Eamon Fitzgerald OCSO

Generalabt der Trappisten

Der Trappistenorden im Jahr 2017
und einige Richtlinien für die Zukunft

Eröffnungsvortrag beim Generalkapitel 2017

 

EFitzgeraldLiebe Brüder und Schwestern,

Es ist üblich, dass der Generalabt sich zur Lage des Ordens äußert, aber wie soll das geschehen, ohne dass man einen weltweiten Überblick entwirft oder Statistiken vorstellt, die Ihr sowieso schon ungefähr im Kopf habt? So kam ich auf die Idee, hier zwei Gemeinschaften zu präsentieren. Die eine Gemeinschaft ist traditionell geprägt und die andere eine kleine Vorgründung. Die Besuche, die ich dort in diesem Jahr machte, ließen einige Einsichten in mir reifen, die mir so bisher noch nicht gekommen waren. Vielleicht kann ihre Weitergabe die Diskussion und den Gedankenaustausch befruchten, der dieses Generalkapitel prägen soll.

citeauxIm Mai dieses Jahres führte ich die kanonische Visitation in der Abtei Cîteaux und ihrer norwegischen Gründung in Munkeby durch, wobei mich die Äbtissin des französischen Klosters Rivet begleitete. In der Gemeinschaft von Cîteaux leben 26 Mönche, davon 24 mit feierlichen Gelübden und zwei Postulanten. Sechs weitere Mönche mit feierlichen Gelübden leben auswärts, davon drei in der norwegischen Vorgründung. Zudem leben in der Gemeinschaft zwei Familiaren und zwei Gastmönche, also insgesamt 24 Mönche vor Ort. Auch wenn die Zahl der Mönche zwar insgesamt zurückgeht, gibt es doch auch eine ganze Reihe von Berufungen seit dem Beginn des neuen Jahrhunderts. Altersmäßig sind die Generationen in der Gemeinschaft gut vertreten, und es befindet sich darunter auch eine Anzahl ausgesprochen fähiger Mitbrüder und auch junge Menschen. Die Liturgie ist gepflegt und die Arbeit verantwortungsvoll gestaltet, so dass das klösterliche Leben insgesamt schlicht und ernsthaft erfolgen kann. Es gibt eine Landwirtschaft, bewirtschaftete Wälder und die Milchproduktion dient der Käseherstellung, die im Kloster geschieht. In einem Klosterladen wird dieser Käse verkauft. Auch wenn aus der Gründungszeit, dem 12. Jahrhundert, kaum mehr etwas übrig geblieben ist, bestehen noch Baulichkeiten aus dem 13., 15. und 18. Jahrhundert und natürlich auch aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Erhaltung dieser Gebäude ist für die Gemeinschaft eine ziemliche Herausforderung, die sie in Kooperation mit anderen Mitgliedern der Zisterzienserfamilie auf sich nimmt.

Am Vorabend der kanonischen Visitation stellte ich mir die Frage: Welche Auflagen wurden bei der letzten Visitation der Gemeinschaft aufgetragen und wie hat sie darauf reagiert? Ich war vom Ergebnis beeindruckt. Wir hatten damals folgende Maßnahmen nahegelegt: ein Personalwechsel in den verschiedenen Aufgabenbereichen, ein vermehrter Austausch mit den Mitbrüdern in Munkeby, eine externe Begleitung für den innergemeinschaftlichen Dialog, eine bessere Arbeitseinteilung und eine Verbesserung beim Empfang von Besuchern im Kloster.

