BECOSA
Benedictine Communities of South Africa
Benediktinergemeinschaften von Südafrika

Stellungnahme der BECOSA

Zum Verhältnis von traditioneller afrikanischer Religion und
Praxis, Satanismus und monastischer Profess

 

 

Benediktinische Gemeinschaften sind seit 1906 in Südafrika präsent, wo sie vor allem in der Erstmission tätig waren. In der BECOSA – einem jährlichen Treffen aller katholischen und anglikanischen Benediktinergemeinschaften im südlichen Afrika – sind ingesamt neun Klostergemeinschaften vertreten (vier Männer- und fünf Frauenklöster). Die folgende Stellungnahme ist eine Reaktion auf die inneren Nöte mancher afrikanischer Ordensmitglieder: Sie folgen oft überlieferten Stammesbräuchen, die zwar meist vorbildlich sind, aber gelegentlich auch in bedenklicher Weise unchristliche Inhalte vermitteln. Die folgenden Überlegungen sollen eine Diskussion über das Verhältnis zwischen afrikanischer Überlieferung, christlichem Glauben und klösterlicher Profess in Gang bringen.

 

Präambel

becosadanseWir schätzen und würdigen viele traditionelle religiöse Anschauungen und Praktiken, die sich bei den unterschiedlichen Stämmen Südafrikas finden. Hervorgehoben seien das Gespür für das Heilige, den Glauben in einen höchsten Schöpfer, der Anteil an den Freuden und Leiden der Menschen nimmt, die Hervorhebung von Gastfreundschaft, die Gemeinschaft zwischen den Menschen, der Respekt für die Weisheit der Älteren und überhaupt gegenüber der Schöpfung. In diesem Dokument beziehen wir uns daher nur auf solche religiösen und kulturellen Glaubensformen und Bräuche, die unserem Glauben in Jesus Christus und unserer monastischen Profess widersprechen.

Wir nehmen wahr, dass manche Christen und Mitglieder benediktinischer Gemeinschaften weiterhin ihr Vertrauen auf Glaubensformen und Gebräuche setzen, die zwar äußerlich harmlos wirken, aber letztlich böse sind. Sie erkennen mit diesen Praktiken Kräfte an, die ihnen selbst und anderen großen Schaden zufügen können. Die Heilige Schrift rät dringend davon ab, sich mit Hexerei, Wahrsagerei und Zauberei zu befassen (Ex 22,18; Dtn 18,10-12; Lev 19,26-31; 20,27). Auch wenn diese Praktiken tief in der örtlichen Kultur und Tradition verwurzelt sein mögen, verstoßen sie direkt und indirekt gegen den christlichen Glauben, öffnen Menschen für dämonische Einflüsse, können sie von Gott entfremden und zum geistlichen Tod führen.

Wir stellen fest, dass die Grenzen zwischen dem christlichen Glauben und den traditionellen religiösen Glaubensformen und Bräuchen nicht immer klar sind, vor allem was die „Geisterwelt“ betrifft, unser Verhältnis zu den verstorbenen Vorfahren und ihren Einfluss auf das menschliche Leben und Wohlbefinden.

Das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils „Ad Gentes“ (1965) macht uns bewusst, dass wir zwar immer die „Samen des Wortes“ suchen und respektieren sollen, die in den Gebräuchen verschiedener Völker und Kulturen zu finden sind, wir aber auch die Verpflichtung haben, diese Samen im Licht des Evangeliums durch das Licht des Evangeliums „zu erhellen, zu befreien und unter die Herrschaft Gottes, des Erlösers, zu bringen“ (AG 9 und 11). Vor diesem Hintergrund sollten wir mit großer Sorgfalt traditionelle afrikanische Bräuche hinsichtlich Geburt, Krankheit, Familienbeziehungen oder Tod untersuchen, da sie nicht selten Glaubensformen und Praktiken enthalten können, die unserem christlichen Glauben widersprechen. Wie schon oben gesagt, kann die Teilnahme an solchen Bräuchen oder der Versuch einer Integration in den christlichen Glauben dazu führen, dass dämonische Kräfte Einfluss nehmen und zu tiefem geistlichem Schaden und zu Verwirrung führen.

