Dr. Katrin Langewiesche
Institut für Ethnologie und Afrikastudien
Johannes Gutenberg Universität Mainz
Kontemplation und soziales Engagement
der westafrikanischen Klöster
Tagung in Burkina Faso
vom 3. bis 5. April 2017
Die Tagungsteilnehmer bestanden aus Fachleuten der Anthropologie und der Religionssoziologie sowie jungen Forschern, die ihre empirischen Studien in diesen Fachbereichen vorstellten. Die Referenten gehörten unterschiedlichen Richtungen der Sozialwissenschaften an (Anthropologie, Geschichte, Soziologie, Wirtschafts- und Religionswissenschaften), so dass von Beginn an die interdisziplinäre Diskussion gesichert war. Am dritten Tag wurde eine Exkursion zur Gemeinschaft der Schwestern „Jünger des Göttlichen Meisters“ in Ouagadougou unternommen, wo wir ihre Paramentenwerkstatt besuchten.
Die meisten afrikanischen Klöster wurden gegen Ende der 1950er Jahre gegründet und befinden sich zur Zeit in einer Umbruchszeit: Die europäische Gründergeneration hat sich weitgehend zurückgezogen und die Gemeinschaften nehmen nun ihrerseits Neugründungen in Afrika vor. Lassen sich dabei Unterschiede in den wirtschaftlichen Aktivitäten europäischer und afrikanischer Klöster beobachten? In welcher Weise sind afrikanische Neugründungen und ihre Wirtschaftstätigkeit dem örtlichen Kontext besser angepasst? Wie organisieren Mönche und Nonnen wirtschaftliche Aktivitäten, wie funktionieren diese, wie werden sie finanziert und wie verhandeln sie mit weltlichen bzw. anderen kirchlichen Akteuren? Wie ist die Zusammenarbeit zwischen kirchlichen Trägern und weltlichen Entwicklungshilfeorganisationen? Vertreten sie alternative Gesellschaftsentwürfe, neue Formen konkreter Nächstenliebe, welche sich von der Entwicklungshilfe westlicher und nördlicher Organisationen unterscheidet? Das waren einige der Fragen, die besprochen wurden.
Ohne hier die Diskussionen im Detail wiederzugeben, seien einige Ergebnisse genannt, welche auch in einer gesonderten Publikation festgehalten werden sollen.
Die Tagung unterstrich die Bedeutung regionaler Studien, was für unseren Fall eben Westafrika bedeutete. Ein komparatistischer regionaler Ansatz berücksichtigt zunächst zwar nur ansatzweise die Unterschiede der westafrikanischen Länder und der westafrikanischen Klostervielfalt, kann aber idealtypisch die Beziehungen zwischen Klöstern, Staat, religiöser Pluralität und Entwicklung beleuchten.
Isabelle Jonveaux verglich österreichische, deutsche und französische Klöster, um die Bedeutung äußerer Faktoren und des historischen Umfelds für die Klosterökonomie aufzuzeigen. Thierry Yameogo und Muhammad Bâ haben den Einfluss der Umgebung auf die Klöster untersucht, wobei sie als Beispiele die Bodenspekulation im Umkreis von Kloster Koubri (Burkina Faso) und die Landwirtschaft im Kloster Keur Moussa (Senegal) heranzogen. Ein weiterer wichtiger Beitrag zur komparatistischen Betrachtung war die Präsentation von Koudbi Kaboré zu den Redemptoristinnen von Burkina Faso und ihrer Klausurauffassung. Er unterstrich dabei, dass Klausurfragen und der Versuch der Schwestern, mit der örtlichen Bevölkerung Kontakte zu pflegen, eng miteinander verbunden sind und von der jeweiligen Ordensprägung her gesehen werden müssen. Diesen Umstand vergisst man schnell, wenn man sich nur mit Benediktinerklöstern befasst, welche im afrikanischen Raum die Mehrheit bilden.
Die Darlegungen zeigten, dass eine eingehende empirische Analyse nötig ist, wenn wir unsere Kenntnisse über die Zusammenhänge zwischen örtlicher Entwicklung und Klostergemeinschaften vertiefen wollen. Problematisch ist hierbei die Quellenlage, die oft erst mühsam erschlossen werden muss, und andererseits der Umstand, das viele Klöster – vor allem solche mit strenger Klausur wie die Redemptoristinnen, Klarissen oder Karmelitinnen – zum „unsichtbaren“ Teil[1] der örtlichen Entwicklung zählen. Dazu zählen kleine und banal wirkende Änderungen des Alltagslebens, die dennoch langfristig eine Änderung von Normen und Werten nach sich ziehen und zu einem langsamen, aber dauerhaften gesellschaftlichen Wandel führen. Anne Dah hat das sehr sensibel in ihrem Bericht über die Zisterzienserinnen von Bafor (Burkina Faso) dargelegt. Wenn man von örtlicher Entwicklung spricht, denkt man zunächst an karitative, humanitäre oder landwirtschaftliche Programme. Wenn man „Entwicklung“ als eine Art der sozialen Veränderung begreift, welche bewusst oder unbewusst durch Neugestaltung vorgenommen wird, kann man auch die Innovationen, welche von Mönchen und Nonnen eingeführt werden, dazu zählen. Die Entwicklungsarbeit, die von Klöstern ausgeht, ist oft „unsichtbar“, denn die örtliche Entwicklung ist nicht unbedingt das Kernanliegen des Mönchtums. Diesen letzten Punkt unterstrichen vor allem Bruder André Ardouin und Pater Honoré Ouedraogo: Klöster wollen keine Entwicklungsarbeit leisten, sondern Gott durch Kontemplation, Arbeit und Gebet verherrlichen. Die örtliche Entwicklung ist nur ein Nebeneffekt eines Klosterbetriebs, welche oft durch den Erwartungsdruck der umliegenden Bevölkerung gegenüber dem Kloster in Gang gesetzt wird. Zwei historische Überblicke von Honoré Ouédraogo und Martial Halpougdou über die Verbindungen von katholischer Ortskirche und katholischen Missionaren zur wirtschaftlichen Entwicklung haben viele Parallelen mit dem Wirken der Klöster aufgezeigt, welche bisher von den Sozialwissenschaften weitgehend ignoriert wurden.
Eine ganze Reihe empirischer Themen, welche über das Studium klösterlicher Eigenheiten hinausgehen und die gesamte soziale und anthropologische Situation des modernen Afrikas betreffen, stießen während der Tagung auf besonderes Interesse. Es handelt sich vor allem um die Frage der Landschaftspflege im Umkreis der Klöster, die sowohl symbolische als auch materielle Aspekte umfasst, oder auch um Vergleichspunkte zwischen Afrika und Europa hinsichtlich des Erziehungswesens.
[1] Der Ausdruck „unsichtbare Entwicklung“ stammt von Clarke und Tittensor, womit sie die karitative Organisationen im islamischen Raum bezeichnen und ihre Rolle in der Weltwirtschaft. Vgl. Clarke und Tittensor 2014.