Alle diese Empfehlungen waren übernommen worden: In den Aufgabenbereichen hatte es sechs Personalwechsel gegeben, wovon eine Reihe von den betroffenen Mönchen sogar selbst aus unterschiedlichen Gründen erbeten worden war. Gewechselt wurde unter anderem bei folgenden Aufgaben: Prior, Novizenmeister, Gästepater, Infirmar und eine Neueinteilung in der Klosterverwaltung. Der Dialog mit den Mönchen von Munkelby war schon seit vielen Jahren von Verständnislosigkeit und Zwistigkeiten unterminiert, so dass ein Neubeginn erforderlich war. So kamen für eine Woche die Mönche aus Munkelby zu Besuch und dank eines Moderators von außen kam es zu einem ausgesprochen fruchtbaren Austausches, auch wenn das Gespräch nicht ohne Spannungen und Schwierigkeiten ablief. Auch in Cîteaux wünschten sich einige Mitbrüder einen freieren und spontaneren Austausch innerhalb der Gemeinschaft. Tatsächlich konnte auch hier Abhilfe geschaffen werden. Bei der Arbeitsorganisation wurde verstärkt berücksichtigt, dass die Kräfte der Gemeinschaft abnehmen und dass ein weiterer Mönch in der Käseherstellung geschult werden müsste, der sowohl fachlich qualifiziert sein als auch in der komplexen heutigen betriebswirtschaftlichen Führung eines Unternehmens ausgebildet werden sollte. Es gab auch eine Betriebsprüfung, aber wenn ich recht verstehe, müssten erst noch Konsequenzen daraus gezogen werden. Auch andere positive Elemente können hervorgehoben werden: Das Programm „Abenteurer des Glücks“, das Gästen und möglichen Klosterkandidaten gestattet, für einige Zeit in Gemeinschaft zu leben und das Leben der Mönche zu teilen, hat sich gut eingespielt. Es gibt nun auch mehrmals im Jahr Wochenenden im Gästehaus, bei denen lectio divina angeboten wird. Die Teilnahme daran ist lebhaft und zwei Brüder betreuen nach meinem Wissen diesen Kurs. Die Gemeinschaft hat für Flüchtlinge ein Haus zur Verfügung gestellt, die über die Ortsgemeinde mit einem Mönch Kontakt aufgenommen hatten. Auch mit anderen Ordensgemeinschaften bestehen Kontakte, mit denen es Treffen anlässlich von Ordensfeiern oder ökumenischen Begegnungen gibt.

Dieser Überblick gibt uns einen Eindruck von Elementen, die für eine traditionelle Klostergemeinschaft in der heutigen Welt typisch sind. Einige Punkte, die mir wesentlich scheinen, sind: die Mönche nehmen die kanonische Visitation ernst, die Gemeinschaft hat ihre Anliegen vorgetragen und die Visitatoren haben zugehört. Der Abt und die Gemeinschaft haben sich angehört, was ihnen die Visitatoren zu sagen hatten, und haben daraus Konsequenzen gezogen. Sie haben auch auf die Kirche gehört, indem sie sich auf die Nöte der heutigen Welt eingelassen haben: Das Kloster ist offen für die Menschen und bezeugt auch Offenheit für die Armen (ebenso wie für andere Ordensgemeinschaften und Klöster). Aber sie befassen sich auch mit der heutigen Welt, in der wir als Mönche leben, indem sie ihren Lebensunterhalt verdienen und das Erbe der Vergangenheit pflegen, indem sie lernen, in Gemeinschaft zu leben und diese Lebensform auch bejahen, indem sie anderen Menschen Raum schenken, sich auf den Klosternachwuchs einlassen und eine Art der Ausbildung anstreben, welche der heutigen Welt angemessen ist. Es handelt sich um eine lebendige Gemeinschaft, deren Zukunft in den Händen Gottes liegt, und sie haben Ohren, die hören.

munkebyMunkeby ist im Vergleich dazu eine kleine Gemeinschaft mit drei Mönchen zur Zeit meiner Visitation und zwei Brüdern, die gerne sich dorthin versetzen lassen möchten. Einer ist schon nach Munkeby versetzt, wie es mit dem anderen steht, weiß ich nicht. Das Kloster wurde 2009 von Cîteaux gegründet, wobei dort die Gefühle recht gemischt waren, auch wenn eine Mehrheit dafür war. Die Mönche leben in einem Holzhaus auf einem kleinen Gelände in einem abgeschiedenen Landesteil von Norwegen. Das Haus hat sechs Zimmer, die klein, aber einladend sind, eine kleine Kapelle mit einem Glaschor, eine kleine Sakristei, einen Duschraum, ein kleines Scriptorium, eine Essküche und eine unterirdische Produktionsanlage für die Käseherstellung. Es handelt sich um ein modernes Haus, das warm und gemütlich ist, auch wenn der Platz sehr beschränkt ist. Doch man fühlt sich im 21. Jahrhundert angekommen. Das Haus wirkt wie ein Einfamilienhaus und bei unserem Besuch sprachen wir während der Hauptmahlzeiten. Der Ort selbst ist abgelegen und still. Auch wenn es weitere Häuser im Umkreis gibt, nahmen wir kaum Menschen wahr. Die Mönche selbst sind gut integriert im örtlichen kulturellen Leben und in der norwegischen Kirche. Es gibt zwar nur wenige Berufungen, aber manche Interessenten kommen von weit her, um sich dieser sehr menschlich wirkenden Gemeinschaft anzuschließen. Während unseres Besuchs waren die Beobachungen und Erfahrungen äußerst interessant, welche wir von Leuten hörten, die sich hierher versetzen ließen. So schätzen sie sehr das ausgewogene Leben, in das Gebets- und Lesezeiten gut integriert sind, die Regel wird ernsthaft gelebt, es gibt einen täglichen Austausch über die Arbeitseinsätze und anstehende Aufgaben, einmal die Woche gibt es eine Versammlung, bei der gedankt, Versöhnung untereinander gesucht und auch Bußen verhängt werden. Die Gemeinschaftsmitglieder werden respektiert, unterstützt und gehört. Die Gesamtatmosphäre ist freundlich-familiär, Verantwortung wird geteilt, es gibt eine ökumenische Öffnung und einen gesunden Austausch mit der örtlichen Bevölkerung.

