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Bulletin

Klosterleben heute

125

Bulletin

„Das ganze Leben als Liturgie“

124

Bulletin

Die Generalkapitel der Zisterzienser und Trappisten

123

Bulletin

Klösterliches Leben und synodaler Weg

122

Bulletin

Die Verwaltung des gemeinsamen Hauses

121

Bulletin

„Fratelli tutti“ Geschwisterlichkeit im Klosterleben

„Fratelli tutti“ Geschwisterlichkeit im Klosterleben

AIM Bulletin - Heft 121 (2021)

Inhaltsverzeichnis

EDITORIAL

Jean-Pierre Longeat OSB


MEDITATION

„Fratelli tutti“, Kapitel 3 (Auszüge)

Papst Franziskus


LECTIO DIVINA

„Nur einer ist euer Vater, ihr alle aber seid Brüder“ (Matthäus 23,8-9)

Olivier-Marie Sarr OSB


PERSPEKTIVEN

Geschwister nach der Regel des heiligen Benedikt

Jean-Pierre Longeat OSB


MEDITATION

„Fratelli tutti“, Kapitel 3 (Auszüge)

Papst Franziskus


ÖFFNUNG ZUR WELT

Konsequenzen der aktuellen Corona- krise für Klostergemeinschaften in aller Welt

Patricia Murray IBVM


ZEUGEN FÜR DAS MONASTISCHE LEBEN

Dietrich Bonhoeffer und das monastische Leben. Anregungen eines evangelischen Theologen

John W. de Gruchy


NACHRICHTEN

  • Iwuru – eine Klostergründung von Ewu Ishan (Nigeria)
  • Solonka – eine Klostergründung in der Ukraine
  • Die Benediktiner von Shantivanam
  • Konferenz der Klöster Zentralafrikas
Sommaire

Leitartikel

Diese Ausgabe des AIM Bulletin enthält eine Beilage. Es handelt sich um eine Reflexion des internationalen AIM-Teams über die Enzyklika von Papst Franziskus „Fratelli tutti“. Letztere kann zusammen mit dem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium und der Enzyklika Laudato Sí als die pastorale und theologische Synthese des Wirkens von Papst Franziskus betrachtet werden.

Wir hielten es für wichtig, diese Lehre hervorzuheben und zu sehen, wie sie auf das klösterliche Leben nach der Regel des heiligen Benedikt angewendet werden kann. Dieses Arbeitspapier wird Gemeinschaften in aller Welt zur Verfügung gestellt, um über Lebensentscheidungen und die Beteiligung am Aufbau einer neuen Welt nachzudenken.

Die begleitende Ausgabe des Bulletins bietet weiterhin Einblicke in das Thema der Geschwisterlichkeit im monastischen Leben. Außerdem werden die Auswirkungen der Pandemie, die wir derzeit erleben, auf das Ordensleben im Allgemeinen erörtert. Damit befasst sich der Vortrag von Schwester Patricia Murray, den diese vor dem AIM-Rat im Jahr 2019. Hingewiesen sei auch den Artikel über Dietrich Bonhoeffers Denken über die Bedeutung des monastischen Lebens als Modell für ein christliches Leben. Und wie immer aktuelle Nachrichten und Hinweise.


Jean-Pierre Longeat, OSB

Präsident der AIM

Artikel

„Nur einer ist euer Vater, ihr alle aber seid Brüder“ (Matthäus 23,8-9)

1

Lectio divina

Olivier-Marie Sarr OSB

Abt von Keur-Moussa (Senegal)

 

„Nur einer ist euer Vater,

ihr alle aber seid Brüder“

(Matthäus 23,8-9)

 

„8 Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. 9 Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ (Matthäus 23,8-9)

 

Wenn wir diese beiden Verse aus dem 23. Kapitel des Matthäus-Evangeliums lesen, fällt uns vielleicht zuerst der stark einschränkende Grundton auf, der in Form von zwei Sätzen ausgedrückt ist (Ihr sollt nicht... – auch sollt ihr niemanden...), gefolgt von einer Erläuterung jedes Satzes (denn nur einer...). Wir stehen also vor zwei Verboten: sich nicht den Titel eines Meisters und den eines Vaters zuzulegen. Und zwischen den beiden gibt es eine subtile, aber sehr positive und ausdrückliche Aussage: Ihr seid alle Brüder!

Die Aussage der beiden Verse wird für uns deutlicher, wenn wir die Verse 1 bis 12 desselben Kapitels 23 im Zusammenhang lesen. Dort tadelt Jesus die Schriftgelehrten und Pharisäer, die sich auf den Stuhl des Mose gesetzt haben, und stellt sie als abschreckende Beispiele vor. Denn sie stellen Gebote auf, halten sich aber selbst nicht daran, sie geben mit ihrer Kleidung an und wollen mit ihren Titeln angeredet werden. Sogar bei solchen gemeinschaftlichen Anlässen wie dem Gottesdienst möchten sie sich Ehrenplätze zuweisen lassen.

Die Bedingungen für universelle Geschwisterlichkeit müssen jedoch über die Beziehung zwischen Meister und Schüler, Sohn und Vater hinausgehen. Sie können nicht Teil einer Logik von Titeln, Ehrungen und Privilegien sein, denn die Geschwisterlichkeit ist frei, ohne Berechnung, ohne Vorspiegelung. In dieser Perspektive betont die frohe Botschaft, die durch diese Verse übermittelt wird, die universelle Geschwisterlichkeit, die zu einer Ehre oder einem neuen Privileg wird. Geschwister untereinander und Geschwister Jesu zu sein, bedeutet, die Würde wiederzuerlangen, Kinder des Vaters und Erben Christi zu sein. Denn „da wir seine Kinder sind, sind wir auch seine Erben: Erben Gottes, Erben mit Christus“ (Röm 8,17). Folglich „gibt es nicht mehr Juden oder Griechen, nicht mehr Sklaven oder Freie... Wenn ihr aber Christus angehört, seid ihr Abrahams Nachkommen, ihr seid Erben nach der Verheißung“ (Gal 3,28-29; vgl. Gal 4,7; Phil 16). Denn der göttliche Plan ist es, uns „nach dem Bild seines Sohnes zu gestalten, damit dieser Sohn der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei“ (Röm 8,29). Das ist unsere Berufung und unser Auftrag: eine Gemeinschaft von Geschwistern aufzubauen, „die sich gegenseitig aufnehmen und füreinander sorgen“ (Fratelli tutti, FT, 95). Jesus ist der Lehrer, der uns diesen Aufruf zum Leben und zur Verbreitung dieser universellen Geschwisterlichkeit, die den Wert einer Offenbarung hat, offenbart. Wir sind in der Tat alle Geschwister, und in allen Schwestern und Brüdern ist das Antlitz Christi, unseres einzigen Meisters und Spiegelbild der Liebe des himmlischen Vaters, zu finden: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Bin ich also als Abt ein Vater, der die Wirksamkeit der Geschwisterlichkeit auf verantwortungsvolle Weise garantiert? Nun, „man wird nicht als Vater geboren, man wird es. Und das wird man nicht, nur weil man ein Kind zur Welt bringt, sondern weil man sich verantwortungsvoll darum kümmert. Wann immer jemand die Verantwortung für das Leben eines anderen übernimmt, übt er in gewissem Sinne eine Vaterschaft ihm gegenüber aus“ (Patris Corde 7). Nach dieser Logik liegt in der Geschwisterlichkeit eine gewisse Väterlichkeit oder Mütterlichkeit: wenn wir uns entscheiden, Wohlwollen (vgl. FT 222) gegenüber unseren Brüdern und Schwestern zu pflegen, indem wir uns Zeit für sie nehmen, auf ihre Bedürfnisse achten und zu ihrem menschlichen, moralischen und geistigen Wachstum beitragen; wenn wir aktiv am Zusammenhalt der Gruppe mitwirken, indem wir Streitigkeiten vermeiden (vgl. Gal 5,15), die von falschen Brüdern provoziert werden (vgl. Gal 2,4ff; 2 Kor 11,26), indem wir geschwisterliche Zurechtweisung praktizieren, zur gegenseitigen Unterstützung ermutigen (vgl. Röm 15,1), mit großem Feingefühl vorgehen (vgl. 1 Kor 8,12) und den Schwestern und Brüdern einen Raum der Freiheit, der Entscheidung und des Aufbruchs bieten (vgl. Patris corde 7). Kurzum, wenn ich mich den Schwestern und Brüdern gegenüber verantwortlich verhalte, dann bin ich ihnen Bruder und Vater zugleich; ein Satz Jesu an Simon Petrus bringt es auf den Punkt: „Stärkt eure Brüder“ (Lk 22,32). Die „Ausübung“ der Geschwisterlichkeit erfordert also eine Präsenz und stellt eine Gegenwart dar. Das ist die feste Überzeugung des Psalmisten: „Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, als Brüder und Schwestern beieinander zu wohnen und vereint zu sein“ (Ps 132,1).

„Herr und Vater der Menschheit, der du alle Menschen mit gleicher Würde geschaffen hast, lege uns den Geist der Geschwisterlichkeit ins Herz“. (FT 287) Amen!


Mönche des Kloster Séguéya (Guinea Conakry) auf einem Ausflug. © AIM.

Geschwister nach der Regel des hl. Benedikt

2

Perspektiven

Jean-Pierre Longeat, OSB

Präsident der AIM

 

Geschwister nach der Regel

des hl. Benedikt

 


Wenn es eine Dimension gibt, die für Benedikt wichtig ist, dann ist es die der Geschwisterlichkeit. In seiner Regel bevorzugt er den Titel „Bruder“, um die Mitglieder der monastischen Gemeinschaft zu bezeichnen. Im Vergleich dazu wird der Titel „M.nch“ viel seltener verwendet. Es sei an dieser Stelle an die Schlussfolgerungen von Christine Mohrmann erinnert, die zu ihrer Zeit diese Wortwahl in Bezug zum Ideal der ersten christlichen Gemeinschaft durch die frühen christlichen Asketen unter der Führung des Evangeliums, wie es im Prolog der Regel gut zum Ausdruck kommt, gesetzt hat.[1]

Wann immer der Benedikt den Titel „Bruder“ verwendet, ist er mit Bedeutung aufgeladen; es gibt keine einfache funktionale Rolle in diesem Gebrauch. Sie markiert ein Ideal. Die kl.sterliche Gemeinschaft wird als eine brüderliche Armee beschrieben, in der man sich im Kampf gegen den b.sen Geist übt und dabei reift (RB 1,5). Diese Charakterisierung der Z.nobiten als tapfere Menschen ist sicherlich nicht neutral. Sie sollte sehr ernst genommen werden, ebenso wie das Bild der Schule des Dienstes des Herrn oder das der Werkstatt, in der man sich mit den Werkzeugen der guten Werke übt. Wenn Benedikt von einem brüderlichen Heer spricht, betont er, wie wichtig es ist, zu lernen, die Fallen des Gegners zu überlisten und sich auf die Erfahrung derer zu verlassen, auf deren Seite man kämpft.

Teilnehmer des Programms für monastische Ausbilder (2017). © AIM.

Geschwisterliches Engagement in der Gemeinschaft

Nachdem der Novize seine Profess abgelegt hat, wirft er sich den Brüdern zu Füßen, denn die unmittelbare Folge seines Engagements ist gerade die Zugehörigkeit zu diesem brüderlichen Leib, in dem er weiterhin gegen alles kämpfen wird, was das Gebot der Liebe behindern kann (RB 58,23).

Zu Beginn und am Ende der Regel wird diese Dimension ebenfalls als ein wichtiges Thema genannt. In den ersten Abschnitten ruft der heilige Benedikt den Brüdern zu: „Liebe Brüder, was kann beglückender für uns sein, als dieses Wort des Herrn, der uns einlädt?“ (Pr 19), und in Kapitel 72, das als eigentlicher Abschluss der Regel betrachtet werden kann: „Sie sollen einander die Bruderliebe selbstlos erweisen“ (RB 72,8). Weil eine brüderliche Stimme uns mit der ganzen Innigkeit der Liebe ansprach, machten wir uns auf den Weg zu einer Gemeinschaft, um mit anderen an der Dynamik der Nächstenliebe zu arbeiten.

Zwischen diesen beiden Erwähnungen können wir sagen, dass die ganze Regel darin besteht, auf sehr konkrete Weise auf den Ruf zu antworten, den wir von der einladenden Stimme des Herrn erhalten haben, und in der Erfüllung der Pflichten der brüderlichen Liebe.

Schon der Prolog spielt auf dieser Partitur zwischen dem Hören und der Umsetzung des Liebesgebots: „Meine Brüder, als wir den Herrn fragten: ,Wer ist der, der das Leben liebt und gute Tage genießen will?‘ (Ps 33) oder ,Wer wird in deinem Haus wohnen, Herr?‘ (Ps 14)‘“, fordert Benedikt: „Brüder, lasst uns auf die Stimme des Herrn hören.“ Die Stimme desjenigen, der zu uns spricht, lädt uns ein, uns auf den Weg zu machen und wirksam zu handeln. Um diesen Prozess zu fördern, sollten wir einander als Brüder und Schwestern anreden, wie so wie es Benedikt vormacht.

