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Bulletin

Zeit des Übergangs

126

Bulletin

Klosterleben heute

125

Bulletin

„Das ganze Leben als Liturgie“

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Bulletin

Die Generalkapitel der Zisterzienser und Trappisten

123

Bulletin

Klösterliches Leben und synodaler Weg

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Bulletin

Die Verwaltung des gemeinsamen Hauses

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Bulletin

„Fratelli tutti“ Geschwisterlichkeit im Klosterleben

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Bulletin

Monastische Ausbildung heute
(Teil II)

119

Bulletin

Monastische Ausbildung heute
(Teil I)

Monastische Ausbildung heute
(Teil I)

AIM Bulletin heft 119 (2020)

Inhaltsverzeichnis

Editorial

Jean-Pierre Longeat OSB


Lectio divina

Die Seligpreisungen als Leitbild klösterlicher Ausbildung

Anna Chiara Meli OCSO


Perspektiven

Theologische Bildung und klösterliche Erneuerung

Bernhard A. Eckerstorfer OSB


Experientia – ein Programm zur Reflexion und zum Austausch

Eamon Fitzgerald OCSO


Ständige Weiterbildung – „Anhalten, schauen, hören“. Klosterleben in Zeiten der Corona-Pandemie

Robert Igo OSB


Berufungsklärung nach der Benediktusregel

Bernardo Olivera OCSO


Benediktinische Ausbildung in Südkorea

Maria Enosh Cho OSB


Das „Monastic Formators’ Programme“

Brendan Thomas OSB


Ausbildung von AusbilderInnen in den Klöstern von Madagaskar und Indischem Ozean

Agnès Bruyère OCSO


Das Programm Sainte Anne. Schulung von Ausbildern für westafrikanische Klöster

Olivier-Marie Sarr OSB


Das Programm Wisdom Connections T4

Michelle Sinkhorn OSB


Meditation

Aus der Rede im Collège des Bernardins

Benedikt XVI.


Arbeit und klosterleben

Klösterliche Ökonomie als Entwicklungsmotor

Isabelle Jonveaux


Kunst und kultur

Das neue Kloster Maria Himmelfahrt in Envigado (Kolumbien)

Guillermo Arboleda OSB


Geschichte

Die Missions-Benediktinerinnen von Tutzing

Ruth Schönenberger OSB


Mönche und nonnen als zeugen für unsere zeit

Bénigne Moreau OSB (1924-2020)

Marie-Madeleine Caseau OSB & Lazare de Seilhac OSB


Basílio Penido OSB (1914-2003)

Matias Fonseca de Medeiros OSB


Nachrichten

Das Sekretariat der AIM

Jean Pierre Longeat OSB


Meine Zeit bei AIM (2005-2020)

Mary Placid Dolores OSB


Reise nach Argentinien, Oktober 2019 (Fortsetzung)

Jean-Pierre Longeat OSB

Sommaire

Leitartikel

AIM legt Wert auf eine regelmässige Berichterstattung über Ausbildungsfragen in den Klöstern der Welt. Denn bei diesem Thema ergeben sich unvermeidlich ständig neue Entwicklungen dank der Initiativen verschiedener Klöster.

Die Initiativen, über die man berichten könnte, sind derart zahlreich, dass gleich zwei Nummern des Bulletins, nämlich dieses und das folgende, sich damit befassen werden. Wenn sich Leser zu den vorgestellten Projekten dieser Ausgabe äußern wollen, bitten wir um schriftliche Rückmeldungen, die wir eventuell in der kommenden Nummer aufgreifen können.

Die Ausbildung, um die es geht, betrifft zunächst die Vorbereitung auf das Klosterleben, dann aber auch die notwendigen Voraussetzungen für seine Weiterentwicklung. Fragen der akademischen Ausbildung im Bereich von Philosophie & Theologie sowie diverser Spezialstudien sollen dagegen nicht in diesen Heften behandelt werden, könnten aber bei anderer Gelegenheit aufgegriffen werden.

Die Ausbildung von Klosterkandidaten ist eine Aufgabe, welche die gesamte Gemeinschaft betrifft. Dies wurde ja bereits im „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ (AIM-Sondernummer 2019) erläutert, dass nämlich die ganze Klostergemeinschaft eine bedeutende Rolle bei der Ausbildung des Nachwuchses spielt. Dabei ist daran zu erinnern, dass auch die älteren Konventsmitglieder sich weiterbilden und ihren Horizont erweitern sollten. Es muss auch darauf geachtet werden, dass eine Gemeinschaft Mitglieder dazu befähigt, Verantwortung zu übernehmen.

Bei der Ausbildung ist darauf hinzuweisen, dass die Orden, Kongregationen und Regionen nicht selten eigene Ausbildungsprogramme für Novizen, Zeitliche Professen, Novizenmeister, Obere und andere Verantwortungsträger anbieten,

Benedikt sagt in seiner Regel, dass er eine Schule des Herrn gründen möchte. Dieses verheißungsvolle Projekt lädt uns zu einer lebenslänglichen Haltung des Hörens und des gegenseitigen Austauschs von Einsichten und Erfahrungen ein. Nach einem anderen Bild Benedikts vollzieht sich Ausbildung im Rahmen einer brüderlichen Armee (RB 1, 5), die Gemeinschaftsaktionen, Spannungen, Ermutigungen, gemeinschaftlichen Einsatz gegen Widerstände beinhaltet. Das Ziel ist eine echte innere Bekehrung, um nach den Geboten der Liebe zu leben. Sie findet im Rahmen einer „Werkstatt” (RB 4) statt, wo uns die Werkzeuge der geistlichen Kunst zu Verfügung gestellt werden und wir lernen, mit ihnen umzugehen.

Anliegen aller klösterlichen AusbildPräsident der AIMung ist es, die neu eingetretenen Schwestern und Brüder auf den Weg zu führen, die zum wahren Leben führt und von Gottesliebe geprägt ist. „Unter der Führung des Evangeliums“ (RB Prol. 21) „wollen wir uns der Unterweisung Christi niemals entziehen und in seiner Lehre im Kloster ausharren bis zum Tod. Wenn wir so in Geduld an den Leiden Christi Anteil haben, dann werden wir gewürdigt, auch mit ihm sein Reich zu erben“ (RB Prol. 50). Die Aufzählung der Seligpreisungen, mit denen bei Matthäus die Bergpredigt eröffnet wird, verdeutlicht, was ein solches Ausbildungsprogramm beinhaltet.


Jean-Pierre Longeat, OSB

Präsident der AIM

Artikel

Die Seligpreisungen als Leitbild klösterlicher Ausbildung

1

Lectio divina

Anna Chiara Meli OCSO

Priorin von Mvanda (Kongo)

 

Die Seligpreisungen

als Leitbild klösterlicher Ausbildung

 

 

„Viele sagen, wer lässt uns Gutes schauen?

Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten!“

(Ps 4,7)

 

Dieser Vers aus dem vierten Psalm ist ein guter Einstieg für unsere Meditation über die Seligpreisungen. Es geht um die Suche nach Glück. Denn das ist allen Menschen gemeinsam: jeder strebt danach, glücklich zu werden. Aber um was für ein Glück handelt es sich dabei?

Die acht Ausrufe „selig“ bei Matthäus schlagen uns einen Weg zum Glück vor, der von menschlichen Glücksmaßstäben weit entfernt ist. Wer würde es heute wagen, jemand, der weint, der hungert oder auch nur barmherzig ist, glücklich zu nennen? Unsere Welt stellt sich Glück unter gerade entgegengesetzten Bildern vor, nämlich mit Bildern von lachenden, satten und starken Menschen.

Der Weg der Seligpreisungen enthält im Grunde diesselbe Antwort wie der anfangs zitierte Psalm 4: das Gesicht des Herrn. Es scheint ganz so, als ob die Seligpreisungen des Matthäus vor allem ein inneres Antlitz Jesu vorstellen wollen, der den Armen in seiner Vollendung darstellt, damit wir auf diese Weise sein Angesicht entdecken können.

So sagt es auch Marcel Dumais in seinem Kommentar: „Jesus konnte die Seligpreisungen formulieren, weil er sie als erster gelebt hat. Sie drücken seine persönliche Erfahrung aus, seine konkrete Glaubenspraxis, seine Hoffnung, die er durch Leiden und die Erwartung des Todes gewonnen hat. Auf diese Weise wird Jesus selbst der Garant und das Modell für glückliches Leben.“[1] Und dieser Jesus eröffnet sein Programm bei Matthäus mit einer Beschwörung des Glückes.

André Chouraqui vermutet hinter dem Ausdruck „selig“ eine aramäische Redewendung, die „vorwärts“ bedeutet und zum Aufbruch aufruft. Damit werden wir eingeladen, unsere Glückssuche zusammen mit Jesus vorzunehmen. Es stammt von Gott, beruht aber auch auf unseren eigenen Entscheidungen und Festlegungen. Diesen Gedanken finden wir mehrfach in der Heiligen Schrift. Beispielsweise wird in Psalm 1 derjenige glücklich genannt, der sich nicht mit „Spöttern“ abgibt, sondern sich „an der Weisung des Herrn erfreut und Tag und Nacht darüber nachsinnt.“ Solche Worte legen uns nahe, ein inneres Konzept durch ein anderes zu ersetzen, Grundeinstellungen neu zu definieren, die „unnützen Pläne der Völker“ (Ps 2,1) zum Schweigen zu bringen, die so schnell ein Echo in uns finden. Auf diese Art können wir in uns in der Tora wie ein Baum verankern, der seine Wurzeln in die Tiefe hineinsenkt, bis sie Wasser finden. Auch der Psalm 2 enthält eine Seligpreisung, wenn er zum Abschluss sagt: „Selig, die bei ihm sich bergen!“ Wenn man die Seligpreisungen zusammenfassen möchte, könnte man das vielleicht mit folgenden Worten versuchen: „Selig, wer Jesus ähnlich ist. Selig, wer seine Freude darin findet, dem Vater nahe zu sein.“

Ein hilfreicher Zugang zu den Seligpreisungen besteht darin, dass man die sieben letzten Anrufungen als Variationen zur ersten Seligpreisung verstehen kann. Denn alle Seligpreisungen umspielen das Thema der Armut im Geiste. Wir wollen uns daher dieser ersten Seligpreisung im Folgenden eingehender zuwenden.

Der Ausdruck „die Armen im Geiste“ ist in der gesamten Heiligen Schrift einmalig, auch wenn er durchaus einen biblischen Hintergrund besitzt und er in Beziehung mit anderen Begriffen des  Matthäus steht wie „die Reinen im Herzen“ (5,8) oder wenn Jesus „sanftmütig und von Herzen demütig“ (11,29) genannt wird.

Solche Herzensarmut bezeichnet eine Geisteshaltung, welche das gesamte Dasein eines Menschen durchdringt. Eine Haltung, welche ihre Armut einsieht, ist nicht selbstgenügsam, sondern kennt ihre Not und die Notwendigkeit, von anderer Seite Beistand zu erhalten, um wachsen und reifen zu können. Daher wird wohl heute einmütig diese Seligpreisung folgendermaßen gedeutet. „Glücklich, wer einsieht, dass er ganz und gar von Gott abhängt und sich ihm umfassend anvertraut.“[2]

Bei der ersten Seligpreisung handelt es sich um das Glück der Gewaltlosigkeit, der freiwilligen Selbstentmachtung, der Hingabe des Willens an Gott. Dies war das tägliche Schicksal der Menschen, welche das Alte Testament „anawim“ nannte, was ethymologisch von „gekrümmt sein“ abzuleiten ist. Daher schlägt auch Erri de Luca als alternative Übersetzung für die erste Seligpreisung vor: „Glücklich die vom Wind Gekrümmten“. „Anawim“ sind ursprünglich sozial ausgegrenzte Menschen, die ihre Rechte nicht durchsetzen können und sich unter den Reichen und Mächtigen krümmen müssen. Später wurde dieser Ausdruck für diejenigen verwandt, welche „sich vor dem Herrn krümmen“ und alles von ihm erwarten, da sie ihre Not einsehen.

Vor diesem Hintergrund erkennt sich der „anaw“, der von Herzen Arme, als das, was er ist: „ein Geschöpf, dessen Reichtum in Gott besteht. Er ist offen und aufnahmebereit (...), für ihn ist das Heil in erster Linie ein Geschenk und nicht ein Ziel, das durch eigene Anstrengungen zu erwerben ist. Die erste Glückseligkeit drückt daher das fundamentale Glück aus, da sie die grundlegende Eigenschaft bezeichnet, welche zu einer Zugehörigkeit zum Gottesreich befähigt: die Haltung der Aufnahmebereitschaft. Ohne diese Haltung kann man sich nicht beschenken lassen und in der Gemeinschaft mit Gott und den Nächsten leben und wachsen.“[3]

« Heureux les affligés » : sans doute, si l’on compare cette béatitude avec celle de Lc 6, 21, on peut penser à tous ces pauvres que la vie n’épargne pas. Mais on peut ajouter que le terme penthos (affliction) vient d’un verbe que l’on ne retrouve qu’une fois en Mt 9, 15 : « Les invités à la noce peuvent-ils s’affliger tant que l’époux est avec eux ? » De ce fait, les affligés sont aussi ceux que l’absence ou le mépris à l’égard de Dieu attristent profondément. Jésus s’est ainsi affligé de ce que la maison de son Père soit devenue un repère de marchands et de brigands ; que la loi d’amour de son Père fut employée pour faire peser de lourds fardeaux sur les épaules des simples ; que cette même Torah soit utilisée « contre l’homme » et non pour lui. Bref, il est affligé devant cette défiguration du visage du Père !

Die erste Seligpreisungen enthält also bereits alle anderen und beinhaltet deren Grundmuster. Was in der Folge noch ausgeführt wird, enthält lediglich besondere Aspekte der Herzensarmut. Wie wir schon gesagt haben, ist der wahre Herzensarme Jesus selbst. Das finden wir bestätigt, wenn wir auf drei weitere Seligpreisungen schauen, nämlich „Selig die Sanftmütigen“, „Selig die Trauernden“ und „Selig die Barmherzigen“.

Bei dem Ausruf „Selig die Sanftmütigen“ ist zu beobachten, dass der Begriff „sanftmütig“ (griechisch: praeis) bei den anderen Evangelien überhaupt nicht auftaucht und bei Matthäus nur noch an zwei anderen Stellen verwendet wird, nämlich in Matthäus 11,29: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“ und dann noch Matthäus 21,5, wo Sacharja 9,9 zitiert wird: „Siehe dein König kommt, sanftmütig und auf einem Esel reitend.“ Beide Stellen befassen sich also mit der Selbsterniedrigung Christi. Er ist der Sanftmütige par excellence. Die Sanftmütigen sind diejenigen, welche wie er ihre Freude darin finden, dem Willen Gottes zu folgen.

„Der Sanftmütige will Gott keine Gewalt antun und ihm gewaltsam entreißen, was er begehrt (...) Er folgt der von Gott vorgegebenen Zeit und der Handlungsweise Gottes. Man kann ihn daher auch nicht als schwach bezeichnen, sondern im Gegenteil als jemand, der eine große Seelenstärke besitzt.“[4]

Wenn man den Ausruf „Selig die Trauernden“ mit Lukas 6,21 vergleicht, könnte man zunächst einmal an alle armen Menschen denken, denen im Leben nichts erspart bleibt. Man muss allerdings auch beachten, dass der Begriff „penthos“ (Trauer) von einem Verb kommt, das nur noch ein weiteres Mal in Matthäus 9,15 zu finden ist: „Können die zur Hochzeit Eingeladenen trauern, wenn der Bräutigam bei ihnen ist?“ Vor diesem Hintergrund sind unter Trauernden auch solche Menschen zu verstehen, welche durch die Abwesenheit oder Ablehnung Gottes tief verstört werden. In ähnlicher Weise ist Jesus zutiefst betrübt, dass das Haus seines Vaters zu einem Nest von Geschäftemachern und Räubern geworden ist, dass das Gebot der Gottesliebe dazu missbraucht wird, um schlichte Menschen schwer zu belasten, dass die Tora gegen und nicht zugunsten der Menschen ausgelegt wird. Mit anderen Worten, er ist bedrückt, dass mit solchen Handlungen das Gesicht des himmlischen Vaters verunstaltet wird!

„Selig die Barmherzigen“ lässt anklingen, dass im Alten Testament die Barmherzigkeit zu den Eigenschaften Gottes zählt. Gottes Barmherzigkeit besteht vor allem darin, Sünden zu vergeben und sich für Menschen in Not einzusetzen. Das in der Bibel verwendete Wort für Barmherzigkeit lautet „rehem“, was übersetzt auch Uterus oder Mutterschoß heißt.

„Barmherzig sein bedeutet, dass es einem die Eingeweide umdreht, wenn man das Elend und Unglück der Menschen mit ansehen muss. (...) Barmherzige sind Menschen, welche ihr Herz für die Mitmenschen öffnen und mit Taten ihre Not lindern. (...) Ausgehend von den Beispielen in Matthäus 25 kann man darauf schließen, dass mit der Seligpreisung der Barmherzigkeit alle Dienste gemeint sind, durch welche man das Unglück anderer Menschen erleichtert.“

Das Gleichnis von Matthäus 18,23-35 stellt klar, dass die „Vergebung, die man anderen schenkt, aus der Vergebung entspringt, welche man selbst von Gott empfangen hat (...). Erst die Erfahrung, dass Gott uns vergeben hat, befähigt uns dazu, den Menschen zu verzeihen, welche uns Böses getan haben. Die Annahme von Vergebung wird dann authentisch und echt, wenn derjenige, dem vergeben wurde, seinerseits Frucht trägt, indem er anderen Vergebung schenkt.“[5] Wie könnte man hier sich nicht an die Worte Jesu am Kreuz erinnert fühlen: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“?

 

[1] M. Dumais, Le sermon sur la Montagne (Matthieu 5-7), CE 94, Paris, Cerf, 1995, p. 18.

[2] A.a.O., S. 18.

[3] M. Dumais, Le sermon sur la Montagne (Matthieu 5-7), CE 94, Paris, Cerf, 1995, p. 18-19.

[4] A.a.O., S. 20.

[5] A.a.O., S. 23.

Theologische Bildung und klösterliche Erneuerung

2

Perspektiven

Bernhard A. Eckerstorfer OSB

Rektor der Päpstlichen Hochschule St. Anselmo, Rom

 

 

Theologische Bildung

und klösterliche Erneuerung

 

 

Blicken wir auf theologische wie monastische Neuerscheinungen, so ist auffallend, dass sich ein großer Teil von ihnen mit den Herausforderungen unserer Zeit beschäftigt. Ohne Zweifel sind wir mit einem Wandel konfrontiert, der für viele sogar eine Wende zu einer neuen Epoche anzeigt. So wie die Kirche als Ganze streben auch Klöster nach zukunftsträchtigen Wegen. Ihre Suche gestaltet sich dort besonders dringlich, wo es um den Fortbestand einer Gemeinschaft geht. Aus dieser Perspektive heraus sind Fragen zur benediktinischen Ausbildung hochaktuell und damit brisant; an ihnen zeigt sich, ob und wie klösterliche Erneuerung gelingen kann.

Das vorliegende Themenheft der AIM verwendet im Haupttitel das Signalwort „heute“. Monastische Formation war natürlich immer bemüht, das benediktinische Leben im wachen Bewusstsein der jeweiligen Gegenwart weiterzutragen. Oft galt freilich über längere Phasen hinweg ein einziges Modell als tragfähig, weil es auch im kirchlichen und gesellschaftlichen Verlauf eine starke Kontinuität gab, die viele Generationen umfasste. Unsere Situation ist dagegen unübersichtlich: Inmitten eines Epochenwandels tragen bisherige Selbstverständlichkeiten nicht mehr, neue Paradigmen haben sich jedoch noch nicht etabliert und niemand weiß, wie die Zukunft aussehen wird. Wir alle spüren und erleben, dass neue Wege unvermeidbar sind. Doch was wird sich wirklich als zielführend herausstellen?

Ich bin der Überzeugung, dass in der derzeitigen Lage die Theologie ein entscheidender Faktor für die benediktinische Ausbildung und die Neuausrichtung unserer Gemeinschaften ist. Aber wir sollten ebenso sehen: Auch das Mönchtum könnte eine wichtige Rolle für eine erneuerte Theologie haben. So wie in der Politik, im gesellschaftlichen und kulturellen Leben eine Orientierungslosigkeit festzustellen ist und es gar zu Abbrüchen ehemals tragender Institutionen und von allgemein akzeptierten Denkweisen kommt, ist auch in Kirche und Theologie ein Übergang festzustellen. Das Wort Krise ist in diesen Zusammenhängen in aller Munde, und die ursprüngliche Bedeutung kann für unser Thema aufschlussreich sein: Sie meint und fordert im Grunde Unterscheidung und Entscheidung.

Ich möchte das mir gestellte Thema in drei Punkten behandeln. Zuerst soll die klösterliche Initiation in ihrer Bedeutung und Gestalt gesehen werden; ich war zwölf Jahre Novizenmeister und habe durch meinen eigenen Werdegang die Notwendigkeit grundlegender Einführungen selbst erlebt. Sodann möchte ich monastische Praktiken als theologische Vollzüge deuten, um schließlich die Rolle der Universität für die Erneuerung benediktinischen Lebens darzustellen.


Klösterliche Ausbildung als theologischer Vorgang

Gerade im Kloster sehen wir, dass die Vermittlung des Glaubens im Grunde eine Einübung in eine bestimmte Lebensform bedeutet. In einer homogenen religiösen Gesellschaft sind ihre Ansichten und Lebensvollzüge selbstverständlich, weil sie von der Mehrheit geteilt und mitgetragen werden. Treten wir aber in eine pluralistische Welt ein, in der der Glaube gar zur Option geworden ist, müssen wir bislang automatische Vorgänge eigens thematisieren, um sie nicht zu verlieren und ihnen durch die Übersetzung in gegenwärtige Kontexte eine neue Fassung zu geben.

Kommt jemand ins Kloster, beginnt ein vielschichtiger Lernprozess. Eingebettet in gemeinschaftlich gepflegte Praktiken wird in den ersten Jahren manches bewusst gemacht, d.h. reflektiert und damit auch hinterfragt. Das ist wichtig für die Aneignung, die gemeinschaftlich eingebettet, aber individuell gestaltet sein muss. So erneuert sich mit jeder Person, die in den Konvent aufgenommen wird, das klösterliche Leben. Dieses wird im Prozess der gemeinschaftlich-individuellen Aneignung aktualisiert, mit dem Lebensgefühl der Gegenwart erfüllt und damit lebbar gehalten.