Die Gemeinschaft hat gerade ein weiteres Bauwerk errichten lassen mit drei weiteren Räumen für Gäste, einem Raum für die Käserei, einer Gästeküche, einem Begegnungsraum und einem Sprechzimmer. Mich hat ausgesprochen beeindruckt, wie gut die Gebäude, die Zahl der Mönche einschließlich der Neuzugänge aufeinander abgestimmt sind und wie sich alles harmonisch zu einem Kloster zusammenfügt, das ins 21. Jahrhundert passt. Auch die nicht modernisierten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert wirken irgendwie den heutigen Menschen und ihren Bedürfnissen angepasst. Ihnen ist gelungen, eine echte Einheit zu schaffen.

Nur Gott kennt die Zukunft dieser Gemeinschaft, aber es scheint beinahe so, als handele es sich hierbei um eine Form des Mönchtums für unsere Zeit, das auf die Anfragen heutiger Menschen antworten kann. Natürlich bringen die Mönche eine feste Tradition mit an diesen Ort, aber ohne das schwere Gepäck eines traditionellen Klosters, so dass sie ihr Leben schlichter gestalten können. Die sonst üblichen unzähligen zwischenmenschlichen Rücksichten und Regeln haben hier weniger Gewicht, weil der Lebensstil schlichter gestaltet ist entsprechend heutiger Mentalität. In einem autobiographischen Buch zitiert Papst Benedikt XVI. einen sehr passenden Satz von Tertullian: „Jesus hat nicht gesagt: Ich bin die Tradition, sondern er hat gesagt: Ich bin die Wahrheit.“

In einer solchen Grundhaltung möchte ich euch nun einen Text vorstellen, der mir vor einer Woche zu Gesicht kam. Er trägt den Titel „Für jungen Wein neue Schläuche“[1]. Es handelt sich um ein Dokument in Buchform seitens der „Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens“. Es entstand aus einer Vollkonferenz dieser Kongregation und ist die Frucht von Begegnungen und Sitzungen, die in Rom während des Jahres des Geweihten Lebens stattfanden. Im Buch finden sich Leitlinien für das geweihte Leben und die damit verbundenen Herausforderungen seit dem Zeiten Vatikanischen Konzil. Der Text ist ausgesprochen klar verfasst und legt mit großer Deutlichkeit die Schwierigkeiten dar, welche heutige Menschen damit haben. Das Wort Jesu „Neuer Wein gehört in neue Schläuche“ findet sich bei den drei Synoptikern und unterstreicht die Neuheit der Botschaft Jesu und seiner Person. Denn ebenso wie es in Jesus Kontinuität und Vollendung der Heilszusagen Gottes gibt, so finden sich in ihm auch Erneuerung und radikale Veränderung. Traditionelle Formen religiösen Lebens und religiöse Praktiken werden auf den Prüfstein gestellt durch die Barmherzigkeit Gottes, die ihren Ausdruck in der Gestalt Jesu und seiner Handlungsweise findet. Die Art, in der Jesus das Gottesreich verkündet, hat ihren Ursprung im Gesetz der Freiheit. Die Grundbotschaft ist ein Aufruf zu mehr Flexibilität bei sinnentleerten Glaubenspraktiken eines Ordenslebens, das zu institutionalisiert geworden ist. Das Dokument unterstreicht, dass eine „Erneuerung, die nicht in der Lage ist, außer dem Herzen auch die Strukturen zu berühren und zu verändern, nicht zu einer echten, dauerhaften Veränderung führt“ (Nr. 3). Dabei sieht das Dokument die Erneuerung nach dem 2. Vatikanischen Konzil als Ausdruck den „neuen Weines“, verbunden mit neuen Diensten, neuen Leitungsformen und unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Solidarität, die früher nie wahrgenommen wurden. Das heißt nicht, dass ältere Lebensgewohnheiten und Denk- und Handlungsformen nicht mehr existieren würden. Dies ist ganz selbstverständlich, denn ein echter Wandel geschieht nie automatisch und es braucht Zeit, um den unausweichlichen Konflikt in gute Bahnen zu lenken. Das Wirken des Heiligen Geistes geht für uns nie ohne Geburtswehen vor sich.

