Nirmala Narikunnel OSB
Äbtissin von Shanti Nilayam (Indien)
„Himmel und Erde
verkünden die Herrlichkeit Gottes“
(Psalm 19)
Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes
und das Firmament kündet das Werk seiner Hände.
Ein Tag sagt es dem andern,
eine Nacht tut es der andern kund,
ohne Rede und ohne Worte,
ungehört bleibt ihre Stimme.
Doch ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus,
ihre Kunde bis zu den Enden der Erde.
Dort hat er der Sonne ein Zelt gebaut.
Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam;
sie frohlockt wie ein Held, ihre Bahn zu laufen.
Am einen Ende des Himmels geht sie auf
und läuft bis ans andere Ende;
nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen.
(Psalm 19,1-7)
Dieser Psalmist war vielleicht ein Hirte, der seine Herde hütete und Gottes Schöpfung bewunderte. Auch wenn er keine wissenschaftlichen Kenntnisse hatte und nichts von der zukünftigen Technologie wusste, konnte er über die Schöpfung staunen und diesen schönen Psalm singen.
Durch sein mächtiges Wort hat Gott das gesamte Universum erschaffen und geordnet, und seine Pläne sind unumkehrbar. Die Herrlichkeit, die Pracht und der Glanz Gottes zeigen sich in diesem Psalm. Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Sonne, die die Welt erleuchtet. Die Himmelskörper und die regelmäßige Abfolge von Tag und Nacht manifestieren Gottes Herrlichkeit und sie übermitteln still und leise ihre Botschaft und rufen uns auf, Gott zu loben. Gott hat das Universum wunderbar eingerichtet und alles, was es enthält, dient unserem Wohl. Der Himmel und die Erde offenbaren seine Herrlichkeit. Die Vollkommenheiten Gottes werden in beredter Stille von der geschaffenen Welt verkündet. Der Psalmist meditiert über die vollkommene Stille der Natur. Wir können die Wunder der Natur nur in der Stille genießen. Wie der Prophet Elija finden wir den Schöpfer in einer leichten Brise. Ohne Worte oder Stimmen erzählt die Schöpfung von der Herrlichkeit Gottes. Sie folgt vollkommen dem Gesetz der Natur. Die Sonne wird nicht aufhören auf- oder unterzugehen, weil Gott, der Schöpfer, die Schöpfung in Ordnung gebracht hat, und sie folgt perfekt der Ordnung, die sich, wenn er es nicht will, nicht ändern wird.
Benedikt widmet der Stille ein ganzes Kapitel seiner Regel. Nur in der Stille können wir Gott wie auch unsere Mitmenschen finden. Je tiefer der Geist des Menschen in die ihn umgebende Welt eindringt, desto mehr erstaunt uns dieses Zeugnis durch seine Größe und Herrlichkeit. Wunderbarer Gott einer wunderbaren Welt, die eine große Ehre und Herrlichkeit verdient. Die Herrlichkeit Gottes bedeutet seine Selbstoffenbarung und Kommunikation, die von den Menschen die Antwort des Lobes fordert. In vielen anderen Psalmen wird der Psalmist die gesamte Schöpfung auffordern, die Größe des Schöpfers zu preisen, z. B. in Psalm 148.
Die Nacht ist die Abwesenheit des Sonnenlichts. Die Nacht und der Tag singen von der Herrlichkeit Gottes. Der Tag verkündet den Glanz Gottes und die Nacht seine Verborgenheit und sein Geheimnis. Weder der Tag noch die Nacht können wie der Mensch sprechen, aber trotzdem übermitteln sie ihre Botschaft als „Sakramente“ der Macht und Majestät Gottes. Ihre Beredsamkeit ist lautlos. Das Lob, das Gott bei Tag und Nacht dargebracht wird, bedeckt die ganze Erde; es wird universell gehört.
Die Sonne ist der wichtigste und offensichtlichste Zeuge von Gottes Glanz. Sie wird poetisch so dargestellt, dass sie sich in einem Zelt am östlichen Himmel versteckt, bevor sie in der Morgendämmerung erscheint, und wird wegen der Stärke ihrer Hitze mit einem in prächtige Gewänder gekleideten Bräutigam und wegen ihres Lichts mit einem militärischen Helden verglichen.
