Dr. Sophie Boisseau du Rocher
Institut Français de Relations Internationales,
Paris
Südost-Asien
Eine geopolitische Situation mit Risiken
Sophie Boisseau du Rocher hat in Politikwissenschaft promoviert und ist Mitarbeiterin der Forschungsstelle GRIP (Vereinigung zur Erforschung und Dokumentation für Frieden und Sicherheit, Brüssel) und bei der Asienabteilung des Instituts IFRI (Institut Français de Relations Internationales). Über ihr Spezialgebiet Südostasien hat sie mehrfach publiziert.[1]
Südost-Asien nimmt einen besonderen und herausragenden Platz auf der Weltbühne ein, was auch von dort tätigen Mitspielern so gesehen wird. Der Raum stand über lange Zeit den USA, Japan und der Europäischen Union sehr nahe, gerät aber seit gut 15 Jahren zunehmend in den Einflussbereich Chinas, was sich stabilisierend, aber auch destabilisierend auswirkt. Wie weit kann diese Annäherung gehen, bevor die Stabilität der Region und auch die westlichen Interessen ernsthaft gefährdet sind? Spannungen und Unsicherheiten sind heute die angemessensten Begriffe, um die geopolitische Lage Südost-Asiens zu beschreiben. Obwohl der Verband südostasiatischer Staaten ASEAN[2] für 2015 die Einführung einer Gemeinschaft beschloss (eine Gemeinschaft auf wirtschaftlicher, sozio-kultureller, politischer und sicherheitspolitischer Ebene), kann man sich fragen, wie stabil diese Gemeinschaft eigentlich beschaffen ist, deren Raum durch tiefe innere Spaltungen geprägt ist.
Südost-Asien nimmt im Weltgeschehen eine entscheidende Rolle ein. Es handelt sich um einen kulturellen Brückenraum, in dem sich Begegnungen, Übergänge und Konfrontationen abspielen, ein entscheidender Meeresraum, in dem der Austausch zwischen indischem und pazifischen Ozean stattfindet. Die Region umfasst elf Staaten vom Giganten Indonesien bis hin zum winzigen Singapur oder dem jungen Timor. Etwa 600 Millionen Menschen, d.h. ca. 9% der Weltbevölkerung, leben in diesem Raum, der östlich von Indien und südlich von China angesiedelt ist, welche als große Mächte in die Region entscheidenen hineinwirken und auch immer massiver wirtschaftliche Interessen und geostrategische Ziele verfolgen.
Wird diese Region in Zukunft der Hauptschauplatz für die Konfrontation zwischen Afrika und China? Wenn man den lebhaften Austausch beim Dialog Shangri-La[3] verfolgt hat (Singapur, 30. Mai bis 1. Juni 2014), versteht man die Bedeutung dieser Frage und ihre Konsequenzen für die Entwicklung der Region. Erstmals in seiner Geschichte fanden beim Dialog Shangri-La Muskelspiele zwischen den Teilnehmern China, USA und Japan statt. Wie in der Zeit des Kalten Kriegs rückt damit Südostasien erneut in den Brennpunkt des internationalen Gleichgewichts und wird zu Spielball entgegengesetzter Interessen. Dies bietet der Region große Chancen, kann sich aber auch zu einer Bedrohung auswachsen, wenn dabei Dynamiken freiwerden, welche die Region überfordern und unter Druck setzen.
Südostasien wird zum Gegenstand wachsender internationaler Interessen aufgrund der vielen Ressourcen, welche sich dort konzentrieren. Die äußeren Partner versuchen ihre jeweilige Position, ihren Einfluss und ihre Präsenz zu verstärken. Auch wenn zweifellos China und USA bei dieser Dynamik ganz im Vordergrund stehen, müssen auch die Anstrengungen anderer asiatischer Staaten wie Japan, Indien und Südkorea berücksichtigt werden. In dieser Entwicklung spielt Europa eine eher untergeordnete Rolle.
China und USA in Südostasien: ein Konfliktpotential?
