Maria Terezinha Bezerra dos Santos OSB
Kloster Encontro (Brasilien)
Selbstfindung im Kloster
Ich wurde um ein Zeugnis über meine Erfahrungen im klösterlichen Leben gebeten. Persönlich würde ich meine Niederschrift lieber Teilen meines klösterlichen Weges nennen und was ich dabei bei meinem menschlichen, christlichen und spirituellen Reifen aufnehmen durfte.
Zunächst zu meiner Person: Als Benediktinerin gehöre ich zur Gemeinschaft von Encontro, die in Mandirituba im brasilianischen Bundesstaat Paraná lebt. Geboren bin ich weiter im Norden, nämlich in der Stadt Palmeira dos Índios, die im Bundesstaat Alagoas liegt. Mittlerweile habe ich 15 Jahre im Kloster verbracht und vor neun Jahren meine Feierlichen Gelübde abgelegt.
Für das christliche Leben gebraucht man gerne Verben, die Bewegung ausdrücken. Das ändert sich auch nicht im Kloster, denn auch dort geht die spirituelle Suche weiter.[1] Nach der Benediktusregel gilt bekanntlich die Gottsuche als erstes Kriterium, um eine monastische Berufung zu erkennen.[2] In erster Linie suchen wir Gott im Chorgebet, nach dem sich auch die Strukturierung des Tagesablaufes richtet. Dies war für mich eine wichtige Entdeckung, denn nun begriff ich, dass meine eigentliche Arbeit von niemand „gesehen“ und nur von wenigen Menschen geschätzt wird. Anerkennung und Lob kann ich nicht erwarten. Das war für mich anfangs nicht leicht, aber mit der Zeit verstand ich, dass mein oder vielmehr unser Dienst im Kloster Encontro, auch wenn er weniger geschätzt wird, als man sich wünschen würde, zunächst einmal geschenkte Gnade ist. Ich bin sicher, dass unser Gebetsleben und unsere Bitten für Kirche und Welt Früchte tragen, nur dass sie eben vom Herrn geerntet werden.
Ganz ehrlich: Früher konnte ich mir nie vorstellen, Ordensfrau zu werden und erst recht nicht Nonne. Aber dann hat Gott mein Leben so gelenkt, dass ich am Schluss nicht mehr Nein zu diesem Ruf sagen konnte. Das klösterliche Leben also lag mir ziemlich ferne, aber ein Freund war Benediktiner. In seinem Kloster, nämlich Santa Rosa im Bundesstaat Rio Grande do Sul, verlebte ich Exerzitien, die mir Klarheit darüber verschaffen sollten, ob ich in einen apostolischen Orden eintreten wollte. Bei meiner ersten Teilnahme an der Abendvesper geschah etwas, was ich mir selbst nicht erklären kann. Aber mir war anschließend klar, dass mich Gott zu einer solchen Lebensform berufen hatte. Daraufhin war ich zum Klostereintritt entschloss, wusste aber nicht wo. Mein Freund gab mir daraufhin die Adressen einiger Klöster, worunter sich auch meine jetzige Gemeinschaft in Encontro befand.
Als ich hier ankam, wollte ich zuerst am liebsten gleich wieder abfahren. Es sagte mir nicht zu, aber dann blieb ich doch die vorgesehenen acht Tage. Anschließend bat ich um eine Probezeit von drei Monaten. Und nun lebe ich bereits 15 Jahre hier. Mein „Ja“ wurde immer wieder geprüft und ging und geht durch viele Reinigungen hindurch. Dafür bin ich Gott sehr dankbar! Als ich ins Kloster eintrat, dachte ich, dass Heiligkeit irgendwie automatisch eintrifft. Ich kreiste stark um mich selbst und meinte, dass ich nun im Kloster friedlich in einem Winkel für mich leben könnte. Es fiel mir schwer, mich umzustellen und darauf einzulassen, dass Klosterleben eben nicht bedeutet, in seiner eigenen Privatwelt zu beten und leben. Ich entdeckte zunehmend, dass es eigentlich gerade das Gegenteil ist: Es bedeutet, seine Mauern zu verlassen und mich ständig auf andere einlassen, sei es im Gebet, im Gemeinschaftsleben oder in unserer Gastfreundschaft.
Unser Klostername ist Programm: „Encontro“ bedeutet „Begegnung“ und das entspricht auch dem Programm, das Papst Franziskus den Menschen nahelegt, nämlich eine Kultur der Begegnung zu schaffen. Diese Erfahrung habe ich bereits oft gemacht, will hier aber nur von drei Erlebnissen berichten, bei denen mir das Geheimnis der Begegnung unvermittelt aufleuchtete.