Aber aus welcher Form von Geschwisterlichkeit besteht das Programm des klösterlichen Lebens?


Eine Gemeinschaft von Brüdern

In erster Linie ist die Gemeinschaft als Rat der Brüder konstituiert, dessen Meinung der Abt regelmäßig einholt. Dies ist eines der Merkmale des gemeinsamen Lebens. Dies geschieht auf verschiedenen Ebenen: entweder in der gesamten Gemeinschaft oder in einem Rat der „Weisen“ um den Abt. Wie die Regel uns erinnert, ist es gut, alles mit Rat zu tun, man wird es nicht bereuen.

Wenn die Brüder versammelt sind, wird die Meinung eines jeden eingeholt: Das ist sowohl ein Recht als auch eine Pflicht. Niemand kann sich einer solchen Aufforderung entziehen. „In aller Demut und Unterordnung werden die Brüder ihren Rat geben“ (RB 3,4). Hier gibt es eine Qualität des Zuhörens, der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins, dass die Einzelmeinung eines jeden weniger gilt ist als die Meinung des Ganzen. Alles ist miteinander verbunden, und das Ganze ist mehr wert als ein Teil. Genau darum geht es bei diesen brüderlichen Ratschlägen. Wenn diese Dimension im Leben einer Gemeinschaft nicht regelmäßig genug vorkommt, kann man sicher sein, dass eine Gefahr droht.


Eine demütige Geschwisterlichkeit

Es ist daher notwendig, das Thema der Demut im Herzen zu behalten, um eine echte Gemeinschaft von Brüdern zu fördern. In Kapitel 7 über die Demut heißt es, dass der weise Bruder (wörtlich: derjenige, der nützlich sein will) sich immer wieder in seinem Herzen wiederholen wird, um über seine Gedanken wachsam zu sein: „Ich werde ohne Makel vor dem Herrn sein, wenn ich mich von meiner Sünde fernhalte“ (7,18). Sünde bedeutet im Wesentlichen, sich von Gott abzuwenden und nur nach sich selbst handeln zu wollen. Benedikt betont: „Lasst uns nicht vergessen, Brüder, dass wir immer wachsam sein müssen“. Am Ende von Kapitel 7 schließt er mit den Worten: „Die Brüder dulden die falschen Brüder und segnen die, die sie verfluchen“ (7,93). Wie im Prolog und in der gesamten Regel steht am Anfang die Aufforderung zum Zuhören, zur Wachsamkeit, zu der die Mitglieder der Gemeinschaft in aller Brüderlichkeit aufgerufen sind; ebenso sind sie am Ende in der Lage, ihre Feinde zu lieben, falsche Brüder zu dulden, diejenigen zu segnen, die sie verfluchen, mit anderen Worten, eine erfüllte Umsetzung des Gebots der Liebe zu erreichen. Anders ist es nicht möglich, voranzukommen: Die Demut versetzt uns in die Lage, zuzuhören, aufzupassen, wachsam zu sein, unser Herz zu hüten, um Christus auf seinem Osterweg zu folgen und die brüderliche Gemeinschaft in der Wahrheit zu leben, wie er sie selbst gelebt hat.

Das schöne Zeugnis einer klösterlichen Gemeinschaft im Herzen der Gesellschaft ist vor allem wegen dieser Fähigkeit zur Brüderlichkeit wertvoll, die die Gnade des Friedens, der Einheit und der Liebe bringt.


Unter der Führung von Christus

Der Abt, der die Aufgabe hat, die Gegenwart Christi inmitten der Gemeinschaft auf seine Weise sichtbar zu machen, muss selbst dafür sorgen, dass die keine Feindschaft zwischen Brüdern in die Gruppe eindringt. Er bleibt wachsam, vor allem in Bezug auf seine eigenen Handlungen, die genauso viel und manchmal mehr aussagen als seine Worte. Dies gilt insbesondere für die Qualität seiner Beziehung zu den Brüdern, die er mit Demut angeht: „Du, der du den Strohhalm im Auge deines Bruders gesehen hast, du siehst den Balken in deinem eigenen Auge nicht“ (RB 2,15).

Die Verantwortung des Abtes ist dieselbe, unabhängig davon, wie viele Brüder ihm unterstellt sind (RB 2,38). Er wird für den Fortschritt oder den Rückfall eines jeden verantwortlich sein, für den Anteil an Wachsamkeit, der von ihm verlangt wird. Das Kapitel 64 übersetzt dies in eine lapidare Formel: „Der Abt wird die Laster hassen und die Brüder lieben“ (64,11).

Die Mitarbeiter des Abtes werden in der Regel mit dem Rat der Brüder, zum Beispiel des Priors, ausgewählt (65, 15). Die Dekane sollen aus den Reihen der Brüder ernannt werden, die einen guten Ruf haben und ein heiliges Leben führen (21,1). Im Kapitel über den Cellerar präzisiert Benedikt die brüderliche Haltung, die er von dieser für die materielle Organisation des Klosters verantwortlichen Person verlangt: „Der Cellerar soll die Brüder nicht betrüben“ (31,6); „er soll ein gutes Wort sagen können, wenn ein Bruder ihn um etwas Unangemessenes bittet“ (31,7) und „er soll dafür sorgen, dass jeder mit dem Anteil bedient wird, der ihm zusteht, je nach seinen Bedürfnissen“ (31,16).

Benedikt geht es also darum, die Brüder in die Wahl ihrer Leiter einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass die Brüderlichkeit in all ihren Aspekten gelebt wird, damit niemand im Haus Gottes gestört wird.


Brüdernaher Dienst

Die gesamte Gemeinschaft muss diesen Geist der Brüderlichkeit aufgreifen: „Die Brüder sollen einander dienen“ (35,1). Diejenigen, die jede Woche ihren Dienst antreten, werden ihren Brüdern die Füße waschen und so Christus am Vorabend seiner Passion nachahmen. Das Mahl und der damit verbundene Gottesdienst sind als eucharistische Momente konzipiert. Sie beziehen sich auf die Agape, die die erste christliche Generation dem eucharistischen Teilen folgen ließ.

Besondere Aufmerksamkeit wird den kranken Brüdern zuteil, die Christus in der Gemeinschaft in besonderer Weise repräsentieren („Ich war krank“, sagt Christus, „und ihr habt mich besucht“ und „Was ihr einem von diesen Kleinen getan habt, das habt ihr mir getan“, RB 36,2-3).

Benedikt achtet aber auch sehr darauf, dass der brüderliche Dienst keine Unruhe in die Gemeinschaft bringt: „Die Brüder sollen ihre Arbeit ohne Murren verrichten“ (41,5). Ein ganzes Kapitel ist dieser Zeiteinteilung gewidmet, und schließlich (48) ist das ganze Leben einer Bekehrungstätigkeit mit gegenseitiger Ermutigung gewidmet. Wenn es einen Bruder gibt, der an Entmutigung (acedia) leidet, wird es gut sein, ihn zu unterstützen, ihm zur Seite zu stehen und ihm zu helfen, diese Phase zu überwinden (48,18). Andererseits ist es aber auch wichtig, dass es persönliche Zeiten gibt, in denen die brüderliche Beziehung nicht als Zerstreuung wirkt (48,21). Wenn es Brüder gibt, die schwächer sind, sollte man sich besonders um sie kümmern und eine angemessene Tätigkeit für sie finden, damit sie an der gemeinsamen Arbeit teilnehmen können und gleichzeitig nicht überfordert werden oder sich vor ihrer Aufgabe drücken (48,24).

Wenn der Pförtner Hilfe braucht, soll ihm zu diesem Zweck ein jüngerer Bruder zur Seite gestellt werden (66,5). Das klingt trivial, ist aber eine Dimension, die eine wichtige Rolle für die Qualität des täglichen Lebens spielt: Wenn jemand überlastet ist, kann er seinen Brüdern nicht unter guten Bedingungen dienen.

Und so wie der Cellerar die Werkzeuge des Klosters mit der gleichen Sorgfalt behandelt wie heilige Altargefäße, so wird der Abt die Werkzeuge zuverlässigen Brüdern anvertrauen, und er wird darauf achten, dass jede Woche nichts verstreut wird, damit die Brüder, die einander in der Leitung folgen, keine Überraschungen erleben und auf die Zuverlässigkeit der anderen zählen können.


Ein Leben der Suche

Die Regel legt fest, dass die Bruderschaft in der Suche nach einem inneren Fundament verwurzelt ist, das im Gebet und in der Meditation gefunden werden kann.

Abgesehen davon, dass nichts dem Werk Gottes, d.h. dem gemeinsamen Gebet, vorgezogen werden soll, fordert Benedikt, dass man sich Zeit für das Studium des Psalters und der Lesungen nimmt. Wir wissen, dass die alten Mönche viel Zeit damit verbrachten, die Psalmen auswendig zu lernen, die das Ausgangsmaterial für das Offizium sind. Deshalb sind die Brüder, die sich damit befassen, dazu aufgerufen, die freie Zeit nach den nächtlichen Vigilien in Erwartung des Morgenoffiziums zu verbringen (8,3).

Die Lesung im Chor ist Gegenstand besonderer Sorgfalt. Es sollte nicht von jemandem übernommen werden, der die Kunst des Lesens nicht beherrscht (9). Auch hier gibt es ein Gefühl der Brüderlichkeit, das die Wurzeln dessen berührt, was offenbart wird.


Correctio fraterna

Die Regel basiert auf einem geschwisterlichen gegenseitigen Vertrauen. Die Gemeinschaft ist wie eine Sportmannschaft organisiert, in der jeder seine Rolle spielt und sich darauf verlässt, dass auch die anderen ihre Rolle spielen. Es ist in erster Linie die Aufgabe des Abtes, das Spiel des brüderlichen Vertrauens zu leiten, wobei er wissen muss, was er den anderen abverlangen kann. So wird er z. B. die Verwaltung Brüdern anvertrauen, derer er sich sicher ist (32,1), und er wird darauf achten, dass es keine Verwirrung eintritt, insbesondere bei der Weitergabe von Aufgaben. Wir dürfen hierbei nicht naiv sein: Im Kloster wie in allen Bereichen der Gesellschaft gibt es Störenfriede, und es ist notwendig, ihre Versuche zur Machtübernahme zu unterbinden und aufzufangen.

Ein harmonisches brüderliches Leben kann nicht ohne einige Regeln erreicht werden. Deshalb sieht Benedikt Maßnahmen vor, die zum persönlichen Nachdenken über das eigene Verhalten anregen und eine Anpassung ermöglichen. Dies geschieht vor allem im Rahmen der täglichen Zusammenkünfte der Gemeinschaft (Liturgie, Mahlzeiten). Ein Bruder, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hat, kann vorübergehend vom gemeinsamen Tisch oder vom gemeinsamen Gebet ausgeschlossen werden (24-29). Diese Zurückstellung zielt darauf ab, den brüderlichen Mangel als ein Gut zu erfahren, das den vielgestaltigen und ungeordneten Wünschen eines jeden überlegen ist. Heute beobachten wir hierbei ein beunruhigendes Phänomen: Einige Brüder und Schwestern halten sich von allem fern, ohne dass sie dies im geringsten als Belastung empfinden. Sie kultivieren gerne ihre eigene Andersartigkeit ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl und sind überzeugt, dass sie vollständig im Recht sind. Da es schwierig ist, an die heutige Mentalität angepasste Formen der brüderlichen Zurechtweisung zu finden, haben wir uns resignierend damit abgefunden, dass es sie kaum noch gibt. Meines Erachtens ist dies ein Thema, das im Leben unserer Gemeinschaften eingehend untersucht werden muss, um eine gute Lösung zu finden.


Das Ende der Regel

Am Ende seiner Regel betont der Benedikt sehr die Dimension der brüderlichen Beziehungen. Er denkt an die Brüder, die auf Reisen gehen, sei es in der Nähe des Klosters oder in der Ferne. Er spricht davon, dass sie bei ihrer Abreise gesegnet werden und bei ihrer Rückkehr für sie gebetet wird. Es geht ihm um die Frage, wie mit mit Aufträgen umgegangen werden soll, die die Möglichkeiten des Bruders zu übersteigen scheinen. Seine Ausführungen sind sehr zu beherzigen (vgl. RB 68).

Benedikt stellt klar, dass niemand einen anderen Bruder absichtlich schlägt oder bestraft, sondern dass die brüderliche Zurechtweisung durch den Abt und die Gemeinschaft geregelt wird.

Er fordert vor allem, dass die Brüder einander gehorchen (71). Deshalb soll im Kloster die Bereitschaft herrschen, einander zuzuhören und gemeinsam zu handeln. Und wenn ein Bruder einen anderen verärgert hat, soll er seinen Fehler sofort eingestehen und an Ort und Stelle um Vergebung bitten (71,6).

Benedikt fasst sein Anliegen, die brüderliche Gemeinschaft zu pflegen, mit der lapidaren Formel zusammen: „Sie sollen die Pflichten der brüderlichen Liebe keusch erfüllen“ (72,8), das heißt, ohne dass jemand sich komplett mit einem anderen identifiziert oder im Gegenteil sich von ihm vollständig abgrenzt.