Einführung ins benediktinische Leben ist ein theologischer Vorgang. Das Mönchtum verstand den einzelnen Mönch schon immer als Gottsucher, der zur Lebensform auch eine entsprechende Denkform braucht. Um ein Theologe im ursprünglichen Sinn zu sein, muss jemand kein Doktorat einer Theologischen Fakultät haben. Es sind die geistlich und geistig kompetenten Personen, die ein „theologisches“ Leben führen und andere mit diesem vertraut machen. Die Bedeutung einer grundlegenden Einführung möchte ich mit einer persönlichen Erfahrung illustrieren: Als ich mit 29 Jahren nach langen Studien im In- und Ausland ins Kloster eintrat, meinten Abt und Novizenmeister: „Du hast schon ein Doktorat in Theologie mitgebracht. Was sollen wir dich da noch lehren?“ Sie nahmen etwa an, ich könnte sofort bei einem Pontifikalamt ohne Weiteres ministrieren. Ich war aber nie Ministrant gewesen und von Pontifikalien hatte man mir in meinen Spezialstudien über protestantische Theologie in Nordamerika nichts vermittelt! So war ich ahnungsloser und ungeschickter als mein Co-Novize, der direkt von der Klosterschule ins Noviziat übergewechselt war.

Mein Kloster hatte die Bedeutung meiner universitären Studien für das Klosterleben überschätzt und die Notwendigkeit einer klösterlichen Initiation für einen jungen Theologen unterschätzt. Diese geschieht vor allem durch Nachahmung. In jedem Konvent gibt es ältere Mitbrüder oder Mitschwestern, die jahrzehntelang treu ihren Weg gehen und als geistlich Kundige zu Vorbildern des Nachwuchses werden – mehr durch ihr Sein als durch ihr Tun, mehr durch selbstverständliche Haltungen als durch viele Worte. Wenn ich auf meine ersten Klosterjahre zurückblicke, waren sie meine Meister, auch der genannte Abt und der Novizenmeister, die sich selbst nicht als große Theologen verstanden.

Freilich musste ich meine neue Identität erst begreifen lernen, d.h. auch denkerisch nachvollziehen. Mir war es im Noviziat geschenkt, neben anderen grundlegenden Werken einen großen Teil der Schriften meines neuen Namenspatrons Bernhard von Clairvaux lesen zu können. Das war ein neues Lernerlebnis! Ich konnte lesen ohne den Druck, das Gelesene für Prüfungen oder akademische Arbeiten verwerten zu müssen. Die großen Gestalten des Mönchtums und der Geistesgeschichte richtig lesen zu können, auch das erschloss sich für mich nicht automatisch. Es war ein Segen, dass ich gleich nach dem Noviziat für zwei Jahre nach Sant’Anselmo geschickt wurde, wo schon über 100 meiner Mitbrüder über Jahrzehnte hinweg studiert hatten. Das Credo unseres damaligen Abtes: „Jeder Mitbruder soll, wenn er will, die Möglichkeit haben, wenigstens ein Semester in Sant’Anselmo zu leben.“

Ich begegnete in Rom einer für mich neuen Form von Theologie. Plötzlich betete und aß ich mit Professoren und Studenten. Das Geheimnis einer benediktinischen Schulung: Lebensform und Denkform fließen ineinander. Hier nun stand allerdings die theologische Reflexion benediktinischen Lebens im Vordergrund. Sie erschloss sich mir durch einige Lehrveranstaltungen, mehr noch aber durch die persönliche Betreuung benediktinischer Theologen, die mir dabei halfen, meine bisherige theologische Ausbildung in mein monastisches Leben zu integrieren. Genau dieses Ineinanderfließen von konkretem Lebensstil und tieferem Verstehen zeichnet das mönchische Leben aus, das in den Anforderungen gerade der heutigen Zeit nicht bestehen kann, wenn es in unverbundene Sektoren aufgespalten ist.

Kurz vor meiner Ewigen Profess geriet ich in eine Krise; andere Daseinsweisen waren für mich plötzlich attraktiv, meine vier Jahre als Mönch schienen ein Experiment mit Ablaufdatum zu sein. Rückblickend betrachtet ist mir bewusst, dass meine Entscheidung für die Ewige Profess wesentlich auf die theologische Durchdringung meiner neuen Lebensform samt dem Kontakt mit dem weltweiten Mönchtum zurückzuführen ist, wie sie mir besonders durch die beiden Jahre in Sant’Anselmo zuteil geworden war.


Konkrete Einübung monastischer Praktiken

Die Keimzellen benediktinischer Erneuerung sind die klösterlichen Praktiken, die neu gehoben, verstanden und trainiert werden müssen. Klösterliche Formation geht dann ins Leere, wenn sie zu viel voraussetzt. Nichts darf mehr selbstverständlich sein, wenn wir mit jungen Mitgliedern in unseren Konventen zu tun haben! Setzen wir grundlegend an, müssen wir sehen, dass banal scheinende Erfahrungen des Alltags reflektiert werden müssen. Welche Formen erfüllen wir? Welche Rhythmen und Strukturen geben uns Halt? Der mönchische Stil wird nicht nur nachgeahmt, sondern auch in seiner Bedeutung erfasst und – in weiterer Folge – hinterfragt und so modifiziert, wir können auch sagen: verwandelt. Dazu braucht es eine Mystagogie monastischer Praktiken, in denen grundlegende Elemente in ihrer reichen Tradition erschlossen, aber auch ins Heute übertragen werden: Stabilitas und conversatio, klösterliche Zelle und weiträumige Klosteranlage, Lesung und Selbstdisziplin, Einsamkeit und Gemeinschaft, …

Eine zentrale monastische Kompetenz besteht darin, wieder lesen zu lernen. Weltweit ist nicht abzusehen, was die digitale Revolution für unsere Kulturen bedeutet, wie sie unsere Gesellschaften verändern wird. Auch für das Mönchtum mag sie Chancen bergen. Wir dürfen aber die Augen nicht davor verschließen, dass sie einen Zugang zur Wirklichkeit auferlegt, der dem benediktinischen Geist fremd ist. Die social media basieren auf knappen, mit Zeichen und Abkürzungen versehenen Botschaften, die nur für eine kurze Dauer aktuell sind, oft nur vorübergehend abrufbar. Der digitale Weltzugang kann mit dem nachdenklichen Vorgang des mühsamen Verfassens ausgefeilter Schriften und mit der herkömmlichen Buchkultur wenig anfangen. Können Klöster aber darauf verzichten?

In der lectio wird den jungen Mitbrüdern und Mitschwestern neben den religiösen Inhalten auch eine theologische Fertigkeit vermittelt: eine Stunde oder wenigstens eine halbe Stunde ausschließlich an einem Text verweilen zu können – jeden Tag, über Monate und Jahre hinweg! In der meditatio sedimentiert sich die Leseerfahrung, die zur Weisheit wird. Sapientia kommt von sapere, was wir mit schmecken und verkosten übersetzen können. Das ist dann auch die Grundlage für die oratio. Aber wieviel Geduld und Ausdauer braucht es dazu, gerade in einer technologisch hochgerüsteten Welt! Der Noviziatsunterricht muss dazu anhalten, theologische Texte zu lesen, die dann diskutiert werden. Hier kommt es nicht sogleich auf die eigene Meinung an, sondern zuerst einmal muss der Text erfasst worden sein: „Was sagt der Autor?“

Klösterliche Ausbildung muss eine tiefere Erfassung der Wirk-lichkeit ermöglichen und dem ständigen Herumspringen zwischen vorbeihuschenden Textfetzen eine ganzheitliche Leseerfahrung gegenüberstellen. Vielleicht lässt sich die Zukunftsfähigkeit unserer Klöster auch daran ablesen, ob die eigenen Buchbestände überhaupt noch genutzt werden oder die Bibliotheken zu Abstellräumen verkommen, bestenfalls noch als repräsentative Schauräume von einer versunkenen Vergangenheit lebendiger Gottsuche zeugen. Besteht ein theologischer Auftrag des Mönchtums für heute nicht wesentlich darin, die Kultur des Lesens neu zur Geltung zu bringen? Es wäre nicht das erste Mal, dass Klöster in dieser Weise Bildungsträger wären.


Vom Kloster an die Universität und zurück

Mehr als dies früher der Fall war, sehen wir bei heutigen Kandidaten die Notwendigkeit einer Initiation in den Glauben. Der Mönch bildet sich, indem er die Haltung des verstehenden und verkostenden Lesens trainiert und einen ganzen Kosmos religiöser Sinnstiftung entdeckt. Ein erfahrener Theologieprofessor an einer staatlichen Universität sagte mir einmal: „Jene, die ein Noviziat hatten, studieren bei uns anders.“ Zumindest nach meiner Erfahrung in Mitteleuropa muss ich allerdings auch sagen, dass manche, die in unsere Klöster kommen, eine Abneigung gegenüber universitärer Theologie haben. Das kommt wohl einerseits von einer szientistischen Verengung, welche die Theologie erst dann als Wissenschaft sieht, wenn sie möglichst wenig mit dem gelebten Glauben zu tun hat. Andererseits offenbart sich hier aber auch das fehlende Bewusstsein, was die akademische Theologie für unsere Klöster leisten kann und muss.

Die theologische Lehre und Forschung an der Universität, die damit auch im Austausch mit anderen Disziplinen steht, bietet einen eigenen Rahmen für die skizzierte Einübung und Reflexion. Nach 20 Jahren in meinem Kloster in Österreich sehe ich nun wieder in Sant’Anselmo, welche Freiheit der akademische Rahmen eröffnet, in dem das Studium neben dem geistlichen Leben Priorität hat. So können sich einzelne Personen der philosophischen, theologischen und liturgischen Spezialisierung hingeben und sich mit ihren zuweilen ausgefallenen Themen gegenseitig befruchten. Die Coronakrise hat uns gezeigt, wie Bildungsvermittlung auch über die neuen Technologien stattfinden kann. Wir halten natürlich am direkten Unterricht fest, der eine persönliche Auseinandersetzung vor Ort umfasst und gerade die Stadt Rom sowie in ihr die Universalkirche als theologische Erfahrung aufleuchten lässt. Doch wir erweitern zunehmend auch unser online-Angebot, um Personen an der Lehre und Forschung von Sant’Anselmo Anteil zu geben, die nicht in die Ewige Stadt kommen können.

Wir sollten nicht unterschätzen, wie sehr die Arbeit an Ordenshochschulen oder staatlichen Fakultäten zur Lebendigkeit und Plausibilität unserer benediktinischen Existenz beiträgt. Meiner Beobachtung nach gehen monastische Neugründungen einher mit einer theologischen Neubesinnung, die zumeist an den Quellen des Mönchtums frisch anknüpft. So wie es das Zweite Vatikanum vorsah: Rückkehr zu den Quellen (ressourcement) verbunden mit der Suche nach Formen, die zu den heutigen Verhältnissen passen (aggiornamento). Die wissenschaftliche Theologie kann dazu Wesentliches beitragen. Der gelebte Glaube, wie er sich in den monastischen Praktiken äußert, braucht kritische Reflexion und die Hebung der reichen Tradition im Horizont unserer Zeit. Das bewahrt Klöster vor Einseitigkeiten, Devotismus und Ideologien aller Art.

Aber auch die Klöster haben mit ihrer theologischen Tradition der heutigen akademischen Welt viel zu sagen. Der Dekan einer theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität beklagte sich kürzlich, dass die akademische Theologie in Gesellschaft und Kultur kaum noch wahrgenommen werde. Wir sehen jedoch, dass die säkulare Welt durchaus am gelebten Glaubenszeugnis interessiert ist. Wo die Theologie als geistgewirkte Glaubensart und Form des Gottesdienstes gesehen wird, sind gerade andere Disziplinen und die nach ansprechenden Alternativen ausschauenden Zeitgenossen durchaus interessiert. Zumindest für den mitteleuropäischen Raum kann ich sagen: Bei allen Krisen, die die Kirche und ihre herkömmliche Pastoral derzeit erfassen und von denen auch die Klöster nicht ausgenommen sind, ist das Interesse am benediktinischen Leben bei Gläubigen wie Skeptikern ungebrochen groß. Sie finden in Klöstern ihre Sehnsucht nach einem „anderen Leben“ verwirklicht und möchten inspiriert werden vom geistigen Reichtum und der geistlichen Kraft alter Traditionen. Das sollte uns in den Klöstern ermutigen, unsere benediktinische Lebensform mit der entsprechenden Denkform einzubringen, vom Noviziat bis zu unseren Ordenshochschulen. Das Mönchtum könnte so zu einer erneuerten Theologie innerhalb einer missionarischen Kirche beitragen, die laut Papst Franziskus nicht allein auf theologische Experten an den Universitäten und Bürokraten im kirchlichen Apparat setzen darf.



Sant'Anselmo. © AIM.
Sant'Anselmo. © AIM.


Experientia – ein Programm zur Reflexion und zum Austausch

3

Perspektiven

Eamon Fitzgerald OCSO

Generalabt der Trappisten

 

 

Experientia –

ein Programm zur Reflexion und zum Austausch[1]

 


Was mir am Programm „Experientia“ am meisten gefällt, ist die Art und Weise, wie es entstand. Ich war seit dem Generalkapitel von 2014 ein interessierter Zuschauer und Zeuge seiner Entwicklung. Für mich besitzt es alle Eigenschaften des Gleichnisses vom Senfkorn im Evangelium.

Bei ihrer Sitzung am Ende des Generalkapitels von 2014 hat die Zentralkommission Schwester Marie Mouris von der Abtei Val d’Igny zur Zentralsekretärin für Ausbildungsfragen gewählt. Als erstes griff sie auf, was beim Generalkapitel über die Formation und über die Bedürfnisse der Gemeinschaften in diesem Bereich gesagt worden war. Um Informationen aus erster Hand zu bekommen, schrieb sie an alle Äbte und Äbtissinnen des Ordens, um zu erfragen, was sie brauchten und sich wünschen würden. Sie fragte auch an, ob sie Mitglieder ihres Klosters anbieten könnten, die Zeit hätten und willens wären, bedürftige Gemeinschaften zu unterrichten. Unter den Antworten, die Schwester Marie erhielt, war auch der Vorschlag, man könnte einen Rundbrief herausgeben und darin Informationen darüber austauschen, was in den einzelnen Regionen und Gemeinschaften für die Formation getan wird, wie etwa Tagungen, Unterrichtskurse und Werkwochen. Diesen Vorschlag setzte sie sofort um, und seither erscheint der Rundbrief für die regionalen Sekretäre für Formation und andere Interessierte im Orden regelmäßig. Diese Initiative wird sehr geschätzt. Sie erlaubt den Austausch von Informationen, bringt Anregungen und ermutigt die Kommunikation und Beziehungen unter den Sekretären, während sie zugleich jede denkbare Zusammenarbeit unter ihnen fördert.

Schwester Marie hört nicht nur zu, sondern sie denkt auch weiter. Im Jahr 2015 fragte sie: „Wie können wir die Regionen dazu bringen, die Vorschläge weiterzuentwickeln, die beim Generalkapitel von 2014 eingebracht wurden?“ Dabei bezog sie sich besonders auf eine Anregung, die beim Generalkapitel geäußert worden war: „Wie können wir eine ganzheitlich mystisch ausgerichtete Ausbildung fördern?“ Schwester Marie gelang es, sieben Äbte und Äbtissinnen zu überreden, jeweils ihre persönliche Erfahrungen zu diesem Thema schrifllich niederzulegen, woraus ein kleines Buch entstand.

Unsere Ausbildungsordnung (Ratio Institutionis) spricht davon, dass die Gemeinschaft als Ganzes an der Ausbildung beteiligt ist. Diese Aussage, die der eigenen Erfahrung von Schwester Marie entspricht und auch bei Regionaltreffen von Ausbildern bestätigt wurde, ließ die Idee eines Weiterbildungsprogramms für Schwestern und Brüder jedes Alters aufkommen. Ein solches Programm würde die Gelegenheit bieten, die zisterziensischen Wurzeln neu zu entdecken, das Identitätsgefühl stärken und individuelle Studien und die lectio divina fördern.

Die Zentralkommission diskutierte diesen Vorschlag von Schwester Marie bei einer Zusammenkunft im Jahr 2016, ermutigte sie bei ihrem Vorhaben und kam zum Entschluss, noch einen Experten hinzuziehen, der über einschlägige Erfahrung im Bereich der geistlichen Erwachsenenbildung verfügt. Die Zentralkommission fragte daher bei Pater Michael Casey von der australischen Abtei Tarrawarra an, ob er zur Übernahme der Aufgabe bereit sei und er sagte zu. Unter seiner Leitung wurde eine Gruppe eingesetzt, die gemeinsam ein Weiterbildungsprogramm entwickelte. Schwester Marie stellte dessen Inhalt und Methode beim Generalkapitel von 2017 vor. Die Kapitulare stimmten für das Programm und beschlossen, dass es den Gemeinschaften nahegelegt werden solle.

Das so entstandene Ausbildungsprogramm trägt den Namen „Experientia“. Es möchte heutigen Mönchen und Nonnen dabei helfen, über ihre gelebte Erfahrung des klösterlichen Lebens nachzudenken und diese persönliche Erfahrung mit Texten der zisterziensischen Tradition zu konfrontieren. Auf diese Weise können die jahrhundertealten Einsichten, die in unserer Überlieferung weitergegeben werden, auch Licht auf unsere heutige Erfahrung werfen und uns Ermutigung, Motivation und Orientierung bieten, wie zisterziensische Spiritualität in der heutigen Welt gelebt werden kann. Das Programm hat neun Erfahrungsbereiche ausgewählt, die wichtige Bereiche des menschlichen und klösterlichen Lebens umfassen. Dazu zählen Themen wie: „Die bisherige Reise“, „Sehnsucht macht frei von Begierde“, „Gemeinschaft“, „Gebet“ und „Entäußerung“. Wie die Titel zeigen, sollen nicht nur intellektuelle und akademisch geprägte Mitbrüder und -schwestern angesprochen werden, sondern auch Ordensleute, die auf dem Feld oder im Stall arbeiten. Im Grunde möchte das Projekt die eigene Reflexion über authentisches menschliches Leben fördern und wie Mönche und Nonnen in der zisterziensischen Tradition ein solches Leben umsetzen können.

Ich möchte an dieser Stelle Pater Michael Casey und den Mitgliedern der Projektgruppe danken, die dieses Weiterbildungsprogramm erarbeitet haben, und allen, welche bei der Umsetzung mitwirken. Es handelt sich um ein Projekt des Gesamtordens, sowohl von seiner Entstehung als auch von seiner jetzigen Verwirklichung her. Es entstand aus einem schlichten und aufmerksamen Hören und aus Wertschätzung für das in großer Vielfalt gelebte weltweite Charisma des Trappistenordens. Bei der Umsetzung halfen die Intelligenz, Kompetenz und Effizienz von Mitbrüdern und -schwestern. Hiermit möchte ich dieses Weiterbildungsprogramm allen Klöstern des Ordens ausdrücklich ans Herz legen. Möge Experientia in unseren Gemeinschaften ein Zuhause finden. Es soll nicht nur als Ergänzung unserer häuslichen Bibliotheken und Archive dienen, sondern vor allem ein Instrument guter Werke sein, das uns ermöglicht mit Gelassenheit und gutem Eifer in der Gemeinschaft der Liebe Christi zu leben. Möge er uns alle zum ewigen Leben führen!

 

Das auch für nicht-trappistische Gemeinschaften interessante Ausbildungsprogramm Experientia und die damit verbundenen Materialien werden in verschiedenen Sprachen vorgestellt auf: https://www.ocso.org/formation/experientia.

 

 

 

 

 

[1] Vorwort zu Einheit 1 von Experientia, das auf der Website der Trappisten abgerufen werden kann: https://www.ocso.org/formation/experientia.

Klosterleben in Zeiten der Corona-Pandemie

4

Perspectiven

Robert Igo OSB

Prior von Christ of the Word (Macheke, Simbabwe)

 

Ständige Weiterbildung –

„Anhalten, schauen, hören”

Klosterleben in Zeiten der Corona-Pandemie

 

 

Der Abtpräses der Englischen Benediktinerkongregation hat vor kurzem einen Rundbrief herausgegeben mit dem Titel: „Wie unsere Klöster auf eine neue Zeit vorbereitet werden können“. Worin diese neue Zeit besteht, kann jeder sich selbst aussuchen und es gibt bereits viele wilde Vermutungen. Vor einigen Jahren gab es in England ein Erziehungsprogramm für Kinder, welches „Überquerungsregeln grünes Licht“ hieß. Die Kernbotschaft lautete: „Anhalten, schauen, hören“. Diese Worte fielen mir ein, als ich über das Projekt nachdachte, das der Rundbrief vorschlägt.

Zunächst fiel mir ein, dass es in der Englischen Benediktinerkongregation fünf Klöster gibt, die außerhalb von Großbritannien liegen und sehr unterschiedliche Perspektiven haben, die nicht in englischer Kultur verwurzelt sind. Das gilt vor allem für die Gründungen in Peru und in Simbabwe. Was Simbabwe angeht, gehörte es ausdrücklich zum Gründungsprogramm, dass hier Klosterleben allein nach der Regel Benedikts weitergegeben werden soll, aber nicht die üblichen Regeln und Strukturen einer englischen Klostergemeinschaft. Dabei war gleichfalls selbstverständlich, dass mit einem solchen Vorgehen nicht der eigene englische Hintergrund abqualifiziert werden soll. Es soll lediglich die andere Realität und der andere kulturelle Hintergrund angemessen gewürdigt werden. Daher verbrachten wir auch viel Zeit damit, dass wir Grundprinzipien des benediktinischen Lebens herausfilterten, ohne deren Befolgung unsere benediktinische Identität verloren gehen würde. Oder anders ausgedrückt: Bei dieser Klostergründung bildeten wir uns nicht ein, dass wir schon alle Antworten wüssten. Unsere Grundhaltung war, dass wir erst einmal selbst lernen müssten, anstatt unsere eigenen Vorstellungen den Menschen in Simbabwe aufzudrängen. Und meine Erfahrung ist, dass dieser Prozess nie aufhört!

