Guido Dotti
Kloster Bose, Italien
Abuna Matta El-Maskine
(1919-2006)
Der Lebensweg des Mannes, den man einen „modernen Wüstenvater“ genannt hat, begann vor ungefähr siebzig Jahren in Kairo. Damals verkaufte ein junger Mann, der das dreißigste Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, Auto und Haus, übertrug die beiden gut laufenden Apotheken, die ihm gehörten, verteilte zuvor noch die darin enthaltenen Medikamente an die Armen und zog sich in das abgelegenste und ärmlichste Kloster Ägyptens zurück: Deir Amba Samuil. Dort lebten einige alte und kranke Mönche. Damit verlieren sich die Lebensspuren des jungen Mannes, der im bürgerlichen Leben Yussef Iskandar hieß, 1919 geboren worden und einer der Köpfe der akademischen koptischen Bewegung gewesen war, und es beginnt der Weg eines jungen Mönches mit dem Namen Matta El-Maskine oder Matthäus der Arme. Es ist der Weg eines verborgenen Lebens, das eben im schrittweisen Verzicht die Kraft fand, dem monastischen Leben Ägyptens und der ganzen koptische Kirche wieder zu einer evangelischen Ausstrahlung zu verhelfen.
Matta El-Maskine zog sich also nach Jahren des Kampfes in der Welt in eine Eremitage in absoluter Abgeschiedenheit in der Wüste nahe bei El Fayum zurück. Dort verbrachte er seine Tage bei Handarbeit, Gebet in der Stille und dem liebevollen Studium der Heiligen Schrift als treuer Sohn der Wüstenväter. Und wie bei ihnen sammelte sich schnell ein Kreis junger Mönche um ihn, die ihn baten, ihr geistlicher Vater zu sein. Nach einem Lebensrhythmus, der an die Zeit der Wüstenväter im 4. Jahrhundert erinnert, erlebte diese kleine Gruppe ähnliche Grunderfahrungen der Gottes- und Bruderliebe – ein einfaches Leben von Menschen, die vom Herrn fasziniert waren, „Licht des Tages und Stern des Friedens“, welche aus der Quelle dieser Gottesliebe tranken und eins in Christus wurden entsprechend dem Geist des Evangeliums.
1969 verließ diese kleine Gemeinschaft das Wadi el Rayan, als sie Papst Kyrill VII. bat, sich in das Kloster St. Makarius in der sketischen Wüste zu begeben, um dort eine geistliche Erneuerung in die Wege zu leiten. Damals lebten dort nur noch sechs Mönche in fortgeschrittenem Alter und mit angeschlagener Gesundheit. Die Gebäude waren teilweise bereits Ruinen oder in Gefahr, unter Sandstürmen begraben zu werden. Die neue Gruppe wurde als Segensbringer empfangen, so dass von Anfang an ein ideales Klima für die Erneuerung herrschte. In den folgenden Jahren wurde das Kloster neu errichtet und sogar vergrößert bis hin zu seinem heutigen blühenden Zustand, was nicht nur im übertragenden, sondern auch im wörtlichen Sinne gilt. Mehr als hundert Mönche haben der ausgedörrten Wüste viele Hektar Erde entrissen, auf denen sie Früchte und Gemüse anbauen. Dabei helfen ihnen 500 angestellte Landarbeiter, während die Bewohner der Umgebung von den Gratisdiensten der klösterlichen Krankenstation profitieren. In ganz Ägypten und in der Diaspora der Emigranten werden die Bibelkommentare und spirituellen Anleitungen von Matta El-Maskine gelesen, von denen sich viele Gläubige geistlich ernähren.
