen, um ihnen das Studium zu erleichtern. Es werden Überlegungen angestellt, ein eigenes Bibliotheksgebäude zu errichten, das für ihre Arbeit und ihre Forschungen geeignet ist.