© AIM.
© AIM.

In gewisser Weise ähnelt das Leben nach der Corona-Pandemie einer solchen Neugründung in einer neuen und unbekannten Kultur. Möglicherweise können uns diese zwei Gründungen der Englischen Benediktinerkongregationen einiges lehren, was Flexibilität, Einsatz und Geduld anbelangt. Während der 24 Jahren seit der Gründung, beinahe nun 25 Jahre, wurde ich oft an das Buch Genesis errichtet: Es war vor allem eine Reise des Glaubens und des Vertrauens weniger absoluter Sicherheit.

Vor diesem Hintergrund frage ich mich, ob es nicht in der Startphase dieses Projektes sinnvoll wäre, wenn jede Gemeinschaft der Englischen Benediktinerkongregation eingeladen würde, zu folgenden Fragen eine Stellungnahme abzugeben:

1. Was waren 2-3 positive Erfahrungen des Corona-Lockdowns hinsichtlich a) unseres gemeinschaftlichen und persönlichen Gebetslebens? b) von Lectio und geistlicher Lesung? c) des Gemeinschaftsleben? d) eines tieferen Verständnisses der Regel?

2. In welcher Weise haben die Corona-Erfahrungen unsere missionarische Identität und Mission vertieft?

3. Wie haben diese Erfahrungen unsere besonderen Stärken und Schwächen hervortreten lassen?

4. Was haben sie uns hinsichtlich unserer traditionellen Apostolate und zukünftiger neuer Möglichkeiten gezeigt?

5. Auf welchen der genannten Erfahrungen wollen wir in den kommenden Monaten und Jahren aufbauen und daran weiterarbeiten?

Es handelt sich nur um einige Fragen, aber sie könnten dazu beitragen, dass tatsächlich gelebte Erfahrung eingebracht wird, welche den einzelnen Gemeinschaften Hoffnung für die Zukunft vermittelt und auch dem Abtpräses und dem Generalkapitel eine nützliche Orientierung und Hilfestellung bietet. Wie die Konstitutionen klar sagen, besteht die Englische Benediktinerkongregation aus unabhängigen Männer- und Frauenklöstern sui juris. Es handelt sich nicht um eine zentralisierte Körperschaft, die von oben regiert werden könnte, sondern die Engagement an den Wurzeln braucht, damit monastische Erneuerung tatsächlich stattfindet, wie es ja in diesem Sinne auch Papst Franziskus in seinen zwei Schreiben „Evangelii Gaudium“ und „Gaudete et Exultate“ darlegt.

In welcher Weise können die Klöster unserer Kongregation am besten auf die jetzige Situation mit einem vertieften Verständnis ihrer Mission antworten? Mit einem Hunger nach Heiligkeit und dem Bedürfnis, die Frohe Botschaft weiterzugeben? Wie kann daraus ein echter Pool gemeinsamer Erfahrungen, von Weisheit und Hilfsmitteln erwachsen, indem man den genannten drei Aufforderungen der „Überquerungsregeln grünes Licht“ folgt? Dazu müssen wir zunächst einmal „Anhalten“ – und genau das ermöglicht uns der von außen aufgezwungene Lockdown. Zusätzlich könnte vielleicht jede Gemeinschaft zusätzliche Freiräume anbieten, die den einzelnen Mitgliedern und der Gemeinschaft als Ganzes einen moderierten Reflexionsprozess ermöglicht. Dies eröffnet einen Prozess des „Schauens“, bei dem weiterführende Fragen gestellt werden. Die vorgeschlagenen Fragestellungen könnten leicht von Kongregationsseite weiterentwickelt werden, und die darauf erfolgenden Antworten werden mit Sicherheit sehr unterschiedlich ausfallen. Um aber nicht in die Gefahr der Selbstbespiegelung zu verfallen, sollten wir „Hören“, was sich nicht nur auf unseren innergemeinschaftlichen Umgang bezieht, sondern auf die Ortskirche, in der wir tätig sind. Denn eine Frage ist die, was für ein Kloster wir sein wollen, aber wir sollten uns auch fragen, was die Orts- und Landeskirche von uns erwartet und vor allem, was sie von uns braucht.

Erlauben Sie mir, dass ich einige persönliche Erinnerungen hier einbringe. Als wir in Simbabwe ankamen, versuchten wir von Anfang an, gute Kontakte mit den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten des Landes aufzubauen. Wir haben inzwischen Einkehrtage für die Priester aller Diözesen des Landes und der Ordensleute aller hier vorhandenen Kongregationen abgehalten. Dabei ging es nicht nur um Dienstleistung für andere, sondern wir wollten von unseren Gästen lernen, wie wir spirituell aufbauend wirken können. Wir wollten begreifen, was sie von uns als Mönchen erwarten. Daraus entwickelte sich ein fruchtbarer Dialog, der Vertrauen schuf und uns bei unserem Einsatz bei den Gläubigen weiterhalf. Wenn unsere Gemeinschaft „Christus das Wort“ im Boden von Simbabwe verwurzelt sein soll, dann müssen wir respektvoll damit umgehen und die Bodenbeschaffenheit genauestens kennenlernen. Ein ähnliches Vorgehen würde ich allen Klöstern nach der Corona-Pandemie vorschlagen, damit echte Verwandlungsprozesse in Gang kommen.

Spezialisten im Bereich der Virenerkrankung haben uns schon darauf hingewiesen, dass der Virus nicht nur die nächsten Jahre, sondern wohl auch Jahrzehnte prägen wird. Man denke nur an den HIV-Virus, der jedes Jahr Tausende von Menschen befällt und gegen den man immer noch keinen Impfstoff entdeckt hat. Viktor Frankl sprach einmal von dem „Stacheldrahtsyndrom“, durch das KZ-Häftlingen zunächst innerlich und anschließend äußerlich sterben. Sie sahen nur noch den Stacheldraht und verloren jede Hoffnung. Andere sahen den gleichen Stacheldraht, hatten aber die Zuversicht, dass auf der anderen Seite noch Leben existiert. Was ich damit sagen will, ist, dass die letzten Monate uns auch viele positive Erfahrungen vermittelt haben, auf denen wir aufbauen sollten. Zwei Erfahrungen kommen mir in den Sinn. Zunächst ein gewachsenes Gespür für Gemeinschaftsleben aufgrund der erzwungenen Klausur. Nach meinem Eindruck hat diese Erfahrung mehr gebracht als alle Seminare und Workshops über Gemeinschaftsbildung. Ein anderer Zuwachs besteht in den kreativen Formen, mit denen Gemeinschaften über social media, online Gottesdiensten und Exerzitien, Blogs und vielem mehr experimentiert haben. Die Qualität mag nicht immer Hollywood-Niveau erreichen, aber diese freigesetzte Kreativität sollte gepflegt und weiterentwickelt werden. Dabei wäre es sinnvoll, wenn wir mit der jeweiligen Orts- und Landeskirche zusammenarbeiten und uns beraten lassen. Der Virus hat uns viele interessante pastorale Möglichkeiten aufgezeigt und wir könnten zusätzliche Synergien freisetzen, wenn wir uns mit der Ortskirche austauschen.

Der Virus hat auch viele spirituelle Leerräume offengelegt. Unsere Klöster sollten angemessen ausgestattet sein, um dank klar gefasster spiritueller Hilfsmittel als Feldlazarette tätig zu werden. In dieser Situation müssen wir in erster Linie auf Evangelium und Regel schauen und uns fragen, wie diese den Mitmenschen Hilfe bringen können, und uns nicht hinter Programmen, Strukturen und Strategien verkriechen, die nur auf dem Papier stehen und keine Relevanz für die Menschen besitzen. Mit solchen Maßnahmen kratzt man sich an Stellen, an denen es gar nicht juckt. Wir stehen vor einer gottgegebenen Chance, die uns zeigen kann, welche monastischen Traditionen unserer Kongregation tatsächlich spirituell authentisch und weiterführend sind.

Diese Gedanken sind entstanden aus der Hoffnung, dass wir uns so gemeinsam auf den Weg einer monastischen Erneuerung begeben. Es kann nur ein Anfang sein, aber in diesem Anfang liegt ein Zauber.

Berufungsklärung nach der Benediktusregel

5

Perspectiven

Bernardo Olivera OCSO

Generalabt em. der Trappisten

 

Berufungsklärung

nach der Benediktusregel

 

 

Überfluss und Mangel an Berufungen sind Erscheinungen, die gleichermaßen eine genaue Klärung erfordern. Ein Mangel an Berufungen verführt oft dazu, dass man sich ohne genauere Prüfung auf Kandidaten einlässt. Ein Überfluss an Nachwuchs kann mit sich bringen, dass man die Ernte nicht genügend aussiebt.[1]

 

Wir wollen im Folgenden genauer die Lehre Benedikts hinsichtlich der Berufungsklärung betrachten, welche die Zeit unmittelbar vor dem Eintritt bis zur Professablegung umfasst.

Benedikt besaß sicher das Charisma der Unterscheidung der Geister. Dennoch zeigt er sich bei der Berufungsklärung vor allem pragmatisch: Er hält sich an das Sichtbare und Messbare. Dazu führt er vier Kriterien an.


Beharrlichkeit

Das erste Kriterium findet sich zu Beginn von Kapitel 58. Dort heißt es:

„Kommt einer neu und will das klösterliche Leben beginnen, werde ihm der Eintritt nicht leicht gewährt, sondern man richte sich nach dem Wort des Apostels: ,Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind.‘ Wenn er also kommt und beharrlich klopft und es nach vier oder fünf Tagen klar ist, dass er die ihm zugefügte harte Behandlung sowie die Schwierigkeiten beim Eintritt geduldig erträgt, aber trotzdem auf seiner Bitte besteht, gestatte man ihm den Eintritt, und er halte sich einige Tage in der Unterkunft für die Gäste auf“ (RB 58, 1-4).

Es handelt sich also um eine erste Prüfung, ob der Kandidat tatsächlich vom Geist Gottes erfasst ist, was seinen Eintrittswunsch betrifft.

Benedikt weist damit auf zwei Eigenschaften hin, die sich leicht feststellen lassen: Beharrlichkeit und Geduld. Der Zeitfaktor hilft dabei, diese Haltungen nachzuprüfen. Wenn der Kandidat auch noch nach einigen Tagen zurückhaltender Behandlung auf seinem Wunsch beharrt, kann man wohl sagen, dass eine Eingebung von oben ihn ins Kloster geführt hat. Es heißt aber natürlich noch lange nicht, dass er deswegen Mönch werden müsse. Geduld ist die erste Tugend eines Kandidaten. Sie ist in ihrer Anwendung gegenüber mir selbst und anderen ein entscheidender Punkt, um im klösterlichen Leben zu beharren. Ohne Geduld ist die Gemeinschaft mit den Leiden Christi nicht möglich und ebensowenig eine tiefere und barmherzige Anteilnahme an den Schwächen der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft (vgl. RB Prol. 50; 72,5).

Praktischer Hinweis: Aufgrund von Nachwuchsmangel werden oft Kandidaten ohne Prüfung durchgelassen, ohne dass man die Vorsichtsmaßnahmen beachtet, welche die Regel und die gesamte monastische Tradition nahelegen. Aus diesem Grund wird dann gerne versäumt, dass man die Kandidaten vorab darüber informieren sollte, welche Härten sie auf ihrem klösterlichen Weg zu Gott erwarten (58,8).


Wahrhafte Gottessuche

Das zweite Kriterium Benedikts lautet folgendermaßen:

„Man achte genau darauf, ob der Novize wirklich Gott sucht, ob er Eifer hat für den Gottesdienst, ob er willig ist zu gehorchen und ob er bereit ist, niedrige Arbeiten zu verrichten“ (58, 7).

In diesem Zusammenhang ist mit Gottsuche nicht die Suche nach dem unfassbaren verborgenen Gott gemeint, sondern die Rückkehr zu einem Gott, von dem wir uns entfernt hatten und zu dem wir zurückkehren wollen, einem Gott, der unserer Suche zuvorkam, indem er uns zuerst erwählt hat (vgl. Prol. 2,14; 58,8). Man überlese in diesem Satz nicht die Aufforderung zu Achtsamkeit. Anders gesagt, verlangt die von Benedikt empfohlene Prüfung vor allem aufmerksame Beobachtung. Der Text legt nahe, dass diejenigen, welche beobachten, die gesamte Gemeinschaft der Brüder umfasst. Dabei legen die vorhergehenden Erläuterungen der Regel nahe, dass ein erfahrener Mönch (senior), der Seeen zu gewinnen versteht (Novizenmeister) in besonderer Weise für diese Beobachtung zuständig ist. 

Das Adjektiv, mit welcher Benedikt die Beobachtung charakterisiert, lautet „genau“. Diese Genauigkeit bezieht sich auf die Intensität, aber auch auf die Zeit. Denn was Klugheit und Menschenkenntnis nicht ergründen können, gelingt der Zeit ohne jede Mühe. Mit Verlauf der Zeit werden die Herzen offenbar. Der Gegenstand der genauen Beobachtung ist nicht die (unsichtbare) Einstellung des Kandidaten hinsichtlich des Klosterlebens, sondern sein (sichtbares) Verhalten und dies in dreifacher Hinsicht: die Hingabe an das Gebetsleben, die Annahme des Willens anderer Menschen und von allem, was den Stolz des Kandidaten mit Füßen tritt.

Wir müssen uns auch bewusst sein, dass es nicht nur um die Annahme von Gebet, Gehorsam und Demut geht, sondern um eine bedingungslose, leidenschaftliche Annahme, die von gutem Eifer erfüllt ist.

- Opus Dei

Was das Opus Dei betrifft, so nimmt das Gebet darin die erste Stelle ein. Benedikt sagt hierzu ganz klar und ausdrücklich:

„Vor allem: wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme ihn beharrlich im Gebet, er möge es vollenden“ (Prol. 4).

Und aus Sorge um die nötige Klarheit, damit auch ja kein Zweifel bleibe, heißt es: „Dem Gottesdienst (opus Dei) soll nichts vorgezogen werden“ (43, 3). Opus Dei bezieht sich dabei auf das Stundengebet, aber auch in allgemeiner Weise auf das Grundbemühen, seine Aufmerksamkeit ganz Gott zu schenken (vgl. 19,1-2 ; 7,10ff.).

Praktischer Hinweis: Es geht nicht nur darum, den Eifer des Kandidaten hinsichtlich einer aktiven und bewussten Teilnahme am Gebet zu beobachten, sondern auch um seine allgemeine Art, wie er die Ratschläge der Ausbilder in die Praxis umsetzt, beispielsweise wie die Chorbücher benutzt werden, wie der Gesang erfolgt, das Studium, wie er mit Geschichte, Theologie, der Struktur des Stundengebets, der Mystagogie, dem Psalmengebet umgeht und ob sich der Geist mit dem Herzen in Einklang befindet.

- Gehorsam

Der benediktinische Gehorsam ergibt sich aus dem Gebet (vgl. 6,2), wodurch auch diesem ein gewisser Vorrang zukommt. Die erste Stufe der Demut ist ja Gehorsam ohne Zögern (5,1).

Die Forderung nach Gehorsam (mit Leidenschaft und gutem Eifer) betrifft nicht nur das Verhältnis zu den Oberen, sondern zu allen Mitbrüdern der Gemeinschaft (72,6). Dieser Gehorsam bringt uns Jesus Christus nahe, der gesagt hat: „Ich bin nicht gekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (7,32, womit Joh 6,38 zitiert wird).

Praktischer Hinweis: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es zwei Arten von Gehorsam bzw. Freiwilligkeit gibt:

– Gehorsam aufgrund von Zwang: man handelt aus Furcht,

– Gehorsam aufgrund von Überzeugung: man entscheidet sich aus freiem Willen für ein bestimmtes Tun.

Bei der ersten Form von Gehorsam wird die Freiheit durch Furcht vor Strafe bestimmt, bei der zweiten Form liegt tatsächlich freier Wille vor, der von der Vernunft bestimmt wird: Der Wille identifiziert sich mit dem frei geleisteten Gehorsam, wovon auch das päpstliche Schreiben Perfectae caritatis spricht.

- Opprobia

Benedikt hat bei dieser Weisung das gesamte Leben des Kandidaten im Blick, um ihm durch unvermeidbare Demütigungen dabei zu helfen, in der Demut zu wachsen (vgl. 7,44-54). Auf diese Weise gewöhnt sich der Kandidat daran, dem Christus ähnlich zu werden, der von sich sagt: „Ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“ und „Ich bin gekommen um zu dienen, nicht um bedient zu werden“ (Mt 11, 29 bzw. Mk 10,45).

Praktischer Hinweis: Natürlich geht es nicht absichtliche und gesuchte Demütigungen, sondern um die Annahme einer Lebensform, die von Dienstbereitschaft und Schlichtheit geprägt ist.

- Schlussfolgerung

Benedikt ist in seinen Anweisungen sehr konkret: Die Gottsuche äußert sich in der Absage des Egoismus und des Stolzes, da solche Haltungen einer Gemeinschaft mit Jesus Christus und dem Nächsten im Weg stehen. Zu beachten ist auch, dass die von ihm genannten drei Kriterien auch in den Stufen der Demut wiedergefunden werden können. So bezieht sich die erste Stufe der Demut auf das Verhältnis des Mönches zu Gott, die zweite bis vierte Stufe befassen sich mit dem Gehorsam und die fünfte bis achte Stufe beschreiben Formen der Selbsterniedrigung, also der freiwilligen Annahme von opprobria.

Aus uns unbekannten Gründen, vielleicht einfach aufgrund von literarischen Traditionen oder einer eigenen Pädagogik, nennt Benedikt nicht die Fähigkeit zu schweigen als Kriterium einer Berufungsfindung. Doch legen auf jeden Fall die Stufen 9 bis 12 der Demutsleiter dieses Erfordernis nahe.

Wenn man alles zusammenfasst, könnte man Benedikts Anforderungen an Klosterkandidaten in zwei Fragen verdichten: Will der Kandidat Christus folgen und ähnlich werden durch sein Gebet, seinen Gehorsam und seine Selbstverleugnung? Und sind sein Gebet, sein Gehorsam und seine Demut im Dienst einer echten Gottsuche?


Der junge Benedikt erhält den Mönchshabit eines Eremiten vom Priester Romanus. Fresko in Kloster Subiaco (Italien).
Der junge Benedikt erhält den Mönchshabit eines Eremiten vom Priester Romanus. Fresko in Kloster Subiaco (Italien).

Einhaltung der Regel

Das dritte herausgehobene Kriterium besteht in der Konfrontation mit der Regel, also den Lebensgewohnheiten der Gemeinschaft.

Benedikt sagt, dass sie dem Kandidaten drei Mal vollständig vorzulesen ist, bevor er seine Gelübde ablegt. Die Fähigkeit des Kandidaten, den Anweisungen der Regel geduldig zu folgen, ist ein weiteres Eignungskriterium (58, 9-16).

Praktischer Hinweis: Eine gehorsame und demütige Grundhaltung gilt für die gesamte Einhaltung der Regel. Es ist ein zusätzliches Kriterium, ob die Gottsuche echt ist. Neben der Benediktusregel sollte der Gehorsam auch die Lebensgewohnheiten seines Ordens umfassen, die in den Konstitutionen und Gebräuchen seiner eigenen Gemeinschaft konkretisiert werden.


Der gute Eifer

Der Aufnahmewunsch des Kandidaten ist untrennbar mit dem guten Eifer verbunden, der jeden auszeichnet, welcher sich von einem gottfernen Leben verabschieden und seinen Weg zu Gott hin ausrichten will. Daher finden wir im 72. Kapitel der Regel, das sich mit dem guten Eifer oder der brennenden Liebe befasst, weitere Kriterien, um seine Grundhaltung und sein Wachsen im übernatürlichen Leben besser einschätzen zu können.

Die dort genannten Kriterien für den guten Eifer können wie folgt zusammengefasst werden:– sich gegenseitig respektieren (Ehre);

– sich gegenseitig unterstützen (Geduld);

– sich gegenseitig gehorchen (Gehorsam);

– sich selbst verleugnen, aber dem Nächsten treu bleiben (Selbstverneinung – Hingabe);

– sich gegenseitig lieben (in brüderlicher oder schwesterlicher Weise);

– Gott in Liebe fürchten (Anfang der Weisheit);

– den Abt aufrichtig lieben (Sohnschaft);

– dem eingeborenen Sohn nichts vorziehen (Christozentrismus).

Praktischer Hinweis: Ein Novize, der nicht gelegentlich ein wenig von Leidenschaft gepackt wird, selbst wenn diese übertrieben scheint, schwebt in der Gefahr, nur ein mittelmäßiger Mönch zu werden. Die Volksweisheit drückt es so aus: Neue Besen kehren gut und einen alten Esel bringt man nicht zum Galoppieren.


Abschluss

Es ist offensichtlich, dass die genannten Kriterien, vor allem der gute Eifer, nicht nur für den Kandidaten als Beurteilungsmaßstab seines Durchhaltevermögens gelten, sondern überhaupt den Weg der Benediktiner von der Zeit in die Ewigkeit.

La doctrine du Patriarche, en raison de sa base évangélique, conserve toute sa valeur. L’enseignement de saint Benoît exposé ci-dessus doit être pris en compte et retraduit pour les circonstances du monde d’aujourd’hui.

Auch heute besitzt die Lehre unseres Ordensvaters bleibende Gültigkeit dank seiner engen Anlehnung an das Evangelium. Diese Lehre muss nicht nur berücksichtigt, sondern auch für die heutige Welt jeweils neu ausgelegt werden. Dabei kann die Fleischwerdung dieser Richtlinien sich auch ändern und einen bisher unbekannten neuen Sinn eröffnen.

 

[1] Vortrag beim Magistertreffen von ABECCA im Jahr 2019.

Benediktinische Ausbildung in Südkorea

6

Perspektiven

Maria Enosh Cho OSB

Priorin in Busan (Südkorea)

 

Benediktinische Ausbildung

in Südkorea

 

 

Ein Fragebogen der AIM befasste sich mit der monastischen Ausbildung in verschiedenen Regionen der Welt. Eine Rückmeldung aus Südkorea war derart interessant, dass sie im Folgenden wiedergegeben werden soll. Sie beschreibt Kurs- und Ausbildungsmöglichkeiten, die auch für viele andere Länder typisch oder wünschenswert sind.