Die erste Begegnung bezieht sich auf mich selbst. Schon zu Beginn meiner Klosterzeit begegnete ich in mir einer Schwester Maria Terezinha, die ich so nie erlebt hatte. Es gab sie natürlich auch schon vorher, aber ich hatte sie vor mir selbst verborgen. Bisher lebte ich meine Gefühle und Beziehungen eher oberflächlich aus Angst davor, verletzt zu werden. Ich hatte auch Angst, dass die Leute einer Frau mit anstößigen Gefühlen begegnen könnten, wie Zorn und Eifersucht. Es war mir unerträglich, meine menschlichen und spirituellen Grenzen offen einzugestehen. Letztlich konnte ich meine eigene Menschlichkeit nicht ertragen. Eben diese Begegnung erwies sich jedoch als unerlässlich, um einen Weg der Selbstannahme und der Versöhnung mit meiner persönlichen Heilsgeschichte zu beginnen. Im Kloster wurde ich angenommen, so wie ich bin, ohne dass ich mich verstellen musste. Offen ich selbst zu sein mit meinen Vorzügen und Schwächen gab mir auch den Mut, meinen Bekehrungsweg weiterzugehen. Ich erfuhr, dass meine Mitschwestern Geduld mit mir haben und sogar in ihrem Schweigen mir vermitteln, dass sie mir vertrauen.
Damit komme ich zur zweiten Begegnung, nämlich der mit meiner Gemeinschaft. Die Erfahrung, dass die Gemeinschaft mich annimmt, schenkte mir die Einsicht, dass gerade der Austausch mit anderen mir hilft, aus mir herauszugehen. Dank des Gemeinschaftslebens habe ich in mir Fähigkeiten entdeckt, die ich selbst nicht kannte und entwickeln konnte. So wurde das Klosterleben für mich zur „Neugeburt“. Jeden Tag spüre ich, wie der Herr mich neu erschafft dank der Formung über meine Gemeinschaft. Er hilft mir, einen neuen Anfang zu suchen, heilt meine Wunden und erweist mir seine Liebe durch Menschen, denen ich früher eher aus dem Weg gegangen wäre. Ich musste lernen, wie ich mit Menschen zurechtkomme, die nicht unbedingt meine Ansichten teilen, ebensowenig wie ich ihre teile, die ich aber trotzdem respektiere. Dieser oft schwierige Weg half mir, den wahren Lebenssinn zu suchen und das im Rahmen des Klosters. Dank des Gemeinschaftslebens verstehe ich immer besser, dass ich nicht allein meinen Weg gehen kann und echte Beziehungen brauche, um meine Berufung so zu leben, wie der Herr es von mir will.
Nachdem ich begriffen hatte, dass ich mein Ordensleben nicht im Rückzug in einer Privatwelt, sondern nur gemeinsam mit den Mitschwestern leben konnte, ging ich daran, meinen Eigenwillen zunehmend zurückzudrängen. Dabei entdeckte ich, was es heißt, schon hier und jetzt am Aufbau des Gottesreiches mitzuwirken. Indem ich in einer Gemeinschaft lebe, diene und mitgestalte, erfülle ich meine Sehnsucht nach Christusnachfolge.
Eine dritte Erfahrung von Begegnung ereignet sich mit Gästen. Benedikt sagt uns, dass Gäste wie Christus empfangen werden sollen.[3] In der alltäglichen Praxis ist das jedoch gar nicht so einfach. Beispielsweise war mir zu Anfang unklar, warum ich mich zu ganz unpassenden Zeitpunkten auf Gäste einlassen sollte. Warum sollte ich meine Arbeit oder eine Gebetszeit verlassen, um mich mit Besuchern zu treffen? Langsam wurde mir dann klar, dass unsere Gäste hier den Frieden suchen. Für sie ist wichtig, dass sie als Menschen empfangen, angehört und geschätzt werden. Viele Besucher könnten sich jeden Luxus leisten, haben dabei aber noch keine erfüllende Erfahrung gemacht. Ich erfasste, dass sie bei ihrem Besuch bei uns letztlich den suchen, der allein ihren Hunger sättigen und ihre Leere füllen kann. Es handelt sich um Gottsucher und meine Art, mit ihnen umzugehen, kann bei ihrer Begegnung helfen. Jedes Mal, wenn ich einen Gast empfange, werde ich möglicherweise für diese Person zu einem Bindeglied zu Gott. Auch für mich sind diese Menschen ein Bindeglied, durch das Gott in mein Leben hineinwirkt. Gott braucht die Menschen und gebraucht Schwestern und Brüder dazu, um uns seine Gnade und Gegenwart mitzuteilen.
Das Teilen meiner Erfahrungen möchte ich beenden, indem ich dem Team von AIM meinen Dank ausspreche. AIM war in meinem ganzen Klosterleben präsent, zunächst durch den Beistand bei meiner Grundausbildung, dann durch die Organisation des Kurses für Novizenmeister und -meisterinnen und schließlich beim zisterziensischen Ausbilderkurs in Rom. Der Herr schenkt uns sicher seine Gnade, aber dafür muss ich mich auch öffnen können. Dank also an AIM, dass sie die klösterliche Ausbildung derart fördert und damit die Möglichkeit, sich für die Gnade des Herrn zu öffnen. Auf diese Weise erhalten wir das notwendige Rüstzeug, um das Klosterleben in guter Weise annehmen zu können.
1. Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens, Nr. 2.
2. RB 58,7.
3. RB 53,1.