Treffen der Benediktiner
und Benediktinerinnen Ostasiens
und Ozeaniens (BEAO)
Jean-Pierre Longeat OSB
Präsident der AIM
Das letzte Treffen der BEAO (Benediktinische Vereinigung von Ostasien und Ozeanien) fand vom 26. bis 29. November 2018 in Taiwan statt. Ich nahm daran mit Pater Mark Butlin teil, Mönch der englischen Abtei Ampleforth und Mitglied des internationalen AIM-Teams. Nach dem Treffen besuchten wir noch verschiedene Orte in Festlandschina: Peking, Jilin, Changdu und Shanghai, worauf es noch nach Hongkong und Macao ging (letzteres nur für Pater Mark).
In Taiwan fanden die Besprechungen bei den Benediktinerinnen von Danshui bei Taibei statt. Diese Gemeinschaft ist vom amerikanischen Kloster St. Benedict in St. Joseph, Minnesota, gegründet worden. Diese Schwestern folgten dem Beispiel der Mönche von Saint Vincent in Latrobe, die sich im Jahr 1925 in Peking niederließen, um dort die Universität Fu Jen zu gründen. In vergleichbarer Weise ließen sich die Schwestern in Peking nieder, um dort ein Studentinnenwohnheim eben für die genannte Fu Jen zu leiten. In dieser Aufgabe waren sie im Einsatz, bis die Mönche die Hochschulleitung abgeben mussten. Dennoch blieben sie am gleichen Ort, bis sich 1935 eine Gelegenheit ergab, nach Kaifeng umzuziehen. Dort wurden sie in den chinesisch-japanischen Krieg hineingezogen, mussten sich um verwundete Chinesen und Flüchtlinge kümmern. Nachdem die USA ihre Teilnahme am Zweiten Weltkrieg erklärt hatten, wurden sie in ein Lager gebracht, wo sie von März 1943 bis Kriegsende interniert waren. Anschließend kehrten sie nach Kaifeng zurück und setzten ihre früheren Tätigkeiten fort, bis die Stadt im Jahre 1948 von Kommunisten besetzt wurde. Die Schwestern mussten fliehen, was sie zuerst nach Shanghai und später nach Taiwan führte. Dort unterrichteten sie am Anfang an einer Schule in Tainan, wurden aber bald schon eingeladen, an der Landesuniversität in Taibei Englisch zu unterrichten. Aus der örtlichen Bevölkerung fand sich Nachwuchs ein, später erwarben die Schwestern das Grundstück in Danshui, auf dem sie heute leben. Dort errichteten sie zusammen mit einem Kloster ein Waisenhaus. Später überführten sie das Waisenhaus in ein Exerzitienhaus, das weiterhin sehr aktiv ist. Die heutige Gemeinschaft besteht aus etwa zehn Schwestern. Mit ihnen lebt eine Gruppe vietnamesischer Postulantinnen und Novizinnen.
Am Dienstag, den 27. November 2018, begann unser Treffen mit einer Vorstellungsrunde. Insgesamt nahmen ungefähr 30 Personen teil, die Gemeinschaften in den Philippinen, Korea, Taiwan, Japan, Vietnam und Australien vertraten. Zunächst ging es um Lageberichte der einzelnen Klöster. Die Präsentationen schildern eindrucksvoll die unterschiedlichen Realitäten. Jede der vertretenen Gemeinschaften führt in einer Power-Point-Präsentation oder einem Film ihre Geschichte und Gegenwart vor. In den Philippinen und Korea gibt es blühende Gemeinschaften, aber damit vermischt sich die Sorge um den Nachwuchs, da dieser immer mehr abnimmt.
Der Eucharistie steht der Vertreter des Heiligen Stuhls in Taiwan vor, Msgr. Sladam Casic. Er ist in Kroatien geboren, gehört allerdings zur bosnischen Bevölkerungsgruppe.
Am Nachmittag geht es weiter mit Präsentationen der Klöster in Japan, Vietnam und Taiwan. Nach dem Abendessen werden Workshops zu verschiedenen Themen angeboten: Alltag und Herausforderungen von kontemplativen Gemeinschaften, Klosterleben und neue Medien bzw. soziale Netzwerke, Midlife-Crise und Lage der Kirche in China.
Am Mittwoch, den 28. November, steht ein geistlicher Vortrag des Abtprimas am Anfang, bei dem es um heutige Herausforderungen des Klosterlebens geht. Anschließend folgt eine Präsentation der AIM, die ich gemeinsam mit Pater Mark bestreite.
Am Nachmittag hören wir zwei Beiträge. Zunächst schildert Professor Francis So die Geschichte der Katholischen Kirche in Taiwan.