 

I. Noviziatsausbildung

Für die Anfangsphase hat jede Kongregation ein eigenes Ausbildungsprogramm entwickelt. Diese Ausbildung betrifft Gebet, Studium, Arbeit und Gemeinschaftsleben. Im Unterricht oder in Workshops wird dabei auf ein besseres Verständnis der menschlichen Natur großer Wert gelegt.

Zwischen dem Klostereintritt und den Zeitlichen Gelübden vergehen bei den Frauen üblicherweise vier Jahre (ein Jahr Kandidatenzeit, ein Jahr Postulat, zwei Jahre Noviziat) und bei den Männern zwischen zwei bis 3 ½ Jahren.

Einige Kongregationen verfügen über eigene Kurse in Spiritualität, Katechese und Theologie während der anfänglichen Ausbildung. Andere schicken ihre Kandidaten an das Theologische Institut einer anderen Kongregation oder der Diözese. Während dieser Ausbildungszeit liegt der Schwerpunkt auf dem Gebetsleben, der Weiterbildung und der Einführung in das Ordensleben. Folgende Angebote sind vorhanden:

– Kurse: Bibel, Dogmatik, Liturgie, Spiritualität, Psychologie, kirchliche Soziallehre, Regel des hl. Benedikt, Konstitutionen, Statuten und Gebräuche der Kongregation, ökologische Spiritualität, Englisch, Latein, Choralgesang, Orgel;

– Seminare zum Thema Selbst- und Fremdwahrnehmung, Kommunikation;

– Regelmäßige geistliche Begleitung und im Bedarfsfall psychologische Beratung;

– Pastorale Erfahrungen.

 

II.  Juniorat

1.  Dauer

Frauen: 5-6 Jahre;

Männer: 3-7 Jahre.

Benediktinische Novizinnen in Südkorea.
Benediktinische Novizinnen in Südkorea.

2.  Inhalt

Frauen:

– Spirituelle Orientierung in Zusammenarbeit mit der Novizenmeisterin, regelmäßige Treffen und Einkehrtage;

– „Zweites Noviziat“ über ein Jahr hinweg vor den Feierlichen Gelübden mit Arbeit und Studium, 30tägige Ignatianische Exerzitien;

– Regelmäßige Treffen der Jungen Professen innerhalb jeder Kongregation;

– Unterschiedliche Ausbildungen je nach Kongregationscharisma;

– Übernahme konkreter Aufgaben innerhalb der jeweiligen Kongregation und/oder der Ortskirche;

– Missionarische Erfahrungen und Englischstudium für zukünftige Missionare;

– Monatliche Treffen auf regionaler Ebene für die jungen zeitlichen Professen.

Männer:

– Philosophie- und Theologiestudium im Seminar für das Priestertum. Auch Mönche, die nicht das Priestertum anstreben, studieren Theologie oder betreiben andere Spezialstudien;

– Teilnahme an psychologischen Selbstfindungsseminaren;

– Geistliche Begleitung in Einzelform oder als Gruppe;

– Praktische Erfahrungen durch Missionseinsätze oder apostolische Aufgaben.

 

3.  Gemeinsame Ausbildungsprogramme der Kongregationen

– Jährliche Treffen der Jungen Professen der verschiedenen benediktinischen Orden und Kongregationen in Korea.

– Internationale jährliche Treffen der Jungen Professen jeder Kongregation.

Ausbildungskurs für Zeitliche Professen.
Ausbildungskurs für Zeitliche Professen.

III. Weiterbildung von Professen mit Feierlichen Gelübden

1. Weiterbildungsprogramme der einzelnen Kongregationen

Frauen:

– Jährliche Angebote allgemeiner Weiterbildungsprogramme mit Themen wie kirchliche Lehre(n), Erneuerung des Ordenslebens, Menschenkenntnis;

– Teilnahme an Erneuerungskursen der jeweiligen Kongregation;

– 30tägige Exerzitien für Professen mit 10, 25 oder 40 Ordens-

jahren;

– Teilnahme an Erneuerungskursen vor oder nach dem Silberjubiläum (25 Jahre);

– Weiterbildungsseminare für ältere Mitschwestern;

– Wallfahrten ins Ausland.

Männer:

– Teilnahme an Kursen und Workshops der jeweiligen Kongregation;

– Wallfahrten ins Ausland.


2. Teilnahme an Kursen

Das Institut für Theologie und das Institut für Formation bieten jeweils Kurse in Zusammenarbeit mit der Oberenkonferenz an. Zu den behandelten Themen zählen geistliches Wachstum, Midlife-Crise oder Eigenverantwortung.

 

IV.  Seminare und Begegnungen der Ausbilder

1. Ausbildungsangebote für zukünftige Ausbilder

– Kurse für ewige Professen mit Themen wie Theologie, Heilige Schrift, Mönchtum, Benediktusregel, spirituelle Psychologie usw.;

– Ausbildungskurse für Ausbilder im Ausland oder in Korea;

– Einjährige Ausbildung in geistlicher Begleitung, die von der Ordensoberenkonferenz organisiert wird.

 

2. Weiterbildungsangebote für Ausbilder

– Jährliches Treffen der Ausbilder. Dafür wird jeweils ein Vortragsprogramm und Workshops zu bestimmten Themen vorbereitet;

– Im Rahmen und ausgehend von diesen Jahrestreffen weitere Angebote im Bereich einer Ersteinführung für Ausbilder oder von Weiterbildungskursen, Angebote für ältere Ordensmitglieder;

– Teilnahme an internationalen Ausbilderkursen, die von der Benediktinischen Konföderation organisiert werden:

 

V. Ausbildung von Oberen

Die Oberenkonferenz organisiert zwei Mal jährlich Treffen für die Oberen von Frauen- und Männerklöstern. Es werden auch verschiedene Ausbildungskurse für Obere angeboten. Die Oberinnen der kleinen benediktinischen Frauengemeinschaften treffen sich einmal im Jahr zum Austausch. Zusätzlich gibt es regelmäßige Treffen der Cellerare.

 

Sonstige Hinweise zur benediktinischen Ausbildung in Südkorea

In Südkorea sind folgende benediktinische Kongregationen vertreten: Missionsbenediktiner von St. Ottilien und Tutzing (deutsche Gründung), Olivetanerinnen (Schweizer Gründung) und Olivetaner (italienische Gründung). Die genannten Kongregationen haben mit Ausnahme der männlichen Olivetaner, die in den 1980er Jahren nach Korea kamen, in China oder Nordkorea begonnen, wo heute kommunistische Regime an der Macht sind. Die dort entstandenen Gemeinschaften haben daher alle Zeiten der Vertreibung, des Exils oder der Inhaftierung erlebt, bis dann die Flucht nach Südkorea gelang.

Über viele Jahrzehnte konnten sich die koreanischen Benediktiner entwickeln und verwurzeln. Sie sehen ihre Aufgabe darin, innerhalb der koreanischen Kirche das benediktinische Leben und die damit verbundene Spiritualität zu bezeugen und setzen sich in der Ortskirchen in verschiedenen Apostolaten ein.

Die Benediktinerinnen von Tutzing und die Olivetanerinnen kennen keine strenge Klausur und nehmen verschiedene apostolische Aufgaben wahr. Es handelt sich um große Gemeinschaften mit mehreren hundert Mitgliedern. Eine Eigentümlichkeit ihrer Lebensform besteht darin, dass sie in viele kleine Gemeinschaften unterteilt sind, von wo aus sie ihre jeweiligen Dienste wahrnehmen.

Auch wenn in den letzten zwanzig Jahren der kirchliche Nachwuchs in Korea stark zurückgegangen ist, übersteigt er zahlenmäßig noch weit den anderer Länder. Ein Grund dafür ist möglicherweise die große Anstrengung, die in der koreanischen Kirche auf eine qualifizierte Ausbildung und ein anspruchsvolles Studium verwandt wird. Da Korea von seiner Tradition her ein ein Missionsland ist, wird großer Wert auf eine sorgfältige Einführung in Katechese, Theologie, Heilige Schrift, Spiritualität und eine Vertiefung christlicher Haltungen in den Ausbildungsphasen gelegt. Dieser Hintergrund hat sich ausgesprochen positiv auf eine bessere Hinführung und ein vertieftes Verständnis des Ordenslebens ausgewirkt.


Junge Mönche der Abtei Waegwan (Kongregation von St. Ottilien).
Junge Mönche der Abtei Waegwan (Kongregation von St. Ottilien).

Das "Monastic Formators’ Programme"

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Perspectiven

Brendan Thomas OSB

Abtei Belmont (England)

 

Das "Monastic Formators’ Programme"

 

 

Schon lange fragten Klostergemeinschaften aus der ganzen Welt beim Monastischen Institut in Sant’Anselmo/Rom an, ob dieses nicht die dort angesammelte Sachkompetenz in Form eines Ausbildungsprogramms für NovizenmeisterInnen weitergeben könne. Im Jahr 2002 wurde dieser Kurs dann erstmals angeboten und findet seitdem alle zwei Jahre statt. Der nächste Kurs ist für 2022 geplant. Auch wenn das „Monastic Formators’ Programme“ (MFP) organisatorisch selbstständig ist und einen eigenen Leiter und ein eigenes Team besitzt, findet es in enger Abstimmung mit dem Monastischen Institut statt und profitiert von Vorträgen und Workshops seitens des Lehrkörpers des Instituts.

Üblicherweise nehmen bis 30 Ordensleute von benediktinischen, zisterzienischen und trappistischen Gemeinschaften aus der ganzen Welt an dem Kurs teil, der in englischer Sprache abgehalten wird. Daher sollten die Teilnehmer, insbesondere wenn sie aus Asien, Lateinamerika oder Westafrika kommen, über ausreichende englische Sprachkenntnisse verfügen. Die Kursdauer beträgt drei Monate und steht allen Angehörigen der benediktinischen Familie offen, die im Bereich der Ausbildung tätig sind oder sich darauf vorbereiten.

Die Kursgebühr beträgt ungefähr 7000 Euro. Gemeinschaften, die einer finanziellen Unterstützung bedürfen, können ein Stipendium beantragen, was dank großzügiger Zuschüsse möglich ist.

Neben dem eigentlichen Unterricht bietet der Kurs auch Exkursionen zu Sehenswürdigkeiten in Rom an und zu den Orten, die mit dem Leben Benedikts verbunden sind, nämlich Norcia, Subiaco und Montecassino. Der Kurs findet zur Hälfte in Sant’Anselmo/Rom und zur anderen Hälfte in Assisi statt.


Schwerpunkte des Programms

Das Monastic Formators’ Programme ist ein anspruchsvoller Intensivkurs, der von allen Teilnehmern ein hohes Engagement über drei Monate hinweg verlangt. Es umfasst drei Schwerpunkte:

– Akademisch: ein weiter und vertiefter Überblick über die monastische Tradition und die monastischen Werte;

– Pädagogisch: Anleitung, wie man mit Begeisterung und überzeugend die monastische Tradition vermittelt;

– Pastoral: Auseinandersetzung mit Fragen der menschlichen Entwicklung und der menschlichen und spirituellen discretio.

 

Organisation

Exkursion du groupedes MFPs.
Exkursion du groupedes MFPs.

Das Programm will die monastische Tradition vermitteln, insbesondere in Zusammenhang mit der benediktinischen Spiritualität. Dies geschieht in folgender Form:

– Kurse zur monastischen Tradition und zu heutigen Vermittlungsformen;

– Workshops mit kleineren Gruppen, die ihre jeweiligen kulturellen Erfahrungen untereinander und mit Fachleuten austauschen;

– Exkursionen zu historischen Stätten der Christenheit und Besuche von Klöstern;

– Während des Kursprogramms Gemeinschaftsleben mit Opus Dei und persönlichen Gebetszeiten für die Teilnehmer aus verschiedenen Kulturen.

Inhalt des Programms

Auch wenn bei jedem Kurs neue Elemente hinzukommen, bleiben folgende inhaltliche Schwerpunkte ungefähr gleich: der klösterliche Rahmen als Weg inneren christlichen Wachstums; benediktinische Ökologie; Lektüre der Benediktusregel an den Entstehungsorten (Subiaco und Montecassino); die Kunst, Seelen zu gewinnen; pastoraler Umgang mit Novizen; die österliche Dimension des monastischen Lebens (während der Heiligen Woche); menschliche Reifung; Berufungsklärung bei klösterlichem Nachwuchs; Freundschaft, Zölibat und Gemeinschaftsleben; Quellen der monastischen Tradition: Basilius von Caesarea, Johannes Cassian, Magisterregel, Wüstenväter; Augustinus von Hippo; Geschichte des Mönchtums von Benedikt bis heute; lectio divina; Psalmen; Gebetslehre; das Zeugnis des Gemeinschaftslebens; Umkehr (conversio morum); Gelübde und Einsatz in der Gemeinschaft; geistliche Begleitung innerhalb eines klösterlichen Rahmens.

Leitungsteam

Kursleiter ist seit 2002 Pater Brendon Thomas OSB von der englischen Abtei Belmont, wo er als Prior und Novizenmeister wirkt. Er wird unterstützt von Pater Javier Aparicio OSB von den Missionsbenediktinern von St. Ottilien, der als Prior das nordspanische Kloster Rabanal leitet. Er war zuvor im Ausbildungsbereich tätig und ist in seiner Kongregation Mitglied des Kongregationsrats. Nachdem er selbst an einem Kurs des MFP teilgenommen hat, ist er im Jahr 2019 zum Leitungsteam dazugestoßen. Zum Team gehört als stellvertretender Direktor Pater Mark Butlin OSB von der englischen Abtei Ampleforth. Er besitzt eine hohe internationale Kompetenz dank zahlreicher Kurse, die er für AIM in Asien und Afrika organisiert hat. Früher war er auch für das Erneuerungsprogramm in Sant’Anselmo zuständig. Er war einer der Initiatoren des MFP.

Eingeladene Professoren

Zu den Kursen wurden über die Jahre hinweg eine Reihe der wohl besten Fachleute der monastischen Tradition eingeladen. Auch wenn die Schwerpunkte des Programms je nach Jahr sich etwas ändern können, zählen zu den regelmäßig erscheinenden Dozenten: Sr. Aquinata Böckmann OSB (Rom), Abt Bernardo Bonowitz OCSO (Brasilien), S. Michael Casey OCSO (Australien), Fr. Colmán Ö Clabaigh OSB (Irland), S. Columba Stewart OSB (USA), Abt Jeremy Driscoll OSB (USA), Abtprimas Gregory Polan OSB (Rom), Sr. Josephine Mary Miller (England).


 Programm 2022

Im Jahr 2021 wird das Programm aufgrund der Pandemie ausfallen bzw. wird auf März-Juni 2022 verschoben.

Die Anmeldeformulare können von der unten angegebenen Website heruntergeladen werden und als Emailanhang an Pater Brendan geschickt werden (brendan@belmontabbey.org.uk). Anmeldungen können bis zum 30. September 2021 vorgenommen werden. Spätere Anmeldungen werden je nach freien Plätzen berücksichtigt. Die Kursgebühr beträgt 6900,00 Euro. Es handelt sich um eine bloße Weitergabe der tatsächlich anfallenden Kosten. Es gibt auch noch einige Stipendien bzw. Zuschüsse, die finanziell schlecht gestellten Gemeinschaften auf Anfrage gewährt werden können.


Programm 2019

Der Programmverlauf im Jahr 2019 war ausgesprochen harmonisch. Ingesamt nahmen 23 Teilnehmer aus 20 Ländern teil. Darunter befanden sich 10 Frauen und 13 Männer aus den verschiedenen benediktinischen Orden und Kongregationen. Wir hoffen sehr, dass die drei Monate intensiven Studiums und Austauschs dazu beitragen, dass diese Ausbilder in ihren Gemeinschaften qualifizierte Arbeit leisten können.

Zu den neuen Dozenten des Jahres zählten: S. Mauritius Wilde OSB, der Prior von Sant’Anselmo ist, und Fr. John Mark Falkenhain, Psychologieprofessor von der amerikanischen Abtei St. Meinrad. Den Teilnehmern gefiel sehr gut, dass der erste Studienteil in Sant’Anselmo stattfand, da dort ein zusätzliches benediktinisches Familiengefühl entsteht, auch wenn MFP seine eigene Liturgie und seinen eigenen Tagesablauf behält. Auf jeden Fall erwies sich Sant’Anselmo wieder als angenehmer zentraler und friedlicher Tagungsort.

 

Falls Sie Fragen zum Programm haben, wenden Sie sich bitte an:

P. Brendan Thomas, Kursleiter

Monastic Formators’ Programme

Belmont Abbey,

Hereford HR2 9RZ

Great Britain

brendan@belmontabbey.org.uk

Tél. : (+44) 1432 37 47 34

Fax : (+44) 1432 37 47 11

Website: www.monasticformators.org

Ausbildung von AusbilderInnen in den Klöstern von Madagaskar
und Indischem Ozean

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Perspektiven

Agnès Bruyère OCSO

Priorin von Masina Maria, Ampibanjinana (Madagaskar)

 

Ausbildung von AusbilderInnen

in den Klöstern von Madagaskar

und Indischem Ozean

 

 

Im AIM-Bulletin 116 (2019) hat Pater Christophe Vuillaume als Benediktinermönch von Mahitsy einen ausgezeichneten Überblick über das Klosterleben in Madagaskar gegeben. Dabei hat er erwähnt, dass zur Zeit die einheimischen Schwestern und Brüder die Leitungspositionen der von ausländischen Kongregationen gegründeten Klöster übernehmen. Dies fasst er folgendermaßen zusammen: „In Madagaskar erleben wir gerade eine wichtige Zeit des Übergangs: Unsere Grundberufung ,Gott zu suchen‘ in der Schule des Klosters muss sich noch umfassender und reicher im Kontext der örtlichen Kultur ausdrücken. Den Mönchen und Nonnen ist dabei aufgetragen, entsprechend ihren jeweiligen Charismen Formen der Übersetzung zu finden. Diese Aufgabe, die in positiver und negativer Weise herausfordernd ist, kann ihnen niemand abnehmen.“

Vor diesem Hintergrund müssen wir den AusbilderInnen eine angemessene Ausbildung bieten, die einerseits inkulturiert ausgerichtet ist und die Ortsverhältnisse berücksichtigt und auf der anderen Seite wesentliche Elemente weitergibt. Die meisten Häuser haben eine Vielzahl von Berufungen, vor allem wenn sie in Regionen liegen, wo die Missionierung der Insel ihren Anfang nahm, also im Hochland von Madagaskar. Das Durchschnittsalter der Gemeinschaften ist nicht hoch und mehrere Neugründungen in den letzten Jahren haben dazu beigetragen, dass das Ordensleben nun im ganzen Inselraum und sogar auf den Seychellen vertreten ist. Die 19 monastischen Gemeinschaften der Region wurden zwischen 1920 bis 2014 gegründet. Acht von ihnen sind jünger als 30 Jahre und fünf davon wurden von einheimischen Ordensleuten gegründet.

Die Ordensoberenkonferenz von Madagaskar organisiert Weiterbildungskurse und Workshops für die NovizenmeisterInnen aller Kongregationen. Einige monastische Gemeinschaften nehmen regelmäßig daran teil. So wird eine Schulung in Haus Lovasoa in Antananarivo angeboten, die ein Jahr dauert. Daneben gibt es jedes Jahr einwöchige Schulungen, die sich mit unterschiedlichen Themen befassen wie kirchenrechtliche Regelungen für das Ordensleben, geistliche Begleitung, Psychologie von Jugendlichen, Affekte und Emotionen im Ordensleben, benediktinische Spiritualität usw. Die dabei erfolgenden Treffen mit Vertretern apostolischer Gemeinschaften sind für uns sehr hilfreich, weil sie unseren AusbilderInnen helfen, die Anliegen und Erwartungen heutiger Jugendlicher, soziale Veränderungen und Schwierigkeiten bei der Berufungsklärung besser zu verstehen. Wir brauchen allerdings zusätzlich noch eigene interne Treffen, zu denen wir Dozenten oder Moderatoren einladen, welche unsere besondere Lebensform gut kennen. Mehrere AusbilderInnen haben auch in Frankreich Kurse belegt, worunter besonders das multikulturell ausgerichtete Programm Ananie sehr geschätzt ist.

Darüberhinaus haben die monastischen Gemeinschaften von Madagaskar und Indischem Ozean eigene Ausbildungskurse zu organisieren versucht, die alle zwei Jahre stattfinden sollten. Von 2012 bis 2019 konnten wir drei solcher Kurse anbieten.

Der erste AusbilderInnenkurs fand im April 2012 in Ampibanjinana (Fianarantsoa) statt, geleitet von der Psychologin Theresa zum Thema: „Kompetenz stärken bei der Rolle der Novizenmeisterin – das Charisma weitergeben“. Es nahm eine kleine Gruppe von neun Schwestern teil, darunter neun Karmelitinnen, zwei Benediktinerinnen und eine Zisterzienserin.

Der nächste Kurs fand im Jahr 2016 statt und wurde von den Schwestern Marie-Florence und Clarisse-Odette von der Kongregation der Töchtern Mariens geleitet. Thema war: „Gut ausgebildet sein, um sich und anderen besser helfen zu können“. Dieses Mal kamen 21 Teilnehmer, davon sechs Karmeliten, vier Klarissinnen, fünf Benediktiner, eine Zisterzienserin, zwei Zisterzienser und zwei Trinitariernonnen.

Der letzte Kurs im Jahr 2019 fand an zwei Terminen mit je vier Tagen statt. Die Schwestern Marie-Florence und Clarisse-Odette bestritten den ersten Teil, der sich erneut mit geistlicher Begleitung befasste, und im zweiten Teil unterrichtete uns Pater Georges SJ zu Fragen der Berufungsklärung bei Klosterkandidaten. Der letzte Tag führte uns in einer Exkursion zu den zwei Klöstern, die in Fianarantsoa gelegen sind. Es gab mehr als vierzig Teilnehmer, mit denen beinahe alle Klostergemeinschaften mit zwei oder mehr Personen vertreten waren. Darunter befanden sich die Verantwortlichen für Postulanten, Novizen, Junioren und Obere. Ziemlich alle waren zugegen, die mit Ausbildung zu tun haben.

