Olivier-Marie Sarr OSB
Abt von Keur Moussa (Senegal),
Leiter des Programms Sainte Anne
Das Programm Sainte Anne
Schulung von AusbilderInnen
für westafrikanische Klöster
Aufgrund eines echten Bedürfnisses der Mönche und Nonnen im innerklösterlichen Ausbildungsbereich haben die Oberen der französischsprachigen westafrikanischen Klöster vor einigen Jahren das Programm Sainte Anne ins Leben gerufen. Im Folgenden soll dieses Programm mit seinen Zielen und Zukunftsperspektiven kurz vorgestellt werden.
Das Ziel: Initiation
„So wie die hl. Anna ihre Tochter Maria in die Wege der Weisheit eingeführt hat, so dass diese der Welt die ewige Weisheit des Vaters schenken konnte, so will das Programm Sainte Anne Schwestern und Brüder aus westafrikanischen Klöstern zur Gottsuche hinführen, indem ihnen die monastische Theologie vermittelt wird.“ (Aus den Statuten des Programms Sainte Anne)
Mit diesen programmatischen Worten wollten die Oberen der französischsprachigen westafrikanischen Klöstern das Anliegen dieses Ausbildungsforums vermitteln und zugleich erklären, warum diese Gründung unter den Schutz und Namen der hl. Anna gestellt wurde. Der Verweis auf die erzieherische Rolle der Mutter Marias, der hl. Anna, entspricht einer Form der Wissensvermittlung, welche den Afrikanern sehr vertraut ist: der Initiation. Damit wird ein wesentliches Element traditioneller afrikanischer Erziehung beschworen. Die Initiation ist ein Vermittlungsprozess, der bestimmten Riten folgt und zwei Dimensionen umfasst: den Übergang vom Zustand der „Minderjährigkeit“ zum „Erwachsensein“ und damit verbunden die Weitergabe einer Tradition und eines Wissens, das Erwachsenen vorbehalten ist.
Angewandt auf den afrikanischen Kontext möchte das Programm den französischsprachigen Ordensleuten der westafrikanischen Benediktinerfamilie Weiterbildung für ihre innerklösterlichen Erziehungsaufgaben ermöglichen. Angesprochen sind in erster Linie Mitbrüder und -schwestern, die einen philosophisch-theologischen Bildungshintergrund haben aufgrund einer innerklösterlichen Ausbildung oder einem Studium an Priesterseminaren oder katholischen Hochschulen.
Vier Ziele
Üblicherweise wird erwartet, dass nach einem mehrjährigen Theologiestudium die Absolventen selbst unterrichten können. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass selbst bei guten Abschlussnoten nicht alle in der Lage sind, ihre Kenntnisse in nachvollziehbarer Weise zu vermitteln, selbst wenn sie diese vollkommen begriffen haben. Hier möchte das Programm Sainte Anne helfen, das in dieser Hinsicht sich vier Punkte zum Ziel gesetzt hat:
1. Die Kursteilnehmer befähigen, jeweils Kurse in Bibelstudien, monastischer Theologie und Liturgie anzubieten, wozu die Inhalte, pädagogische Hinweise für die Präsentation und Anhaltspunkte für ein vertieftes Eigenstudium vermittelt werden;
2. Aufbau eines Personalpools für das französischsprachige Westafrika mit qualifizierten monastischen Ausbildern;
3. Intellektuelles Leben in den Klöstern anregen;
4. Aufbau einer eigenständigen monastischen Reflexion in Afrika.
Um dieses Ziele nach und nach zu erreichen, muss man darauf achten, dass die Ausbilder methodisch geschult sind, damit sie eigenständig Kurse erarbeiten können, die klar strukturiert und übersichtlich sind und auf einer aktuellen Bibliographie aufbauen. Da die Methodologie zusammen mit der Pädagogik die Achsen sind, über welche die Wissensvermittlung verläuft, wollten wir ursprünglich ein eigenes einmonatiges Modul ausschließlich der Methodenlehre widmen. Wegen der Einschränkungen aufgrund des Corona-Virus haben wir den Kurs aber auf das kommende Jahr verschieben müssen. Insgesamt scheint es unabdingbar, dass den jungen Ausbildern zunächst einmal das didaktische, pädagogische und methodologisches Handwerkszeug vermittelt wird, damit sie auf ihre Aufgaben gut vorbereitet sind. Doch dürfen wir uns dabei nicht aufhalten. Es gibt noch weitere Baustellen.
Zukunftsperspektiven
Auch wenn die Kurse aufgrund der enormen geographischen Entfernungen und finanzieller Einschränkungen voraussichtlich nur alle vier Jahre stattfinden können, soll das Programm Sainte Anne ein wichtiges Instrument werden, um die Ausbilder unserer westafrikanischen Klöster besser vorzubereiten. Dazu gehört ein Klima der Solidarität zwischen den beteiligten Klöstern hinsichtlich der Notwendigkeit einer intellektuellen Ausbildung. Eine mögliche gegenseitige Hilfe könnte in der Erstellung einer Liste bestehen mit Namen befähigter Mitbrüder und -schwestern, die je nach Spezialisierung Hilfestellungen, Kurse oder Unterrichtsmaterialien anderen Klöstern zur Verfügung stellen könnten. Dazu wollen wir eine Internetplattform schaffen, auf der die westafrikanischen Klöster Kurse mitverfolgen oder anbieten, Bibliographien, Artikel oder Rezensionen hoch- und herunterladen können, wobei die Hochschule Sant’Anselmo, AIM oder ähnliche Einrichtungen uns unterstützen könnten. Damit würden wir eine wichtige Ergänzung zu unseren schlecht ausgestatteten Bibliotheken schaffen.
Aber wir können noch weiter denken. Es ist bekannt, dass einige unserer Klöster nicht ausreichend geschultes Personal für die Ausbildung ihres Nachwuchses haben. Es liegt am Leiter des Programms Sainte Anne und seinen Mitarbeitern, die Oberen über bestehende Ausbildungsmöglichkeiten in unserer Region zu informieren, insbesondere wenn sie monastische Strukturen und Studium verbinden. Ein schönes Beispiel dafür ist das Angebot philosophisch-theologischer Studien in Kloster Sainte-Marie de Bouaké.
Als Zusammenfassung kann man sagen, dass die vorgeschlagene Initiation einen Reifungsprozess beinhaltet. Dieser ist dynamisch und beinhaltet eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie Tradition, Fortschritt und neue Initiativen vereint werden können. Zwar ist selbstverständlich, dass die Fragen von gestern nicht unbedingt die von heute sind, aber Ausbildung bleibt immer ein Dreh- und Angelpunkt für das Gedeihen unserer Gemeinschaften. Das Programm Sainte Anne will hier auf neue Bedürfnisse unserer Klöster reagieren und Antworten finden für eine zukunftsweisende Ausbildung der unterrichtenden Mitbrüder und -schwestern.