Südostasien war einer der umstrittensten Schauplätze des Kalten Kriegs, weil zur Konfrontation zwischen zwei Wirtschaftssystemen auch noch die Rivalität zwischen den kommunistischen Weltmächten hinzutrat.[4] Die Gründerstaaten der ASEAN wurden damals als Vorreiter einer liberalen Wirtschaftsordnung verstanden und konnten bei ihrem Wachstumskurs auf die Unterstützung der westlichen Länder bauen, welche ihre Märkte für ASEAN-Staaten öffneten und massiv dort investierten. Dabei haben die asiatischen Staaten klug jede Polarisierung vermieden und mit allen ihren Partnern gute Beziehungen entwickelt: natürlich mit der USA und der Europäischen Union, aber auch mit China, Indien und der UdSSR/Russland. Aus der Region selbst kamen dann zu Beginn der 1990er Jahre die Impulse, die heute noch grundlegend sind für die Bündnisstruktur.[5]
Die Asienkrise von 1997 hat zu einer weitgehenden Änderung der Verhältnisse geführt. Während sich die westlichen Staaten zunehmend von einem Entwicklungsmodell distanzierten, das sie eigentlich selbst mitgeschaffen haben, wurde China zum globalen Wirtschaftsmotor, der hier in der Region gut vernetzt ist und in kluger Weise eine Politik der Annäherung vollzogen hat. China ist bereits für Südostasien der wichtigste Wirtschaftpartner und will nun auch der hauptsächliche Geldgeber werden. „Denn die Realität sieht nun einmal so aus, dass China unser Nachbar ist, während uns von den USA ein Ozean trennt.“
Ausgehend von engen wirtschaftlichen Verflechtung präsentiert sich China, das sein Waffenarsenal und vor allem die Marina weiterhin modernisiert, als politischer und geostrategischer Wunschpartner. Damit wird Machtverlagerung immer konkreter. Aber auch wenn die südostasiatischen Länder Chinas Rolle als regionale Vormacht akzeptiert haben[6], bedeutet dies nicht, dass sich China jede Freiheit erlauben kann. Die entscheidende Frage bleibt, ob die südostasiatischen Länder fähig sein werden, ihre Unabhängigkeit zu bewahren, wenn China den Druck erhöht.
Beim 16. Treffen zwischen China und ASEAN in Brunei (9. Oktober 2013) brachte Premierminister Li eine Liste von Vorschlägen vor, welche die Verbindungen in den kommenden zehn Jahren verstärken sollen: darunter ein Vertrag über freundschaftliche nachbarschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen China und ASEAN, ein verstärkter Austausch über sicherheitspolitische Themen, eine intensivere Zusammenarbeit bei maritimen Fragen (darunter eine Art Verhaltenskodex für das südchinesische Meer und die Eröffnung einer maritimen „Seidenstraße“) und anderes mehr. Mit Indonesien und Malaysia hat Peking ein „strategisch-globales Abkommen“ geschlossen. Auch Thailand ist ein umworbener Partner: eine verstärkte Kooperation im Bereich traditioneller und nicht-traditioneller Sicherheitsvorkehrungen wurde vereinbart, was unter anderem gemeinsame Militärübungen für Sonderstreitkräfte vorsieht. Seit Dezember 2011 überwachen schließlich China, Thailand, Laos und Myanmar gemeinsam den Fluss Mekong, was für die chinesische Armee eine Premiere im Bereich multilateraler Vereinbarungen darstellt.
In diesem Klima der „Entwicklung einer harmonischen Weltordnung“, so die chinesische Sprachregelung, fällt es den USA zunehmend schwer den richtigen Ton zu treffen, da die Strategie Chinas langfristig auf eine Verdrängung der USA hinausläuft. Dieses Anliegen zeigt klar das überaus sensible Thema des südchinesischen Meeres, bei dem die chinesischen Schachzüge bedeuten, dass die Ziele, welche die USA über vierzig Jahre hinweg verfolgt hatte, durch Regeln außer Kraft gesetzt werden, die sich ständig in Fluss befinden und bei denen eine Anpassung um so dringender nötig ist, da die amerikanische Wirtschaft mit dieser Region enger als mit jeder anderen verbunden ist. Langfristig ist also die amerikanische Präsenz bedroht und die damit verbundene Ordnung.
Angesichts dieser Verunsicherung haben die USA sich entschieden, ihre Machtstellung vermittels einer Schlüsselstrategie zu erneuern. Präsident Obama erklärte, dass „die Präsenz der USA in Asien für die Zukunft der USA entscheidend ist und daher kein weiterer Rückzug aus Südostasien stattfinden wird“ (November 2009). So wurden eine Reihe von Abkommen erneuert: mit den Philippinen eine neue Verteidigungsvereinbarung im April 2014, mit Thailand über den Kampf gegen Terrorismus, Waffenlieferung und gemeinsame Militärübungen, mit Singapur über militärische Stützpunkte, mit Malaysia über Informationsaustausch, Ausbildung, Kampf gegen Terrorismus und gemeinsame Marineübungen, ebenso mit Indonesien. Dabei sucht Washington niedrigschwelligere Formen seiner Verpflichtungen, die aber dennoch starke Bindungskräfte entwickeln sollen. Als Partner werden auch Vietnam und Myanmar umworben. Dabei zielt die USA darauf ab, weiterhin ein Hauptspieler im Bereich der regionalen Sicherheitspolitik zu bleiben, was durch eine Vielzahl von Partnerschaften abgesichert sein soll.