Wenn man AusbilderInnen hinsichtlich ihrer Vorstellungen zu monastischer Ausbildung befragt, geht es meist um geistliche Begleitung und Berufungsklärung. Monastische Ausbildung betrifft die gesamte Persönlichkeit und nicht nur die intellektuellen Zugänge. Oft gibt es enorme Spannungen für junge Leute zwischen dem Leben, das sie bei sich zu Hause, meist im ländlichen Raum gelegen, und im Kloster erleben. Die NovizenmeisterInnen müssen daher in vieler Hinsicht äußerst wachsam sein und die menschliche, emotionale, kulturelle, intellektuelle und spirituelle Reifung fördern. Sie müssen auch darauf achten, dass die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der Kandidaten nicht im Noviziat zu Konflikten führen, sondern vielmehr in einer echten Gemeinschaft aufgehoben werden. Eine solche Aufgabe verlangt große Offenheit und viele menschliche Qualitäten, vor allem die Fähigkeit zuzuhören, was man eher durch den Austausch mit älteren Mönchen oder Nonnen lernt als aus Büchern.

Bei den genannten drei Kursangeboten wurde ein dichter Strauß an hilfreichen Hinweisen weitergegeben und dies in einer lebendigen pädagogischen Form dank einem ständigen Wechsel von Vorträgen, Kleingruppenaustausch, Rollenspielen und Entspannungsübungen. Außerdem hatte jeder Teilnehmer die Gelegenheit von Einzelgesprächen mit den Dozenten, was sehr geschätzt wurde. Allen war am Ende der Einheiten bewusst geworden, dass „unsere Ausbildung der Novizen bei uns selbst beginnt.“

Themen, welche die Schwestern Marie-Florence und Clarisse behandelten, waren: psychische Entwicklungsstufen, Umgang mit Gefühlen und Konflikten und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um AusbilderIn zu werden. Pater Georges behandelte biblische Grundlagen der Berufungsklärung, Reifungsprozesse junger Menschen hinsichtlich ihrer Gottesbeziehung und Verantwortungsbereiche und wie man diese unterstützen kann. Er ging auch darauf ein, dass unsere Einschätzungen nie vollkommen sind und immer Korrektur brauchen. Dabei unterstrich er, wie bedeutsam hierfür eine lebendige Christusbeziehung ist, die die einzige Grundlage und das Ziel der Ausbildung ist.

 Für die beschriebenen Kurse gibt es große Herausforderungen, vor allem die Suche nach Referenten, welche Einblicke in das Klosterleben haben und unsere monastisch bedingten Reisebeschränkungen verstehen. Dank AIM war es 2019 einer Vielzahl von Ordensleuten möglich, nach Maromby zu reisen, wofür wir sehr dankbar sind. Wir hoffen, dass auch in Zukunft monastische Experten den Weg hierher finden, um unsere Ausbilder und Oberen weiter zu schulen.


Das Programm Sainte Anne

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Perspektiven

Olivier-Marie Sarr OSB

Abt von Keur Moussa (Senegal),

Leiter des Programms Sainte Anne

 

Das Programm Sainte Anne

Schulung von AusbilderInnen

für westafrikanische Klöster

 

 

Aufgrund eines echten Bedürfnisses der Mönche und Nonnen im innerklösterlichen Ausbildungsbereich haben die Oberen der französischsprachigen westafrikanischen Klöster vor einigen Jahren das Programm Sainte Anne ins Leben gerufen. Im Folgenden soll dieses Programm mit seinen Zielen und Zukunftsperspektiven kurz vorgestellt werden.


Das Ziel: Initiation

„So wie die hl. Anna ihre Tochter Maria in die Wege der Weisheit eingeführt hat, so dass diese der Welt die ewige Weisheit des Vaters schenken konnte, so will das Programm Sainte Anne Schwestern und Brüder aus westafrikanischen Klöstern zur Gottsuche hinführen, indem ihnen die monastische Theologie vermittelt wird.“ (Aus den Statuten des Programms Sainte Anne)

Mit diesen programmatischen Worten wollten die Oberen der französischsprachigen westafrikanischen Klöstern das Anliegen dieses Ausbildungsforums vermitteln und zugleich erklären, warum diese Gründung unter den Schutz und Namen der hl. Anna gestellt wurde. Der Verweis auf die erzieherische Rolle der Mutter Marias, der hl. Anna, entspricht einer Form der Wissensvermittlung, welche den Afrikanern sehr vertraut ist: der Initiation. Damit wird ein wesentliches Element traditioneller afrikanischer Erziehung beschworen. Die Initiation ist ein Vermittlungsprozess, der bestimmten Riten folgt und zwei Dimensionen umfasst: den Übergang vom Zustand der „Minderjährigkeit“ zum „Erwachsensein“ und damit verbunden die Weitergabe einer Tradition und eines Wissens, das Erwachsenen vorbehalten ist.

Angewandt auf den afrikanischen Kontext möchte das Programm den französischsprachigen Ordensleuten der westafrikanischen Benediktinerfamilie Weiterbildung für ihre innerklösterlichen Erziehungsaufgaben ermöglichen. Angesprochen sind in erster Linie Mitbrüder und -schwestern, die einen philosophisch-theologischen Bildungshintergrund haben aufgrund einer innerklösterlichen Ausbildung oder einem Studium an Priesterseminaren oder katholischen Hochschulen.

 

Vier Ziele

Üblicherweise wird erwartet, dass nach einem mehrjährigen Theologiestudium die Absolventen selbst unterrichten können. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass selbst bei guten Abschlussnoten nicht alle in der Lage sind, ihre Kenntnisse in nachvollziehbarer Weise zu vermitteln, selbst wenn sie diese vollkommen begriffen haben. Hier möchte das Programm Sainte Anne helfen, das in dieser Hinsicht sich vier Punkte zum Ziel gesetzt hat:

1. Die Kursteilnehmer befähigen, jeweils Kurse in Bibelstudien, monastischer Theologie und Liturgie anzubieten, wozu die Inhalte, pädagogische Hinweise für die Präsentation und Anhaltspunkte für ein vertieftes Eigenstudium vermittelt werden;

2. Aufbau eines Personalpools für das französischsprachige Westafrika mit qualifizierten monastischen Ausbildern;

3. Intellektuelles Leben in den Klöstern anregen;

4. Aufbau einer eigenständigen monastischen Reflexion in Afrika.

Um dieses Ziele nach und nach zu erreichen, muss man darauf achten, dass die Ausbilder methodisch geschult sind, damit sie eigenständig Kurse erarbeiten können, die klar strukturiert und übersichtlich sind und auf einer aktuellen Bibliographie aufbauen. Da die Methodologie zusammen mit der Pädagogik die Achsen sind, über welche die Wissensvermittlung verläuft, wollten wir ursprünglich ein eigenes einmonatiges Modul ausschließlich der Methodenlehre widmen. Wegen der Einschränkungen aufgrund des Corona-Virus haben wir den Kurs aber auf das kommende Jahr verschieben müssen.  Insgesamt scheint es unabdingbar, dass den jungen Ausbildern zunächst einmal das didaktische, pädagogische und methodologisches Handwerkszeug vermittelt wird, damit sie auf ihre Aufgaben gut vorbereitet sind. Doch dürfen wir uns dabei nicht aufhalten. Es gibt noch weitere Baustellen.

 

Zukunftsperspektiven

Auch wenn die Kurse aufgrund der enormen geographischen Entfernungen und finanzieller Einschränkungen voraussichtlich nur alle vier Jahre stattfinden können, soll das Programm Sainte Anne ein wichtiges Instrument werden, um die Ausbilder unserer westafrikanischen Klöster besser vorzubereiten. Dazu gehört ein Klima der Solidarität zwischen den beteiligten Klöstern hinsichtlich der Notwendigkeit einer intellektuellen Ausbildung. Eine mögliche gegenseitige Hilfe könnte in der Erstellung einer Liste bestehen mit Namen befähigter Mitbrüder und -schwestern, die je nach Spezialisierung Hilfestellungen, Kurse oder Unterrichtsmaterialien anderen Klöstern zur Verfügung stellen könnten. Dazu wollen wir eine Internetplattform schaffen, auf der die westafrikanischen Klöster Kurse mitverfolgen oder anbieten, Bibliographien, Artikel oder Rezensionen hoch- und herunterladen können, wobei die Hochschule Sant’Anselmo, AIM oder ähnliche Einrichtungen uns unterstützen könnten. Damit würden wir eine wichtige Ergänzung zu unseren schlecht ausgestatteten Bibliotheken schaffen.

Aber wir können noch weiter denken. Es ist bekannt, dass einige unserer Klöster nicht ausreichend geschultes Personal für die Ausbildung ihres Nachwuchses haben. Es liegt am Leiter des Programms Sainte Anne und seinen Mitarbeitern, die Oberen über bestehende Ausbildungsmöglichkeiten in unserer Region zu informieren, insbesondere wenn sie monastische Strukturen und Studium verbinden. Ein schönes Beispiel dafür ist das Angebot philosophisch-theologischer Studien in Kloster Sainte-Marie de Bouaké.

Als Zusammenfassung kann man sagen, dass die vorgeschlagene Initiation einen Reifungsprozess beinhaltet. Dieser ist dynamisch und beinhaltet eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie Tradition, Fortschritt und neue Initiativen vereint werden können. Zwar ist selbstverständlich, dass die Fragen von gestern nicht unbedingt die von heute sind, aber Ausbildung bleibt immer ein Dreh- und Angelpunkt für das Gedeihen unserer Gemeinschaften. Das Programm Sainte Anne will hier auf neue Bedürfnisse unserer Klöster reagieren und Antworten finden für eine zukunftsweisende Ausbildung der unterrichtenden Mitbrüder und -schwestern.

Das Programm Wisdom Connections T4

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Perspectiven

Michelle Sinkhorn OSB

Kloster der Unbefleckten Empfängnis, Ferdinand (USA)

 

Das Programm Wisdom Connections T4

 

 

Wisdom Connections T4 existiert als Ausbildungsprogramm seit nunmehr sechs Jahren und ist inzwischen für viele benediktinische Gemeinschaften ein vertrauter Begriff geworden. Der offizielle Name lautet „Wisdom Connections: Timeless Traditions ↔ Technological Times“ (Verbindungen in Weisheit: Zeitlose Traditionen ↔ Technische Zeiten). Die Kurzform lautet das T4 Programm oder auch einfach nur T4. Es handelt sich um ein benediktinisches Ausbildungsprogramm, das über Internet BenediktinerInnen eine Grundausbildung oder Weiterbildung ermöglicht. Mit dem Programm können auch Klosterkandidaten und NovizenmeisterInnen weltweit untereinander kommunizieren.

T4 est un programme de formation bénédictine qui utilise la technologie pour offrir des cours de formation initiale et continue aux membres des communautés bénédictines. Le programme est également utilisé pour faire communiquer entre eux les nouveaux membres et leurs directeurs de formation dispersés à travers le monde.

Das Programm wurde möglich durch eine großzügige Spende der GHR-Stiftung und von vielen benediktinischen Schwestern in den USA umgesetzt. Während der Finanzierungszeit in den ersten drei Jahren durfte nur eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern mitmachen, aber seit Beendigung dieser Unterstützung ist das Programm für alle Benediktiner und Benediktinerinnen weltweit geöffnet. Zur Zeit nehmen 49 Klöster am T4-Programm teil, zu denen ingesamt 2499 Ordensleute gehören und die in sieben Ländern gelegen sind, nämlich Australien, Irland, Kanada, Korea, Litauen, Nigeria und USA.

Das Programm eröffnet einen Zugang zu einer digitalen Bibliothek mit Vorträgen von Abtprimas Gregory Polan, Sr. Irene Nowell, S. Jerome Kodell, Sr. Ephrem Hollarman, S. Terrence Kardong, Sr. Joan Chittister und vielen anderen. Zu den behandelten Themen zählen unter anderem Benediktinische Ordensgeschichte, Stundengebet, Gelübde, Benediktusregel, Heilige Schrift, benediktinische Spiritualität, Selbstwahrnehmung und Persönlichkeitsentwicklung. Die digitale Bibliothek umfasst zur Zeit ungefähr 313 Filme mit 44 verschiedenen Sprechern. Ständig werden neue Vorträge hinzugefügt.

Der Zugang zu den Videos wird erleichtert durch eine biographische Präsentation aller Sprecher und einem Überblick aller von ihnen verfügbaren Videos mit Inhaltsangaben. Zu vielen dieser Videos gehört schriftliches Material, das heruntergeladen oder ausgedruckt und für eigene Unterrichtszwecke oder Studientage verwendet werden kann.

Alle verfügbaren Vorträge können auf der Webpage www.wisdomconnectionst4.org im Überblick eingesehen werden. Allerdings können nur angemeldete Mitglieder durch Anklicken direkt zu den Videos oder den schriftlichen Materialien gelangen. Falls nötig, enthält die Website auch ein Handbuch oder Videos, welche die Benutzung bedienerfreundlich erklären. Die meisten Gemeinschaften werden mit diesen Hilfestellungen zurechtkommen. Falls nicht, könnte auch ein Mitglied unseres Teams für 1-2 Tage vorbeikommen und die Benutzung in Englisch erklären. Die Kosten müsste allerdings die jeweilige Gemeinschaft übernehmen.

Bei Bedarf können Klosterkandidaten und Ausbilder untereinander über Kommunikationsgruppen kommunizieren. Für diese Videokonferenzen wird das Programm Zoom benutzt. Die Kommunikationsgruppen werden von verschiedenen Mitgliedern des T4-Teams moderiert. Jede dieser Gruppen trifft sich bei Videokonferenzen zu festgelegten Zeiten entsprechend den jeweiligen Absprachen der Gruppenmitglieder. Diese Kommunikationsräume erlauben Klosterkandidaten einen zwanglosen Austausch hinsichtlich ihres geistlichen Wegs, gegenseitige Fragen oder die gemeinsame Vertiefung von Studien.

Ähnliche Gruppen existieren für NovizenmeisterInnen, innerhalb derer sie ihre Ausbildungspläne, Freuden und Leiden und vieles mehr austauschen können. Zur Zeit nehmen an den Kandidatengruppen 34 Novizen aus den USA und 14 aus Australien teil, während in den Gruppen für NovizenmeisterInnen 22 Personen teilnehmen. Alle Teilnehmer sind in Kleingruppen mit 5 bis 6 Mitgliedern unterteilt.

Wenn Ihre Gemeinschaft an T4 interessiert ist, kann auf der gerade neu gestalteten Website alle erforderliche Information abgerufen werden sowie eine Liste aller Videovorträge. Dort findet sich auch ein Überblick über alle weiteren Angebote, die mit einer Vollmitgliedschaft verbunden sind, und Stellungnahmen von Mitgliedern.

Die Jahresgebühr für eine Mitgliedschaft beträgt 500 US Dollar und ist jeweils am 1. Dezember fällig. Mit dieser Gebühr erhält das Mitglied Zugang zu allen Materialien der Website. Ein Antragsformular auf Mitgliedschaft findet sich unter www.wisdomconnectionst4.org.

Falls Sie noch Fragen haben oder weitere Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte an die Programmleiterin und Webmaster Sr. Michelle Sinkhorn OSB: t4srmichelle@gmail.com bzw. über Telefon: +1-812-367-1411. Sie kann auch über WhatsApp erreicht werden.





Klösterliche Ökonomie als Entwicklungsmotor

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Arbeit und Klosterleben

Institut für Religionswissenschaft, Graz[1]

 

Klösterliche Ökonomie

als Entwicklungsmotor

 

 

Wie auch immer das ökonomische Modell aussah, das Klostergemeinschaften im Laufe der Geschichte entwickelt haben, es trug immer immer zur sozialen Entwicklung bei. Der Ordenshistoriker Philibert Schmitz spricht von der „Kulturarbeit“[2] der Mönche in Europa. Inwiefern kann heute das Mönchtum noch als innovative Kraft zur Entwicklung beitragen?

 

1. Warum sind Klöster Innovationslabore?

Auch wenn Klöster im Lauf der Geschichte immer wieder als Innovations- und Fortschrittslabore auftraten, so war dies keineswegs das erste Ziel, sondern ergab sich vielmehr aus dem Umstand, dass den monastischen Strukturen Eigenschaften zukommen, welche eine gewisse Dynamik begünstigen. Nach dem französisch-nigerianischen Anthropologen Olivier de Sardan lässt sich Innovation folgendermaßen definieren: „Verbindung von noch unbekannten Techniken, Erkenntnissen und Organisationsformen (meist eigene Anpassungen von wahrgenommenen oder von außen eingeführten Elementen) mit örtlich vorhandenen Techniken, Erkenntnissen und Organisationsformen.“[3] Er unterstreicht, dass Innovation ein sozialer Prozess ist.

Auf den ersten Blick handelt es sich bei einer Klostergemeinschaft nicht um eine Wirtschaftseinheit, die auf Profit ausgerichtet ist. Ziel der klösterlichen Wirtschaft ist theoretisch der Selbsterhalt der Gemeinschaft. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer gewissen Risikobereitschaft, da das unmittelbare Ziel der Gemeinschaft nicht in der Erwirtschaftung eines Überschusses am Jahresende besteht. Die Klostergemeinschaft ist ein stabiler Faktor mit einer Lebenserwartung, welche die Durchschnittslebensdauer eines normalen Unternehmens übersteigt. Daher kann sie auch langfristige Risiken auf sich nehmen oder in menschlichem Kapital investieren. Eine Klostergemeinschaft denkt in großen Zeiträumen, was mit der Idee der Stabilität (stabilitas loci) zusammenhängt. Hinzu kommt, dass diese Gruppe die meiste Zeit in sozialem Frieden lebt: Sie sieht sich selbst als Personenverband, der Gott sucht.

Die dauerhafte Anlage der Gemeinschaft erleichtert die Weitergabe von Erfahrungen und Kenntnissen. Man erinnere sich nur der Kopierarbeit von Mönchen, die während des Mittelalters die Weitergabe von unter anderem medizinischem, landwirtschaftlichem, botanischem Wissen erlaubte. Die Langlebigkeit des Mönchtums ermöglicht schließlich Verbesserungen, indem man Erfahrungen anderer Gemeinschaften oder anderer Zeitalter konsultiert: „Die bemerkenswerte Stabilität des Mönchtums besteht zu einem guten Teil aus einer Stabilität der Erinnerung, einem durchgehenden Wissen, dass sich über dreißig Generationen erstreckt.“[4]

Selbst wenn die Gemeinschaft jung und eine Neugründung ist, kann jedes Kloster auf eine lange monastische Tradition zurückgreifen, was seine Legitimierung vereinfacht.[5]

 

2. Ökonomie und Entwicklung in Afrika

In Schwellen- und Entwicklungsländern, in denen das Mönchtum noch keine lange Geschichte besitzt, kommt Klostergemeinschaften eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu. Jean-Pierre Olivier de Sardan definiert Entwicklung als eine „Gesamtheit von sozialen Prozessen, die durch bewusste Veränderungshandlungen hinsichtlich eines sozialen Milieus herbeigeführt und von externen Institutionen und Akteuren ausgelöst werden, aber mit dem Willen, dieses Milieu voranzubringen“.[6] Was das Mönchtum betrifft, so nimmt Entwicklung viele unterschiedliche Gestalten an. Wie schon gesagt, sind Innovation und Entwicklung keine Ziele des Klosterlebens, können aber positive Folgen seiner Präsenz sein. Dies bedeutet, dass Entwicklung aus Aktivitäten entspringt, die in ihrer eigentlichen Zielrichtung monastisch gedacht sind, d.h. mit dem religiösen Anliegen des Klosterlebens verbunden sind. Beispielsweise führten mittelalterliche Mönche hydraulische Apparate ein, um Zeit für das Chorgebet zu gewinnen.[7]

Mönch bei der Feldarbeit in Kloster Séguéya (Guinea Conakry) © AIM.
Mönch bei der Feldarbeit in Kloster Séguéya (Guinea Conakry) © AIM.

In ähnlicher Weise entsteht Fortschritt im Umkreis heutiger afrikanischer Klöster meist als positive Nebenerscheinung von klösterlicher Aktivitäten und Innovationen. So äußerte der Abt von Keur Moussa: „Wir streben den Fortschritt nicht an, er kommt von selbst.“ Zur benediktinischen Tradition gehört auch, dass man im und um das Kloster herum die Lebensbedingungen verbessert, weil dies auch für die Gemeinschaft von Vorteil ist. Im Rahmen einer Neugründung bedeutet dies, dass Mönche und Nonnen sich darum bemühen, die Fruchtbarkeit ihrer Felder zu verbessern, wofür Bewässerungsanlagen geschaffen werden, oder Zugang zu Elektrizität zu erhalten. Die Abtei Keur Moussa (Senegal) hat als Wahlspruch das Wort aus Jesaja 35,1 gewählt: „Und die Wüste wird blühen“. Tatsächlich gelang ihr die Nutzbarmachung von bisher ausgetrockneten Landstrichen, wozu auch neue Pflanzenarten eingeführt wurden. Die Einstellung lokaler Arbeitskräfte trägt zum Wachstum der örtlichen Wirtschaft bei und hilft der umliegenden Bevölkerung. Nach den Worten eines Mönches des kenianischen Klosters Our Lady of Mount Kenya liegt darin sogar ein Hauptfaktor, wie das Kloster örtliche Entwicklung fördert. Schließlich ist die anspruchsvolle Ausbildung der Mönche oder Nonnen auch ein Beitrag zur örtlichen Entwicklung. Und indirekt trägt das Kloster zur Entwicklung der Region bei, wenn sich Menschen um das Kloster herum ansiedeln, weil sie dort Arbeit, medizinische Versorgung oder eine Schule finden.

Ein anderer Aspekt klösterlicher Enwicklung entspringt aus Reaktionen von Mönchen und Nonnen auf örtliche Bitten um Beistand. Da die ersten religiösen Gemeinschaften in Afrika missionarischen Kongregationen waren, die Schule, Krankenstationen und Krankenhäuser einrichteten, werden auch kontemplative Gemeinschaften regelmäßig mit solchen Anfragen konfrontiert, wenn sie an einem Ort eine Neugründung vornehmen. Daher mussten die Mönche von Keur Moussa, die als Gründung von Solesmes eigentlich strikt kontemplativ und auf eine strenge Klausur ausgerichtet waren, eine Schule und eine kleine Krankenstation eröffnen. Sie konnten allerdings schon bald die Schule an ein Laiengremium und die Krankenstation an eine apostolische Schwesternkongregation weitergeben. Ein Mönch erinnert sich: „Zu uns kamen schwangere Frauen, damit sie hier ihre Kinder zur Welt bringen können. Das ist einfach nicht die Aufgabe von Mönchen!“ Die Gemeinschaften unterstützen auch gelegentlich soziale Programme. Beispielsweise nimmt das Kloster Our Lady of Mount Kenya an einem landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramm teil, wodurch armen Familien geholfen werden soll.