Ratschläge für ein Leben der Geschwisterlichkeit

An dieser Stelle sollen einige Räte der Regel genannt werden, die die brüderliche Beziehung konkret zum Ausdruck bringen.

Das Wichtigste, was man tun muss, um die Brüderlichkeit frei zu leben, ist, sich von allem zu lösen und sich nicht als Besitzer von irgendetwas zu fühlen, während man sich gleichzeitig um die Bedürfnisse eines jeden Menschen kümmert, sowohl an Leib als auch an Seele.

Integriert werden sollte in das brüderliche Leben der unumgängliche Dialog zur Interpretation der erhaltenen Aufträge, wodurch ihre Ausführung umso wichtiger wird, auch wenn es sich um Dinge handelt, die auf den ersten Blick unmöglich erscheinen (68). Dies soll dazu führen, dass die Brüder lernen, einen gemeinsamen Willen zu verwirklichen, der in dem Gottes verwurzelt sein kann (71).

Persönliche Schuldzuweisungen, die willkürlich dem Recht des Stärkeren den Vorrang geben würden, sind natürlich um jeden Preis zu vermeiden: Niemand sollte subjektive und radikale Entscheidungen hinsichtlich der anderen Brüder treffen, sondern dies den Verantwortlichen überlassen (70). Andererseits soll aber auch eine komplette Identifizierung zweier Brüder vermieden werden.

Die Mönche sollen sich nicht um ihr Äußeres kümmern, was die Kleidung betrifft, sondern ihre Gewänder von der Gemeinschaft erhalten, ohne Rücksicht auf Stil oder Farbe, aber mit Sinn für Mäßigung und daher ohne übermäßige Ausgaben (55).

Man sollte keine Geschenke von außen oder von innen horten, sondern akzeptieren, dass sie an andere weitergegeben werden, wenn sie dort nützlicher sind.

Man sollte darauf achten, innerlich ständig die Haltung einzunehmen, die den Tag der ewign Profess kennzeichnet, an dem der neue Bruder sich zu den Füßen aller anderen niederwirft und um ihre Gebete bittet, um vollständig in die brüderliche Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Er wird auch den Rang seines Eintritts beibehalten, so dass die sozialen Grenzen verwischt werden und die Gemeinschaft überall den Vorrang hat.

Wenn sich Brüder treffen, werden sie sich brüderlich grüßen. Die Jungen werden die Alten ehren und die Alten werden die Jungen lieben: Sie werden einander liebevoll „Bruder“ und „Väterchen“ (nonni) nennen. Dies wird die Beziehung kennzeichnen, die innerhalb des Klosters prägend ist: innerlich inspiriert durch das Gebot der Nächstenliebe.

Die Jungen sollen nicht ständig unter sich bleiben, sondern mit den Älteren gemischt werden, damit sie einen gewissen Abstand zu ihren eigenen Beurteilungen lernen und nicht in Versuchung geraten, in Anfechtungen oder in Zerstreuung über das Wesentliche verwickelt zu werden (22).

Die Brüder werden sich abwechselnd am Tisch bedienen und dafür sorgen, dass es niemandem an etwas fehlt (38,6). Es wird zwei gekochte Gerichte geben, damit kein Bruder benachteiligt wird, wenn er eines davon nicht essen kann.

Die Brüder sollen auch von Woche zu Woche am Tisch lesen, und um nicht zu sehr zu leiden, sollen sie vor dem Gottesdienst essen, besonders wenn sie seit dem Morgen gefastet haben (38, 6, 10).

Es ist wichtig, dass die Brüder alles tun, was sie tun müssen, ohne in Versuchung zu kommen, innerlich oder äußerlich zu murren. Benedikt ist sehr sensibel für diese Dimension der Qualität des brüderlichen Lebens. Er ist sich auch der Tatsache bewusst, dass alles zu seiner Zeit geschieht. Er sieht vor, dass der Abt selbst die Glocke für die Liturgie läutet oder dass er sie einem Bruder anvertraut, der so pünktlich ist, dass das Amt nie versäumt wird (47). Und wenn der Gottesdienst zu Ende ist, verlassen alle Brüder in aller Stille die Kirche. Benedikt sieht auch vor, dass einige Brüder nach dem Gottesdienst im Oratorium verweilen können. In diesem Fall sollen sie dies in aller Stille tun, ohne durch ihr Gebet die anderen zu stören (52).


Brüderliche Gastfreundschaft

Die Brüder sind eingeladen, ihr Gebet und einen Teil ihres Lebens mit den Menschen zu teilen, die im Gästehaus des Klosters übernachten. Dies ist eine der Stärken des monastischen Lebens nach Benedikt. Die Brüder sind nicht dazu bestimmt, sich in sich selbst zurückzuziehen. Sie sollen denjenigen, die sie aufnehmen, Zeugnis von der Bedeutung der brüderlichen Gemeinschaft geben (53). Benedikt legt dabei fest, dass jeder Gast wie Christus empfangen werden soll, so dass bei seiner Ankunft der Abt und alle Brüder ihm entgegenlaufen und ihm alle Zeichen der Nächstenliebe zeigen (53,3). Sie beten gemeinsam; der Abt wäscht ihm die Füße, wie es Christus seinen Jüngern gegenüber getan hat.

Der Abt isst mit den Gästen und bricht für sie das Fasten; er kann andere Mönche zu seinem Tisch einladen (56,2), während die Gemeinschaft der Brüder sich an die Praxis des Fastens gemäß der Regel hält (53,10). Wenn viele Gäste da sind, ist es wichtig, dass alles so organisiert wird, dass das Leben der Brüder nicht in seinen Grundzügen gestört wird (53,16). Deshalb erfordert die Funktion des Gastgebers große geistige Qualitäten, insbesondere das Bewusstsein der ständigen Gegenwart Gottes, der allen Beziehungen und allen Handlungen des Lebens einen Sinn gibt (53,21).

Die Mönche sind nach der Regel Benedikts nicht absolut auf die Klausur eingeschränkt. Sie reisen und stehen in häufigem Kontakt mit Außenstehenden. Ein ganzes Kapitel ist den Brüdern gewidmet, die auf Reisen gehen (66). Wenn die Brüder das Kloster für eine gewisse Zeit verlassen müssen, bitten sie bei der Abreise und bei der Rückkehr um das Gebet der Gemeinschaft und bleiben mit ihr verbunden, indem sie, so weit wie möglich, die Gebetszeiten einhalten.


Schwestern von St. Lioba beim ISBF-Treffen 2019. © AIM.

Schluss

Letztlich stellt die Regel Benedikts keine bloß theoretische Abhandlung über Brüderlichkeit als schöne Idee dar, sondern enthält eine praktische Aufforderung, sie im Rahmen einer dauerhaften Lebensgemeinschaft zu verwirklichen. Diese Brüderlichkeit erstreckt sich auf die Gäste, die das Kloster empfängt, und auf alle, die von nah oder fern mit der Gemeinschaft verbunden sind. Schließlich bietet dieses brüderliche Zeugnis, wie wir in der gesamten Menschheitsgeschichte gesehen haben, eine Anregung für den Aufbau der gesamten Gesellschaft. Die klösterlichen Gemeinschaften beweisen in der Tat, dass Brüderlichkeit möglich ist; sie leben sie über die Zeit hinweg mit Stabilität. Der Zeitfaktor ist im klösterlichen Ideal wesentlich, auch wenn der Raum leider oft davon abgelenkt hat: Wir achten manchmal viel zu sehr auf Strukturen, die sich geschichtlich entwickelt haben und irgendwann kaum mehr anpassungsfähig scheinen.

Benedikt, wie wir in seinem von Gregor dem Großen verfassten Leben sehen, schätzte diese wesentliche Rolle der Brüderlichkeit beim Aufbau der Gesellschaft hoch ein. Auch heute lädt er uns ein, Zeugen dafür zu sein, wie ein Leben in Liebe im Rahmen einer geschwisterlichen Gemeinschaft möglich ist.


[1] Christine Mohrmann, “Le rôle des moines dans la transmission du patrimoine latin„, Revued’histoire de l’Église de France, 1961, n° 144, S. 185-198.

Konsequenzen der aktuellen Coronakrise für Klostergemeinschaften in aller Welt

3

Öffnung zur welt

Patricia Murray IBVM

Institute of the Blessed Virgin Mary (USA)

Sekretärin der Internationalen Union

der Generaloberinnen (UISG)

 

Konsequenzen der aktuellen Coronakrise

für Klostergemeinschaften in aller Welt

 


Im August 2019 wurde ich eingeladen, auf einer Konferenz der Ordensoberinnen in Scottsdale, Arizona, zu sprechen. Das scheint aus heutiger Sicht, in der Reisen fast unmöglich ist, schon beinahe eine Ewigkeit her zu sein. Viele der Elemente dieser Rede bekamen eine neue Bedeutung, als ich sie durch das Prisma der aktuellen Covid-19-Epidemie betrachtete. Während der Präsentation in Scottsdale zitierte ich das Gedicht TRASNA von Schwester Raphael Considine aus meiner Kongregation. „Trasna“ ist irisch und bedeutet „Durchgang". Ich glaube, dass diese Verse die „Covid-Reise“ zusammenfassen, die wir Ordensfrauen seit vielen Monaten unternehmen.

Die Pilger hielten an einigen alten Steinen an, im Tal.

Hinter ihnen lag der Weg, den sie zurückgelegt hatten.

Vor uns verdeckte der Nebel den Weg.

Die Frage lag in der Luft:

Warum weitermachen?

Ist das Leben nicht kurz genug?

Warum sollte man versuchen, sein Geheimnis zu lüften?

Warum sich weiter auf diese seltsamen Pfade begeben?

Und alles riskieren?

Es ist offensichtlich ein Glücksspiel von Narren ...

oder Liebenden!

Warum nicht in aller Ruhe auf die Straße zurückkehren,

die wir kennen?

Warum wieder ein Pilger sein?

Eine Stimme, die sie kannten, rief sie und sagte:

Dies ist Trasna, der Ort des Übergangs. Wählt!

Geht zurück, wenn ihr wollt:

Ihr werdet euch leicht zurechtfinden:

Das ist die Straße von gestern,

Ihr könnt euer Zelt

in der Nähe der Feuer von gestern aufschlagen.

Vielleicht ist sogar noch Feuer unter der Glut vorhanden.

Wenn das aber nicht euer innigster Wunsch ist,

bleibt stehen!

Legt eure Last ab,

Nehmt euer Leben in beide Hände,

(Ihr habt etwas Wertvolles,

das euch anvertraut wurde).

Und dann suche die Sehnsüchte deines Herzens:

Wonach suche ich? Was ist meine Aufgabe?

Wenn dein Stern in dir aufgeht,

vertraue der Richtung, in die er weist.

Ihr werdet das Licht haben, um eure ersten Schritte zu machen.

Es ist TRASNA, der Ort des Übergangs.

Wählt!

Es ist TRASNA, der Ort des Durchgangs.

Kommt!

 

Diese Zeilen spiegeln viele der Gespräche wider, die heute unter Ordensleuten auf der ganzen Welt geführt werden. Bei der Internationalen Union der Generaloberinnen (UISG) haben wir „Zoom-Gespräche“ ins Leben gerufen, an denen Ordensmänner und -frauen aus verschiedenen Kontinenten teilnehmen, um gemeinsam über die Zukunft des Ordenslebens nachzudenken. Jedes Mal sagen die Teilnehmer: „Wir sind zu etwas Neuem berufen“; „Wir können nicht zurückgehen, wir müssen vorwärts gehen“; „Wir sind Teil der leidenden Menschheit und teilen ihre Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit“; „Lasst uns die Zeichen verstehen, die uns die heutige Zeit sendet“.

Während der Konferenz in Arizona formulierte ich eine Reihe Appelle, von denen ich hoffte, dass sie die Realität einer Generaloberin wiederspiegeln. Heute möchte ich einige dieser Punkte im Zusammenhang mit dem Coronavirus und der Frage nach seinen Auswirkungen auf das Ordensleben in verschiedenen Teilen der Welt erneut ansprechen. Ich werde dies natürlich aus meiner eigenen Erfahrung unter Ordensfrauen tun, aber ich bin sicher, dass Sie in Ihrem eigenen Leben und dem Ihrer Mitbrüder und -schwestern ähnliche Erfahrungen gemacht haben.


Erster Appell: Lasst uns das Zelt unseres Herzens vergrößern!

Der Prophet Jesaja sagt: „Vergrößert den Raum eures Zeltes, breitet die Plane eurer Behausung aus, ohne zu zögern, verlängert eure Seile, verstärkt eure Pflöcke“ ( Jes 54,2). Dieses Bild, das auf das Ordensleben, ja auf jedes Leben angewandt werden kann, spricht sowohl von Flexibilität als auch von Verwurzelung, von grenzenloser Gastfreundschaft und von Identität. Wir sind eingeladen, uns nicht zurückzuhalten, sondern uns auszustrecken, aber gleichzeitig „unsere Pflöcke zu stärken“, indem wir uns um das kümmern, was das Zelt an seinem Platz hält, damit es fest verankert ist.