Wie schon in den 1970er Jahren wollen sich die südostasiatischen Länder bei diesem Spiel alle Optionen offenhalten und mit allen Partnern im Gespräch bleiben. Allerdings könnte sich China als ein harter Verhandlungspartner erweisen, der engere Kontakte mit den USA als eine Bedrohung seiner nationalen Sicherheit einstuft. In einem Zeitraum von ungefähr 15 Jahren könnte sich also die Schlinge um Südostasien immer enger zuziehen.
Sekundäre Verhandlungspartner und ihre Rolle
Nicht allein die großen Mächte umwerben Südostasien. In seiner ständigen Suche nach vielfältiger und sich austarierender Vernetzung geht die Region auch auf kleinere Partner zu.
Japan kann dem ständigen Machtzuwachs Chinas nicht tatenlos zusehen, vor allem, da sich gerade Südostasien im Zentrum der chinesisch- japanischen Rivalität befindet. Das erklärt auch die fünf Reisen die der japanische Premier Shinzo Abe seit Dezember 2012 in diese Region unternommen hat. Nachdem Japan seine Politik der Entwicklungshilfe und der wirtschaftlichen Beziehungen intensiviert hat, geht es ihm nun um eine verstärkte Teilnahme an der regionalen Sicherheitspolitik, wobei die neuen militärischen Interessen Japans unter Shinzo Abe durchaus auch für Unruhe gesorgt haben. Tokyo hat sich massiv bei der ASEAN zu Wort gemeldet, um eine zentrale Rolle in der neuen Regionalordnung zu beanspruchen. Wie schon in der Entstehungszeit von ASEAN, deren Zustandekommen übrigens zu einem guten Teil japanischer Diplomatie zugeschrieben wird, möchte Tokyo auch bei den nun neu formulierten Spielregeln mitmischen.
Nach Japan versucht Indien, seine Beziehungen zu Südostasien zu intensivieren, was sich mit dem Regierungsantritt von Narendra Modi sicher noch verstärken wird. Diese Tendenz ist nicht neu, sondern Teil einer zunehmenden Ostorientierung, die darauf abzielt, ein vollständig anerkannter Hauptakteur im ostasiatischen Raum zu werden. Dazu gehört die Unterstützung für und von ASEAN, damit diese Region nicht vollständig dem Einfluss Chinas unterliegt, was die Interessen Indiens bedrohen würde. Die Aktivitäten New Delhis verraten auf jeden Fall eine gewisse Besorgnis und das Bemühen, durch einen strategischen Dialog und gemeinsame Militärübungen, Indien und ASEAN näher zusammenzubringen.
Russland hat zwar mit Vietnam ein Sicherheitsabkommen am 27. Juli 2013 geschlossen und auch angefragt, ob es eine militärische Wartungsanlage in Camh Ranh Bay einrichten dürfe. Doch steht nicht zu vermuten, dass sich Russland in den machtpolitischen Auseinandersetzungen gegen die Ambitionen Chinas ausspielen lassen will oder ihre geplante Einrichtung gemeinsam mit den amerikanischen Streitkräften nutzen will, die gleichfalls an einer Nutzung interessiert wären (der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta hat am 3. Juni 2012 Cam Ranh Bay einen Besuch abgestattet). Es sieht ganz so aus, als ob Russland keinen größeren Bedarf, noch einem verstärkten Engagement in der Region sieht, auch wenn Moskau an den verschiedenen Sicherheitstreffen teilnimmt.