 

3. Klösterliche Ökonomie als alternative Ökonomie

Klösterliche Ökonomie kann auch Entwicklungen anstoßen, indem sie alternative Lebensweisen einführt. Beispielsweise versuchten europäische Klöster, gegenüber vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftsformen Alternativen zu entwicklen,[8] erdachten ernstzunehmende Gegenvorstellungen oder boten Kurse zu diesem Thema an. Die französische Schwester Nicole Reille bezeichnet daher die Wirtschaftsform von Kongregationen als „prophetische Ökonomie“, da sie der Welt ein Zeugnis anderer ethischer Wertsetzungen bietet.

Die alternative Seite der Wirtschaftsform afrikanischer Klöster zeigt sich auch im Vergleich zu den dort geltenden Normen, denn Alternativität lässt sich nur durch Gegenüberstellung zu herrschenden gesellschaftlichen Normen feststellen. Eine erster Aspekt betrifft dabei die Art und Weise, wie Arbeit im klösterlichen Leben gelebt und gerechtfertigt wird. So äußert beispielsweise eine junge Schwester in Karen (Kenia):

„Ich betreibe meine Arbeit mit Liebe, nicht nur, um sie einfach nur zu erledigen. Es handelt sich sogar um sehr viel Liebe, so dass sogar die Schwestern selbst merken, dass ihre Kleider mit Liebe gewaschen wurden. Auch wenn man irgendwo nur Putzarbeiten mit Liebe verrichtet, wird es irgendjemand auffallen und er wird sagen: ,Ach, das ist aber mit viel Liebe gemacht worden.‘ Dabei ist ganz nebensächlich, worin irgendwann einmal die Ausbildung bestand, sondern dass du so die Gemeinschaft förderst.“[9]

Ein interessantes Beispiel findet sich in Kloster Séguéya im kommunistisch regierten Land Guinée Conackry, wo die Mönche dazu beitragen, dass die Arbeit eine neue Würde erhält: Die Mönche verrichten Handarbeit, um sich zu ernähren.

„In Guinea gibt es aufgrund des politischen Systems keine echte Arbeitskultur, die einfach verloren ging. Wenn die Leute sehen, wie die Mönche auf den Feldern arbeiten und sich abmühen, möchten sie es ihnen nachmachen. Ich glaube, diese Botschaft kommt an.“ (04/07/2016)

Ein weiterer Aspekt ist die Personalführung in menschlicher und sozialer Hinsicht, welche Klöster bei ihren Angestellten betreiben. Bei der Anstellung sind nicht selten soziale Gründe wichtiger als wirtschaftliche Gesichtspunkte. So erläutert der Cellerar von Keur Moussa:

„Für uns steht die soziale Dimension an erster Stelle. Schon seit der Klostergründung wollten wir den Menschen im Umkreis beistehen, die keine Arbeit haben und bei uns deswegen nachfragen. Hier würden wir gerne noch mehr helfen, aber unsere Mittel sind beschränkt. Dennoch können wir vielen Menschen in der Nähe helfen.“ (4/07/2016)

Erwähnt sei auch, dass manche afrikanische Gemeinschaften Sozialabgaben für ihre Angestellten zahlen, was in den dortigen Gesellschaften wenig verbreitet ist.

Für eine wachsende Zahl afrikanischer Klöster sind umweltfreundliche und nachhaltige Formen des Wirtschaftens ein wichtiges Thema geworden. So hat sich die Gemeinschaft von Keur Moussa für eine biologische Landwirtschaft entschieden. In Kenia haben die Mönche sich für Solarenergie und Wasserwiederaufbereitung entschieden, um Umweltbeeinträchtigungen zu vermeiden, solange noch kein Anschluss an staatliche Netze möglich ist. Kloster Agbang im Togo erzeugt gleichfalls seinen Strombedarf aus Solarenergie, was den stromlosen Bewohnern im Umliegenden Busch die Möglichkeit gibt, im Kloster ihre Handys neu aufzuladen.

Von Benediktinern errichtete Brücke in Kasanza (RDC), die den Fahrweg nach Kikwit um 40 km verkürzt. © P. Weestraeten.
Von Benediktinern errichtete Brücke in Kasanza (RDC), die den Fahrweg nach Kikwit um 40 km verkürzt. © P. Weestraeten.

Schluss

Worin besteht eine klösterliche Ökonomie? Wir können an diesem Punkt nur sagen, dass es keine Form klösterlicher Wirtschaft an sich gibt, sondern lediglich unterschiedliche klösterliche Wirtschaftsformen, die sich aus der politischen und religiösen Geschichte eines Landes und dem heutigen wirtschaftlichen und sozialen Kontext ergeben. Man kann jedoch einige gemeinsame Grundprinzipien beobachten, welche die Gemeinschaften einzuhalten versuchen. Denn die wirtschaftliche Form spielt eine wichtige Rolle dabei, ob ein Klosterleben nach außen glaubwürdig erscheint. Die ökonomische Seite ist oft ein herausragender Faktor, wie Klöster mit ihrer Umwelt kommunizieren. Darüber hinaus hat sie Auswirkungen auf das gesamte Klosterleben und wird natürlich auch davon beeinflusst.

Für afrikanische Klöstern ist es oft noch ein weiter Weg, bis die wirtschaftlichen Aktivitäten zu Stabilität finden. In ihrer Situation spiegelt sich der jeweilige sozio-ökonomische Kontext eines Landes und Einflüsse der Gründungsvorstellungen. Doch oft sind es gerade die wirtschaftlichen Aktivitäten der Klöster, die ihnen erlauben, die Entwicklung ihrer Umgebung positiv zu verändern. Auch wenn dies kein ausdrückliches Ziel des Klosterlebens ist, gibt es nach einem Ausdruck von Max Weber eine Art „Wahlverwandtschaft“ zwischen der Ökonomie eines Klosters und der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung des klösterlichen Umfeldes. Das Klosterleben kann also durchaus seine jeweilige Umwelt beeinflussen und, wenn die klösterliche Lebenswelt eine größere Ausstrahlung besitzt, sogar auf die gesamte Gesellschaft einwirken, wie es in der europäischen Geschichte der Fall war.

 

[1] Isabelle Jonveaux lehrt als Soziologin an der Universität Graz und ist Mitglied von CéSor (Paris). Zu ihren Themen zählen Fragen des klösterlichen Lebens (Ökonomie, Arbeit, Ökologie, Geschlechterverhältnis, Körpergeschichte, Askese), Internet und Religion (religiöse Praktiken im Internet, Internetfasten), aber auch das Fasten oder alternative Ernährungsformen (Fasten- und Wanderkurse, positive Genügsamkeit...). Zur Zeit arbeitet sie an einem Forschungsprojekt über das afrikanische Mönchtum. Der hier vorgestellte Artikel ist ein Auszug aus einem Vortrag bei einem Symposium des monastischen Instituts in Rom zum Thema „Mönchtum und Ökonomie“ (vgl. Studia Anselmiana Monasticism and Economy: Rediscovering an Approach to Work and Poverty, Acts of the Fourth International Symposium, Rome, June 7-10, 2016).[7] Olivier De Sardan, « Anthropologie et développement ».

[2] Vgl. Ph. Schmitz, Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 2: Die Kulturarbeit des Ordens von seiner Gründung bis zum 12. Jahrhundert, Einsiedeln-Zürich 1948.

[3] Jean-Pierre Olivier de Sardan, Anthropologie et développement. Essai en socio-anthropologie du changement social, Marseille-Paris 1995.

[4] „The remarkable stability of monasticism is in large part a stability of memory, a continuity of understanding spanning thirty generations.“ So R.H. Winthrop, Leadership and Tradition in the Regulation of Catholic Monasticism, in: Anthropological Quarterly 58 (1985) 30.

[5] B. Delpal, Le Silence des moines, Les Trappistes au XIXe siècle, Paris 1998, S. 15.

[6] Olivier De Sardan, Anthropologie et développement.

[7] M. Derwich, La Vie quotidienne des moines et chanoines réguliers au Moyen-Age et Temps Modernes, Wroclaw 1995.

[8] I. Jonveaux, Le Monastère au travail, Paris 2011.

[9] ‘I do it with love, not just doing it, I do it with a lot of love. Until they feel themselves that this cloth is washed with love. Even when you sweep you sweep a place with love and somebody will look at it and say “Yes, this was done with love.” It doesn’t matter what you have gone to school for but what matters is what you give to the community.’

Das neue Kloster in Envigado (Kolumbien)

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Kunst und Kultur

Guillermo Arboleda OSB

Abt von Envigado (Kolumbien),

Präsident der Kongregation von Subiaco-Montecassino

 

Das neue Kloster

Maria Himmelfahrt in Envigado (Kolumbien)

 

 

Das Benediktinerkloster Maria Himmelfahrt wurde im Jahr 1954 im Vorort Zúñiga der Stadt Envigado gegründet, die ihrerseits am Rande des Großraums von Medellín liegt. Zur Gründungszeit und dann noch über viele Jahre hinweg war das Kloster von einer halbländlichen Umgebung geprägt, der auch die eigene sozio-kulturelle Identität entsprach. Aber die zunehmende Verstädterung hat diese Voraussetzungen grundlegend verändert. Heute lebt die Gemeinschaft in einem Wohngebiet, das von einer dichten Bebauung von Wohnhäusern geprägt ist.

Das Kollegium.
Das Kollegium.

Seit der Klostergründung lag der Schwerpunkt der Gemeinschaftsaktivitäten auf der Betreuung der Schule St. Maria. Über viele Jahre hinweg teilten sich Kloster und Schule dasselbe Gebäude, in dem beiden verschiedene Gebäudeteile nutzten.

Anfangs hatte es zwar bereits einmal ein eigenes Gebäude für die Mönche gegeben, aber als in den 1960er Jahren eine neue Schule errichtet wurde, zogen die Mönche in die drei unteren Geschosse des neuen Bauwerkes ein. Im Erdgeschoss wurde eine provisorische Kapelle in einem Raum eingerichtet, der ursprünglich als Unterbringung für die Schulbusse gedacht war. Dieses Provisorium war in der Folge immerhin gut fünfzig Jahre im Einsatz.

Im Jahr 2011 wurde in der Gemeinschaft immer stärker das Bedürfnis spürbar, einen Bereich zu schaffen, in dem in einem gewissen Abstand zum Schulbetrieb Gemeinschafts- und Klosterleben besser praktiziert werden kann. Zunächst dachte man daran, das Kloster aus der Stadt hinauszuverlagern. Doch die Visitation von 2015 riet der Gemeinschaft von einem Ortswechsel ab und schlug vor, die Klostergebäude der Gründungszeit im hinteren Teil des Geländes zu reaktivieren. Diese wurden damals als Gästehaus genutzt.

Entsprechend diesem Vorschlag wurde ein neues Kloster zwischen 2016 bis 2018 errichtet, das auf den vorhandenen Baulichkeiten aufbaute. In der Heiligen Woche 2019 zog dann die Gemeinschaft im neuen Kloster und am 22. April folgte die Kirchweihe.

Die neue Kirche ist in Form eines geosteten lateinischen Kreuzes errichtet. Die Länge des Kirchenschiffs beträgt 24 Meter und die Breite 8 Meter, welche von einer kleinen Apsis mit Priestersitz abgeschlossen wird. Das abschließende Querschiff hat eine Grundfläche von 13 x 8 Meter und beherbergt das Chorgestühl.

An beiden Seiten des Kirchenschiffs befinden sich noch zwei Seitenaltäre, welche Maria Himmelfahrt bzw. dem hl. Benedikt geweiht sind. Die Altarbilder der Gottesmutter und des hl. Benedikt stammen vom kolumbianischen Maler Gregorio Cuartas, der ehemals zur französischen Abtei La Pierre-qui-vire zählte. Der Hauptaltar liegt innerhalb der Apsis, deren Gewölbe mit einem Christus Pantokrator bemalt ist (die Umrisslinien in Mosaiktechnik), während das Lesepult sich in der Mitte des Chorbereichs befindet.

Auf der linken Seite der Kirche wurde ein Glockenturm mit einem kleinen Abstand errichtet. Im Erdgeschoss des Glockenturms ist eine Sakramentskapelle untergebracht, welche mit der Kirche durch einen Gang verbunden ist. Im zweiten Turmgeschoss wurden die Überreste der bislang verstorbenen Mönche in Nischen entlang der östlichen Wand untergebracht und im dritten Stockwerk befindet sich die Bibliothek und eine Buchrestaurierungswerkstatt.

Wie man den Bildern entnehmen kann, vereint die Kirche die klaren Linien einer römischen Basilika mit typischen Elementen kreolischer Kirchenausstattung (z.B. sichtbare Balken des Querschiffs, Holzdecke, gekalkte Wände, in die frisch verputzten Wände eingeritzte Dekorationen im inneren und äußeren Tympanon der Eingangstür). Vor der Kirche befindet sich ein kleiner Innenhof mit Brunnen.

Das neue Kloster.
Das neue Kloster.

Auf Luftaufnahmen lässt sich die neue Klosterstruktur am besten erkennen: Im Mittelpunkt steht nun die Kirche mit vorgelagertem Innenhof, im Norden der Klausurbereich mit den üblichen Nebengebäuden, im Süden die Pforte, Sprechzimmer, Gruppenraum für bis zu 100 Personen, Bibliothek und Gästehaus. Alle diese Räume gruppieren sich um einen mit Büschen bewachsenen Platz.

Die Gemeinschaft hat sich dazu entschieden, dass die neue Bibliothek im äußeren Bereich gebaut werden soll, damit auch Gäste und Besucher deren vielfältige Schätze nutzen können. Der Bestand kann vorab im Internet eingesehen werden. Das Gästehaus umfasst acht Zimmer, die alle mit Nasszelle ausgestattet sind. Schule und Kloster sind durch einen Zaun und eine Grünfläche getrennt.

Die Leitung und Verwaltung der Schule, die von ungefähr 1000 Schülern besucht wird, liegt in den Händen hochqualifizierter Angestellter. Die Mönche sind für die Schulseelsorge zuständig (Schüler, Lehrer, Angestellte, Eltern). Seit 2015 gehört die Schule zum weltweiten Netzwerk der benediktinischen Schulen, nimmt an dessen Treffen teil und steht in ständigem Austausch mit anderen benediktinischen Schulen. Diese Verbindung hat dazu beigetragen, dass unser erzieherisches und pastorales Programm verstärkt von den Grundprinzipien benediktinischer Spiritualität inspiriert wird.


Die Mõnchszellen. Porte, Bibliothek. Innenhof des Pfortengebäudes, von dem aus man zur Bibliothek, dem Gästehaus und dem Vortragsraum gelangt.

Die Missions-Benediktinerinnen von Tutzing

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Geschichte

Ruth Schönenberger OSB

Priorin von Tutzing (Deutschland)

 

Die Missions-Benediktinerinnen

von Tutzing

 

 

Wie alles begann

„Global-Prayers“ – so wurde unsere Gemeinschaft einmal in einer Tageszeitung vorgestellt. Und in der Tat: Was heute als neu und modern gilt, das haben unsere Mitschwestern schon vor vielen Jahrzehnten in die Tat umgesetzt und gelebt. Ihnen lag am Herzen, mit einer Botschaft, die den Menschen auf der ganzen Welt galt und gilt, aufzubrechen und sie ihnen zu bringen: das Evangelium Jesu Christi. Dafür ließen sie alles zurück und gingen in eine ungewisse Zukunft.

 

Der Gründer

Unser Gründer war ein Beuroner Benediktiner, S. Andreas Amrhein (1844-1927), der aus der Schweiz stammte. In einer Zeit, in der zahlreiche Missionsgemeinschaften ihren Anfang nahmen – erinnert sei nur an die Herz-Jesu-Missionare (1855), die Comboni-Missionare (1867), die Weißen Väter (1868), die Steyler Missionare (1875) oder auch die Marianhiller Missionare (1882) – ließ ihn die Frage nicht mehr los, ob nicht auch benediktinisches Klosterleben und Mission in Einklang gebracht werden können. In langen Jahren des Suchens und Ringens – allein mit sich, sowie mit Vorgesetzten und verschiedenen Behörden – setzte er sich intensiv mit seiner Vision auseinander. Trotz vieler Schwierigkeiten auf seinem Weg war er nicht davon abzuhalten, sie zu entfalten und auch in die Tat umzusetzen.

 

Ein Funke springt über

Im Jahr 1885 stellte S. Amrhein auf dem 32. Deutschen Katholikentag in Münster seine Idee einer „benediktinischen Gemeinschaft für die Missionierung ausländischer Gebiete“ vor. Im Jahr zuvor hatte er ein Missionshaus für Männer in Reichenbach in der Oberpfalz gegründet. Er hegte – in dieser politisch so ordensfeindlichen Zeit – insgeheim den Traum, dass sich auch Frauen an solch einer Aufgabe beteiligen sollten. Der Funke sprang in Münster über und schon drei Wochen später machten sich die ersten vier Frauen – Westfälinnen – wagemutig auf den abenteuerlichen Weg in den Süden Deutschlands. Die Frauen wollten eigentlich nach Indien ausreisen – doch Gott schien anderes mit ihnen vorzuhaben.

Die Anfänge der Männer und Frauen in Kloster Reichenbach in der Oberpfalz waren hart. Die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit bedingten, dass fast alles im geheimen und getarnt erfolgen musste. Die konkrete Situation war äußert verwickelt, schwierig, ja fast aussichtslos.

 

Neuanfang in St. Ottilien

Schon 1887 wurde eine Filiale in Emming gegründet, dem heutigen St. Ottilien, in das bald die ganze Gemeinschaft übersiedelte; Reichenbach wurde ganz aufgegeben. In Emming blühten beide Zweige der Gemeinschaft auf. Sie lebten unter einfachsten und ärmlichen Verhältnissen, hatten mit vielen Mühen zu kämpfen und waren mit gewaltigen Aufgaben konfrontiert: Zahlreiche junge Männer und Frauen traten ein. Man musste für ihren Lebensunterhalt sorgen und Gebäude erstellen, in denen sie leben konnten. Vordringlich war auch, sie gut ins Ordensleben einzuführen und sie fachlich auszubilden. Sie sollten ja bald ins Ausland gesandt werden. Dort waren sie dann ja auf sich selbst gestellt, und sollten verantwortlich den Glauben verkündigen und in medizinischen, erzieherischen und anderen Bereichen tätig sein.

 

Erste Schritte in die weite Welt

P. Amrhein nahm sehr schnell das Angebot an, sich in Ostafrika seelsorglich um ein Gebiet zu kümmern. Durch ein päpstliches Dekret vom 16. November 1887 wurde die Apostolische Präfektur von Süd-Sansibar errichtet und der „neuen deutschen Benediktiner-Kongregation für auswärtige Missionen“ übergeben. Damit war zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, Missionare und Missionarinnen ins Ausland auszusenden.

So wagten in erstaunlich kurzer Zeit, nämlich bereits im Jahr 1887, die ersten Brüder und Schwestern gemeinsam den großen und für die Zukunft richtungweisenden Schritt: am 11. November 1887 reiste die erste Gruppe (1 Priester, 9 Mitbrüder und 4 Schwestern) nach Ostafrika ins damalige Tanganyika aus. Sie und weitere, die ihnen folgen sollten, begannen dort, Missionsstationen aufzubauen. Herbe Rückschläge mussten sie erleiden. Krankheiten, die sie nicht kannten, rafften viele Brüder und Schwestern in jungen Jahren hinweg – der Friedhof nahe Dar es Salaam spricht eine beredte Sprache. 1889 wurde die erste Station in Pugu überfallen und Brüder und eine Schwester ermordet. Doch hier in Deutschland traten trotz dieser Hiobsbotschaften viele junge Leute ein. Bereits 1896 zählten beide Gemeinschaften in St. Ottilien 16 Patres, 13 Kleriker, 46 Brüder und 71 Schwestern. Die Raumnot in St. Ottilien wurde immer drängender und die Schwestern mussten sich intensiv nach einem eigenen Mutterhaus umschauen.


Exerzitienhaus in Tagaytay (Philippinen). Rio de Janeiro (Brasilien). Jinja (Uganda).


Der Weg in die Selbständigkeit

So fiel im Jahr 1902 die Entscheidung für Tutzing. Bereits 1887 hatten die Schwestern von Reichenbach aus dort eine kleine Gemeinschaft gegründet, die einen Kindergarten leitete. Nun wurde in Tutzing auf einer Wiese ein großes Konventsgebäude errichtet, in das alle Schwestern übersiedeln konnten. Laut bischöflicher Statistik gehörten der Schwesterngemeinschaft am 1. Januar 1904 insgesamt 119 Schwestern an.

Dieser Schritt war für die Schwestern weit mehr als ein Ortswechsel. Er führte sie auf einen Weg in die Selbständigkeit. War dieser anfangs nicht leicht, so sollte die Zukunft zeigen, dass es eine weitblickende Entscheidung war, die die Gemeinschaft zu einer ungeahnten Entwicklung führen sollte. Die geschwisterliche Verbundenheit mit den Brüdern in St. Ottilien blieb bis heute erhalten.

 

Hinaus in die Welt

Den Schwestern war es ein vordringliches Anliegen, im Dienst der Verkündigung des Evangeliums und im Dienst an den Menschen zu stehen. Nach den ersten gemeinsamen Aussendungen ins heutige Tansania – wo heute noch zwei Priorate in Peramiho und Ndanda bestehen –, wagten sie deshalb schon 1903 unter der weitsichtigen Leitung der ersten Priorin, M. Birgitta Korff –, allein den Anfang in einem für sie unbekannten Land. Ein ehemaliger Mitbruder S. Andreas  Amrheins in Beuron und Maredsous, Dom Erzabt Gérard von Caloen, war 1896 Abt in Olinda (Brasilien) geworden und lud die Schwestern zur Missionsarbeit nach Brasilien ein und bat M. Birgitta um Schwestern für die Mädchenerziehung.