Eine christliche Mission in Taiwan beginnt mit der Ankunft von Holländern im Jahr 1624. Im Jahr 1643 soll es bereits um 70.000 evangelische Christen geben. Von katholischer Seite erschienen erstmals 1626 spanische Dominikaner im Norden des Landes. Um 1639 gab es ungefähr 4500 Katholiken in Taiwan, das damals Formosa hieß. Politisch fiel die Insel zunehmend unter holländischen Einfluss, der sich 1642 vollständig durchsetzen konnte. Im Jahr 1662 besetzte ein chinesischer Widerstandskämpfer namens Koxinga die Insel und verbot das Christentum, bis dann im Jahr 1683 die mandschurische Qing-Dynastie Taiwan eroberte. Das Christentum blieb allerdings verboten. Erst 1859 begann eine Evangelisierung erneut mit europäischen Dominikanern, die in China tätig waren. Der Pekinger Vertrag, den die Westmächte im Jahr 1860 China aufzwangen, öffnete die Häfen von Formosa für Ausländer, wodurch Missionaren verschiedener christlicher Kirchen eine Tätigkeit ermöglicht wurde. Am schnellsten entwickelte sich die presbyteranische Kirche. Nachdem Taiwan 1895 an Japan fiel, war eben diese Kirche die einzige, deren Wirken von den neuen Machthaber ermutigt wurde, da es mancherlei Vorteile zu bieten schien. Um 1910 konnte sich erneut eine gewisse christliche Pluralität durchsetzen. Eine erste Apostolische Präfektur wurde 1913 eingerichtet. Sie unterstand dem Erzbistum Tokio, was als politische Maßnahme gedacht war, um dem chinesischen Einfluss entgegenzuwirken. Im Jahr 1945, als es ca. 10.000 Katholiken und 15 Priester in Taiwan gab, brach die japanische Herrschaft zusammen und chinesische Nationalisten übernahmen die Macht. Im Jahr 1949 erfolgte die Masseneinwanderung seitens der chinesischen Nationalpartei unter Leitung von Chiang Kai-shek, womit für mehrere Jahrzehnte ein autoritäres Regime begann. Dieses ist inzwischen durch eine recht gut funktionierende Demokratie ersetzt worden.
Von den 23,5 Millionen Einwohnern Taiwans bekennen sich ungefähr 300.000 Menschen zur katholischen Kirche. In den sieben Diözesen wirken 15 Bischöfe, 670 Priester und 1100 Ordensleute. Nur zum Vergleich: In Hongkong gibt es bei einer Einwohnerzahl von 7 Millionen Menschen (also drei Mal weniger als in Taiwan) bereits 250.000 Katholiken, die von einer Diözese mit zwei Bischöfen, 600 Priestern und 600 Ordensleuten betreut werden. Insgesamt soll der Anteil der christlichen Bevölkerung Taiwans 3,5 % betragen. Für alle diejenigen, die von einer Massenbekehrung Chinas träumen, nachdem der „böse Kommunismus“ zusammengebrochen sei, wäre ein genaueres Studium der taiwanesischen Gesellschaft hilfreich: diese ist tief chinesisch geprägt, ausgesprochen wohlhabend, freiheitlich und demokratisch ausgerichtet – und seit Jahrhunderten gibt es hier eine christliche Mission, die aber nur wenig ausrichten kann.
Ein zweiter thematischer Beitrag unserer Tagung wurde vom Vizepräsidenten Taiwans übernommen, Chen Chien-Jen. Sein Vortrag lautete: „Meine Erfahrung als Katholik in Regierungsdiensten und die Beziehungen von Taiwan zu den Philippinen und Korea“. Er war ursprünglich in der medizinischen Forschung tätig mit einem Schwerpunkt auf Viruserkrankungen und machte dann politische Karriere. Seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist bekannt und wird respektiert. Seine Ausführungen waren sehr ermutigend. Er sprach von den guten Beziehungen zu den befreundeten Staaten Philippinen und Korea, was natürlich vor allem die Tagungsteilnehmer aus diesen Ländern sehr interessierte. Nach dem Abendessen gab es Workshops zu den Themen: Benediktiner und Erziehungsarbeit, Benediktineroblaten als assozierte Laien, eine vertiefte Zusammenarbeit von Klöstern in Ostasien und Ozeanien.
Bei jedem BEAO-Treffen gibt es auch eine Exkursion, die uns am Donnerstag zur katholischen Fu Jen-Universität in Tabei führte, wo wir vor allem die theologische Fakultät und das neue Krankenhaus besichtigten. Die Leitung der Hochschule liegt heute bei den Jesuiten, wobei sie ursprünglich im Jahr 1925 von Benediktinern in Peking gegründet worden war. 1933 ging die Leitung an die Steyler Missionare über, wurde 1952 in die Peking-Universität integriert und siedelte 1959 nach Taiwan über, nachdem sich die chinesische Bischofskonferenz, der Steyler Missionsorden und die Jesuiten zu diesem Schritt entschlossen hatten. Die Universität genießt einen sehr guten Ruf.
Nachmittags besuchten wir das Palastmuseum, wo uns chinesische Kunstschätze beeindruckten. Der Abend endete mit einem Festakt, zu dem jedes vertretene Land einen Beitrag lieferte. Damit endete das Treffen, welches Bruder Nicholas Koss ausgesprochen kompetent organisiert und moderiert hatte. Er wirkt als Professor für vergleichende Literaturforschung in Peking.
Am folgenden Tag reisten Pater Mark, Bruder Nicholas und ich nach Taibei, wo wir das Wimmer-Priorat besuchten. Bei diesem handelt es sich um eine Gründung der Erzabtei St. Vincent (USA) aus dem Jahr 1964, womit die Pekinger Gründung weitergeführt wurde, welche die Fu Jen-Universität ins Leben rief. Nach dem Umzug der Universität nach Taiwan folgte auch die Gemeinschaft, welche heute ein verzweigtes internationales Netzwerk unterhält, zu dem auch Kontakte zu Festlandschina zählen.
Unsere anschließende Reise führte uns auf das chinesische Festland, wo wir Peking, die Mandschurei, Sichuan und Shanghai besuchten. Davon soll aber im kommenden Bulletin mehr erzählt werden. Unsere Fahrt endete bei der Gemeinschaft von Lantao in Hongkong. Pater Mark fuhr von dort weiter zu den Trappistinnen von Macao, während ich nach Frankreich zurückkehrte. Die Reise war für mich ausgesprochen wertvoll und hat mir dank zahlreicher Begegnungen viele Einsichten in die chinesische Realität und die Beziehungen Chinas zur katholischen Kirche und zum Mönchtum eröffnet.