Erzpriester Serapion
Kloster Simonos Petra auf dem Berg Athos (Griechenland)1

Geronda Aimilianos (1934-2019)1
von Kloster Simonos Petra

 

„Du lässt mich den Weg des Lebens erkennen,
Freude in Fülle vor deinem Angesicht.“ (Psalm 16,11)

 

Der Archimandrit Geronda Aimilianos, der mit bürgerlichem Namen Alexander Vafidis hieß und 1934 in Nikea (Piräus) geboren wurde, leitete das Kloster Simonos Petra als Hegumen von 1973 bis 2000.

Im Jahr 1906 siedelte sich seine Familie in Simandra (Kappadokien) an und gelangte dann nach den Zwangsumsiedlungen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Griechenland. Die Eltern des kleinen Alexanders pflegten einen monastischen Lebensstil und beteten viel, unter anderem die nächtlichen Vigilien. Als die Mutter Witwe geworden war, trat sie in eine Kloster ein und wurde Nonne, womit sie dem Beispiel der Großmutter folgte.

Alexander studierte nach dem Schulabschluss an der Universität von Athen Jura, doch wechselte nach zwei Jahren zur Theologie, was mehr seinem Herzenswunsch entsprach. Mit mehreren Freunden war er an der Universität missionarisch tätig und versuchte mit beachtlicher Anstrengung, den Glauben und das christliche Leben zu fördern. Seine damaligen Pläne gingen in Richtung Priestertum und er dachte sogar daran, Missionar zu werden. Doch schien es ihm vor allem wichtig, zunächst einmal eine klösterliche Ausbildung zu beginnen.

Der Bischof von Trikala wurde auf ihn aufmerksam und der junge Alexander vertraute ihm im Jahr 1960 seine Pläne an. So wurde er Mönch unter dem Namen Aimilianos im Kloster St. Vissarian in Doussiko. Schon nach kurzer Zeit weihte ihn der Bischof zum Diakon und sandte ihn zu verschiedenen Meteora-Klöstern, bis er dann schließlich die Priesterweihe erhielt. Er lebte dann für einige Zeit im Kloster St. Vissarion, wo er die Einsamkeit und den inneren Frieden suchte. Die Wiederbelebung des Mönchtums wurde ihm zu einem tiefen Bedürfnis.

Nach einiger Zeit wurde er zum Hegumen des Klosters der Verklärung in Meteora bestimmt. Dort lebte er zu Beginn beinahe ganz allein ein streng asketisches Leben. Er wachte, betete und übernahm zunehmend alle Elemente der monastischen Tradition. Angesichts eines derartigen Eifers vertraute ihm der Bischof auch seelsorgliche Aufgaben an. Immer mehr Gläubige fanden sich ein und baten um Seelenführung. Auch viele junge Christen wählten ihn zum Beichtvater. So wurde er für viele Menschen zum geistlichen Vater.

Unter diesen jungen Gläubigen gab es eine ganze Reihe Interessenten für ein klösterliches Leben und aus ihnen entwickelte sich eine neue Klostergemeinschaft, während wieder andere sich für den Dienst in Pfarreien oder zum Familienleben entschieden. Auf jeden Fall fühlten sich alle als Teil einer großen geistlichen Familien, deren Zentrum das Kloster war. In dieser Zeit begab er sich öfters auf den Berg Athos, um sich dort spirituell weiter unterweisen zu lassen. Dort lernte er unter anderem Vater Paissios und Vater Ephrem von Katounakia kennen, wobei er vor allem mit letzterem eine tiefe spirituelle Freundschaft pflegte. 1972 begründete er in der Meteora ein Frauenkloster.

Im Jahr 1973 wählten ihn die alten Mönche des Klosters Simonos Petra zum neuen Hegumen. Diese Mönche auf dem Berg Athos verbanden mit der Übersiedlung der Mönchsgemeinschaft von Meteora große Hoffnungen. Auch andere Klöster auf dem Berg Athos folgten diesem Beispiel, so dass die Zahl der dortigen Mönche beträchtlich zunahm.