Die Gründung in einem weiteren Land wurde bereits 1906 in Angriff genommen. Fünf Schwestern brachen voller Missionseifer nach den Philippinen auf. Viele weitere Gründungen in allen Kontinenten der Welt sollten folgen. Heute sind die Schwestern in 16 Ländern auf vier Kontinenten vertreten:

Europa: Deutschland, Bulgarien, Italien, Spanien, Portugal;

Amerika: Argentinien, Brasilien, USA;

Afrika: Angola, Kenia, Namibia, Tansania, Uganda;

Asien: Südkorea, Indien, Philippinen.

Das Generalat befindet sich in Rom.

2020 zählten 1284 Schwestern in 131 Häusern und in 16 Ländern zur Kongregation.


Südkorea
Südkorea

Schwester Bénigne Moreau

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Mönche und Nonnen al zeugen für unsere zeit

Marie-Madeleine Caseau OSB & Lazare de Seilhac OSB

Benediktinerinnenkongregation Sainte-Bathilde

 

Schwester Bénigne Moreau OSB

(1924-2020)



Schwester Bénigne wurde am 10. August 1924 in Baume-les-Dames geboren und am 24. September auf den Namen Odile in Voulaines getauft, einem Dorf in der burgundischen Côte d’Or. Dort befand sich die Heimat der Familie, welcher die Verstorbene ihr Leben lang sehr verbunden war. Nach einer Ausbildung als Krankenschwester trat sie am 13. November 1946 in das Postulat von Kloster Vanves (Paris) ein und erhielt den Nonnenhabit sowie den Namen Bénigne am 8. September 1947.

Nach den zeitlichen Gelübden (21. November 1948) wurde sie aufgrund ihrer liebenswürdigen Umgangsformen als Gehilfin der Gastmeisterin eingesetzt. Im November 1952 erfolgte dann eine Aussendung in die Klostergründung in Madagaskar. Im dortigen Kloster Ambositra legte sie am 18. Dezember 1953 ihre Feierliche Profess ab. 1959 wurde sie zur Priorin dieses Klosters ernannt, woran ihr tiefes Interesse an der Kultur Madagaskars sicher seinen Anteil hatte. Sie unterstützte die Neugründung in Mananjary und bereitete eine weitere in Joffreville vor. Zudem kam ihr eine Schlüsselrolle bei der Einrichtung der Oberinnenkonferenz von Madagaskar zu.

Als sie im Juni 1975 zur Generalpriorin der Kongregation von Sainte-Bathilde gewählt wurde, kehrte sie nach Frankreich zurück. Der Abschied von Madagaskar fiel ihr schwer. Für sie war die Insel zur Heimat geworden und sie fühlte sich der dortigen Kultur eng verbunden. Daher ging sie auch sehr einfühlsam mit Schwestern und Brüdern um, die nach langen Auslandseinsätzen sich wieder in ihrem Geburtsland zurechfinden mussten.

Während ihrer 23 Auslandsjahre (Sr. Bénigne hatte Frankreich nur für zwei Generalkapitel besucht) hatte sich im Ursprungskloster Vanves einiges geändert: In Vietnam war eine neue Gemeinschaft gegründet worden, es hatte eine Fusion mit der Gemeinschaft von Fontevrault stattgefunden, eine Neugründung in Benin, der Umzug nach Saint-Thierry, eine Neufassung der Aufgaben des Stadtklosters Vanves und die erneuerten Konstitutionen waren gerade in Arbeit. In den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil waren ihre Erfahrungen unschätzbar, um die neuen Konstitutionen und die damit verbundenen Veränderungen umzusetzen. Sie selbst stand dem Kirchenrecht und Veränderungen eher skeptisch gegenüber und lächelte manchmal beim Gedanken, dass sie „die letzte Generalpriorin und die erste Präsidentin“ der Kongregation geworden war.

Als Generalpriorin war sie automatisch auch Priorin von Kloster Vanves, in dem sich das Generalat befindet. Hier musste sie sehr komplexe Herausforderungen meistern. Sie war zwei Amtsperioden, nämlich von 1975 bis 1989, als Priorin von Vanves und Generalpriorin, später als Präsidentin der Kongregation im Einsatz. In diese Zeit fallen große Veränderungen im kirchlichen Leben. Ihre Weitsicht führte dazu, dass sie zu einer der treibenden Kräfte bei der Einrichtung der Communio Internationalis Benedictinarum (CIB) wurde. Dafür nahm sie auch am römischen Äbtekongress zusammen mit der Äbtissin Flavie de Vanssay von Limon teil.

Sr. Bénigne in Vanves mit Schwestern aus Vietnam.
Sr. Bénigne in Vanves mit Schwestern aus Vietnam.

Bei der Überarbeitung der Konstitutionen erreichte sie dank guter Beziehungen zur römischen Religiosenkongregation, dass diese die Eigenheiten der Kongregation von Sainte-Bathilde würdigten und genehmigten. Menschlich stand sie Abt Denis Huerre (1915-2016) nahe, der sie sehr schätzte. Zusammen mit dem Kongregationsrat erarbeitete sie den 1981 vorgelegten Antrag an die Kongregation von Subiaco, wodurch die Kongregation dort assoziert wurde. Persönlich schmerzte es sie sehr, dass sie aufgrund der politischen Umstände niemals eine Erlaubnis erhielt, die vietnamesischen Klöster zu besuchen.

Ein großes Anliegen war ihr der Kontakt mit der ökumenischen Gemeinschaft von Etoy und den Diakonissinnen von Versailles und Saint-Loup und überhaupt die kirchliche Einheit. Mit großer Freude erlebte sie den einjährigen Aufenthalt von Sr. Edith, einer Diakonissin, im Jahr 2019 in Vanves.

Beim Generalkapitel von 1989 übergab sie ihr Amt Sr. Emmanuel Jolly, blieb aber Stellvertreterin und wurde weiterhin viel konsultiert. Dank ihrer guten Verbindungen half sie vielen Menschen, besonders Priestern, zu einem Neuanfang, nachdem sie eine Auszeit in Vanves genommen hatten.

Als Priorin von Vanves blieb sie bis 2003 im Amt und begleitete dabei auch die Zukunftsüberlegungen für diesen Ort. Sie schätzte das Potential des Standortes mit seiner zentralen Lage in Paris hoch ein, wovon auch das Büro von AIM profitiert, und öffnete mit weitem Herzen und ohne je zu verurteilen die Tore des Klosters für Bedrängte aller Art, Ordensleute und Laien, die sich dort willkommen fühlen durften.

Als Priorin unterstützte Sr. Bénigne umfassend AIM, dessen Verwaltungsrat sie lange angehörte. Sie pflegte gute Kontakte mit allen Mitgliedern von AIM, besonders denjenigen, die vor Ort lebten, und öffnete gastfreundlich das Haus für die jährlichen Treffen. Auch nach Abgabe aller Ämter blieb sie am internationalen Leben der Benediktinerfamilie interessiert. Wenn Ordensleute aus anderen Kontinenten Vanves besuchten, fanden sie in ihr immer eine interessierte Zuhörerin. Sie stand mit der benediktinischen Laienorganisation AMTM (Association des Amis des Monastères à Travers le Monde) in engem Kontakt und war mit einigen Mitgliedern eng befreundet.

Nach einem externen Jahr im Kloster von Martigné-Briand kehrte sie wieder nach Vanves zurück. Dort kümmerte sie sich besonders um einige Schwestern. Die Veränderungen der letzten Jahre sah sie nicht recht ein, nahm aber mit großer Seelenruhe alles hin, bis ihr hohes Alter sie zum Rückzug aus dem aktiven Gemeinschaftsleben zwang. Auch ihre Bettlägrigkeit über ein Jahr hinweg in der Infirmerie, verbunden mit einigen geistigen Aussetzern, nahm sie mit viel Gelassenheit an.

Bis zum Schluss blieb sie ihrem lebhaften Charakter treu und zeigte sich auch gelegentlich ungeduldig angesichts der vielen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Wir haben viel mit ihr gelacht und schöne Momente der Gemeinschaft erlebt. Jeden Abend dankte sie ihren Schutzengeln für ein gesegnetes Leben.


Sr. Bénigne Moreau mit Mitschwestern in Vanves (Paris)
Sr. Bénigne Moreau mit Mitschwestern in Vanves (Paris)

Basílio Penido OSB

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Mönche und Nonnen al zeugen für unsere zeit

Matias Fonseca de Medeiros OSB

Abtei Rio de Janeiro (Brasilien)

 

Basílio Penido OSB

(1914-2003)

 

 

I.  Christo nihil præponere (Christus nichts vorziehen)

Am Nachmittag des 24. Novembers 1961 erhielt Pater Basílio Penido von der brasilianischen Nuntiatur ein Dekret des Heiligen Stuhls zugestellt, worin er zum Abt-Koadjutor der Abtei Olinda ernannt wurde. Der junge Prior des Klosters und Generalvikar der Abbatia Nullius[1] von Rio de Janeiro war nach seinen eigenen Worten „sprachlos“[2]. Die unerwartete Ernennung traf ihn tief. Er fühlte sich in der Gemeinschaft von Rio de Janeiro sehr wohl und wurde als heiterer und freundlicher Mensch von den Mitbrüdern geschätzt. Zudem war Rio de Janeiro seine Geburtsstadt, wo seine Familie lebte. Das Dekret ließ ihm keine Wahl. Es wurde im Gehorsam erwartet, dass er in die 2300 km entfernte Stadt Olinda aufbrach.

Zunächst wollte er sich der Ernennung verweigern. Dies hatte er bereits einmal im Jahr 1948 gewagt, als er zum Abt von Rio postuliert wurde. Damals hatte er vorgebracht, dass er mit 34 Jahren „noch zu jung sei und keinerlei Erfahrung habe“ (eigene Erzählung). Sein Abt bat ihn jedoch darum, dass er zunächst einmal vor dem Allerheiligsten eine längere Überlegungszeit verbringen und auf das „hören solle, was Gott ihm im Gebet“ mitteile. Während dieser Zeit des Gebets und der inneren Unruhe kamen ihm zwei Worte in den Sinn: Gehorsam und Demut! Als ehemaliger Jesuitenzögling war ihm die ignatianische Tugend des „Kadavergehorsams“[3] vertraut. Und als Sohn des hl. Benedikt wusste er, dass „der erste Schritt zur Demut Gehorsam ohne Zögern ist. Er ist die Haltung derer, denen die Liebe zu Christus über alles geht. (RB 5,1f.). Nach dem Gebet vor dem Tabernakel fühlte er seinen inneren Frieden wiederhergestellt und wählte als Wahlspruch: Christo nihil præponere (Christus nichts vorziehen, RB 72,11). Die späteren Ereignisse zeigten, dass dieses Motto für seine Amtszeit als Abt von Olinda (1962-1987) und Präses der brasilianischen Kongregation (1972-1996) gut gewählt war. Der Abschied von Rio de Janeiro blieb allerdings für ihn ein „echtes Opfer Abrahams“.

Im Jahr 1966 begab er sich erstmals nach Rom, um am Äbtekongress der Konföderation teilzunehmen. Es war der erste nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dank seiner ausführlichen Rundbriefe an die eigene Gemeinschaft in Olinda, welche zahlreiche Einzelheiten enthalten, lässt sich der Verlauf dieses Kongresses gut nachvollziehen. Dabei ging es vor allem um die Erneuerung des Ordenslebens nach den Vorgaben des Konzils. Bei den Besprechungen gab Abt Basílio öfters eigene Stellungnahmen ab.

Abt Basílio kam 1914 in Rio de Janeiro zur Welt und verbrachte dort die ersten sechs Lebensjahre, zog dann aber mit der gesamten Familie nach Paris, wohin der Vater als Militärattaché bei den Vereinten Nationen versetzt worden war. Der Junge erwies sich als äußerst sprachbegabt. Neben Portugiesisch sprach er fließend Französisch, das er in seinen neuen Schule Sainte-Croix in Paris brauchte. Englisch hatte er von seinem englischen Kindermädchen erlernt. Nach einem dreijährigen Aufenthalt und der Erstkommunion in der Pariser Pfarrei Notre-Dame de Grâce in Passy kehrte die Familie wieder nach Brasilien zurück.

Die weitere Schulzeit verbrachte der Junge im Kolleg St. Ignatius in Rio de Janeiro und trat nach Schulabschluss ins Noviziat der Jesuiten ein. Sein lebhaftes Temperament kollidierte allerdings mit der strengen Hausdisziplin der Jesuiten. Erschöpft gab er schließlich auf, trat aus dem Noviziat wieder aus und begann ein Medizinstudium, das er sechs Jahre später mit einer Promotion abschloss. Anschließend trat er bei den Benediktinern ein. Die damals übliche monastische Observanz fiel ihm allerdings auch recht schwer. Wie er uns erzählte, war er „ schließlich kräftemäßig völlig erschöpft“. Dennoch war er inzwischen reifer geworden, konnte die Belastung aushalten, ohne sich zu verbiegen oder bitter zu werden.

In seiner Studentenzeit hatte er sich bei der „Ação Universitária Católica“ engagiert, einem Zusammenschluss katholischer Studenten, aus dem später das „Instituto Superior de Estudos Católicos“ hervorging. Viele der beteiligten Studenten waren von der damaligen Erneuerung des liturgischen Lebens und der Wiederentdeckung der frühen Kirche tief beeindruckt und wurden Ordensleute oder Priester.

Als Mensch war Abt Basílio sehr offen für andere Menschen, begeisterungsfähig, kultiviert, aber auch schlicht in seinem Auftreten, so dass seine jeweilige Umwelt von selbst zu ihm als einer „Führergestalt“ aufschaute. Mit großer intellektueller Neugier, ohne dass er sich irgendwie zu profilieren versuchte, interessierten ihn die jeweiligen moralischen, politischen oder sozialen Probleme der Menschen.

Seine Spiritualität war sowohl in den ignatianischen Exerzitien als auch in der Regel des hl. Benedikt verankert. Daneben gab es aber auch weitere spirituelle Autoren, die ihm wichtig waren wie Johannes vom Kreuz, Thérèse von Lisieux, Charles de Foucauld oder Thomas Merton.

Er war ein begeisterter Leser der französischen Literatur und kannte sich gut in den Schriften von Jacques Maritain, Paul Claudel, François Mauriac, Julien Green, Charles Péguy und vielen anderen aus. Er wurde ein persönlicher Freund von Georges Bernanos, als dieser in Brasilien im Exil weilte.

Die Erneuerung von Kirche, Theologie und vor allem des monastischen Lebens in der nachkonziliaren Zeit fanden in ihm einen entschiedenen Vorkämpfer. Für die Umsetzung dieser Neuerungen bedurfte es in einer ständig im Wandel begriffenen Welt viel Fingerspitzengefühl und Klugheit. Er zögerte auch nicht, zu entscheiden und zu handeln, wenn die Situation es erforderte.

Seine Begabung, der eigenen Gemeinschaft genau zuzuhören und mit ihr zu beraten, erlaubten ihm, Schritt für Schritt die konziliaren Veränderungen einzuführen. Hervorzuheben ist sein ökumenisches Interesse. Im Jahr 1966 nahm er in Olinda drei Brüder von Taizé auf. Sie wurden in einem Haus neben der Abtei untergebracht und integrierten sich gut in die Gemeinschaft. Dabei nahmen sie an bestimmten Gebetszeiten, den Mahlzeiten und der Arbeit teil.

Abt Basílio war nicht entgangen, dass im Umkreis des Klosters viel Elend zu finden war. Er überließ in Absprache mit der Gemeinschaft und den Behörden einen beträchtlichen Teil des weitläufigen Klostergrundstücks an besonders bedrängte Menschen, damit sie dort eine Unterkunft errichten konnten. So entstand ein neuer Stadtteil in Olinda, der „Vila São Bento“ genannt wird.

Im Interesse eines gemeinsamen Auftritts beim römischen Äbtekongress von 1967 lud Abt Basílio die Äbte und Prioren der anderen Klöster Brasiliens zu einer Vorbesprechung ein. Dabei wurde sein Vorschlag einer größeren Annäherung aller Klöster Brasiliens unter der Benediktusregel diskutiert. Ziel sollte die Erarbeitung einer gemeinsamen Sprache zu sein, um innerhalb der brasilianischen Gesellschaft das monastische Charisma, seine Berufung und Mission zu vermitteln. Die Diskussionen erwiesen sich als ausgesprochen zäh, da alle Äbte an ihren jeweiligen Traditionen hingen und neben der brasilianischen Kongregation eine Reihe weiterer Kongregationen vertreten waren. Nachdem aber alle das Anliegen verstanden hatten, nämlich dass „Einheit in Verschiedenheit“ gesucht wurde, stimmten die Oberen schießlich der Gründung einer monastischen Oberenkonferenz für Brasilien zu, der CIMBRA. Erster Präsident wurde Abt Basílio.

 

II.  In carcere eram (Ich war im Gefängnis)

Das Jahr 1964 markierte einen Wendepunkt im politischen Leben Brasiliens und der dortigen Kirche. Am 31. März installierte ein Staatsstreich eine Militärdiktatur, die die kommenden 21 Jahre regieren sollte. Nur einige Wochen später wurde Helder Camara Erzbischof von Olinda und Recife. Zu Beginn war das Verhältnis zwischen dem neuen Erzbischof und den staatlichen Stellen noch respektvoll und ein Dialog schien möglich. Doch bald schon verhärtete sich der Regierungskurs. Es kam zur Verhaftung von Oppositionellen, Folterungen und politischer Repression, was das Verhältnis zur Kirche zunehmend beeinträchtigte. Abt Basílio hatte gute Beziehungen zum Militär, da sein Vater zuletzt Flottenadmiral gewesen war und drei seiner Neffen hohe Offiziersposten innehatten. So wurde er zum Vermittler zwischen Erzbischof Helder, der offen jede Form von Gewalt verurteilte, und den militärischen Stellen von Recife. Als enger Freund und Vertrauter des Erzbischofs konnte er diese delikate Aufgabe immer wieder erfolgreich bewältigen.

Mit großem Mut, manchmal sogar an der Grenze zur Unvernunft, verbarg er in diesen dunklen Zeiten verfolgte Studenten im Kloster und verhalf ihnen zur Flucht. In dieser Zeit gab es zahlreiche politische Häftlinge, die er regelmäßig als Priester und Arzt in den Gefängnissen besuchte. Bei diesen Besuchen musste er oft seitens der Polizei alle möglichen Schikanen erdulden. Als er einmal davon erzählte, fragte ihn ein empörter Mitbruder, wie er so etwas ertragen könne. Seine Antwort lautete: „Gott gibt mir so die Gnade, an den Leiden Christi Anteil zu haben. Beim letzten Gericht wird Jesus mir sagen: ,Ich war im Gefängnis und du hast mich besucht.‘“

Auf seinem hölzernen Abtskreuz war sein Wahlspruch eingraviert: „Christo nihil præponere.“ Bei einem Gefängnisbesuch wollte ein Gefangener sich das Kreuz näher anschauen und gab es ihm zurück, ohne etwas zu sagen. Zwei Wochen später schickte ihm dieser Gefangener, der ein guter Schreiner war, im Namen aller Gefangenen ein genau gleiches Holzkreuz zu. Darauf war als neuer Wahlspruch das Wort Jesu eingraviert: „In carcere eram“ (Ich war im Gefängnis). Abt Basílio war sehr bewegt und benutzte von nun an dieses Kreuz.

Die Liebe Christi allem anderen vorzuziehen war die eine große Leidenschaft seines Lebens! Seine tiefe Verbundenheit mit der Kirche und den Mitbrüdern, sein unermüdlicher Einsatz für diejenigen, die „hungern und dürsten nach Gerechtigkeit“, vor allem Arme und Gefangene, sein Eintreten für die Erneuerung des monastischen Lebens, das authentisch der Tradition folgen, aber auch offen für die Werte der Moderne sein sollte, haben gezeigt, wie intensiv er Christus und dem Evangelium nachfolgen wollte. Die letzten Jahre seines Lebens, als er mit der Krankheit kämpfen musste, verbrachte er in seinem Professkloster in Rio de Janeiro. Dort kehrte er am 2. Juni 2003 mit 88 Jahren heim zu Gott. Getragen von der Freude und dem Frieden des auferstandenen Christus hat er viele neue Wege eröffnet.

 

 

[1] Vom CIC 1917 eingeführter Begriff für Territorialabteien. Im Fall der Abtei Rio de Janeiro wurde der Titel bzw. Status im Jahr 2002 eingezogen.

[2] Persönliche Erinnerung an Erzählungen von Abt Basílio im Noviziat.

[3] Auf den Ausdruck „Perinde ac si cadaver esset“, der sich in den frühen Konstitutionen der Jesuiten befindet, kam Abt Basílio gerne in seinem Noviziatsunterricht zurück, wenn es um den Gehorsam ging.

Das Sekretariat der AIM

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Nachrichten

Jean-Pierre Longeat OSB

Präsident der AIM

 

Das Sekretariat der AIM

 

 

 


Sr. Mary Placid Dolores kehrt in ihre philippinische Heimat zurück, nachdem sie zur Präsidentin ihrer Kongregation gewählt wurde. Über 15 Jahre hinweg hat sie bei AIM mit großer Sorgfalt und Treue gewirkt. Jeder denkt gerne an ihr strahlendes Lächeln zurück und ihr immer ausgeglichenes Temperament. Sie sorgte sich stets um die Bedürfnisse der anderen und wachte darüber, dass niemand etwas fehlte. Jeden Hilfsantrag seitens der Klöster betreute sie mit großer Genauigkeit und achtete darauf, dass gerade die kleinen und schwachen Stimmen gehört wurden. Von Gestalt ist sie klein, aber sie besitzt ein großes Herz! Wir bedauern ihren Abschied und hoffen auf ein Wiedersehen, eventuell sogar ein gemeinsames Projekt in den Philippinen.

Nach ihrem Abschied haben wir nach reiflicher Überlegung unsere Räumlichkeiten in Kloster Vanves verkleinert. Die Büros von AIM und AMTM sind nun an einem Ort zusammengefasst, nämlich am Eingangsbereich des Klosters, wo sich auch die Zimmer und der Lebensraum von AIM befindet.

Die Neugestaltung scheint uns gelungen und gefällt uns sehr. Wir hoffen, dass sich daraus auch einige Ersparnisse ergeben, die den Klöstern zugute kommen, die sich an uns um Hilfe wenden.



Meine Zeit bei AIM

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Nachrichten

Mary Placid Dolores OSB


Meine Zeit bei AIM (2005-2020)

Alles ist Gnade!