Der Psalmist war tief beeindruckt vom Himmel, der ununterbrochenen Abfolge von Tagen und Nächten und dem Auf- und Untergang der Sonne. Er verfasste ein Gedicht und sang es in der Gegenwart der Gläubigen. Die Welt der Schöpfung ist ein Spiegel, der Gott widerspiegelt, und alle, die wie der Psalmist glauben, können die Spiegelungen Gottes in der natürlichen Welt sehen. Die äußerste Größe und Macht Gottes leuchtet im himmlischen Heiligtum, in der Weite des Himmels und auf der ganzen Erde.
„Die Sonne verkündet durch ihr Erscheinen beim Aufgang, / ein wunderbares Geschöpf, ein Werk des Höchsten! Zur Mittagszeit trocknet sie den Boden aus, / wer wird bestehen vor ihrer Glut? Wer in einen Ofen bläst bei Arbeiten mit Glut – / dreimal so stark versengt die Sonne Berge; sie atmet Feuerdämpfe aus / und blendet mit gleißenden Strahlen die Augen. Groß ist der Herr, der sie gemacht hat, / mit seinen Worten beschleunigt er ihren Lauf.“ ( Jesus Sirach 43)
„Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen. Vor allem Schwester Sonne, die der Tag ist und durch die du uns das Licht schenkst, und sie ist schön und strahlt eine große Pracht aus, und sie gleicht dir, Höchster.“ (Franziskus von Assisi)
Gott hat den Himmel und die Erde erschaffen, und die Krone der Schöpfung ist der Mensch. Der Mensch ist nur wenig geringer als Gott (Ps 8). Der Psalmist, ein gewöhnlicher Mensch mit einer blühenden Fantasie und einem tiefen Gefühl der Ehrfurcht, verkündet die Majestät und die Macht des Schöpfers. Doch der Mensch hat die Schönheit der Schöpfung durch die Sünde verunstaltet. Christus ist wie das Licht der Sonne gekommen, um die Finsternis dieser Welt zu vertreiben. Der Schöpfer des riesigen und wunderbaren Universums ist so groß und mächtig, und doch kümmert er sich um die Menschen.
Wenn der Mensch die Schöpfung missbraucht oder schlecht behandelt, reagiert die Natur. Vor kurzem wurde unser Kloster und die Umgebung überschwemmt; der Grund dafür war, dass einige Leute Müll in den Abfluss geworfen hatten. Dieser wurde durch die anhaltenden Regenfälle blockiert, wodurch unser Bauernhof und die meisten unserer Feldfrüchte beschädigt und das Trinkwasser verseucht wurde. Wir haben große Verluste erlitten. Wir konnten nichts tun, bis sich das Wasser langsam zurückzog, und das dauerte über eine Woche. Wenn die Natur reagiert, können wir nichts anderes tun, als auf den transzendenten Gott zu vertrauen, der in der Schöpfung gegenwärtig ist.
Wenn wir diesen Psalm beten, können wir über die Schöpfung staunen: Mit welcher Weisheit und Liebe hat Gott alles geplant und organisiert? Wir danken Gott, dem allweisen und allmächtigen Herrscher über das Universum, dass er alles so gut und schön geschaffen hat. Alles Lob und alle Ehre gebührt Gott für seine unendliche Weisheit, seine Macht, seine Schönheit, seine Kreativität und seine Liebe. Wir preisen Gott im Namen der gesamten Schöpfung. Den Schöpfer und Erhalter des gesamten Universums zu loben und zu preisen ist das höchste Ziel aller Geschöpfe und Menschen.
Herr Gott, wir preisen dich im Namen der gesamten Schöpfung. Die Schönheit und Güte von allem, was du geschaffen hast, sowie die vollkommene Ordnung in der Natur offenbaren deine Weisheit und deine Liebe. Alles, was du geschaffen hast, ist ein Wunder. Nimm das Lob und die Anbetung an, die wir dir darbringen, und lass alle Menschen die Güte und Weisheit erkennen, die in der Schöpfung wirksam sind, und dich von ganzem Herzen preisen.