Vater Aimilianos führte auf dem Berg Athos sein bisheriges monastische Leben uneingeschränkt weiter, feierte die Heilige Liturgie und vollzog seine sonstigen Amtspflichten, bemühte sich aber auch intensiv um eine Neuorganisation des inneren Lebens seiner Gemeinschaft. Mit viel Geschick, Respekt und Wohlwollen verstand er es, die Erfahrung der älteren Mönche mit dem Eifer der jüngeren zusammenzuführen, denen das Wachstum der Gemeinschaft zu verdanken war. Seine gute Verwaltung und ein väterlicher Umgangsstil erneuerten das Ansehen und die jahrhundertelange Tradition des berühmten Klosters.

Nachdem Vater Aimilianos seine Gemeinschaft auf dem Berg Athos angesiedelt hatte, veranlasste er auch, dass die Frauengemeinschaft von Ormylia am 5. Juli 1974 in ein abhängiges Haus (metochion) in Vatopédi einzog. Dieses Haus, das der „Verkündigung der Gottesmutter“ geweiht war, wurde von Kloster mit Zustimmung des Bischofs erworben. Der Umzug der Nonnen in dieses von Simonos Petra abhängige Kloster geschah nicht ohne Mühen und Schwierigkeiten.

Geronda Aimilianos nahm auch eine gewisse Zahl von Ausländern auf, die unter seiner Leitung Mönche wurden. Dazu zählten vor allem die französischen Patres Placid Deseille und Élie Ragot samt Gefährten, wo in den Jahren 1979 bis 1984 zur Gründung von drei abhängigen Häusern in Frankreich führte: das Kloster „St. Antonius der Große“ für die Männer und die Klöster „Gottesmutter Schutz der Menschen“ und „Verklärung des Herrn“ für die Frauen. Vater Aimilianos sollte in der Folge oft in diesen Klöstern zu Besuch weilen.

Vielfach wurde er zu Vorträgen eingeladen oder um seine geistliche Begleitung gebeten, wobei er jede Bitte als Segen verstand.

Mitte der 1990er Jahre verschlechterte sich seine Gesundheit zusehends. Daher gab er nach und nach seine Aufgaben ab. Im Jahr 2000 zog er in das Kloster Ormylia um, wo er nahezu zwanzig Jahre in Schmerzen und Geduld leben sollte.

Seine geistlichen Lehren wurden von den Nonnen von Ormylia in mehreren Bänden zusammengefasst, die auch ins Englische und Französische übersetzt wurden. Sein Nachfolger Geronda Elischa beschreibt ihn mit folgenden Worten:

„Das Hegumenat von Geronda Aimilianos im Heiligen Kloster Simonos Petra stellt einen wichtigen Wendepunkt innerhalb der jüngeren Klostergeschichte dar. In dieser gesegneten Zeit ging vom Kloster eine beträchtliche Ausstrahlung aus und die Zahl der Mönche nahm erheblich zu. Damit verband sich auch insgesamt eine beachtliche Blüte des monastischen Lebens auf dem Berg Athos, was vor allem dem Schutz der heiligen Gottesmutter zu verdanken ist. Zu beachten ist hierbei allerdings auch, was Geronda Aimilianos selbst in der Klosterregel (Typikon) von Ormyilia (I,9) festhält: ,Die Klostergemeinschaft, die einem eigenen Lebensrhythmus folgt, lebt vor allem in der Kirche und für die Kirche, so wie das Herz eines Körpers. Ihr sind nicht irgendwelche Aktivitäten aufgetragen, sondern in erster Linie die liebevolle Suche nach Gott. In dieser Weise werden die Nonnen zu vollkommenen Ebenbildern Gottes und führen auch andere Menschen zum göttlichen Leben hin‘.“

Nach einem langen Leidensweg, den er im Schweigen verbrachte, ist Geronda Aimilianos am 9. Mai 2019 in die ewige Heimat zurückgekehrt. Ihm möge ein ewiges Gedenken geschenkt sein!