 

 

Dieses kurze Zeugnis meines Lebens und meiner Arbeit ist die Frucht einer 15-jährigen Erfahrung im Dienst von AIM international. Es war sehr freundlich von Pater Jean-Pierre Longeat, das er mich um einige Zeilen bat. Er weiß, dass ich solche Arbeiten nicht liebe, doch habe ich dann doch zugestimmt.

Einige Menschen haben mich überzeugt, dass ich nach Vanves in Frankreich übersiedeln sollte, um dort für AIM zu arbeiten. Zu diesen Menschen zählten vor allem Abtpräses Jeremias Schröder von den Missionsbenediktinern von St. Ottilien und Sr. Gisela Happ, damals Generalsekretärin von AIM. Meine Äbtissin Consilia Marcellones und meine Gemeinschaft stimmten diesem Wunsch zu. Ich glaube, es gab auch noch weitere Mitglieder bei AIM, die meine Wahl unterstützten, ohne mich überhaupt zu kennen. Meinerseits war ich von großem Eifer erfüllt, mich in dieses neue Abenteuer meines monastischen Lebens zu stürzen und Klostergemeinschaften in der ganzen Welt durch AIM zu dienen. Ich war auch sehr aufgeregt und neugierig, Europa und seine Kultur kennenzulernen – alles war fremd und neu für mich.

© AIM.
Sr. Gisela Happ, Sr. Placid und S. Martin Neyt.

So gelangte ich direkt aus den Philippinen im September 2005 in Frankreich an. Dort erwartete mich eine herzliche Aufnahme seitens von Sr. Gisela, die mich vom Flughafen abholte, von S. Martin Neyt, der damals AIM leitete, und seitens der benediktinischen Gemeinschaft von Vanves. Später folgte dann S. Jean-Pierre als Präsident von AIM nach und Sr. Christine Conrath wurde Sekretärin.

Um mit Menschen in Kontakt zu kommen und uns auszutauschen, brauchen wir Sprache. So ging es zunächst darum, Französisch zu lernen. Dafür belegte ich einen neunmonatigen Intensivkurs. Danach sprach ich zwar kein perfektes Französisch, aber es reichte für die Alltagsanliegen und die Kommunikation wurde einfacher. Französisch ist eine schöne und interessante Sprache – ein wahrer Segen, dass es sie gibt!

In den folgenden zwei Jahren begannen Bauarbeiten. Die Benediktinerinnen stimmten zu, dass zwei Flügel des Hauses für ein internationales Studentenwohnheim und die AIM-Räumlichkeiten renoviert würden. Die Bauarbeiten wurden von Sr. Gisela betreut und wir sind allen Sponsoren dieses Umbaus sehr dankbar. Eine japanische Schwester, Sr. Michael Takahashi OSB vom belgischen Kloster der Verkündigung in Lüttich, ließ sich gewinnen, das Studentinnenwohnheim und die Studien der Bewohnerinnen zu betreuen.

In den folgenden Jahren (2006 bis 2017) kam eine Reihe junger Benediktinerinnen, Zisterzienserinnen und Trappistinnen nach Paris, um hier Theologie oder andere Studien im Auftrag ihrer Gemeinschaften durchzuführen. Dazu zählen 2 Ordensfrauen vom Kongo, 1 aus Togo, 1 aus Äthiopien, 4 aus Brasilien, 4 aus Vietnam und 3 aus den Philippinen. Auch einige mexikanische Schwestern haben sich hier mit Sprachkursen auf ihren Missionseinsatz in Afrika vorbereitet. Die so ausgebildeten Schwestern kehrten in ihr jeweiliges Kloster zurück, wo sie nun dank ihrer Studien in qualifizierterer Weise als Oberinnen, Novizenmeisterinnnen oder anderen Funktionen ihren Gemeinschaften dienen. Ihre gemeinsame Zeit in Vanves und das studentische Umfeld waren für sie unvergessliche und schöne Erfahrungen, von denen sie lebenslang zehren werden und mit Dank AIM verbunden bleiben.

Meine Arbeit bei AIM war ausgesprochen vielseitig, wobei ich hauptsächlich die Hilfsanträge und Projekte der Klöster bearbeitete. Über viele Jahre hinweg habe ich auch mit Sr. Gisela die Jahrestreffen des Exekutivkommitees und der Gremien vorbereitet.

AIM organisiert das Jahr über eine Reihe von Treffen. Das Internationale Team mit sieben bis neun Mitgliedern trifft sich zwei bis drei Mal pro Jahr. Der Rat trifft sich immer im Oktober oder November, was allerdings üblicherweise außerhalb von Frankreich stattfindet. Ich bin aufrichtig dankbar für die Chance, an diesen Treffen teilzunehmen, die aufgrund der Informationen, Diskussionen und des Austauschs über die Situation von Klöstern in der ganzen Welt sehr spannend sind.

Für AIM ist die Förderung der einzelnen Klöster der weltweiten Benediktinerfamilie und überhaupt des monastischen Lebens ein großes Anliegen. Ich möchte allen danken, denen ich bei diesen Treffen begegnet bin. Die Bekanntschaften und die durch sie ermöglichten Einblicke haben mich sehr bereichert.

Zu den angenehmsten Seiten meiner Arbeit bei AIM zählte der Alltag. Aufbauend war die Erfahrung des Bibelteilens vor Arbeitsbeginn. Es war schön, dass ich mit der Gemeinschaft von Vanves gemeinsam leben durfte, wo sich über die Jahre hinweg Austausch und Teilen entwickelten. Beeindruckend ist der allgemeine Eifer für die Liturgie. Und es ist für mich ebenso eine Freude, wenn ich im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben ein Blumenbeet verschönern oder die Räume reinigen darf.

Um meine Erfahrungen in Vanves zusammenzufassen, möchte ich einfach nur Danke sagen, was sich vor allem auf die Menschen bezieht, die Gott mich in dieser Zeit begegnen ließ. Bei jeder Begegnung mit noch unbekannten Menschen werden Brücken errichtet. Die europäische Kultur ist zu einem Kern geworden, um den herum sich das Christentum entwickelt hat. Dies konnte ich während meines Aufenthalts durch persönliche Begegnungen und viel Lektüre nachvollziehen, was für mich sehr bereichernd, ja unschätzbar war. Es gibt zwar die Versuchung, sich solche Erfahrungen allein durch Bücher anzueignen. Aber es braucht mehr – nämlich sich Zeit nehmen und die Bereitschaft, sich einzulassen. Für all das möchte ich Gott danken und den Menschen, die mich durch Gottes Führung geistig und menschlich wachsen ließen.

Mein kleiner Rückblick wäre unvollständig, wenn ich AMTM überginge: Es ist eine Laienorganisation, welche sich die weltweite Unterstützung von Klöstern zum Ziel gesetzt hat und AIM in vieler Hinsicht sehr beisteht. Die Leitungstreffen fanden regelmäßig in den Büros von AIM statt und boten die Gelegenheit, die Mitglieder kennenzulernen. Auch hier darf ich Gott für die Freundschaften danken, die sich aus dem geteilten Anliegen ergaben, den Klöstern in aller Welt zu helfen.


Treffen von CIB in Rom im Jahr 2018, die asiatische Gruppe mit Sr. Placid.
Treffen von CIB in Rom im Jahr 2018, die asiatische Gruppe mit Sr. Placid.

Reise nach Argentinien (Fortsetzung)

18

Nachrichten

Jean-Pierre Longeat OSB

Präsident der AIM


Reise nach Argentinien,

Oktober 2019 (Fortsetzung)[1]

 


 

 

 

Freitag, 27. septembre 2019, Abtei Niño Dios

Ich besuche das Kloster Niño Dios in der Region Paraná nahe der Stadt Victoria.

Wir erreichen das Kloster gegen Mittag, nachdem wir weite Strecken endloser argentinischer Pampa unter einer strahlenden Frühlingssonne durchquert haben.

Abt Carlos Martín Oberti kommt mir am Eingangsbereich des Klosters entgegen und wir gehen gemeinsam ins große Refektorium, um das Mittagessen einzunehmen. Ungefähr zwölf Mönche nehmen am Essen teil.

Das Kloster Niño Dios, also übersetzt Kind Gottes, wurde von der französischen Abtei Belloc im Jahr 1899 gegründet. Es handelt sich um das erste Benediktinerkloster in Lateinamerika. Der Bischof von Paraná wünschte sich damals eine gefestigte und zahlreiche Klostergemeinschaft für seine Diözese. Dafür unternahm er eine Wallfahrt zum Heiligtum Unserer Lieben Frau in Luján, wo er von der Gottesmutter eine Ordensgemeinschaft für sein Bistum erbat. Ein französischer Missionar gab ihm daraufhin den Hinweis, er solle sich doch an die Abtei Belloc wenden.

Die damaligen staatlichen Stellen wären kaum bereit gewesen, einer Ordens- oder Kongregationsniederlassung zuzustimmen, die keine erzieherischen oder sozialen Aufgaben wahrnahm. Daher blieb den Mönchen nichts anderes übrig, als eine Handwerkerschule zu eröffnen.

Unter den Aktivitäten, welche die Gemeinschaft über die Jahre übernahm, sei vor allem die Seelsorge in der Stadt Victoria und in der gesamten Region in der Zeit zwischen 1899 bis 1988 erwähnt. Zur Pfarrei, die unter dem Schutz Unserer Lieben Frau von Aranzazu steht, gehört auch ein weiter ländlicher Umkreis und einige Inseln mit vielen Kapellen und religiösen Einrichtungen, die in dieser Zeit ausschließlich von den Patres der Gemeinschaft betreut wurden.

Dabei war der seelsorgliche und missionarische Einsatz nicht auf den Landkreis von Victoria oder die Provinz Entre Ríos beschränkt, sondern erstreckte sich auf weitere Regionen Argentiniens. An manchen Einsatzorten waren Mönche über mehrere Jahre hinweg tätig. So betreuten sie von 1921 bis 1934 das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Itatí in Azul (Provinz von Buenos Aires), wozu neben der Kirche ein Waisenhaus und eine Schule gehörten, und in Larramendy (gleichfalls Provinz von Buenos Aires) betreuten sie die Schule und eine Kirche im ländlichen Raum (1917-1924).

Von Niño Dios aus wurden mehrere andere Klöster gegründet: die Abtei Christkönig in El Siambón, Tucumán (Argentinien) im Jahr 1956 und das Priorat La Pascua in Canelones (Uruguay) im Jahr 1976, das leider vor kurzem geschlossen wurde. 1982 übernahm Niño Dios die Verantwortung für das Priorat San Benito de Llíu-Llíu in Limache (Chile).

Seit 1965 betreut die Abtei die Privatschule John F. Kennedy, die in der Stadt Victoria liegt und das Ausbildungsinstitut San Benito, das seit 1983 Lehrer ausbildet und von einem Laiengremium geleitet wird.

Die Gemeinschaft hat den Bau eines Wohnviertels angeregt, deren erster Teil 1971 fertiggestellt wurde. Auch der Sozial- und Sportclub, der seit 1959 verschiedene kulturelle Aktivitäten oganisiert, geht auf eine Initiative der Mönche zurück. Hingewiesen sei auch darauf, dass das Kloster ein wichtiger Arbeitgeber ist.

Der gegenwärtige Abt Carlos Martín Oberti wurde im Jahr 1997 gewählt.

Am 29. August 1998 konnte eine neue Abteikirche in einem neo-romanischen Stil eingeweiht werden. Das Innere ist lichtdurchflutet. Sie ist dem Weihnachtsgeheimnis, der Geburt unseres Herrn Jesus Christus gewidmet.

Die Abteikirche von Niño Dios.
Die Abteikirche von Niño Dios.

Nach dem Mittagessen treffe ich mich mit der Gemeinschaft bei einem Likör, der im Kloster hergestellt wird. Wir sprechen über die Lage der Klöster in aller Welt und wo sinnvolle Schwerpunkte gesetzt werden könnten. Es ist eine lebhafte Diskussion, bei welcher jeder Anwesende seine Meinung äußert und was ihm wichtig ist. Die Gemeinschaft durchlebt zur Zeit eine schwierige Phase, da vor kurzem der Prior von Kloster Christkönig in El Siambón bei einem Bergunfall ums Leben kam. Sein Körper wurde erst einige Tage nach dem Unfall aufgefunden. Für die Klosterfamilie von Niño Dios ist dies ein harter Schlag.

Nach dem Gespräch besichtige ich das Kloster und vor allem die Krypta, in der sich die berühmte Statue des Jesuskindes befindet, die aus Belloc stammt und dem Kloster seinen Namen gegeben hat. Es gibt Anlass zum Nachdenken, dass diese einstmals große und nun sehr zusammengeschrumpfte Gemeinschaft gerade dem Jesuskind geweiht ist. Sie muss sich nun den Händen des Vaters für ihre weitere Zukunft anvertrauen, wie es einst der Gottessohn gemacht hat.

 

Benediktinerinnenkloster von Paraná

Am Abend gelangen wir beim Frauenkloster von Paraná an, das von der Abtei Córdoba gegründet wurde. Wir werden von einer kleinen Gemeinschaft von acht Schwestern empfangen. Die Begrüßung erfolgt spontan, offen und herzlich. Man fühlt sich wie in einer Familie aufgenommen. Die Priorin, Sr. Isabel, verfügt über viel Erfahrung. Es handelt sich bei ihr um eine geistliche Tochter der Äbtissin von Córdoba, Mutter Candida Cymbalista, von der bereits früher die Rede war (vgl. ihre Biographie in Bulletin 113, S. 101-112). Ich bin beeindruckt von ihrem exzellenten Französisch.

Wir beten gemeinsam die Vesper und anschließend ist Abendessen im Gästehaus, wo sich zwei junge Frauen für eine Auszeit befinden. Sie arbeiten in der Nähe in einer französischen Käsefabrik. Wir unterhalten uns lebhaft, während eine Schwester uns bedient ähnlich wie Abraham die drei Engel in Mambre versorgte. Das macht mich etwas verlegen und ich versuche ihr zu helfen, was sie aber eisern ablehnt. Sie will die ihr übertragene Aufgabe selbst erledigen.

Die Gemeinschaft von Paraná.
Die Gemeinschaft von Paraná.

 

Samstag, 28. September

Nach dem Frühchor schlägt mir die Priorin einen Rundgang vor. Wir beginnen in der neu eingerichteten Marmeladenfabrik. Diese war früher in wenig geeigneten Räumlichkeiten untergebracht, doch können die Schwestern und Angestellten nun in angemesseneren Räumen mit besserer technischen Ausstattung arbeiten. Die Cellerarin ist dankbar für die finanzielle Unterstützung von AIM, die diese Verbesserung ermöglicht hat.

Seit der Gründung im Jahr 1987 befindet sich das Kloster ständig im Umbau. Die Zahl der Schwestern bewegt sich immer um die Zahl acht herum. Einige junge Frauen sind eingetreten, haben aber das Kloster später wieder verlassen. Die Schwestern träumen vom Bau einer kleinen Kirche. Die bisherige Kirche könnte dann die Bibliothek werden. Ein letztes großes Bauvorhaben der Schwestern wäre dann noch ein vierter Klosterflügel, der den an einer Seite offenen Innenhof abschließen würde.

Von Anfang an zeigte sich die Gemeinschaft sehr offen für die örtliche Bevölkerung. Das Nachbardorf besteht aus ehemaligen Wolgadeutschen. Auch dort findet eine ständige Bautätigkeit statt. Obgleich schon drei oder vier Generationen seit der Gemeindegründung vergangen ist, hat es noch keine kommunale Selbstständigkeit erreicht. Die umliegende Region von Entre Rios ist gekennzeichnet durch viele derartige Dörfer und Städtchen, die im 19. oder 20. Jahrhundert von Einwanderern gegründet wurden.

Die Priorin legt mir einen Besuch im Dorf nahe. Wir sehen eine sehr deutsch wirkende Kirche, deren Turm mangels Geld noch ein Stumpf ist. Im kleinen Supermarkt macht meine Begleiterin einige Einkäufe, daneben gibt es eine Apotheke, eine Schule und einige Freizeitanlagen. Jeder kennt jeden. Es wirkt wie eine große Familie, zu der die Schwestern ganz selbstverständlich dazugehören. Jeder, der vorbeigeht, grüßt sie und nimmt sich Zeit, um einige Worte auszutauschen. Als wir ins Kloster zurückkehren, warten vor dem Haus schon einige Leute. Die Schwestern sind offen für Begegnungen, achten aber auch auf ihren privaten Raum. Zum Kloster gehört auch eine Gruppe von ungefähr zwanzig hochengagierten Oblaten.

Die Situation der Gemeinschaft rührt mich an. In gewisser Weise zeigt dieser Konvent in Paraná mögliche Wege, wie ein Mönchtum der Zukunft gestaltet sein könnte: Kleine Gemeinschaften, gut integriert in das jeweilige soziale und kirchliche Umfeld, tief verwurzelt in der Berufung zum Gebet und zu einem geschwisterlichen Leben, die positive Signale der Hoffnung ausstrahlen, dass Leben in Gemeinschaft schön sein kann und friedliches Leben in unserer Welt möglich ist. Auch wenn die Gemeinschaft von Paraná fragil ist, erfüllt sie vollauf eine solche Mission.

Nur wenige Kilometer weiter befindet sich der Fluss Rio Paraná, der diese Region prägt und ihr den Namen Entre Rios gegeben hat. Sie unterscheidet sich vollkommen von der Pampa, die sich kilometerweit in Richtung Buenos Aires erstreckt. Paraná liegt eindrucksvoll auf den ungefähr 50 Meter hohen Uferböschungen an der östlichen Seite des Flusses, dessen Namen sie trägt. Die Entfernung nach Buenos Aires beträgt von hier aus ca. 470 km und zur nächsten Stadt Santa Fe sind es 25 km. Mit der Stadt ist sie kommunal verbunden, was zu einem guten Teil einem Tunnel zu verdanken ist, der unter dem Fluss hindurchführt und die beiden Orte verbindet. Die Gesamtzahl der Einwohner beträgt ca. 250.000 Personen.

 

Sonntag, 29. September

8.00 Uhr morgens ist Abfahrt von Paraná. Sr. Andrea sitzt am Steuer und Priorin Isabel kommt auch mit, da beide am Treffen von EMLA in Córdoba teilnehmen wollen, wohin auch ich unterwegs bin.

Bei einem ersten Zwischenstop halten wir in Rafaela, einer Stadt, die ungefähr drei Fahrstunden entfernt liegt. Dort befindet sich eine Klostergründung der Abtei St. Scholastica von Buenos Aires (die erste von mir besuchte Gemeinschaft in Argentinien, vgl. Bulletin 118, S. 97f.). St. Scholastica hat auch ein Kloster in Uruguay und in San Luis in Argentinien gegründet. Allerdings soll dieses letztere Kloster nun wieder zu einem einfachen Haus heruntergestuft werden, da es sich nicht recht entwickeln will.

Wir erreichen Rafaela gerade richtig zur Morgenmesse. Diese ist gut besucht, da heute die Diakone der Diözese (ungefähr 15 Männer) anwesend sind. Während des Gottesdienstes werden zwei weitere Männer als Kandidaten für das Diakonat aufgenommen. Die Diakone gestalten die Messe. Die Klostergemeinschaft nimmt ohne weiteres an den Gesängen und den gestalteten Teilen teil. Es wirkt wie ein Pfarreigottesdienst, auch wenn für die Klostergemeinschaft ein Teil der Kirche reserviert ist.

Das hiesige Kloster von Rafaela wurde auf Wunsch des Ortsbischofs gegründet, der dem Mutterhaus St. Scholastika sehr nahe steht, und neben dem diözesanen Bildungshaus errichtet. Die Schwestern betreuen dieses Bildungshaus und bieten Kurse an, wodurch sie in der Diözese recht bekannt sind. Es ist ein interessantes Beispiel, wie benediktinisches Leben sich den jeweiligen Umständen anpassen kann, da das Mutterhaus St. Scholastica eigentlich einen klassisch-kontemplativen Hintergrund hat.

Gemeinschaft von Rafaela.
Gemeinschaft von Rafaela.

Das Kloster weist also eine große Lebendigkeit auf und sein Gebetsleben ist zu einem beträchtlichen Teil von den Gebetsanliegen der Ortskirche bestimmt. Die Schwestern betreuen Gruppen zur Berufungsklärung oder Katechumen und haben beste Beziehungen zum Bischof und allen Priestern der Diözese. Ihr Gästehaus ist besonders am Wochenende das ganze Jahr hindurch belegt.

Nach dem Gottesdienst führen mich die Schwestern durch die Anlage und zeigen mir die Orte, wo Zuschüsse der AIM eingesetzt wurden. Dazu zählt eine Paramentenwerkstatt und eine Hostienbäckerei.

Nach dem Mittagessen fahren wir weiter nach Córdoba, was ungefähr fünf Stunden Fahrzeit bedeutet.

Bei meiner Ankunft überrascht mich eine ganz andere Gestaltung benediktinischen Lebens im Frauenkloster von Córdoba, das sich zu Recht Gaudium Mariae nennt, Freude Mariens. Damit wird auf die Heimsuchung Bezug genommen, und in der Gemeinde ist tatsächlich viel Freude spürbar. Wir werden mit offenen Armen aufgenommen. Andere Teilnehmer des EMLA-Treffens sind bereits eingetroffen. Wir nehmen ein gemeinsames Picknick ein und ich freue mich, also ich in dieser lockeren Atmosphäre eine Reihe von Oberen entdecke, die ich schon von früheren Treffen mit lateinamerikanischen Ordensleuten kenne.

 

In den folgenden Tagen finden die Sitzungen des EMLA-Treffens statt. Es umfasst zahlreiche Vorträge, Begegnungen und Exkursionen, die jeweils starke geistliche Impulse mit sich bringen. Das Treffen hat mehrere Anliegen: die Mönche und Schwestern wollen sich geschwisterlich austauschen, informieren und stärken, um ihr Leben aus der Dynamik des Gotteswortes und unter der Führung des Evangeliums heraus zu leben (so das Leitthema des Treffens). Gott sei gedankt für die vielen Gaben, die er uns dafür in seiner Liebe schenkt!

 

[1] Der erste Teil des Reiseberichts erschien im Bulletin 118 (2020), S. 97-106.

Tagung der EMLA.
Tagung der EMLA.

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