Guillermo Arboleda OSB
Abt von Envigado (Kolumbien),
Präsident der Kongregation von Subiaco-Montecassino
Das neue Kloster
Maria Himmelfahrt in Envigado (Kolumbien)
Das Benediktinerkloster Maria Himmelfahrt wurde im Jahr 1954 im Vorort Zúñiga der Stadt Envigado gegründet, die ihrerseits am Rande des Großraums von Medellín liegt. Zur Gründungszeit und dann noch über viele Jahre hinweg war das Kloster von einer halbländlichen Umgebung geprägt, der auch die eigene sozio-kulturelle Identität entsprach. Aber die zunehmende Verstädterung hat diese Voraussetzungen grundlegend verändert. Heute lebt die Gemeinschaft in einem Wohngebiet, das von einer dichten Bebauung von Wohnhäusern geprägt ist.
Seit der Klostergründung lag der Schwerpunkt der Gemeinschaftsaktivitäten auf der Betreuung der Schule St. Maria. Über viele Jahre hinweg teilten sich Kloster und Schule dasselbe Gebäude, in dem beiden verschiedene Gebäudeteile nutzten.
Anfangs hatte es zwar bereits einmal ein eigenes Gebäude für die Mönche gegeben, aber als in den 1960er Jahren eine neue Schule errichtet wurde, zogen die Mönche in die drei unteren Geschosse des neuen Bauwerkes ein. Im Erdgeschoss wurde eine provisorische Kapelle in einem Raum eingerichtet, der ursprünglich als Unterbringung für die Schulbusse gedacht war. Dieses Provisorium war in der Folge immerhin gut fünfzig Jahre im Einsatz.
Im Jahr 2011 wurde in der Gemeinschaft immer stärker das Bedürfnis spürbar, einen Bereich zu schaffen, in dem in einem gewissen Abstand zum Schulbetrieb Gemeinschafts- und Klosterleben besser praktiziert werden kann. Zunächst dachte man daran, das Kloster aus der Stadt hinauszuverlagern. Doch die Visitation von 2015 riet der Gemeinschaft von einem Ortswechsel ab und schlug vor, die Klostergebäude der Gründungszeit im hinteren Teil des Geländes zu reaktivieren. Diese wurden damals als Gästehaus genutzt.
Entsprechend diesem Vorschlag wurde ein neues Kloster zwischen 2016 bis 2018 errichtet, das auf den vorhandenen Baulichkeiten aufbaute. In der Heiligen Woche 2019 zog dann die Gemeinschaft im neuen Kloster und am 22. April folgte die Kirchweihe.
Die neue Kirche ist in Form eines geosteten lateinischen Kreuzes errichtet. Die Länge des Kirchenschiffs beträgt 24 Meter und die Breite 8 Meter, welche von einer kleinen Apsis mit Priestersitz abgeschlossen wird. Das abschließende Querschiff hat eine Grundfläche von 13 x 8 Meter und beherbergt das Chorgestühl.
An beiden Seiten des Kirchenschiffs befinden sich noch zwei Seitenaltäre, welche Maria Himmelfahrt bzw. dem hl. Benedikt geweiht sind. Die Altarbilder der Gottesmutter und des hl. Benedikt stammen vom kolumbianischen Maler Gregorio Cuartas, der ehemals zur französischen Abtei La Pierre-qui-vire zählte. Der Hauptaltar liegt innerhalb der Apsis, deren Gewölbe mit einem Christus Pantokrator bemalt ist (die Umrisslinien in Mosaiktechnik), während das Lesepult sich in der Mitte des Chorbereichs befindet.
Auf der linken Seite der Kirche wurde ein Glockenturm mit einem kleinen Abstand errichtet. Im Erdgeschoss des Glockenturms ist eine Sakramentskapelle untergebracht, welche mit der Kirche durch einen Gang verbunden ist. Im zweiten Turmgeschoss wurden die Überreste der bislang verstorbenen Mönche in Nischen entlang der östlichen Wand untergebracht und im dritten Stockwerk befindet sich die Bibliothek und eine Buchrestaurierungswerkstatt.
Wie man den Bildern entnehmen kann, vereint die Kirche die klaren Linien einer römischen Basilika mit typischen Elementen kreolischer Kirchenausstattung (z.B. sichtbare Balken des Querschiffs, Holzdecke, gekalkte Wände, in die frisch verputzten Wände eingeritzte Dekorationen im inneren und äußeren Tympanon der Eingangstür). Vor der Kirche befindet sich ein kleiner Innenhof mit Brunnen.
Auf Luftaufnahmen lässt sich die neue Klosterstruktur am besten erkennen: Im Mittelpunkt steht nun die Kirche mit vorgelagertem Innenhof, im Norden der Klausurbereich mit den üblichen Nebengebäuden, im Süden die Pforte, Sprechzimmer, Gruppenraum für bis zu 100 Personen, Bibliothek und Gästehaus. Alle diese Räume gruppieren sich um einen mit Büschen bewachsenen Platz.
Die Gemeinschaft hat sich dazu entschieden, dass die neue Bibliothek im äußeren Bereich gebaut werden soll, damit auch Gäste und Besucher deren vielfältige Schätze nutzen können. Der Bestand kann vorab im Internet eingesehen werden. Das Gästehaus umfasst acht Zimmer, die alle mit Nasszelle ausgestattet sind. Schule und Kloster sind durch einen Zaun und eine Grünfläche getrennt.
Die Leitung und Verwaltung der Schule, die von ungefähr 1000 Schülern besucht wird, liegt in den Händen hochqualifizierter Angestellter. Die Mönche sind für die Schulseelsorge zuständig (Schüler, Lehrer, Angestellte, Eltern). Seit 2015 gehört die Schule zum weltweiten Netzwerk der benediktinischen Schulen, nimmt an dessen Treffen teil und steht in ständigem Austausch mit anderen benediktinischen Schulen. Diese Verbindung hat dazu beigetragen, dass unser erzieherisches und pastorales Programm verstärkt von den Grundprinzipien benediktinischer Spiritualität inspiriert wird.
Die Abtei Envigado ist heute ein Stadtkloster mit Schule, welche in einem Wohnviertel der Stadt gelegen ist. Die in den letzten Jahren erfolgte klare Trennung zwischen Schul- und Klosterräumen dank neuer Baulichkeiten will nicht das pastorale Engagement in der Schule zurückfahren, aber den Mönchen einen geschützten Bereich für das Gemeinschaftsleben sichern. Die jetzige architektonische Lösung mit eigenen monastischen Räumen, Grünbereichen einschließlich eines Obstgartens, begünstigen eine harmonische Entfaltung des Klosterlebens. Inmitten der städtischen Hektik und der aufgedrehten Atmosphäre eines Schulbetriebs mit 1000 Kindern und Jugendlichen können die Mönche dennoch dem benediktinischen Lebensideal folgen. Dank ihrer Gottsuche „unter der Führung des Evangeliums“ wollen sie das Kloster zu einer Oase des Friedens und des Gebets im Herzen der Stadt gestalten.