Das Dokument würdigt die Bedeutung des Geweihten Lebens in diesem Zeitalter der Öffnung und des Dialogs mit der Welt, das auf das Zweite Vaticanum gefolgt ist und von dem die ganze Kirche profitiert hat. Aber es spricht auch von der Verletzlichkeit und der Ermüdung, die wahrgenommen werden müssen, damit weiterhin ein Weg im Geist der Treue und der Kreativität verfolgt werden kann. Dabei müssen wir bedenken, dass sich das Dokument an alle wendet, welche das Geweihte Leben angenommen haben und dabei auch alle Aufgaben betrifft, die sich gewandelt haben und weiter wandeln werden, wenn man die schnellen Veränderungen der Gesellschaft berücksichtigt. Was der Text benennt, entspricht unserer eigenen Erfahrung. Er spricht von der Gefahr, die darin liegt, dass man sich allein auf Überlebensstrategien konzentriert, während es doch um einen frei gewählten Neuaufbruch gehen sollte. Das Dokument will zu einer Erneuerung ermutigen. Dafür braucht es ein erneuertes Streben nach Heiligkeit und dieses ist undenkbar ohne eine erneuerte Begeisterung für das Evangelium.

Der zweite Teil des Dokuments spricht von den Widerständen. Er legt dar, dass jedes in sich ruhende System Veränderungen abweisen und seinen Zustand aufrechterhalten möchte (so hat ja Jesus selbst gesagt: „Denn der alte (Wein) ist gut.“) Das kann nur geschehen, indem innere Verwerfungen vertuscht werden, tatsächliche Entwicklungen abgestritten und Konflikte geleugnet werden, nur damit der Friede gewahrt bleibe. Unglücklicherweise deuten viele dieser Verhaltensweisen auf eine Herzensverhärtung hin.

Die Frage nach Berufung und Identität wird unter die Lupe genommen, da sich die Kongregation ausgesprochen besorgt über die Vielzahl heutiger Austritten zeigt, die noch weiter zunehmen. Diese Austritte betreffen junge Ordensleute mit Profess, aber auch ältere Ordensleute in allen kulturellen und geographischen Lagen. Der Austritt kann zu einer emotionalen Krise führen, doch der Ursprung des Problems ist nicht selten ein unaufrichtiges Gemeinschaftsleben. Was gelehrt und was gelebt wird, weicht derart voneinander ab, dass eine Glaubenskrise entsteht. Dabei hilft es nicht, wenn alle Aufmerksamkeit der Arbeit oder den jeweiligen Aufgaben geschenkt wird, ohne dass die tiefen Nöte der Jugend beachtet werden. Oft entsteht der Eindruck, dass sich der Ausbildungsvorgang nur um Informationsvermittlung dreht, nicht um eine Veränderung des Verhaltens und der Lebensform. Eine Integration verschiedener Kulturen kann uns in unserem Bemühen aufstören, althergebrachte Verhaltensmuster weiterzuführen.

Wenn man darauf achtet, dass die spirituelle und menschliche Dimension ein harmonisches Wachstum erfährt, muss man den Menschen echte Aufmerksamkeit schenken. Um wirksam zu sein, muss die Ausbildung die einzelne Person berücksichtigen und nicht für alle die gleiche Lösung anbieten. Die Eingliederung oder Initiation verlangt nach einem engen Kontakt zwischen Meister und Schüler, indem wir einen gemeinsamen Weg im Geist des Vertrauens und der Hoffnung gehen. Die Ausbildung sollte auch ein Ort sein, wo brüderlich gelebt wird und man lernt, den anderen anzunehmen. Die immer weitergehende Ausbildung wird gleichfalls erwähnt, vor allem wenn von der Notwendigkeit die Rede ist, eine Kultur der Weiterbildung zu entwickeln, die dabei hilft, die Erfahrungen der Wirklichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu durchdenken und nachzuvollziehen und zwar nicht nur in Form theoretischer Konzepte.