Europa im Hintertreffen
Bei diesen fieberhaften Manövern spielt Europa allenfalls eine sekundäre Rolle. Das hängt mit der internen europäischen Identitätskrise zusammen, begrenzten Etats und organisatorischen Herausforderungen. Zudem wurde Europa durch den herausragenden Machtfaktor China geblendet, was dazu führte, dass Kontakte mit anderen asiatischen Akteuren vernachlässigt wurden. Auch wenn letzthin in Europa diese Sicht modifiziert wurde, hat sie sich noch kaum in politisches Handeln umgesetzt. Schließlich hat Europa auch noch nicht klar definiert, was eigentlich sein politisches Engagement bezweckt. Zwar will die Europäische Union bei den regionalen Strategiedialogen beteiligt sein, hat aber noch nicht überzeugend darlegen können, was damit bezweckt wird und ob es um eine dauerhafte Partnerschaft gehen soll.
Europa könnte freilich aufgrund seiner reichen geschichtlichen Erfahrungen und seiner besonderen Kompetenzen sich positiv einbringen, vor allem weil es als potentieller militärischer Faktor ausscheidet (allerdings betreiben manche europäische Länder einen schwunghaften Waffenexport in diese Region). Die südostasiatischen Länder kämpfen mit einer ganzen Reihe innenpolitischer Sicherheitsprobleme. So hat auch das hohe Modernisierungstempo der dortigen Gesellschaft nicht Probleme wie Separatismus, Terrorismus und religiöser Fundamentalismus lösen können. Die politische Unsicherheit in Ländern wie Thailand, Kambodscha, Myanmar und andere mehr zeigt deutlich, dass demokratische Verhältnisse noch in weiter Ferne liegen. Europa könnte sich in Sicherheitsfragen positionieren, die nicht zum klassischen Kernrepertoire zählen, zum Beispiel humanitäre Hilfeleistungen, Grenzsicherung, Einhaltung von internationalem Recht oder Sicherung der Seewege, oder auch in Bereichen, bei denen Europa eine hohe Kompetenz zugesprochen wird, zum Beispiel Schutz gegen Piraterie oder die Sicherheit von nuklearen Anlagen. Bei solchen Themen könnte Europa überzeugend seine Interessen einbringen.[7] Im gegenwärtigen Stadium der europäischen Entwicklung hat es auf jeden Fall keinen Sinn, mit China oder den USA konkurrieren zu wollen.
Wie steht es mit der inneren Sicherheit?
Die Frage nach internationalen Sicherheitsfragen dominieren derart stark die südostasiatische Diskussion, dass man darüber leicht vergisst, dass die Stabilität der Region nicht allein davon abhängt. Bei genauerem Hinsehen muss man sogar die innenpolitische Situation berücksichtigen, um die globalen Fragen richtig einschätzen zu können.
In Südostasien existierten seit langer Zeit Konflikte zwischen den dort beheimateten Ländern. Es genügt, wenn man sich an die Unabhängigkeitserklärungen der 1960er Jahre erinnert, vor allem die Gründung Malaysias, welche zu einer Konfrontation mit Indonesien und schweren Spannungen mit den Philippinen führte. Es gibt weiterhin schwerwiegende Konflikte um die nationale Zugehörigkeit bestimmter Gebiete, vor allem im südlichen chinesischen Meer, wo einige Inseln, Inselchen und Klippen von verschiedenen Ländern der ASEAN beansprucht werden. Im Jahr 2012 kam es an der Grenze zwischen Kambodscha und Thailand zu einem Schusswechsel beim Tempel von Preah Vihear. Ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs hat den Zugehörigkeitsdisput dann zugunsten von Kambodscha im November 2013 entschieden.
Neben Grenzkonflikten gibt es noch weitere Unsicherheitsfaktoren, welche den Frieden in der Region bedrohen. Dazu zählt der radikale Islam, vor allem in den Inselstaaten Indonesien, Philippinen und Malaysia. Erinnert sei an die schrecklichen Bombenattentate in Bali im Jahr 2002. Der Terror von Gruppen wie Jemmah Islaya oder Abu Sayyaf ist um so erfolgreicher, weil sie eng zusammenarbeiten, was ihren Aktionsradius vergrößert und Gegenmaßnahmen erschwert. Ähnliches gilt für die Piraterie, deren Raubzüge oft über den südostasiatischen Raum hinausgehen. Diese gelangen zwar meist nicht in die Schlagzeilen, sind aber in den südostasiatischen Gewässern äußerst aktiv. Statistisch lässt sich seit 2013 sogar eine Zunahme von Überfällen feststellen. Im ersten Drittel des Jahres 2014 fanden 23 Überfälle in südostasiatischen Gewässern statt, vor allem im Umkreis von Indonesien, wie das International Maritime Bureau mitteilte.