Auf der Grundlage der Heiligen Schrift[1], der Wüstenväter[2] und -mütter und der Lehre der Kirchenväter[3] verkündet die monastische Tradition die entscheidende Bedeutung des Glaubens an Jesus Christus und in seinen Sieg über das Böse (RB Prol 14-17, 28). Wir treten in das Kloster nach den Worten Benedikts ein, „um für den wahren König, Christus den Herrn, zu kämpfen“ (RB Prol 3). Als Christen verkünden wir keinen Aberglauben, noch räumen wir dem Satan als besiegtem Feind Autorität, Macht oder Aufmerksamkeit ein ebensowenig wie den Geistern der Ahnen. Wir leben als Ordenschristen in und durch die Kraft des Kreuzes. Auch wenn wir immer wachsam gegenüber den Nachstellungen des Bösen sein müssen (1 Petr 5,8) und seiner dämonischen Helfer, dürfen wir von solcher Sorge nicht besessen werden, indem wir meinen, dass seine Macht oder die unserer verstorbenen Ahnen größer sei als die Gottes ( Jak 4,7-8). Unser Augenmerk gilt vor allem Christus (Hebr 12,1-3), der diesen Feind besiegt hat (Phil 2,6-11) und der uns dieselbe Autorität und Kraft geschenkt hat (Mt 10,1). In unserem Ausbildungsprogramm sollten wir ernsthaft uns mit Fragen der traditionellen Kultur und afrikanischer Glaubensvorstellungen befassen und zugleich unser christliches Verständnis dämonischer Kräfte vertiefen.

 

Traditionelle afrikanische Glaubensvorstellungen

Im Zentrum traditioneller afrikanischer Religiosität steht der Glaube an die Gegenwart einer allmächtigen Geisterwelt, die direkt auf den Alltag und das Wohlbefinden jeder Person einwirkt. Eine Folge davon ist, dass bei jeder Krankheit, jedem Problem und jedem Unglücksfall vermutet wird, der Grund liege im gestörten Verhältnis zwischen einer Person und den „Geistern“, vor allem den eigenen Vorfahren. Man geht davon aus, dass Menschen und manchmal auch Tiere von Ahnengeistern „besessen“ sein können. Durch Zaubersprüche und bestimmte Praktiken können Verwünschungen gegenüber einzelnen Menschen und ganzen Familien ausgesprochen werden. Um sich vor Krankheit, Ehe- und Finanzproblemen oder Flüchen zu schützen, glaubt man, dass die Betroffenen oder Familienmitglieder die Hilfe traditioneller Heiler, Hexendoktoren, Wahrsager oder sogar von Hexen selbst erbitten müssen.

Zuerst soll geklärt werden, was Begriffe wie traditionelle Kräuterheiler (nangas), Wahrsager (sangomas), Hexendoktoren bzw. Hexen und Zauberer bedeuten. Bei diesen Ausdrücken gibt es selbst bei Insidern viele Missverständnisse, da dieselbe Person unterschiedliche Rollen bekleiden kann. Auch wenn heute die Menschen vor allem westliche Medikamente und Krankenhäuser benutzen, gibt es immer noch die Auffassung, dass manche Krankheiten und Unglücksfälle nur durch traditionelle Heiler beseitigt werden können. Viele dieser Heiler oder Kräuterdoktoren werden von den jeweiligen Regierungen ihrer Länder anerkannt oder haben sich zu Genossenschaften zusammengeschlossen. Viele von ihnen verwenden Mischungen von westlichen Medikamenten und Kräutermedizin. Viele, wenn nicht sogar alle, beanspruchen von sich, dass sie von „Heilgeistern“ besessen seien. Wieder andere sind in der Ausbildung bei älteren und erfahrenen Heilern und entwickeln unter ihrer Anleitung ihre Talente.

