Jean-Pierre Longeat OSB
Präsident der AIM

 

JPLongeat2018Vietnam nimmt heute eine herausragende Stellung innerhalb der monastischen Bewegung ein. Die benediktinische Familie ist dort in vierfacher Form vertreten: durch die Kongregation von Subiaco-Montecassino, den Zisterzienserorden, die Kongregation Sainte-Bathilde und die Bernhardinerinnen von Esquermes.

Die jeweiligen Ausgestaltungen des klösterlichen Lebens in den einzelnen Gemeinschaften fallen recht unterschiedlich aus. Sie sind sowohl von der Geschichte Vietnams als auch von den Haustraditionen geprägt, aber auch von herausragenden Persönlichkeiten, welche die Geschichte der Gemeinschaften tief beeinflusst haben.

Bei den Zisterziensern gehören acht Männergemeinschaften zur Kongregation der Heiligen Familie, daneben gibt es ein weiteres Zisterzienserkloster, das zur Gemeinschaft der Unbefleckten Empfängnis zählt. Zwei Benediktinerinnenklöster gehören zur Kongregation Sainte- Bathilde, vier Benediktinerklöster zur Kongregation von Subiaco und eine neue Gemeinschaft zu den Benediktinerinnen von Esquermes. Insgesamt also eine Zahl von zwanzig Klöstern, von denen einige (vor allem bei den Zisterziensern) eine sehr hohe Zahl an Mönchen aufweisen (bis 120 Mitglieder), was natürlich auch besondere Anstrengungen im Ausbildungsbereich, der geistlichen Begleitung und der Ausbildung einer eigenen monastischen Identität im kirchlichen und sozialen Kontext Vietnams verlangt.

Wir wollten diese Heftnummer dieser besonderen Erscheinungsform des Mönchtums widmen, die sich in einer Kultur entfaltet, welche trotz einer langen geschichtlichen Prägung durch buddhistische Praxis und konfuzianische Weisheit zunächst einmal keine sonderlich günstigen Ausgangsbedingungen zu bieten scheint. Denn die letzten Jahrzehnte bis heute werden die Geschicke des Landes von einer kommunistischen Regierung gelenkt, die zunächst in Nordvietnam und später im ganzen Land die Macht ergriff. Auf jeden Fall ist die asiatische Mentalität von unserer europäischen Denkweise recht verschieden und wir werden daher auch gar nicht erst versuchen, alles, was man in Asien erleben kann, in unsere westlichen Kategorien zu übersetzen.

Was unser Interesse hier beschäftigen soll, ist die Art und Weise, wie sich das Mönchtum in dieser Region verwirklicht. Die Gründer kamen zwar aus dem Westen, aber mittlerweile sind sämtliche Klosterleiter Vietnamesen, die in örtlichen Traditionen denken, Leitungsaufgaben verwalten und ihre Zukunft gestalten.

In einer globalen Kultur wie der unseren wäre es unvernünftig, wenn man nicht aufmerksam auf Entwicklungen anderer Weltregionen achtet. Und es gibt bereits zahlreiche Formen des Austausches zwischen Klöstern in Vietnam und solchen in Europa oder den Vereinigten Staaten. Ein solches Austauschforum bildet auch die monastische Vereinigung, welche alle Klöster Südostasiens umfasst (BEAO). Diese Kontakte befruchten den Austausch, führen zu einer gegenseitigen Anregung und treiben die Sache des Evangeliums voran.

Im Februar 2017 gab es eine Weiterbildung für die monastischen Oberen und NovizenmeisterInnen Vietnams. Die Veranstaltung fand in Phưởc Sơn unter der Leitung von Abt Johannes vom Kreuz Lê Văn Đoàn und des zisterziensischen Generalabtes Mauro-Giuseppe Lepori statt. Ungefähr fünfzig Personen nahmen daran teil. Unter den Vortragenden befanden sich Referenten aus dem Westen und aus Vietnam.

In dieser Ausgabe wollen wir neben einer allgemeinen Betrachtung zur Lage der klösterlichen Ausbildung vor allem die Konferenzen wiedergeben, welche von vietnamesischer Seite gehalten wurden. Zudem gibt eine westliche Besucherin der Klöster, die einige Zeit im Kloster Thien Binh Sprachunterricht erteilt hat, ihre Eindrücke über die Situation der vietnamesischen Klöster wieder.

Es folgen die üblichen Rubriken zu Liturgie, Geschichte, Kunst und monastische Zeitzeugen sowie über Klosterneugründungen, worunter ein Neubeginn in Thailand hervorzuheben ist.

Wir hoffen sehr, dass der Überblick über die Entfaltung der Benediktinerfamilie im schönen Land Vietnam dazu beiträgt, dass Sie ihn mit Ihrem Gebet und Ihrer Anteilnahme begleiten, damit dieser klösterliche Aufbruch uns allen zugute kommt!