Dieser Vers lädt uns ein, in unseren Herzen Platz für Christus und für diejenigen unter uns zu schaffen, die es schwer haben, im Leben voranzukommen. Es ist diese Sichtweise, die unsere Gründer und Gründerinnen inspiriert hat und die im Mittelpunkt ihres geweihten Lebens „als konkreter Ausdruck ihrer leidenschaftlichen Liebe“[1] stand.

Unsere Gründer und Gründerinnen haben ihre Antwort in eine besondere Lebensweise umgesetzt, die den Bedürfnissen ihrer Zeit entsprach. Heute, besonders in dieser Zeit des Covid-Virus, erleben wir als Ordensleute, wie sich unsere Charismen ausdehnen und erweitern. Aber wie schaffen wir diesen Raum, wenn in einigen Teilen der Welt unsere Lebensräume kontrolliert werden und wir uns vielleicht eingeschränkt fühlen? In anderen Teilen der Welt sind Ordensleute als Akteure an vorderster Front im Einsatz und können sich frei bewegen. Unabhängig vom Kontext sehe ich jedoch, dass Ordensleute ihr Charisma nutzen, um neue Wege zu finden und ihren „Zeltraum“ zu erweitern.

Heute haben wir vielleicht mehr denn je die Gelegenheit, uns einander anzunähern, unsere Ängste und Befürchtungen zu teilen, während wir uns alle gemeinsam den Folgen dieser Pandemie stellen. Aber wir teilen auch Freundlichkeit, Großzügigkeit, Gemeinschaft und Solidarität, wenn wir uns mit vielen anderen zusammentun, die sich als Einzelpersonen oder Gruppen um die Bedürftigen kümmern. Das können wir nur tun, wenn wir den Menschen von Angesicht zu Angesicht begegnen. Aber wir können es auch durch das Fenster, per Telefon, über Twitter, Facebook oder Zoom tun. Die Möglichkeiten für Kreativität sind enorm. Ich denke an die Körbe, die in Italien und anderswo aus den Fenstern der Wohnungen herabgelassen werden, an das Singen auf den Balkonen, an die Online-Chöre, die die Menschen aufmuntern sollen: das sind einfache Wege, mit den Bedürftigen zu teilen. Der Korb ist ein starkes Symbol, denn jeder kann ihn benutzen oder ihm etwas hinzufügen. Sie ist ein wunderbares Symbol für Gemeinschaft, Einheit und Solidarität.

Ich weiß, dass viele Gemeinden ihren „Zeltplatz“ schnell vergrößert haben, um den lokalen Bedürfnissen kreativ und auf unterschiedliche Weise zu begegnen:

– Einbindung der gesamten Gemeinschaft in die Zubereitung von Lebensmitteln für die Familien vor Ort, Verteilung von Lebensmitteln oder anderen Hilfsgütern auf der Straße, wie dies in verschiedenen Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas der Fall ist.

– Teilen des Essens und und sogar gemeinsame Mahlzeiten mit denjenigen, die ihre Arbeit verloren haben und aus den Großstädten Indiens und Brasiliens in ihre ländliche Heimat zurückgekehrt sind.

– Fahrten in entlegene Gebiete, um mit den Menschen über die Krankheit zu sprechen, darüber, wie sie sich auf die örtlichen Gemeinschaften auswirken kann und wie man sich am besten darauf vorbereitet; so reisen Gruppen von Schwestern in den Amazonas, um sich mit den dort isoliert gelegenen Gemeinschaften zu treffen.

– In Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften werden kreative Methoden zur Herstellung von Masken entwickelt, um die soziale Distanz in Slums zu überwinden, in denen die Menschen in nächster Nähe zusammenleben, und um Wege zu finden, um genügend Wasser für regelmäßiges Händewaschen an Orten bereitzustellen, die weit von Brunnen oder Bohrlöchern entfernt sind. Dies sind Dinge, die wir oft für selbstverständlich halten.

– Einrichtung eines Zoom-Beratungstelefons in Indien, bei dem Menschen anrufen können, wenn sie Angst haben oder unsicher sind; dieses Angebot wurde inzwischen auf Afrika ausgeweitet.

– Mit Hilfe des Radios werden die Menschen in ländlichen Gebieten erreicht, um ihnen beizubringen, wie sie Covid erkennen und sich vor ihm schützen können.

– Einrichtung von Notunterkünften für Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben.

– Nutzung moderner Technologien für gemeinsames Beten, Feiern und Lectio Divina.

– Entwicklung von Ritualen für den Tod und die Vorbereitung auf den Tod sowie zur Wiederbelebung von Hoffnung und Mitgefühl.

Die Antworten, die wir heute brauchen, liegen oft nicht mehr in großen Initiativen, sondern in kleinen Senfkörnern: ein Wort der Hoffnung, ein zuhörendes Herz, eine mitfühlende Präsenz, ein heilender Blick. Diese Mystik der Begegnung findet überall statt; sie ist „weitreichend, persönlich und kommunikativ“[2].

Wir sehen diese Mystik in unseren Gemeinschaften in Aktion, an den Krankenbetten, auf den Straßen der Städte mit den Obdachlosen, an den Grenzen mit den getrennten Familien, in den Flüchtlingslagern, in den Krankenhäusern und in den Pfarreien mit den Menschen, die sich abmühen.

Diese Zeit des Covid zeigt uns, dass es die kleinen, versteckten und diskreten Taten der Mitmenschlichkeit und Liebe sind, die unsere Welt verändern werden. Es ist die Qualität unserer individuellen und gemeinschaftlichen Präsenz, die am wichtigsten ist. Auch wenn wir vielleicht nicht in der Lage sind, jemanden zu berühren, die Hand zu schütteln oder zu umarmen, sind wir aufgerufen, andere Wege zu finden, um unsere Liebe und Fürsorge zu vermitteln. Papst Franziskus hat oft von einer Revolution der Zärtlichkeit gesprochen, die uns daran erinnert, dass „die Zärtlichkeit Gottes uns dazu führt zu verstehen, dass die Liebe der Sinn des Lebens ist“[3]. Durch diese Revolution der Zärtlichkeit und der Liebe schlägt der Papst einen bescheidenen Weg vor, um Kontinente und Berge zu versetzen[4]. Die Ordensleute fragen sich immer häufiger: „Was haben wir den Menschen zu bieten, die zu uns kommen, um etwas zu essen zu bekommen oder einfach nur einen Moment zu verweilen, um unser Leben zu entdecken? Welche Nahrung können wir ihnen geben? Sind Großzügigkeit und Zärtlichkeit ein wesentlicher Teil unseres Zeugnisses?“[5] Während wir die vielen materiellen Dinge, die in diesem Moment benötigt werden, zur Verfügung stellen müssen, sind wir in Wirklichkeit dazu aufgerufen, mehr zu geben: eine radikale prophetische Präsenz zu sein, Zeugnis davon abzulegen, dass wir ein universelles Herz haben; eine immer wachsame „pilgernde und betende Präsenz“ zu sein, „Fürsprecher, stark im Glauben“, die im Namen der ganzen leidenden Welt zu Gott schauen[6].



Zweiter Aufruf: an den Grenzen präsent sein

Papst Franziskus spricht von einer Kirche im Aufbruch, einer Kirche „in uscita“, die in die verwundeten Länder, in die Peripherien gehen muss. Diese Zeit der räumlichen Entfernung und der Enge stellt uns vor eine Herausforderung. Gloria Anzaldua hat die Metapher „Grenzland“ oder „la frontera“ verwendet, um auf verschiedene Arten von Übergängen zu verweisen: über geopolitische Grenzen hinweg, zwischen Orten sozialer Brüche oder Übergänge, die in verschiedenen sprachlichen oder kulturellen Kontexten existieren[7].

Diese „Grenzgebiete“ gibt es überall: in unserer Nachbarschaft, auf nationaler und internationaler Ebene und, ganz in der Nähe, in unseren Religionsgemeinschaften. Diese Pandemie hat möglicherweise Grenzen wiederbelebt, die schon immer aufgrund von Rasse, Religion, Klasse oder Kaste bestanden haben. Viele Ordensfrauen und -männer berichten von wachsenden Spannungen innerhalb ihrer Gemeinschaften, da die Anforderungen an das Leben mit dem Covid in lokalen und nationalen Gemeinschaften zunehmen.

Ich habe von mehreren Religionsgemeinschaften gehört, dass echte physische Grenzen gezogen werden, allerdings aus Gründen der Gesundheit und Sicherheit: Grenzen zwischen denen, die mit Covid infiziert sind, und denen, die negativ getestet wurden; zwischen denen, die an vorderster Front stehen, weil sie zur Arbeit gehen, und denen, die zu Hause bleiben (oft die Schwächsten und Ältesten); zwischen denen, die vermummt und maskiert sind, die die Kranken aufsuchen, und denen, die Schutz brauchen. Sie haben auch über den Mut der Tausenden von Laien nachgedacht, die sich dafür entscheiden, in Altenheimen, Krankenhäusern und Kliniken zu arbeiten, sowie über die vielen Beschäftigten in wichtigen Diensten: Müllabfuhr, Lebensmittellieferanten und andere Zusteller, Beschäftigte in öffentlichen Verkehrsmitteln, Reinigungskräfte, Köche... die Liste ist endlos. Sie – und viele andere – riskieren auch ihr eigenes Leben und das ihrer Familien, wenn sie Dienstleistungen in religiösen Heimen und Einrichtungen erbringen.

Wir müssen ein grenzüberschreitendes Herz und einen grenzüberschreitenden Geist kultivieren. Es ist wichtig, „in den Augen der anderen“ ein tieferes Verständnis, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl zu sehen, als man es vielleicht im eigenen sozialen Umfeld empfindet. Ich war zutiefst bewegt, als ich hörte, dass Schwestern und Brüder, die als Ärzte und Krankenschwestern in einem Krankenhaus in Indien arbeiten, ihre Gehälter denjenigen angeboten haben, die im Krankenhaus wichtige Dienste leisten und nicht gut bezahlt werden. In anderen Fällen haben die Verantwortlichen für religiöse Einrichtungen ihre Mitarbeiter angewiesen, zu Hause zu bleiben, und haben nach Möglichkeiten gesucht, Personal zu finden, manchmal auch durch den Zuzug von Gemeindemitgliedern aus anderen Ländern und Kontinenten.

„Grenzländer“ ist in der Tat eine reiche Metapher. Man denke nur an die vielen Orte und Gelegenheiten, an denen sich die Wege von Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichem Hintergrund kreuzen und die die Möglichkeit bieten, gemeinsam zu lernen und zu wachsen. Wir leben in Grenzländern. Ich glaube, dass in der heutigen Zeit der Covid-Pandemie diese Art der Überquerung auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene erfolgt, durch Anwesenheit oder sogar virtuell. Im Zoom-Web der Vereinigung der Ordensoberinnen kommen Ordensfrauen und -männer ungeachtet ihrer Sprache zusammen, um sich über eine Vielzahl von Themen auszutauschen, darüber nachzudenken und gemeinsam zu beten. Wenn dies geschieht, werden Beziehungen untereinander aufgebaut, die zu gegenseitiger Veränderung führen. Es geht nicht nur darum, Seite an Seite zu überleben: Es ist ein Prozess des Aufbaus tiefer Bindungen, des Feierns und der Wertschätzung von Unterschieden, des Engagements für die gemeinsame Arbeit.

Einige Ordensfrauen und -männer arbeiten an den geografischen Grenzen, wo immer noch Flüchtlinge und Migranten mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in dieser Zeit der Pandemie ankommen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sie ihre Hoffnungen und Träume im Norden verwirklichen können, und vielleicht werden sie dort sogar vom Virus infiziert. Die spanische Theologin Mercedes Navarro erinnert uns daran, dass der christliche Gott ein „Grenzgott“ ist und dass „man, um die Grenzen zu überleben, ohne Grenzen leben und ein Kreuzweg sein muss“[8]. So müssen wir in unserer Kontemplation, in unseren Gebeten und in unserem Einsatz ständig Grenzen und Grenzgebiete bewohnen; wir müssen prophetisch im Zwischenraum leben und Wege finden, um Menschen über die Kluft von Kultur, Religion, Geschlecht, Rasse und Ethnie hinwegzutragen. Wir müssen Menschen sein, die am Scheideweg stehen, physisch und geistig, die beobachten und warten. Die Sorge unseres Herzens, die Kraft unserer Gebete und unsere Fürsprache können Brüder und Schwestern unterstützen, die sich an den physischen Grenzen in verschiedenen Teilen der Welt befinden. Wir können uns fragen: „Was bedeutet es heute, ohne Grenzen zu leben und ein Ort der Begegnung zu sein? Wie können wir heute in Grenzländern physisch und geistig präsent sein?