Bei allen findet sich die einhellige Auffassung, dass das Schicksal eines Menschen direkt von seiner Beziehung zur „Geisterwelt“ beeinflusst wird. Denn die Geister, besonders diejenigen der verstorbenen Vorfahren, sollen die Welt der Lebenden in jeder Hinsicht kontrollieren. Es ist unbestreitbar, dass die traditionelle Kräutermedizin durchaus gesundheitsfördernde Kraft hat. Doch Christen können nicht mehr folgen, wenn „Geister“, besonders solche von verstorbenen Personen, die Welt kontrollieren und für das Wohlergehen einer Person verantwortlich sein sollen, sogar gegen deren Wunsch und Willen. Diese Grundauffassung, dass Krankheit, Unglück und andere Missgeschicke direkt vom positiven Verhältnis einer Person zu ihren Schutzgeistern abhängen, die das gesamte Leben kontrollieren, verstößt gegen den christlichen Glauben an einen allmächtigen Gott.

Der Wahrsager oder „sangoma“ soll eine besondere Kenntnis der Geisterwelt besitzen und kann daher angeblich den Menschen offenbaren, wo die Schwierigkeiten einer Familie oder einer bestimmten Person herrühren. Bei bestimmten Problemen wird daher ein Wahrsager herangezogen, der von einem „Heilgeist“ besessen ist. Die Wahrsager unterscheiden sich nach der Methode, wie sie die Gründe für Krankheit, Tod oder Schwierigkeiten ausfindig machen. Die verbreitetste Methode ist Besessenheit durch Geister oder Knochenwerfen. Manchmal wird ein „Wahrsager“ auch „Hexendoktor“ genannt, weil er Heilkräfte mit der Vermittlung zur Geisterwelt und der Suche nach Hexen und bösen Geistern in der Nachbarschaft verbindet. Der Hexendoktor kann einen Gegenzauber gegen die Gegenwart böser Kräfte produzieren, womit ein anderes Niveau traditioneller afrikanischer Glaubensvorstellungen erreicht ist, nämlich das Wirken von Zauberern.

Zauberern werden magische Kräfte zugeschrieben, die sie durch Hilfe von „bösen Geistern“ erhalten sollen. Sie beschränken ihre Tätigkeit auf Zaubersprüche oder Verwünschungen, die Opfern Schmerzen zufügen oder ihnen Schwierigkeiten bereiten und den finanziellen Erfolg ihrer Klienten vermehren können. Zauberer werden daher als gefährliche Menschen betrachtet, die ihre Kräfte in schädlicher Weise ausüben, ebenso wie „Hexen“. Hexen werden ausnahmslos als bösartige Wesen eingestuft, die gefürchtet werden. In einigen afrikanischen Kulturen wird „Hexerei“ in bestimmten Familien oder Stämmen weitergegeben und wird als vererbte Gabe angesehen, mit der man geboren wird. Selbst wenn sie keine Zaubersprüche verwenden, scheinen Hexen psychische Kräfte zu besitzen, die anderen Schaden zufügen können.

Dieser kurzgefasste Überblick zeigt, dass in der traditionellen afrikanischen Religiosität es einen weiten Spannungsbogen zwischen der Kräutermedizin, die für Heilzwecke und Wiederherstellung von Harmonie benutzt wird, und der Magie gibt, die mit Tieropfern, Zaubersprüchen und Besessenheit durch Geister verbunden ist, womit Menschen und ihrem Eigentum Schaden zugefügt werden soll. Alle diese Vorstellungen kommen jedoch darin überein, dass sie an eine Geisterwelt glauben, die vor allem von den verstorbenen Vorfahren bevölkert ist. Damit kommen wir auch zum Widerspruch mit dem christlichen Glauben.

 

Satanismus heute

Der allgemein verbreitete und grundlegende Glaube an die Macht der unsichtbaren Geisterwelt und ihre Fähigkeit, Schaden zu verursachen, verursacht viel Angst, Lähmung und Aberglauben. Es führt auch zu einer Öffnung für die Welt des Satanischen. Viele Menschen der westlichen Welt haben sich dazu entschieden, die Existenz eines verkörperten Bösen, das wir den Teufel nennen, zu ignorieren und betrachten ihn als eine Art Comicfigur. Die Wirklichkeit zeigt jedoch, dass weltweit Hexerei, Satanismus und Okkultismus zugenommen haben. Für Satanismus gibt es eine eigene offizielle Website, die man leicht über das Internet einsehen kann. Dort wird alles mögliche verkauft, was man für schwarze Zauberkünste, satanische Verwünschungen und bösartige Rituale benötigt. In vielen Teilen Afrikas zeigt sich ein wachsendes Interesse an satanischen Ritualen, die oft darauf abzielen, Macht, Karriere, Reichtum und Einfluss zu fördern.