Persönlich habe ich Matta El-Maskine nie kennengelernt. Doch auch wenn ich ihn nie getroffen habe, habe ich das Gefühl, ihn schon immer gekannt zu haben, seitdem ich mein monastisches Leben in Bose vor 45 Jahren aufgenommen habe. Ich kenne ihn, weil mir einige seiner Schriften seit 1972 vertraut sind. Nachdem ich als Novize in Bose angefangen hatte, gab mir Prior Enzo Bianchi einige Texte und darunter einen Artikel von Vater Matta mit dem Titel: „Ökumenismus oder Koalition?“ Dabei sagte mir Enzo Biachi: „Schau dir das an! Das ist der Ökumenismus, den wir in Bose leben wollen und das ägyptische Wüstenmönchtum, das uns inspiriert!“
Im Oktober 1985 hatte ich die große Gnade, mit einem Mitbruder einige Tage in Deir Abu Makar verbringen zu dürfen. Wir konnten allerdings Vater Matta nicht begegnen, da er in seiner tiefen Demut davon überzeugt war, dass „nur die Begegnung mit dem Herrn für jeden Christen und Mönch grundlegend sein kann.“ Aber ich erlebte persönlich, was mir gesagt worden war: „Wenn du das wahre Gesicht eines Klosters kennenlernen willst, so besuche es, während der Abt abwesend ist.“ Ich spürte den Geist, der das Kloster neu belebt hatte, im Leben der Mönche, vor allem derjenigen, die sich um uns kümmerten. Doch vor allem die brüderlichen Begegnungen mit Vater Wadid, einem menschenfreundlichen und von Frieden erfüllten Menschen, gaben mir Zugang zur spirituellen Inspiration von Matta El-Maskine. Seit diesem ersten Besuch, dem ein Aufenthalt von Prior Enzo Bianchi vorausging, bin ich und weitere Mitbrüder mehrere Male nach Deir Abu Makar zurückgekehrt, um dort Zeugen einer monastischen Lebensform zu treffen, die uns das Wesentliche unserer Berufung vor Augen stellt, um uns an den Quellen des christlichen Mönchtums zu nähren und um mit anderen Brüdern unseres Glaubens gemeinsam im Glauben zu verstehen, „was der Geist den Gemeinden sagt.“
Am Schluss habe ich das Bedürfnis, etwas zu bekennen, ein Gefühl, das ich bereits dem gegenwärtigen Klosterleiter von Deir Abu Makar, dem lieben Vater Epiphanius anvertraut habe. Mich ziehen ganz besonders die Reliquien von Johannes Colobos an, einem Wüstenvater, der mir innerlich nahe steht. In der Kirche Anba Ischerion fühle ich mich ins 4. Jahrhundert zurückversetzt, mitten hinein in die Schar der Wüstenväter, die ihr Leben in eine Seite des Evangeliums verwandelten.
Eine ähnliche Erfahrung konnte ich im Jahr 2007 machen, als ich eine Gruppe katholischer Mönche und Nonnen aus dem französischsprachigen Westafrika zu einer Pilgerfahrt in die koptischen Klöster begleitete. Wir hatten die Gnade, einer Meditation von Vater Wadid über Makarius den Großen beiwohnen zu dürfen. Während ich ihm lauschte, als er über die Unterscheidung der Geister bei Makarius dem Großen sprach und seiner Barmherzigkeit, war mir nicht recht klar, ob er von dem berühmten Wüstenvater oder von Vater Matta sprach. Mein Herz machte keinen Unterschied und wie mir schien, auch Vater Wadid nicht.
Matta El-Maskine war ein eifriger Verfechter der Einheit der Christen. Diese sollte allerdings nicht bloß auf Gefühlsduselei oder Opportunismus beruhen, sondern gerade auf der Kraft der Schwäche. Er suchte daher immer nach Wegen des Friedens und der Gemeinschaft, die ihre Quelle in der gemeinsamen Unterordnung unter den Willen Gottes finden. Während seiner letzten Lebensmonate sagte er gerne zu den Mitbrüdern, die ihm beistanden: „Mein Leben, meine Gedanken, meine Liebe drücken nichts anderes als das Gotteswort aus. Etwas anderes interessiert mich nicht.“ Er ruht nun dort, wo er immer sein wollte: im Frieden Gottes. Der menschliche und christliche Weg dieses Mannes, der sein Leben mit über 80 Jahren friedlich beschloss, legt Zeugnis dafür ab, dass das Mönchtum der Wüstenväter noch lebt und fruchtbar bleibt für die Kirche und die Welt.