Armand Veilleux OCSO
Abt emeritus von Scourmont (Belgien)
Liturgie in Kloster Kurisumala
Kurisumala[1] ist ein schönes Beispiel für Inkulturation und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Der dort anzutreffende monastische Stil ist das Ergebnis eines Zusammentreffen von christlich-monastischer Tradition in zisterzienischer Ausprägung mit den Praktiken und der Seele des traditionellen indischen Mönchtums. Vor allem die Liturgie legt Zeugnis ab für die Begegnung von benediktinischer Gebetserfahrung mit der großen liturgischen Tradition der syrischen Kirche und dem kontemplativen Zentrum der hinduistischen Mystik.
Die Eucharistiefeier
Qurbana ist die Eucharistiefeier nach dem antiochenischen Ritus der syro-malankarischen Kirche. Man feiert sie in ihrer ganzen Pracht an Sonntagen, den großen Herrenfesten, den Festen der Jungfrau und der Heiligen. Sie enthält einen außerordentlichen Reichtum von Lesungen des Gotteswortes. Man liest zunächst aus dem Alten Testament, während der Priester die heiligen Gewänder anzieht und die Vorbereitungsriten verrichtet werden. Es handelt sich um vier Lesungen, die der Tora, den Geschichtsbüchern, den Weisheitsschriften und den Propheten entnommen sind. Während des ersten Teils der Eucharistie folgen dann drei Lesungen aus dem Neuen Testament, die erste aus der Apostelgeschichte, aus den katholischen Briefe oder der Offenbarung, die zweite aus den paulinischen Briefen und die letzte aus den Evangelien.
Eine solche Feier dauert wenigstens zwei Stunden. In den ersten 15 Jahren nach der Klostergründung feierte man sie täglich auf Syrisch ohne Abstriche und Verkürzungen. Aber es war damals nicht einfach, das so wichtige Gleichgewicht im monastischen Tagesablauf zwischen Gebet, Arbeit und lectio zu finden. Zur Zeit des Konzils erarbeitete man daher für die Wochentage eine einfachere Form der eucharistischen Feier, die in Malayalam, der Umgangssprache Keralas, begangen wird. Dabei wurden zahlreiche religiöse Formen Indiens integriert. So entstand die Bharatiya Puja, welche von Besuchern auch einfach „indische Messe“ genannt wird. Puja (darin steckt als Wortwurzel puj, verehren, Kult) verbindet sich dabei mit bhakti, dem kultischen Ausdruck von Verehrung. Es handelt sich um die älteste kultische Form Indiens, eine tägliche Andachtsfeier, welche allein oder in Gemeinschaft begangen werden kann. Bei der Gemeinschaftsfeier findet die musikalische Begleitung durch bhajans statt, einem Gesang von Hymnen und der Lesung aus den Heiligen Schriften, die abgeschlossen wird, indem kleine Stücke von Nahrungsmitteln verteilt werden. Das Wort „puja“ wird in Tamil Nadu allgemein als Ausdruck für Eucharistie gebraucht.
Im Bharatiya Puja, das man auf der Erde sitzend feiert, setzt der erste Teil der Messe zahlreiche religiöse Symbole Indiens ein: Feuer, Blumen und Weihrauch. Wegen der kosmischen Dimension des Hinduismus werden im hinduistischen Kult vor allem die schönen und guten Dinge der Schöpfung dargebracht: Blumen, Weihrauch, Licht sind traditionelle Symbole dafür, dass man sich selbst darbringt und drücken die liebende Vereinigung des Beters mit Gott aus. Dazu gehört auch das arati, eine kreisförmige Bewegung einer kleinen Öllampe, welche in einem Blumennest ruht, vor einer geweihten Ikone, verbunden mit kurzen Gebeten, welche mantras heißen. Diese mantras werden von den Mitfeiernden dargebracht, indem sie ihre Hände über die Flamme hinwegbewegen oder – wenn sie weiter wegsitzen – zur Flamme hinstrecken. So erhalten sie Anteil am Licht und legen anschließend ihre Hände auf die Augen. Weihrauch gibt es in zweierlei Form: kleine Stäbchen, die agarbathi genannt werden, oder aufbewahrt in kleinen Kupfergefässen mit einem Handgriff, die man in Kreisform über die Opfergaben hinwegbewegt.