Ein weiteres Stabilitätsrisiko ist die Migration größerer Bevölkerungsteile, bei der man leicht vergisst, dass hiervon auch die innere Sicherheit betroffen ist. So leben allein in Thailand ungefähr drei Millionen Menschen aus Birma und ca. 400.000 Arbeiter aus Kambodscha, Laos und Vietnam. Solche Ortswechsel haben ethnische, religiöse, politische oder schlicht wirtschaftliche Gründe. So gibt es in Singapur regelmäßig Zusammenstöße mit illegalen Einwanderern aus Indonesien oder den Philippinen.
Schließlich stellen Umweltfragen eine neue Quelle von Bedrohungen dar. Die naturgegebenen Risikofaktoren wie Tsunamis oder Vulkanismus werden heutzutage noch verschärft durch geänderte Lebensumstände. Beispielsweise durch die Entstehung riesiger städtischer Metropolen mit unkontrollierter Entwicklung. Dazu kommt das Verschwinden der Wälder und eine massive städtische Umweltverschmutzung, welche eine Vielzahl neuer Herausforderungen mit sich bringen. Die Waldfeuer in Indonesien beeinträchtigen den Alltag von Millionen Menschen in Singapor, Malaysia und Borneo, ohne dass es der indonesischen Regierung gelingt, die übliche Praxis der Brandrodung einzudämmen.
Die weitere Entwicklung hängt davon ab, ob es der politischen Gemeinschaft der ASEAN gelingen wird, diese Risiken zurückzudrängen, während gleichzeitig die Bedrohung auf der internationalen Bühne ständig zunimmt. Die bisher getroffenen Maßnahmen sind nicht unbedingt dazu geeignet, volles Vertrauen in die zukünftige Entwicklung zu erwecken. Der wachsende internationale Druck müsste eigentlich dazu führen, dass die Zusammenarbeit innerhalb der ASEAN zunimmt bzw. das Interesse an einer verstärkten Kooperation. Denn allein kann keiner der Staaten dem äußeren Druck widerstehen, nicht einmal der reiche Inselstaat Singapur.
Mit dem wachsenden Konfliktpotential im südchinesischen Meer ist für die ASEAN-Staaten absehbar, dass eine Zeit der Destabilisierung im Anzug ist. Die Risiken für Spannungen zwischen den ASEAN-Staaten selbst und einer Eskalation von Krisen sind enorm, wobei zu den möglichen internen Auseinandersetzungen auch noch solche mit ihren äußeren Partnern hinzutreten. Gerade in dieser Region findet die konfliktbesetzte Klärung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen statt. Das belegt die Bedeutung des Raumes, bringt aber auch ein hohes Risiko mit sich.
[1] Der folgende Text gibt einen Text der Autorin von 2015 wieder. http://nations-emergentes.org/wp-content/uploads/2016/02/asean-geopolitique.pdf
[2] Die Association of Southeast Asian Countries umfasst folgende Länder: Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam.
[3] Das Dialogforum Shangri-La fand erstmals 2002 statt und dient einem hoch angesiedelten Austausch über sicherheitspolitische Fragen in Ostasien.
[4] Vgl. M. Leighton (1978), Vietnam and the sino-soviet Rivalry, in: Asian Affairs 6, Nr. 1 (Sept.-Okt.), S. 1-31.
[5] ASEAN profitiert vom Wohlwollen Chinas und konnte zudem eine erweiterte ostasiatische Bündnisstruktur aufbauen: ARF (ASEAN Regional Forum), ASEAN + 3, ADMM (ASEAN Defence Ministers Meeting) und EAS (East Asian Summit), bei der die ASEAN zumindest vorläufig eine zentrale Stellung einnimmt.
[6] China dominiert die Region aufgrund seiner Macht und seiner geographischen Lage. Für die ASEAN ist es entscheidend, dass China durch Verträge eingebunden wird. China war auch die erste Macht, mit der ASEAN im Oktober 2003 den „Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit“ (TAC) abgeschlossen hat. Vgl. Sophie Boisseau du Rocher (2014), « Chine/ASEAN: une diplomatie rondement menée », in: Asia Vision 67, IFRI, Februar.
[7] Vgl. dazu Sophie Boisseau du Rocher (2014), The EU’s strategic offensive with ASEAN: some room left but no time, Analysis Note, GRIP, 8 janvier, http://www.grip.org/sites/grip.org/files/NOTES_ANALYSE/2014/NA_2014-01-08_EN_S-BOISSEAU.pdf.