 

Archimandrit Basilius Prohegumen
Kloster Iviron

Ansprache bei der Beerdigung
von Geronda Aimilianos

Ormylia, 27. April / 10. Mai 2019

 

Heute hat uns durch die Gnade Gottes Geronda Aimilianos alle zu dieser österlichen Feier versammelt. Vater Aimilianos war mir seit unserer Studienzeit bestens vertraut. Wir gehörten beide einer Gruppe von Katechisten an, die von Anastasios Yannoulatos, dem heutigen Erzbischof von Albanien, geleitet wurde. Die Jahre vergingen und er entschloss sich, Mönch in der Meteora zu werden. Sein folgender Lebenslauf, sein geistliches Wachstum, die Anziehungskraft, die er auf junge Menschen ausübte, die Gründung einer Gemeinschaft, die später auf den Berg Athos umzog, wohin er auch später die Schwesterngemeinschaft verpflanzte, zeigen, dass sein Wirken sichtlich von Gott begleitet und gesegnet wurde.

Bemerkenswert ist auch, dass er beinahe 25 Jahre lang wie ein lebendiger Toter lebte. Auch darin liegt ein Glaubenszeugnis, denn Vater Aimilianos wirkte nicht nur als Hegumen, sondern auch als Prediger gerade durch sein Schweigen, in dem er verharrte. Indem er schwieg, verkündete er uns die unaussprechlichen Worte des ewigen Lebens. Und als er dann nichts mehr mitbekam, war er bereits in den himmlischen Chor der Engel aufgestiegen. Ich denke, dass wir das erst jetzt erfassen können.

Vater Aimilianos ist von uns gegangen, hat uns aber diese Lehre hinterlassen, nämlich sein unermüdliches Wirken, die Gründung zweier lebendiger Gemeinschaften und sein 25-jähriges Schweigen. Die Frauen, die sich am Ostermorgen zum Grab begaben, hatten vom Engel die Weisung erhalten, die Auferstehung zu verkünden. „Doch als sie weggingen, erzählten sie niemand davon, weil sie Angst hatten.“ Sie hatten Angst und sie wollten nicht an das Unaussprechliche rühren, indem sie davon sprachen. In ähnlicher Weise sprach wohl Vater Aimilianos zu uns. Und ganz im Vertrauen möchte ich euch sagen, dass er uns und auch mich eben dadurch erreicht hat. Über Jahre hinweg, dieses Kreuz erdulden! In Gedanken klopfte ich immer wieder an seiner Pforte an, bat um Vergebung und fand so erneut Kraft.

Diejenigen, welche das Schweigen von Vater Aimilianos nicht nachvollziehen können, erahnen vielleicht heute den Grund, wenn sie in dieser Gemeinschaft und der strahlenden Kirche die wunderbaren Gesänge hören.

Vater Aimilianos ist von uns gegangen, aber die Gnade Gottes ist geblieben und darin liegt seine eigentliche Erbschaft: Wir dürfen heute erleben, wie der Tod überwunden ist. Unsere Botschaft gilt nicht nur einigen Menschen, sondern der gesamten Menschheit. Gerade durch ihr Schweigen spricht die Kirche zu denen, welche Christus und die Gottesmutter beleidigen. Gerade diese Menschen bedürfen unserer Hilfe. Die heutige Erfahrung zeigt uns, dass wir einen Vater Aimilianos brauchen, der in Christus seine Ruhe gefunden hat und durch sein Schweigen zu uns spricht, der von uns gegangen ist, aber eine lebendige Gemeinschaft hinterlassen hat. Was wird diese Gemeinschaft nun unternehmen? Sie wird ihren Weg weitergehen und diese Tradition weiterführen. Auf diesem Weg steigt manchmal unwillkürlich die Frage auf: „Was mache ich eigentlich?“ Gerade indem wir nichts machen, öffnet sich der Raum für denjenigen, „der schenkt und geschenkt wird, der empfängt und verteilt wird.“

So wollen wir Christus, der Gottesmutter und allen Heiligen danken, dass sie uns Vater Aimilianos geschenkt haben. Er hat zu uns durch sein Leben gesprochen, durch sein Handeln und sein Schweigen. Bitten wir Christus und die Gottesmutter, dass nun Vater Aimilianos sein Gebet in der Gemeinschaft der Engel weiterführt. Wir selbst dürfen uns in Geduld üben und dabei auf die unaussprechlichen Schätze im Himmelreich hoffen, welche Gott uns und allen Menschen zugedacht hat.

 

 

1. Gekürzte Fassung.