Wir sind aufgerufen, die Verwundbarkeit anzunehmen

Eines der Bilder, das die Verwundbarkeit vielleicht am besten zeigt, ist das von Papst Franziskus, der allein auf dem Petersplatz betet. Wenn man sich vor der Pandemie die Entwicklung der Situation der Ordensgemeinschaften in der ganzen Welt ansah, konnte man die Phasen eines Lebenszyklus erkennen: Geburt, Reife, Niedergang und in einigen Fällen das Verschwinden... Wir leben den Kreislauf von Leiden, Tod und Auferstehung auf individueller und organisatorischer Ebene. Jetzt, mit dem Einfluss des Covid, hat sich dieses Gefühl, das Ostergeheimnis zu leben, noch weiter vertieft.

Viele Gemeinden haben Mitglieder durch das Virus verloren: einige wenige, andere viele, vor allem in der Anfangszeit, als wir nicht wussten, wie ansteckend das Virus war. Offensichtlich waren Italien und dann Spanien in den Diözesen und Gemeinden sehr stark betroffen. Viele Priester, Schwestern und Brüder starben. Diese Entwicklung setzte sich in anderen Ländern, insbesondere in den Vereinigten Staaten, fort.

Elisabeth Flick, die als stellvertretende Exekutivsekretärin tätig war, starb nur drei Monate nach ihrer Pensionierung in Norditalien, nur drei Tage, nachdem sie erkrankt war. Wir haben alle ähnliche Fälle erlebt. In der UISG hörten wir dann regelmäßig von den vielen betroffenen und infizierten Gemeinden. Und die Gemeinden trauerten um ihre Schwestern und Brüder und konnten sie nicht einmal mit den üblichen liturgischen und kirchlichen Ritualen beerdigen.

Als Ordensleute waren und sind wir in einem Zustand größerer Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit. Dies macht uns in einem tiefen Sinn aktueller denn je und stellt uns in Gemeinschaft mit den Menschen unserer Zeit und unseres Landes, die mit dem Tod eines geliebten Menschen konfrontiert sind und sich nicht verabschieden können. Wir alle leben in einer Art „Grenzraum“. Die Schrift erinnert uns daran, dass diese Orte oft Wüsten oder wilde Berge sind.

Die Menschen fühlen sich immer wieder genötigt, in die Wildnis zu gehen und „den härtesten, kostspieligsten und gefährlichsten Weg zu gehen, eine Übung, die von der Radikalität ihres Glaubens gefordert wird“[9]. Doch hier in der Wüste wurden die Menschen gespeist, fünftausend auf einmal, und eine neue Gemeinschaft nimmt Gestalt an. Erinnern wir uns immer wieder daran, dass „der Ort des Mangels, ja sogar der Tod, von Jesus als Ort der Hoffnung und des neuen Lebens offenbart wird“[10].

Richard Rohr beschreibt den Grenzraum als „eine entscheidende Zeit des Dazwischen, in der eigentlich alles geschieht und doch nichts zu geschehen scheint“[11]. Dies ist die Zeit des Wartens. Für uns Ordensleute scheint dieser Moment diejenige Zeit des Wartens zu sein, in der wir aufgerufen sind, geduldig zu sein und die neue Zeit und den neuen Raum kommen zu lassen. An diesem Grenzort können wir unsere Ideen miteinander teilen und aufmerksam zuhören, um mitzuteilen, wie wir den Ruf Gottes spüren; diese Gespräche können das leise Wehen des Geistes offenbaren.

Der spirituelle Schriftsteller Belden Lane schreibt über den Tod seiner Mutter: „Der Anfangspunkt für viele Dinge ist die Trauer: genau an dem Punkt, an dem das Ende der Dinge so absolut schien[12]. Unser Glaube erinnert uns daran, dass „der Schmerz des Abschlusses“ oft „einer neuen Öffnung in unserem Leben vorausgeht“[13]. Wir wissen, dass wir mit unserer Erfahrung von Schwäche, Verwirrung und des Suchens zu den Männern und Frauen unserer Zeit gehören.

Was wir den Menschen heute anzubieten haben, ist vor allem unsere Erfahrung der Verletzlichkeit, der Zerbrechlichkeit, der Schwäche und unsere tiefe Überzeugung, dass Gottes Gnade selten so kommt, wie wir es vielleicht erwarten. Sie erfordert oft „die Aufgabe aller Sicherheiten“, und nur wenn wir diese Verwundbarkeit akzeptieren, die die Gnade verlangt, werden wir uns in die Fülle eingeladen fühlen[14]. Gerade durch unsere eigenen Grenzen und Schwächen als Menschen sind wir aufgerufen, so zu leben, wie Christus gelebt hat.

Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams bedeutet, „ein radikales Zeugnis für die Macht des Ostergeheimnisses abzulegen“, indem wir alles demjenigen überlassen, der das ewige Leben anbietet. Können wir miteinander und mit anderen Gespräche über Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit führen? Glauben wir, dass Gott den Weg für etwas Neues in unserem eigenen Leben bereitet? Im Leben der Welt?


Schluss

Vor einigen Jahren nahm ich an einem Seminar über kreative Führung an der Burren School of Art im Westen Irlands teil. Burren selbst ist ein Gebiet von außergewöhnlicher landschaftlicher Schönheit. Es handelt sich um eines der bedeutendsten Karst- und Kalksteingebiete der Welt, dem eine gewisse Mystik innewohnt. Wir waren eine sehr heterogene Gruppe, die aus verschiedenen Ländern und Teilen der Welt stammte. Wir hatten viele gute Gespräche über Führung. Am Ende jeder Sitzung fasste ein Dichter, Musiker oder Künstler die Essenz eines jeden Gesprächs in einem Gedicht, einem Symbol oder einer musikalischen Antwort zusammen... denn der Kursleiter war selbst ein Künstler. Am Ende einer Sitzung spielte Martin Hayes, ein traditioneller irischer Fiddler, ein Stück, das mit einer langen Note endete. Mir wurde klar, dass wir als Ordensleute lernen müssen, die langen Töne zu hören und zu erkennen, die im Alltag gespielt werden und die uns sagen, was auf einer tieferen Ebene geschieht, und uns auffordern, nach einer Antwort zu suchen.

Ignatius von Loyola fordert uns auf, uns vorzustellen, wie die Dreifaltigkeit auf die Welt herabblickt, und sie bei ihrer Betrachtung dessen, was der Menschheit widerfährt, nachzuahmen. Wir können fast hören, wie die Dreifaltigkeit sagt: „Lasst uns daran arbeiten, die ganze Menschheit zu verwandeln; lasst uns auf das Seufzen der ganzen Schöpfung antworten“.[15] Die Meditation lädt uns ein, „in die Wirklichkeit der Welt hinabzusteigen und uns auf sie einzulassen, um sie zu verwandeln“.[16] Wenn wir tiefer gehen, berühren wir die mystischen und prophetischen Tiefen unseres Lebens, aus denen unser ganzes Handeln hervorgeht. Die Antworten liegen in der Offenheit und der Bereitschaft zu einfachen Handlungen der Begegnung und Gemeinschaft mit denen, die nahe und die fern sind. Wir haben gesehen, dass wir dies heute unterschiedlich tun können. Die Begegnung mit dem Anderen und die Gemeinschaft mit anderen ist das Herzstück unserer Berufung, auch wenn es dafür neue und kreative Wege braucht.

Die Mystik der Begegnung erfordert „die Fähigkeit zu hören, den anderen zuzuhören; die Fähigkeit, Wege und weitere Wege zu suchen“, um das Reich Gottes in dieser besonderen Zeit gemeinsam aufzubauen. Überall auf der Welt sehen sich Ordensleute wieder als missionarische Jüngerinnen und Jünger, die vorwärts gehen wollen, mutig die Initiative ergreifen, auf andere zugehen, die Verlorenen und Einsamen, die Ängstlichen und Vergessenen aufsuchen. Wir fühlen uns vor allem dazu berufen, eine kontemplative Präsenz in der Welt zu sein und zu erkennen, wie wir auf diese sich verändernden Landschaften reagieren können; uns gegenseitig mitzuteilen, was geschieht, wo immer wir uns befinden, wie wir uns berufen fühlen, darauf zu reagieren, und uns gegenseitig zur Unterstützung einzuladen.

Ich bin im Moment angenehm überrascht: Ordensfrauen und -männer sind online unterwegs, arbeiten zusammen und teilen, was sie haben, zum Wohle derer, die es am meisten brauchen. Sie zeigen oft Mut im Angesicht des Unbekannten, einen Mut, der Treue als „Veränderung, Blüte und Wachstum“ begreift und sie als Ordensleute „treu zu Gottes ständiger und nie endender Suche in dieser sich verändernden Zeit und an diesem Ort“ leben lässt.


[1] Apostolisches Schreiben von Papst Franziskus zum Jahr des geweihten Lebens, § 2.

[2] Apostolisches Schreiben von Papst Franziskus zum Jahr des geweihten Lebens, § 2.

[3] Papst Franziskus, Die Theologie der Zärtlichkeit, 13. September 2013.

[4] Matthäus 17,19 ; 21,21.

[5] Patricia Jordan FSM, Shifting sands and solid rock (Heredfordshire: Gracewing Publication 2015), S. 14.

[6] CICLSAI, Keep Watch, To consecrated Men and women, Journeying in the footsteps of God, 8th september 2014.

[7] Introduction to the fourth edition by Norma E. Cańtu and Aida Hurtado in Gloria Anzaldúa, Borderlands: La Frontiera – The New Mestiza, 4th edition (San Franciso: Aunt Lute Books, 2012) 6.

[8] Gloria Anzaldúa, Borderlands: La Frontiera – The New Mestiza, S. 6.

[9] Beldon C. Lane, The Solace of Fierce Landscapes: Exploring Desert and Mountain Spirituality (London: Oxford University Press; 8th edition, February 26, 2007), S. 44.

[10] A.a.O.

[11] Richard Rohr, Daily Meditation for Holy Saturday.

[12] B. Lane, The Solace of Fierce Landscapes, 25.

[13] A.a.O.

[14] A.a.O., S. 30.

[15] Daniel Ruff SJ, Bulletin of Old St. Joseph’s Church in Philadelphia, Advent 2008.

[16] Josep M. Lozano, Leadership: The Being Component, in J. Business Ethics, Online-Veröffentlichung vom 23. März 2016.

Dietrich Bonhoeffer und das monastische Leben

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Zeugen für das Monastische Leben

John W. de Gruchy* Professor em. der Universität des Westkaps (Südafrika)

 

Dietrich Bonhoeffer und das monastische Leben

Anregungen eines evangelischen Theologen

 

 

Der Keim für Bonhoeffers Interesse am Mönchtum wurde bereits gelegt, als er 1924 als junger Student in Tübingen zum ersten Mal Rom besuchte. Er war von diesem Besuch tief bewegt, zumal er dort die Karwoche erlebte. Einige Jahre später schrieb er seine Dissertation „Sanctorum Communio“, in der er die protestantische Kirche als „ecclesia“, als Gemeinschaft der Liebe, und nicht als soziologische Institution neu dachte. Dort machte er den bemerkenswerten Vorschlag, die Kirche als „Christus, der als Gemeinschaft von Personen existiert“ zu sehen. Aber der Katalysator, der Bonhoeffer schließlich vom „scholastischen“ zum „monastischen“ Theologen machte, zeigte sich während seines Studienjahres am Union Theological Seminary in New York 1930-31, als er „die Bibel entdeckte“. Er erkannte, dass er, obwohl er oft gepredigt hatte, „noch kein Christ geworden“ war. Dann verstand er, schreibt er, „dass das Leben eines Dieners Jesu Christi der Kirche gehören muss, und nach und nach wurde mir klarer, worauf die endgültige Verpflichtung hinauslief “. Dies war der Beginn von Bonhoeffers Reise in die „Wüste" und seiner Entdeckung der „kreuzgeprägten Bedingung der Nachfolge“ mit seiner Teilnahme am Kampf der deutschen Kirche gegen den Nationalsozialismus, gefolgt von seiner eigenen „klösterlichen Wende“ in Finkenwalde und schließlich seinem Martyrium.

Obwohl er bereits tief von Karl Barth[1] beeinflusst war, begegnete Bonhoeffer ihm zum ersten Mal im Sommer 1931 in Bonn, nachdem er eines Morgens einen Vortrag von ihm gehört hatte. Später am Tag wurde er zu einem Gespräch in Barths Haus eingeladen und traf dort überraschenderweise auf Benediktinermönche aus dem nahe gelegenen Kloster Maria Laach. Später besuchte er mit den Mönchen das Kloster und entwickelte ein gutes Verhältnis zu ihnen. Doch die Ereignisse überholten diesen Kontakt, und schon bald engagierte sich Bonhoeffer, dem Beispiel Barths folgend, intensiv im Kampf der Kirche gegen den Nationalsozialismus. Im Oktober 1933 ging Bonhoeffer jedoch, sehr zum Entsetzen Barths, nach London zu zwei deutschen Auslandsgemeinden. Dort begann er, ernsthafter über das Mönchtum nachzudenken und schrieb an seinen Bruder Karl-Friedrich, dass „die Wiederherstellung der Kirche unbedingt von einer neuen Art des Mönchtums abhängen muss, das nichts mit dem alten gemein hat, sondern einer kompromisslosen Nachfolge Christi gemäß der Bergpredigt gleichen sollte“.