Das Hochgebet hat alle traditionellen Elemente der orientalischen Liturgie beibehalten: Eingangsgebet, Einsetzungsbericht, Anamnese, Epiklese, Fürbitten, Brechen des Brotes und Kommunion. Oft werden diese Teile durch kurze Antworten der Anwesenden oder durch Hymnen unterbrochen.
Vor der Entlassung lädt der Zelebrant die Teilnehmer ein, Christus im Alltag zu bezeugen. Dann folgt eine trinitarische Verehrungsformel:
„Om. Angebetet sei, der in sich selbst ruht.
Om. Angebetet sei der Gottmensch.
Om. Angebetet sei der Heilige Geist.“
Alle schließen mit den Ruf ab: „Om. Shanti! Shanti! Shanti“ (Om. Friede! Friede! Friede!)
Ein monastisches Officium, das langsam entstand
Zweifellos haben bei Ausarbeitung des Officium divinum Pater Francis und die Mönche von Kurisumala am meisten Kreativität bewiesen. Zur Zeit der Gründung benutzte man das S’himo, das syrische Stundengebet der Pfarreien im Wochenrhythmus, das auch unter dem Namen „Brevier von Pampakuda“ bekannt ist. Aber auch wenn Francis Acharya und sein Begleiter der ersten Stunde, Bede Griffiths, sich recht gut in der syrischen Sprache auskannten, stellte es für den indischen Nachwuchs eine Hürde dar. So begann Bede Griffiths das S’himo seit 1959 ins Englische zu übersetzen. Seine Übersetzung erschien 1965 unter dem Titel The Book of Common Prayer. Es handelte sich um eine ziemlich wörtliche Prosaübersetzung, die sich beim Gebet als eher sperrig erwies. Pater Francis überarbeitete sie daher und veröffentlichte sie dann einige Jahre später in seinem gewaltigen Werk Prayer with the Harp of the Spirit, the prayer of Asian Churches.
Aus der syrischen Kirche Indiens war einige Jahrhunderte zuvor das Mönchtum verschwunden, so dass es auch an einem monastischen Stundengebet fehlte. Zudem gibt es in der orientalischen Tradition kein Buch für das Stundengebet, nach dem sich die Gemeinschaften und Gläubigen richten würden. Stattdessen gibt es umfangreiche Textsammlungen, aus denen sich jedes Kloster seine eigene Liturgie zusammensucht. Eben dies unternahm P. Francis für Kurisumala.
Er begann nach dem Fenqith zu forschen, einer Sammlung von Gebeten und Hymnen von hohem kontemplativen Gehalt, welche die syrischen Mönche einst benutzt hatten und von der das S’himo lediglich eine verkürzte Fassung für den Einsatz in den Pfarreien darstellte. Man muss hinzufügen, dass die portugiesische Verwaltung gegen Ende des 16. Jahrhunderts den syrischen Ritus unerbittlich verfolgt hatte, um ihn auszulöschen. Bei der Synode von Diamper hatte man 1599 alle Bücher, gottesdienstlichen Utensilien und liturgischen Gewänder verbrennen lassen, deren man habhaft wurde. Schließlich konnte Pater Francis nach einer langen Suche durch den ganzen Mittleren Orient im irakischen Mossul sieben Ausgaben des Fenqith auftreiben, welche die Dominikaner im vorhergehenden Jahrhundert in Druck gegeben hatten. Der Gesamttext umfasste in sieben Teilbänden 4000 Seiten syrischer Text im Foliodruck. Pater Francis verbrachte einen Großteil seines verbleibenden Lebens damit, über diesen Texten zu meditieren, daraus auszuwählen, ins Englische zu übersetzen und schließlich diesen liturgischen Schatz zu veröffentlichen. Die vier Bücher des Stundengebets von Kurisumala umfassen auf Englisch ca. 3000 Seiten.