Der letzte Teil dieser Folge von Herausforderungen dreht sich um „Beziehungsmodelle“, d.h. um menschliche und persönliche Beziehungen. Dabei geht es um dreierlei: das Verhältnis von Mann und Frau, den Dienst der Leitungsämter und schließlich um das Grundmodell menschlicher Beziehungen. Beim Thema der Beziehung von Männern und Frauen heißt es:

„In Bezug auf Lebensmodelle, Organisations- und Leitungsstrukturen, Sprachgebrauch und kollektive Vorstellungswelt haben wir eine Mentalität geerbt, die tiefgreifende Unterschiede zwischen Mann und Frau in der Vordergrund gestellt und ihnen nicht dieselbe Würde zugesprochen hat“ (Nr. 17).

„Trotz des zurückgelegten Weges muss man erkennen, dass noch keine ausgewogene Synthese und keine Bereinigung der aus der Vergangenheit übernommenen Schemata und Modelle erreicht worden ist“ (Nr. 18).

Ein ausgewogenes Verhältnis fehlt noch im Bereich des geweihten Lebens. Das Ordensleben und die Kirche müssen hier noch einen weiten Weg zurücklegen.

Der Dienst der Leitungsämter ist in unserer Zeit durchaus problematisch: Es fehlt am Subsidiaritätsprinzip und eine Mitverantwortung bei der Ausübung von Leitungsgewalt ist kaum oder gar nicht vorhanden. Wenn es bei wichtigen Punkten, bei denen Mehrheitsentscheidungen nötig sind, darum geht, entsprechend den rechtlichen Vorschriften eine umfassende Information zu liefern und Fragen zu beantworten, so hat sich diese Praxis noch nicht überall durchgesetzt, ebensowenig wie ein Verzicht darauf, dass sich Interessensgemeinschaften untereinander absprechen. Denn ein solches Vorgehen schadet der charismatischen Gemeinschaft einer Ordensgemeinschaft und niemand darf sich anmaßen, über den allgemeinen Gesetzen der Kirche zu stehen. Das Dokument spielt auf kürzliche Erfahrungen bestimmter Ordensinstitute an, vor allem solcher, die erst vor kurzer Zeit ins Leben gerufen wurden und die Freiheit und Würde ihrer Mitglieder beeinträchtigt haben. Infantile Haltungen sollten auch nicht ermutigt werden, weil das nicht zu einem reifen Verhalten führen wird. Autoritäre Haltungen beeinträchtigen die Lebendigkeit und Loyalität der Ordensmitglieder. Das mitbrüderliche Leben muss so verstanden werden, dass es der gegenseitigen Stärkung dient und jedem hilft, seine persönliche Berufung zu erreichen. Am Ende des Abschnittes über den Dienst der Leitungsämter wird gesagt, dass diejenigen, welche ihr Amt nicht mit einer Haltung geduldigen Zuhörens und verständnisvollen Wohlwollens ausüben, bei ihren Mitbrüdern und -schwestern keine echte Autorität genießen. Denn unser Vorbild ist der Christus, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen.

Beziehungsmodelle: Der Wandel, der im Gleichnis von den neuen Schläuchen angesprochen wird, beinhaltet das Bemühen, die Fähigkeit und den Willen zur Veränderung. Das verlangt nach einer großzügigen Bereitschaft, auf jede Form von Privilegien zu verzichten. Veraltete Formen der Autoritätsausübung sollten aufgegeben werden zugunsten anderer Optionen, wie Leitung, Gemeinschaftsleben, Güterverwaltung und Mission ausgeübt werden können. Beispiele für Blockaden sind: eine chronische Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen, das Fehlen personeller Erneuerung bei der Leitung von Gemeinschaften und Ordensinstituten. Unverkennbar hat in den letzten Jahrzehnten auch die Klerikalisierung des Ordensleben zugenommen. Der Gehorsam und die Ausübung von Leitungsgewalt sind heute ausgesprochen sensible Themen geworden aufgrund kultureller Veränderungen. So sind heute die Worte „Vorgesetzter“ und „Untergebener“ nicht mehr angemessen. Eine derartige Sprache gehört in eine hierarchische Weltordnung und verhindert Kommunikation. Es gibt eine weitverbreitete Wahrnehmung, dass es in der Beziehung zwischen Oberen und Mitgliedern von Gemeinschaften nicht selten an einem vom Evangelium her geprägten Verständnis von Mitbrüderlichkeit fehlt. Der Schwerpunkt wird mehr auf die Institution gelegt als auf die Mitglieder, aus denen die Institution besteht.