1935 wurde Bonhoeffer eingeladen, nach Deutschland zurückzukehren, um in Finkenwalde in Ostpreußen ein konfessionelles Seminar zu gründen. Vor seiner Abreise besuchte er mehrere klösterliche Seminare in England, die ihm bei seiner neuen Aufgabe helfen sollten, die an Universitäten ausgebildeten Ordinanden darauf vorzubereiten, in einer Zeit der nationalen Krise engagierte Seelsorger zu werden. Da die Seminaristen jedoch nur für ein oder zwei Semester blieben, richtete Bonhoeffer ein Brüderhaus ein, das aus einigen Ordinanden bestand, die länger bleiben und sich zu einem gemeinsamen Leben verpflichten sollten. Er wollte damit für Stabilität und Kontinuität sorgen. Bonhoeffers Buch „Über das Gemeinschaftsleben“, das viele Ordensleute und Gemeinschaftsgründer inspiriert hat, basiert auf dieser Erfahrung. Zu dieser Zeit schrieb er auch sein klassisches Buch „Nachfolge“ (1937), in dem er „billige Gnade“ und „teure Gnade“ gegenüberstellte. Er vertrat die Auffassung, dass die Abwertung der Gnade, die in den Kirchen der Reformation stattgefunden hatte, in der katholischen Kirche durch das Mönchtum vermieden worden war. Die Menschen, schrieb er, „verließen alles, was sie besaßen, um Christi willen und versuchten, den Geboten Jesu durch tägliche Askese zu folgen. Das klösterliche Leben wurde so zu einem starken Protest gegen die Verweltlichung des Christentums, gegen die Entwertung der Gnade. Genau so haben die ersten Mönche ihren Rückzug in die Wüste verstanden.“

Bonhoeffer teilte Luthers Vorbehalte gegen das Mönchtum. Aber er betonte, dass Luthers Rückkehr in die Welt weder ein Versuch war, sich der Forderung nach Nachfolge zu entziehen, noch war seine eigene „monastische Wende“ ein Versuch, der Welt zu entkommen. Tatsächlich war Bonhoeffer im Widerstand tätig, als er 1941 aus dem Benediktinerkloster in Ettal an seine Eltern schrieb: „Diese Lebensform ist mir natürlich nicht fremd, und ich erlebe ihre Regelmäßigkeit und Stille als äußerst förderlich für meine Arbeit.“ Er fuhr fort: „Es wäre sicherlich ein Verlust (und es war in der Tat ein Verlust in der Reformation!), wenn diese Form des Gemeinschaftslebens, die fünfzehnhundert Jahre lang bewahrt wurde, zerstört werden würde“.

Im Laufe der Jahre erlebte Bonhoeffer viele Enttäuschungen, verließ aber nie die Kirche. Im Gegenteil, seine Vision eines „neuen Mönchtums“ sollte es der Kirche ermöglichen, „von dem einzigen Sohn geprägt zu sein, der Mensch wurde, gekreuzigt wurde und auferstanden ist“. Die Menschwerdung Christi findet hier und jetzt statt. Was könnte klösterlicher sein, als mit Bonhoeffer zu sagen: „Wir leben inmitten des Todes; wir sind gerecht inmitten der Sünde; aber wir sind neu inmitten des Alten. In der Tat bleibt unser ,Geheimnis vor der Welt verborgen‘ Wir leben, weil Christus lebt, und wir leben in ihm allein.“ Diejenigen, die sich in dieser Weise Christus anpassen, so Bonhoeffer, „wollen sich nicht selbst in den Vordergrund stellen, sondern Christus um der Brüder und Schwestern willen verherrlichen ... sie zeigen sich als diejenigen, die den Heiligen Geist empfangen haben und mit Jesus Christus in unvergleichlicher Liebe und Gemeinschaft verbunden sind.“

In einem Brief, den er später aus dem Gefängnis an seinen Freund Eberhard Bethge schrieb, berichtet Bonhoeffer von einem Gespräch, das er 1930 mit einem französischen Pastor und einem anderen Studenten am Union Seminary führte. Der Pfarrer sagte ihm, er wolle ein Heiliger werden. Bonhoeffer entgegnete, dass er es vorziehe, „den Glauben zu lernen“. In der Tat versuchte er nicht mehr, irgendetwas allein zu tun. Anstatt zu versuchen, ein religiöser Mensch zu sein, glaubte er, dass Christus von uns verlangte, eine „menschliche Reife“ zu leben. Diese „Menschlichkeit“ bedeute, „voll und ganz inmitten der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Verwirrungen des Lebens zu leben“ und „nicht mehr die eigenen Leiden, sondern die Leiden Gottes in der Welt“ ernst zu nehmen. Dies, sagt er, „ist der Glaube, die Bekehrung, die Metanoia. Und so wird man ein Mensch, ein Christ. (Vgl. Jeremias 45!)“

Menschlichkeit bzw. Bonhoeffers „Weltlichkeit“ meint also gewiss nicht „die oberflächliche und banale Weltlichkeit der Aufgeklärten, der Rastlosen, der Bequemen oder der Wollüstigen“, sondern die tiefe „Weltlichkeit“, die Disziplin zeigt und das allgegenwärtige Wissen um die reale Erfahrung von Tod und Auferstehung einschließt. Thomas Merton stimmte mit Bonhoeffer überein. Wahre christliche Weltlichkeit, schrieb er, „ist eine Bejahung des Lebens und der Menschlichkeit, des Vertrauens und der Hoffnung inmitten von Kampf, Leid und Tod. In der Tat ist die wahre christliche Askese ein Weg, die christliche Verantwortung für die Welt in einer liebevollen, kreativen, erlösenden, hoffnungsvollen und lebensspendenden Weise auszuüben und unser Verlangen entsprechend zu erziehen und zu disziplinieren.“

In seinem „Plan für ein Buch“, den Bonhoeffer im Gefängnis skizziert hat, beschreibt er, wie die Kirche und der Christ in einer nachchristlichen Welt aussehen würden. Auf diese Weise gibt er dem neuen Typus des Mönchtums, den er im Sinn hatte, Substanz. Wenn das Mönchtum als Reaktion auf das Christentum, auf die Werte des Imperiums und eine zunehmend weltliche Kirche entstanden ist, so ist jetzt, da das Christentum zusammenbricht, eine neue Art von Mönchtum erforderlich, um sicherzustellen, dass die Kirche ihrem Zeugnis für Christus treu bleibt, in dem die Wirklichkeit Gottes und die Welt vereint sind.

Erstens sagt Bonhoeffer, dass die Kirche nur Kirche ist, „wenn sie für andere da ist“, weil Jesus „nur für andere da ist“. Klöster mögen zwar in Klausur sein, aber für Benedikt sind Klöster sowohl für das Äußere als auch für die Mönche im Inneren da. Wer der Regel Benedikts folgt, muss jeden, der an die Tür klopft, wie Christus selbst behandeln. Die Solidarität mit den Opfern der Gesellschaft ist daher ein Kennzeichen der Kirche, und wer dies nicht tut, lehnt Christus ab.

Zweitens, so Bonhoeffer, muss „die Kirche für die anderen“ mit allen „Menschen ihre Güter teilen“. Die klösterliche Vision des gemeinsamen Teilens aller Dinge stellt die Art und Weise in Frage, wie die Kirche ihre Ressourcen versteht und nutzt. Dies betrifft die Kirche am unmittelbarsten, wenn sie eine staatlich geförderte Einrichtung ist, wie Bonhoeffer sie erlebte. Aber sie fordert auch reichere Christen, Gemeinden und Klöster auf, ihre Ressourcen zu teilen, und wirft auch die Frage nach der gerechten Verteilung des Reichtums in der Gesellschaft im Allgemeinen auf.

Drittens, so Bonhoeffer weiter, muss die Kirche selbstgenügsam sein und sich in der täglichen Arbeit engagieren, die dies ermöglicht, während sie gleichzeitig „an den weltlichen Aufgaben des Lebens teilnimmt, ausgehend von der Gemeinschaft – nicht indem sie dominiert, sondern indem sie hilft und dient“. Auf diese Weise ist die Kirche für alle ein Beispiel dafür, „was ein Leben mit Christus ist", nämlich „für die anderen da zu sein“. Die Tatsache, dass Klöster seit jeher Zentren der Kranken- und Behindertenpflege sowie Orte der Bildung und Erziehung sind, ist eine Erweiterung dieses Dienstes.

Viertens spricht Bonhoeffer vom klösterlichen Kampf gegen die persönlichen Laster als einem Programm der Kirche selbst. Denn das Leben „mit Christus“ und „für die anderen“ erfordert nicht nur von einzelnen Mönchen oder Christen, sondern von der ganzen Kirche die Auseinandersetzung und Überwindung „der Laster Stolz, Machtkult, Neid und Verblendung als Wurzeln allen Übels“. Ebenso muss die Kirche die Tugenden anstreben, die diesen Übeln entgegenstehen: „Mäßigung, Echtheit, Vertrauen, Treue, Festigkeit, Geduld, Disziplin, Demut, Bescheidenheit, Zufriedenheit mit dem, was man hat. Auf diese Weise entdeckt die Kirche, dass ihr Wort nicht durch Begriffe, sondern durch Beispiele Gewicht und Kraft hat“ (Briefe aus dem Gefängnis).

Schließlich verbindet Bonhoeffer das liturgische Leben der Kirche mit ihrer Beteiligung am Kampf für Gerechtigkeit in der Welt. In einer Taufpredigt, die er im Gefängnis hielt, schrieb er: „Wir können heute nur auf zwei Arten Christen sein: durch das Gebet und durch die Förderung der Gerechtigkeit unter den Menschen. Alle christlichen Gedanken, Worte und Organisationen müssen aus diesem Gebet und Handeln neu geboren werden.“ Aber wie kann die Kirche, das Kloster oder die Kongregation „für andere“ existieren und der Welt in ihrem Ringen um Gerechtigkeit dienen, ohne ihre Identität als Ecclesia zu verlieren? Diese Frage stellte Bonhoeffer an den Freund Bethge:

„Wie können wir ecclesia, die Berufenen, sein, ohne uns religiös als privilegiert (d. h. als Teil des Christentums) zu verstehen, sondern uns stattdessen als voll und ganz der Welt zugehörig zu sehen? Christus wäre dann nicht mehr nur das Objekt der Religion, sondern etwas ganz anderes, er wäre wirklich der Herr der Welt.“

So wie Bonhoeffer darauf bestand, dass sein Verständnis von Nachfolge weder trivial noch oberflächlich war, so bestand er darauf, dass die Kirche, wenn sie sich der Welt öffnet, sei es durch ihre herzliche Gastfreundschaft, ihre Solidarität mit sozialen Opfern oder durch den Versuch, das Evangelium zu interpretieren, weder ihre Identität aufgeben noch die Geheimnisse des Glaubens preisgeben darf. Zu diesem Zweck schlägt Bonhoeffer vor, die klösterliche Mystagogie wiederherzustellen, also die im 4. Jahrhundert in der Kirche angenommene Praxis, die „Mysteriensakramente in der inneren Praxis der Kirche, besonders in der Taufe und der Eucharistie“ zu schützen, indem sie vor der Welt „verborgen“ gehalten wurden. So schlägt Bonhoeffer vor, wieder ein klösterlich inspiriertes Arkanum einzuführen, denn so würden die Geheimnisse des christlichen Glaubens „vor der Profanierung bewahrt“, während gleichzeitig, und das ist der entscheidende Punkt, die Kirche stärker in das Leben der Welt einbezogen würde. Weltoffenheit und Eintauchen in das Geheimnis des Glaubens sind untrennbar miteinander verbunden, denn beides gehört untrennbar zu seiner tiefen Identität. Dieser kairos, dieser monastische Moment, ist daher für die Christen nicht eine Zeit, um vor der Welt zu fliehen, sondern vielmehr, um die Welt mit der Liebe Gottes zu lieben, um niemals die Hoffnung auf die Welt als Gottes Welt zu verlieren und so gemeinsam aktiver und vollständiger am Leben Gottes teilzunehmen.




* Professor John W. de Gruchy, geb. 1939, war Dozent an der Universität von Kapstadt und außerordentlicher Professor an der Universität von Stellenbosch. Einige seiner frühen Werke stammen aus der Zeit der Apartheid, in denen er sich gegen die Gesetzgebung aussprach und sich auf die Theologie Dietrich Bonhoeffers berief, um für die Befreiung der Unterdrückten einzutreten. Nach der Abschaffung der Apartheidgesetze im Jahr 1991 schrieb de Gruchy eine Reihe von Werken, in denen er sich mit der theologischen Rolle der Kunst in der Gesellschaft auseinandersetzte und für eine Theologie der Versöhnung eintritt.

[1] Karl Barth (1886-1968) war reformierter Theologe aus der Schweiz und Mitbegründer der bekennenden Kirche.