Doch Pater Francis ließ es nicht dabei bewenden, aus den uralten syrischen Texten auszuwählen und zu übersetzen: Er verfasste ein komplettes Officium für alle Feste und Zeiten des Kirchenjahrs, wobei er die mystische Ausrichtung und den theologischen Reichtum der syrischen Liturgie bewahrte. Zusätzlich integrierte er in jedes Stundengebet unter dem Titel „Samen des Wortes“ Texte aus den Heiligen Schriften Indiens. Er konnte sich dabei auf das Vorbild Pauls VI. berufen, der 1964 in Bombay ein schönes Gebet aus den Upanishaden benutzt hatte:
„Führe mich aus der Nicht-Wahrheit zur Wahrheit,
Aus dem Dunkel führe mich ins Licht,
Aus dem Tod führe mich zur Unsterblichkeit.“
Seit seinem ersten Erscheinen des ersten Bandes hat dieses Riesenwerk viele wohlwollende Rezensionen führender Kenner der orientalischen Liturgie erhalten. Nach diesem Stundengebet wird zur Zeit das Officium in Kurisumala auf Englisch gebetet mit Ausnahme der kleinen Horen und der Komplet, die auf Malayalam gesungen werden.
Das liturgische Kirchenjahr
Im syro-malankarischen Ritus beginnt das Kirchenjahr am Sonntag, der dem letzten Oktobertag am nächsten liegt. Es wird von zwei Sonntagen eingeleitet, welche der Kirche selbst gelten: ihrer Weihe und ihrer Erneuerung. Es handelt sich um Vorbereitungssonntage, während derer sich die Kirche an das erinnert, was sie ist, über ihre Natur meditiert als Ort, an dem Gott anwesend ist, und als bevorzugter Ort seiner Begegnung mit der Menschheit. An diesen beiden Sonntagen wird die ganze Heilsgeschichte in Erinnerung gerufen, von der Berufung Abrahams bis zur Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde in der Offenbarung.
Das restliche Kirchenjahr ist in sieben Zeiten mit je sieben Wochen eingeteilt: 1) Verkündigung des Herrn, 2) Geburt, Epiphanie und Taufe, 3) Fasten des Herrn, Passion, Tod und Auferstehung, 4) die fünfzig Tage von Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten, 5) Aussendung der Apostel, 6) Verklärung, 7) Kreuzerhebung.
Jede Woche wird gleichfalls ein kompletter Zyklus der Heilsgeheimnisse gefeiert, welcher das gesamte liturgische Jahr enthält. So natürlich die Auferstehung am Sonntag, am Montag das Reich Jesu und seine Ankündigung durch den Täufer, am Dienstag die Kirche, am Mittwoch die Menschwerdung, am Donnerstag die Eucharistie, am Freitag das Kreuz und am Samstag die Wiederkehr des Herrn.
Robert Taft, der große Fachmann für orientalische Liturgien, fasst den Beitrag von Kurisumala folgendermaßen zusammen:
„In unserer Zeit hat man im Westen viel über die monastische Erneuerung auf dem Berg Athos und der koptisch-orthodoxen Kirche Ägyptens geschrieben. In aller Stille hat sich über die letzten dreißig Jahre aber noch eine weitere Bewegung entwickelt. Sie ist weniger bekannt, aber zweifellos eine der radikalsten und aufgeklärtesten monastischen Reformen unserer Zeit.“[2]
[1] Teilabdruck eines längeren Artikels, der in der Trappistenzeitschrift „Liturgie“ erschienen ist (Nr. 122, August 2003, S. 103-118). Der Redaktion wird für die Abdruckerlaubnis gedankt.
[2] So in: La Liturgia delle Ore in Oriente e in Occidente, Torino 1988, S. 319.