Der Abschnitt endet mit einer Erinnerung an den kirchlichen Charakter von Leitungsgewalt in Ordensgemeinschaften. Auch das Eigentum einer Gemeinschaft ist kirchliches Gut und dient der Frohen Botschaft, indem die menschliche Person, die Mission und ein caritatives und solidarisches Teilen mit dem Gottesvolk gefördert werden. Der gemeinschaftliche Einsatz im Dienst und in der Verantwortung für die Armen fördert die Lebendigkeit einer Gemeinschaft.

Der dritte und letzte Teil des Dokuments befasst sich mit der Zubereitung der neuen Weinschläuche, der weitergehenden und beginnenden Ausbildung ebenso wie den Beziehungen, die vom Evangelium geprägt sein sollten. Ich möchte mit einem Zitat enden, das prägnant vermittelt, wie wichtig eine weitergehende Ausbildung ist:

„Die Weiterbildung muss an der kirchlichen Identität des geweihten Lebens ausgerichtet werden. Es geht nicht nur um Weiterbildung im Hinblick auf neue theologische Ansätze, neue Kirchenvorschriften oder neue Studien über die eigene Geschichte und das Charisma des Instituts. Die Aufgabe besteht darin, den eigenen Platz in der Kirche im Dienste der Menschheit zu festigen bzw. oft auch wiederzufinden. Häufig fällt dies zusammen mit der klassischen zweiten Umkehr, die in entscheidenden Momenten des Lebens wie der Lebensmitte, in Krisensituationen oder auch beim Rückzug aus dem Erwerbsleben aufgrund von Krankheit oder Alter nötig wird.

Wir alle sind überzeugt, dass man sich ein Leben lang weiterbilden muss. Dennoch müssen wir einräumen, dass es noch keine Weiterbildungskultur gibt. Dieses Defizit ist das Ergebnis einer eingeschränkten und oberflächlichen Sicht von Weiterbildung mit der Konsequenz, dass man sich ihrer Bedeutung nur wenig bewusst ist und der Einzelne kaum einbezogen wird. In der pädagogischen Praxis haben wir noch keine konkreten Wege auf der individuellen und gemeinschaftlichen Ebene gefunden, wodurch sie zu einem echten Weg der Weiterentwicklung in kreativer Treue mit nennenswert nachhaltigen Auswirkungen auf das konkrete Leben würde.

Insbesondere setzt sich nur mühsam der Gedanke durch, dass es sich nur dann um wirkliche Weiterbildung handelt, wenn diese planmäßig im Alltag verankert ist. Es besteht immer noch eine schwache bzw. soziologische Interpretation von Weiterbildung, die an eine einfache Fortbildungspflicht gebunden ist oder an die eventuelle Forderung nach einem geistlichen Aufschwung und nicht an eine beständige Haltung des Zuhörens und gemeinsamen Erlebens von Rufen, Problemstellungen und Horizonten. Jeder ist dazu aufgerufen, sich vom Leben und von der Geschichte, von dem, was verkündet und zelebriert wird, von den Armen und Ausgeschlossenen, von den Nahen und Fernen berühren, bilden, provozieren und erleuchten zu lassen“ (Nr. 35).

Dieses Dokument enthält für mich viele Anregungen hinsichtlich der Grundlagen unserer klösterlichen Berufung, insbesondere im Zusammenhang mit dem siebten Kapitel der Benediktusregel, wo er zu einem Leben unter den Augen Gottes, also zu einem Leben ständigen Gebets aufruft. Ich empfehle Ihnen allen sehr, sich dieses Dokument zu besorgen, es zu nehmen und zu lesen!

 

 

[1] Online unter http://www.kathpedia.com/index.php?title=Für_jungen_Wein_neue_Schläucheür_jungen_Wein_neue_Schläuche.