Iwuru – eine Klostergründung von Ewu Ishan (Nigeria)

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Nachrichten

Sekretariat der AIM


Iwuru – eine Klostergründung

von Ewu Ishan (Nigeria)

 

 

Nigeria ist ein Land in Westafrika und liegt am Golf von Guinea. Mit über 186 Millionen Einwohnern im Jahr 2014 ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas und nach Einwohnerzahl das siebtgrößte Land der Welt. Das wirtschaftliche und demografische Gewicht Nigerias hat dem Land den Beinamen „Afrikanischer Riese“ eingebracht. Der Boden ist reich an natürlichen Ressourcen (Öl und Gas), die die Haupteinnahmequelle des Landes darstellen. Das Land ist der größte Produzent des schwarzen Goldes in Afrika. Nigeria produziert auch eine Reihe von Metallen (Zinn, Eisen, Blei, Zink...) sowie Kohle.

Das Land ist jedoch nach wie vor relativ arm, was unter anderem auf die hohe Korruption (Kapitalflucht) zurückzuführen ist. So ist Nigeria das einzige Land der Welt, das über große Ölvorkommen verfügt und ein Haushaltsdefizit aufweist. Im Jahr 2015 lebte mehr als die Hälfte der Nigerianer von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag. Nur knapp ein Viertel der Bevölkerung profitiert von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Das Land ist Mitglied der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS). Es hat Soldaten nach Liberia und Sierra Leone entsandt und bei der Lösung zahlreicher Krisen seine Hilfe angeboten.

Die beiden Hauptreligionen sind das Christentum und der Islam. Der Norden des Landes ist mehrheitlich muslimisch, während der Süden mehrheitlich christlich ist. Die nigerianischen Christen sind zu drei Vierteln evangelisch-protestantisch und zu einem Viertel katholisch. Seit 2009 haben sich die Interventionen der Boko-Haram-Bewegung, die darauf abzielt, die Bevölkerung im Nordosten des Landes zu kontrollieren und die Scharia in allen anderen Bundesstaaten einzuführen, zu einem bewaffneten Konflikt mit den nigerianischen Streitkräften entwickelt. Die Angriffe von Boko Haram haben menschliche (13.000 Tote in Nigeria und über 1,5 Millionen Vertriebene) und wirtschaftliche Folgen, darunter in erster Linie Nahrungsmittelknappheit.



Die Gemeinschaft

Auf Drängen des Bischofs, der ein Freund der Gemeinschaft ist, übernahmen die Mönche von Ewu Ishan eine kleine Gründung im äußersten Osten des Landes. Diese Stiftung war das Projekt eines Diözesanpriesters, der sein Noviziat in Ewu-Ishan absolviert hatte, aber die Gründung entwickelte sich nicht. Fünf Mönche aus Ewu Ishan wurden nach Iwuru entsandt, das 2018 zu einer Cella des Klosters wurde. Im Jahr 2020 gibt es dort bereits vier Novizen und vier Aspiranten. Die Stiftung in Iwuru besitzt 150 Hektar landwirtschaftliches Land; es gibt eine riesige Plantage mit Palmen, Kochbananen, Bananenstauden und Kakaobäumen. Die Brüder haben eine Palmölproduktion und eine kleine Schweinezucht begonnen.

Solonka – eine Klostergründung in der Ukraine

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Solonka – eine Klostergründung

in der Ukraine*


 

Bis vor kurzem war Zhytomyr die einzige Benediktinerinnenabteiin der Ukraine. Die Nonnen bereitetenbereits seit mehreren Jahren eine Neugründung in Solonkain der Nähe von Lviv vor. Tatsächlich schlug der Erzbischof vonLviv, Mieczysław Mokrzycki, den Nonnen 2016 vor, das benediktinischeLeben in einem Kloster aufzunehmen, das von einer SchweizerFamilie gegründet worden war und dessen Bau nun begann. Im Oktober 2019, während der kanonischen Visitation der AbteiZhytomyr, die von Abtpräses Maksymilian Nawara und dem Priorvon Lubiń Izaak Kapała geleitet wurde, waren die Bauarbeiten fastabgeschlossen und die Zeit für die Abreise der Schwestern in das neueKloster rückte immer näher. Die Schwestern befürchteten jedoch,dass dies ohne echte Hilfe bei der Gestaltung des benediktinischenLebens in Lviv eine zu schwierige Aufgabe sein würde. Abt Maksymilianwandte sich daraufhin an Erzbischof Mokrzycki und erklärteseine Unterstützung für die Gründung der Stiftung in Lviv.

Bei einem Treffen im August 2020 in Lubiń lud ErzbischofMokrzycki Benediktinermönche aus Polen ein, das Kloster in Lvivmitzugründen, mit der Aussicht, sich später an einem anderen Ortniederzulassen. Der Erzbischof sicherte die Hilfe zu und wies denMönchen tatsächlich sofort das neu errichtete Haus für den Schwesternseelsorgerzu.

Bisher hatte jedoch keines der polnischen Klöster die Frageeiner Gründung in der Ukraine in Betracht gezogen. Es war auch klar, dass keines von ihnen starkgenug war, dies allein zu tun. Esgab zwei Möglichkeiten: entwederaufgeben (mit dem jahrhundertealtenArgument: „Wir sindzu wenige“) oder es gemeinsamtun. Zum ersten Mal inder modernen Geschichteder Benediktiner in Polen ludder Abtpräses alle Oberen der Benediktinerklöster in Polen nachBiskupów ein, um die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in einerrealen und praktischen Weise zu diskutieren. Die Frucht dieser ersten„Synode der polnischen Äbte“ war die einstimmige Zustimmung,ein gemeinsames Gründungsprojekt in der Ukraine zu versuchen.Dies ist eine Neuheit in der benediktinischen Tradition. Normalerweisegründet ein Kloster– das Mutterhaus – ein anderes, für das esausschließlich die Verantwortung übernimmt. Diesmal mussten dieBrüder neue Regeln aufstellen, die sie in einer „Kooperationserklärung– Seelsorgliche Begleitung der Benediktinerinnen von Lviv“festgehalten haben.

Die Mönche gehen danach zunächst nach Lemberg, um dieSchwestern des neu gegründeten Josefsklosters zu unterstützen undden Dienst in der Benediktuskirche des neuen Klosters auszuüben.

Die Mönche sind im Gebäude des Seelsorgers untergebracht undhoffen, dass sie in einigen Jahren einen Platz für ein Männerklosterzu finden, während sie ihr Apostolat in der Seelsorge beibehalten.Vier Mönche wurden entsandt: aus Lubiń Abt Maksymilian,der das gesamte Projekt moderiert, und Bruder Efrem Michalski. AusTyniec kamen Bruder Leopold Rudziński, der erste Benediktinerukrainischer Herkunft, der am 20. März 2021 in der neuen Kirchezum Priester geweiht wurde, und Br. Borys Kotowski.

Die ersten drei Schwestern, die aus Zhytomyr entsandt wurden,waren Schwester Bernadeta Venglovska, Schwester Rita Linenko undSchwester Augustyna Tichon.

Die Brüder und Schwestern aus drei verschiedenen Klösternhatten jeweils eigene Traditionen und Bräuche und mussten ersteinmal eine gemeinsame Liturgie finden, für welche sie die vertrauten Formen ihres Heimatklostersablegten. Die Liturgie wird aufUkrainisch und Lateinisch gefeiert.Die sonntägliche Eucharistiebeginnt mit einer gemeinsamenProzession der Schwestern undBrüder. Gläubige nehmen jedenAbend an der eucharistischenAnbetung teil. Jeden Morgenversammeln sich die Brüder undSchwestern im Kapitel zu einem Regelkommentar, der von VaterMaksymilian vorgetragen wird. Es ist auch eine Gelegenheit, überaktuelle Ereignisse zu sprechen, die Arbeit zu teilen usw.

Jeder Tag bringt neue Herausforderungen mit sich. Vor zweiMonaten verbrachten die Ordensleute die Tage mit Arbeitern, dieverbleibende Bauarbeiten ausführten oder festgestellte Mängelbehoben. Die Gegend um Lviv ist sehr feucht, es regnet fast jedenTag; es müssen also Mittel gefunden werden, um die Luftfeuchtigkeitim Haus zu reduzieren. Das Kloster ist noch nicht an dasGasnetz angeschlossen. Das Gästehaus ist mittlerweile möbliert undes kommen immer mehr Gäste: Freunde aus Polen, Brüder aus derSlowakei,... erste Priester kommen für Einzelexerzitien.

Katholische Gläubige mit lateinischer oder griechischer Traditionsowie orthodoxe Gläubige heißen die Neugründung herzlichwillkommen. Die Gemeinschaft lernt täglich den Klerus der ErzdiözeseLviv und die umliegenden Ordensgemeinschaften kennen.Sie verfügt noch über keine Einnahmequellen. Jede Hilfe ist daherwillkommen.

Am 4. Juni 2020 segnete ErzbischofMokrzycki das Kreuz, das auf der St.-Benedikt-Kirche aufgestellt wurde. Am 19. Märzfand die Weihe der Kirche St. Benedikt, derGlocke und des Klosters St. Joseph statt,in Anwesenheit der Schweizer Familie, diedas Kloster gestiftet hat. Am 24. Juli legteSchwester Maria Lyudmila Kukharyk ihrefeierlichen Gelübde in der neuen Gemeinschaftab. Sie ist die erste Professschwesterdieser Neugründung.


* Die folgenden Informationen stammen von der Verkündigungskongregation bzw. denSchwestern von Zhytomyr.

Die Benediktiner von Shantivanam

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Die Benediktiner von Shantivanam

(Tamil Nadu, Indien)


 

Tamil Nadu, was wörtlich „Land der Tamilen“ bedeutet, ist ein Bundesstaat in Südindien. Er hat etwa 72 Millionen Einwohner auf einer Fläche von etwas mehr als 130.000 Quadratkilometern. Tamil Nadu ist wohlhabender und stärker urbanisiert als der nationale Durchschnitt. Die Hauptstadt des Bundesstaates ist Chennai (früher Madras genannt). Tamil Nadu wurde 1956 nach linguistischen Gesichtspunkten gegründet und entspricht in etwa den tamilischsprachigen Regionen Indiens. Tamil Nadu unterscheidet sich von anderen indischen Bundesstaaten durch eine reiche religiöse Architektur. Seine Amtssprache, Tamil, ist eine der ältesten Sprachen der Welt. Tamil Nadu liegt im Südosten der Halbinsel und verfügt über einen großen kulturellen Reichtum.

Der Bundesstaat ist der größte Jasminproduzent Indiens. 55 % der in Indien erzeugten Windenergie wird in Tamil Nadu produziert. In Tamil Nadu finden sich im Strandsand begehrte Mineralien wie Granat, Ilmenit, Rutil, Zirkon, Silikat, Leucoxen und Monazit. Seit Jahren wird dieser Sektor von einer regelrechten Mafia beherrscht.





Die Gemeinschaft

Das Kloster Shantivanam wurde 1950 von zwei Franzosen, Pater Jules Monchanin (Diözesanpriester) und Pater Henri Le Saux (Mönch von Kergonan), gegründet. Ihr Ziel war es, das benediktinische Mönchtum in das traditionelle indische Leben im Ashram zu integrieren.

1953 trat Pater François Mahieu (Mönch aus Scourmont, Belgien) – später Francis Acharya genannt – in den Ashram ein, etwas später folgte Pater Bede Griffiths (Mönch aus Prinknash, England). Die beiden letzteren, die sich mehr zum zönobitischen Leben hingezogen fühlten, gründeten 1958 das Kloster Kurisumala.

Pater Monchanin starb 1957, und Henri Le Saux, den es immer mehr in die Einsamkeit zog, ließ sich in einer Einsiedelei an den Quellen des Ganges nieder. Nur Bede Griffiths kehrte 1968 nach Shantivanam zurück, wo er zum Prior ernannt wurde. 1982 erreichte Bede Griffiths, dass das Kloster der Benediktinerkongregation der Kamaldulenser angegliedert wurde, einer Kongregation, die das eremitische Leben fördert.

Die Kapelle des Klosters ist nach dem Vorbild der südindischen Hindutempel gebaut.

Die Gemeinschaft besteht heute aus vierzehn Mönchen, von denen vier zeitliche Professen sind.

Aufgrund des Rufs von Bede Griffiths als christlicher Mystiker kamen viele Menschen aus Europa nach Shantivanam, um dort eine gewisse Zeit zu verweilen, und das Kloster erhielt zu dieser Zeit viele Spenden. Bede Griffiths ermutigte die Mönche, diese Spenden nicht für das Kloster, sondern für arme Menschen in der Umgebung zu verwenden (Bildung, Pflegeheim, verschiedene Spenden). Das Kloster selbst besitzt nur einen kleinen Bauernhof und einige Felder.

Nach dem Tod von Bede Griffiths wurden die Spenden jedoch immer weniger. Die Mönche bestritten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch landwirtschaftliche Tätigkeit. Inzwischen ist der Ertrag der landwirtschaftlichen Flächen geringer als die Kosten, wie z. B. die Löhne der Arbeiter. Diese Situation ist für alle Kleinbauern im Land gleich. Die Gemeinde möchte ihren Viehbestand um 20 zusätzliche Milchkühe erhöhen, um mehr Milch für den Verkauf zu gewinnen. Die AIM beteiligt sich an der Instandsetzung eines Gebäudes, um dieses Vorhaben zu verwirklichen.

Die Ausstrahlung des Klosters ist in Indien und sogar auf internationaler Ebene groß. Die Perspektive des interreligiösen Dialogs ist dort immer sehr präsent.





Konferenz der Klöster Zentralafrikas (MAC)

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Sr. Emerentia


Konferenz der Klöster Zentralafrikas (MAC)

Goma, Juli 2021



Nach der letzten Tagung der Vereinigung der Klöster Zentralafrikas (Monastères d’Afrique Centrale – MAC) in Ruanda, an der die Oberinnen und Oberen im Jahr 2019 teilnahmen, und der Tagung im Februar 2021 für Zeitliche Professen in Lubumbashi und Kinshasa fand im Juli eine weitere Tagung im Ausbildungszentrum der Pallotinerpatres in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo statt (1. bis 7. Juli).

An diesem Treffen nahmen 15 Obere und ihre Cellerare aus den verschiedenen Klöstern der MAC teil: die Gastgebergemeinschaft in Goma, unsere Zisterzienserbrüder in Mokoto, dem ursprünglich geplanten Tagungsort, zwei Benediktinerklöster in Kinshasa - Arbre de vie und Mambré –, die Zisterziensergemeinschaft in Mvanda und schließlich die beiden Benediktinerklöster in Lubumbashi – Saint Sauveur und Notre-Dame des Sources/Kiswishi.

Wir bedauerten die Abwesenheit der anderen Gemeinschaften. Die Gemeinschaft der Bernhardinerinnen aus Goma konnte aufgrund der Krankheit von Schwester Marie-Rémi, die schließlich starb, nicht am Treffen teilnehmen. Wir sprachen der Gemeinschaft unser Beileid aus, da wir aufgrund der Gesundheitsmaßnahmen und des Zeitplans nicht bei der Beerdigung anwesend sein konnten. Aus denselben Gründen konnten sich die Klostergemeinschaften aus Ruanda leider nicht an der Sitzung beteiligen. Aufgrund der Feiern der monastischen Profess und der Priesterweihe konnten auch unsere Zisterzienserbrüder aus Kasanza in der Region Kikwit nicht anwesend sein. Dennoch waren wir mit ihnen allen im Herzen verbunden.

Dank der Liebe und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes fand die Tagung in einem Klima des Friedens und der Freude statt. Das wunderschöne Gästehaus der Pallottinerpatres am Ufer des Kivu-Sees war für diese Art von Treffen bestens geeignet. Für uns, die wir aus dem Südosten und Westen der Demokratischen Republik Kongo kommen, war diese Sitzung auch eine Gelegenheit, unsere Unterstützung und Nähe zu unseren Brüdern und Schwestern zu bekunden, die durch viele unglückliche Ereignisse belastet sind, wie den Vulkanausbruch im Mai letzten Jahres und andere vielfältige Bedrängnisse, die die Ostregion erschüttert haben.

Wir möchten der AIM unseren Dank dafür aussprechen, dass sie diese Sitzung unterstützt. Dies trägt zur Verwurzelung des monastischen Lebens auf afrikanischem Boden bei.

Wir schätzten den Vortrag von Pater Martin Neyt, der uns dabei half, den Geist der Ökonomie im monastischen Leben neu zu fokussieren. Pater Martin stellte die Wirtschaft im Kloster in eine prophetische Perspektive. Er warnte uns, ja hämmerte uns ein, dass die Wirtschaft eines Klosters nicht nur auf Gewinn abzielt, sondern als Zeugnis der Solidarität mit denen, die das Kloster umgeben, erscheinen muss. Selbst unsere Werke, wie Schulen, Gesundheitszentren usw., müssen sich in diese Dynamik einfügen.

Unsere Dankbarkeit gilt P. Jean-Marie Vianney Sebunoti, einem Priester der Diözese Goma, der es mit Kompetenz und Hingabe geschafft hat, uns in kurzer Zeit in die Begriffe der Bilanzierung einzuführen, mit Übungen zu untermauern und uns unsere Pflichten und Rechte gegenüber unseren Arbeitern und gegenüber dem Staat begreifen zu lassen. Wir gratulieren ihm dazu. Er ist seiner Aufgabe gerecht geworden. Es liegt an jeder Gemeinde, die wesentlichen Elemente seiner Vorträge in die Praxis umzusetzen.

Nach dem Vortrag von P. Jean-Marie Vianney sprach P. Simon Madeko, der neue Prior des Klosters Mamre (RD Kongo), über die Spiritualität des Cellerars des Klosters. Um die Spiritualität des Cellerars richtig zu erfassen, muss man verstehen, was über die Aufgabe des Abtes gesagt wird, der das Haus Gottes verwaltet, wie Benedikt das Kloster nennt. Der Cellerar arbeitet mit dem Abt zusammen, damit dieser seine Aufgabe erfüllen kann, jedem die Möglichkeit zu geben, als Kinder Gottes geboren und wiedergeboren zu werden. Die Spiritualität des Cellerars steht in Verbindung mit der des Oberen. P. Simon warnte uns vor einer verbreiteten Haltung, die in der Person des Cellerars eher einen „Boss“ und „großen Wohltäter“ als einen Diener der Gemeinschaft sieht.

Neben den Vorträgen erlebten wir Momente, in denen wir uns über die Erfahrungen jeder der vertretenen Gemeinschaften austauschten. Aus diesem Austausch entstand der Wunsch, die Möglichkeit zu vertiefen, das Kloster N.-D. des Sources (Kiswishi) zu einem Zentrum für theologische und monastische Studien für die Klöster in der Region der MAC-Vereinigung zu machen. Die Frage bleibt vorläufig offen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sitzung für die Teilnehmer von großem Nutzen war. Wir haben die Anforderungen der Buchhaltung aus erster Hand kennengelernt, wir haben geistliche Reichtümer entdeckt und auch einige unserer Grenzen bei der Ausübung unserer Rechte und Pflichten erfahren.

Die Versammlung äußerte den Wunsch, dass die Tagung 2023 in Kikwit bei unseren Zisterzienserinnen von Mvanda stattfinden sollte. Dies betrifft alle Ausbilder; der vorgesehene Moderator – so Gott will – ist Pater Amedeo Cencini, ein italienischer Canossianer- Priester und weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet der Ausbildung zum Ordensleben.



Anmerkungen zur Lektüre

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Anmerkungen zur Lektüre


Dieser Artikel wurde nicht ins Deutsche übersetzt. Siehe die französische Version.



Les éditions Saint-Léger éditent régulièrement des ouvrages dans une collection monastique sous la direction du père Christophe Guillaume, prieur de Mahitsy (Madagascar). Nous en donnons ici un écho.


Pierre le Vénérable, L’amitié à l’épreuve de la diversité. Correspondance avec Bernard de Clairvaux, Ch. Vuillaume, Saint-Léger Éditions, 2018, 200 p.

Pierre le Vénérable, Le souci de tous mes frères. Correspondance de Pierre le Vénérable avec ses frères moines et l’abbesse Héloïse. Suivie des statuts de Cluny (1122-1146), Ch. Vuillaume, Saint-Léger Éditions, 2019, 300 p.

Pierre le Vénérable, Cette Église qui vous est confiée. Correspondance de Pierre le Vénérable avec les Papes et les Évêques, Ch. Vuillaume, Saint-Léger Éditions, 2019, 300 p.

Pierre le Vénérable, Pour votre salut éternel. Correspondance de Pierre le Vénérable avec sa famille, divers ecclésiastiques, souverains et laïcs, Ch. Vuillaume, Saint-Léger Éditions, 2020, 284 p.

Pierre le Vénérable, dernier des grands abbés de Cluny est à la fois une personnalité reconnue et en même temps relativement ignorée. Le fait de mettre à disposition sa correspondance le rend plus accessible et permet de mesurer l’originalité et la qualité de sa pensée et de son action. Merci au père Christophe Guillaume d’avoir permis cela par un travail soutenu de traduction de grande qualité. La correspondance de Pierre le Vénérable est adressée à des personnes très variées du monde ecclésiastique, religieux ou de la société civile. Homme de foi, de cœur et de culture, Pierre le Vénérable a su tenir ensemble la relation à Dieu et la relation aux autres, aussi divers soient-ils. Cette correspondance est une leçon magistrale d’humanité et de spiritualité, l’un n’allant jamais sans l’autre pour Pierre le Vénérable.

 

Pierre Damien, L’héritage monastique, volume 1, Ch. Vuillaume Saint-Léger Éditions, 2020, 320 p.

Pierre Damien, L’héritage monastique, volume 2, Ch. Vuillaume, Saint-Léger Éditions, 2020, 200 p.

Pierre Damien, L’héritage monastique, volume 3, Ch. Vuillaume, Saint-Léger Éditions, 2021, 200 p.

Trois volumes sont consacrés à Pierre Damien (1007-1072), cet ermite devenu cardinal. Ses écrits le révèlent. Il est bon qu’une traduction française nous en soit offerte. Merci au père Vuillaume de s’y être consacré. Un premier volume regroupe deux écrits : La perfection de la vie monastique et La Règle érémitique ou Lettre à Frère Étienne avec plusieurs lettres et avec des textes concernant des faits historiques de son époque.

Dans un deuxième volume, le P. Christophe présente la traduction de trois autres textes de Pierre Damien : Le « Dominus vobiscum » suivi de « L’éloge de la vie érémitique » ; « Cherchez d’abord le Royaume de Dieu » ou « Du mépris du siècle » et « La vie érémitique et les vrais ermites ». Le père Christophe Vuillaume montre comment la perspective de Pierre Damien incarne le propos monas-tique dans ce temps de Réforme qu’est le 11e siècle. Mais ce sont des textes qui dépassent une époque particulière et peuvent encore nous inspirer pour aujourd’hui.

Le troisième volume intéresse plus particulièrement l’histoire monastique. Il consiste en 21 lettres adressées aux communautés de moines, ainsi qu’une vie de saint Odilon. On trouve là beaucoup de renseignements concernant la vie monastique au 11e siècle dont bon nombre de corrections d’abus, et de polémiques. La vie de saint Odilon relève davantage du genre hagiographique mais nous renseigne cependant sur quelques aspects de la vie des communautés à cette époque, ainsi que les deux lettres qui suivent.

Le P. Vuillaume doit être remercié pour ce travail qui rend accessible des ouvrages qui autrement ne resteraient que l’affaire de spécialistes. Pierre Damien comme Pierre le Vénérable sont des personnalités suffisamment originales pour leur consacrer de l’attention et puiser dans leur inspiration des sources de renouveau. Il est intéressant de constater que l’érémitisme n’a pas cantonné Pierre Damien dans un univers clos et que la vie monastique fut pour Pierre le Vénérable un terrain propice à une grande ouverture. Ils ont été préparés, chacun pour leur part, à vivre un témoignage ecclésial qui est heureusement parvenu jusqu’à nous, tant pour ce qui est du monachisme que de la vie de l’église dans le monde en général. Il ne s’agit pas de prendre tous ces écrits à la lettre, mais de les intégrer dans un mouvement de recherche qui puisse être porteur de vie nouvelle.

 

Sagesse monastique dans un monde en devenir. Entretiens du P. Jean-Pierre Longeat avec Catherine Labey, 2021, Saint-Léger Éditions, 260 p.

Voilà plusieurs années, à l’AIM, que le projet était en cours de publier un genre de synthèse sur les questions d’aujourd’hui en relation avec les intuitions de la vie monastique. Encouragé par les contacts nourris avec de très nombreux monastères au niveau international du fait de sa responsabilité à l’AIM, le P. Jean-Pierre Longeat a collaboré avec Catherine Labey, membre des Amis des Monastères à travers le monde (AMTM), pour mener à bien ce travail. Un photographe, Bruno Jary, a également apporté son concours, donnant un aperçu en images de la variété des situations monastiques qu’il a côtoyé en Inde durant un séjour de quelques semaines. D’autres photos venant de la phototèque de l’AIM complètent l’ouvrage.

Les monastères ont-ils encore quelque chose à dire et à faire dans le monde d’aujourd’hui ? Plus que jamais. Ils font partie de ces réalités qui inspirent encore la confiance à bon nombre de nos contemporains. Leur longue histoire, leur tradition spirituelle et culturelle, leur radicalité dans la prise au sérieux du message du Christ leur donnent quelque crédit.

Il valait donc la peine de développer cette pertinence en quelques chapitres touchant à l’écologie, l’interculturalité, le dialogue interreligieux, l’économie, l’exercice des responsabilités, la sexualité et bien d’autres domaines qui sont aujourd’hui des lieux de profondes remise en cause. Il est possible de concevoir les monastères, dans le contexte actuel, comme des lieux alternatifs en collaboration avec de nombreux partenaires de la société civile.

Le livre se lit facilement, les propositions sont nombreuses. Le réseau monastique de la famille bénédictine, avec plus 1 700 communautés dans le monde, a vraiment encore quelque chose à dire et à faire sous la conduite de l’Évangile.

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