Wenn wir in die Heilige Schrift und auf die Lehre der Katholischen Kirche schauen, sehen wir, dass der Glaube in die Existenz der Engel zu den Glaubensgegenständen gehört (KKK 328-350). Engel wurden von Gott am Anfang der Zeiten geschaffen (Hiob 38,4.7), um ihm zu dienen und an den Werken Gottes Anteil zu haben. Engel werden oft als „Sterne“ beschrieben. Gott schuf sie mit Intelligenz (Vernunft), Bewusstsein und Wille. Gott schuf sie, um zu lieben – daher sind sie mit freiem Willen ausgestattet, denn Liebe ist nicht vorstellbar ohne die Freiheit einer Wahl. Wie alle göttlichen Geschöpfe, die das Geschenk der Freiheit besitzen, steht es diesen himmlischen Wesen frei, Gott zurückzuweisen. Einige entschlossen sich tatsächlich dazu und sie nennen wir „gefallene Engel“, die nun im Gegensatz zum Willen und Heilsplan der Göttlichen Dreifaltigkeit stehen.

Diese „gefallenen Engel“ besitzen weiterhin die Eigenschaften und die Macht, die sie bei ihrer ursprünglichen Erschaffung durch Gott verliehen bekamen. Doch benutzen sie diese nun dazu, um Gottes Heilswerk zu durchkreuzen. Ihr Anführer wird Satan genannt, den die Heilige Schrift gelegentlich auch mit anderen Namen bezeichnet: „der Fürst dieser Welt“, „der Herr der Lügen“, „Teufel“ oder „der Böse“[4]. Doch Satan war nicht der einzige gefallene Engel. Mit ihm rebellierten auch andere niedrigere Engel, die wir „Dämonen“, „unreine Geister“ oder „böse Geister“ nennen. Das Ziel dieser gefallenen Engel ist die geistliche Zerstörung der Menschheit (KKK 391).

Das Böse ist daher Verfall, Abstieg oder „Fall“ von etwas, das früher gut war. Daher weist der christliche Glaube auch die Annahme zurück, dass Gott und Satan sich auf einer gleichen Stufe bewegen und nur die eine Seite gut und heilig und die andere böse und schlecht ist. Diese Häresie wurde von der Kirche verurteilt, existiert aber immer noch, selbst unter Christen. Gott und Satan sind gerade nicht gleich. Gott ist der Schöpfer und der Satan ein bloßes Geschöpf. Der Teufel hat weder Macht noch Autorität. Daher offenbart Jesus schon zu Beginn seiner Lehrtätigkeit, dass ein Kampf zwischen gut und böse besteht (Mk 1,12-13; Mt 4,1-11). Jesus setzt sich mit dem Satan zunächst in der Wüste auseinander und später im Leben derer, denen er begegnet
und deren Dämonen er kraft seiner Autorität austreibt (Mk 1,21-28). Jesus wurde Fleisch, um die Menschheit zu erlösen und um unsere zerbrochene Beziehung zur Dreifaltigkeit zu heilen ( Joh 8,44). Wenn man also die Wirklichkeit des Satans und von dämonischen Kräften ablehnt, dann bestreitet man letztlich das Heilswerk Jesu, besonders das Kreuzesopfer als das größte Zeichen seines Sieges (Phil 2,8).

Dieser Heils- und Erlösungsdienst verschwand nicht mit der Himmelfahrt Jesu: Er hinterließ seinen Jüngern die Autorität und die Kraft, unreine Geister auszutreiben (Mt 10,1-18; Joh 16,7-11). Wie das Markusevangelium festhält, besteht eines der Hauptkennzeichen derjenigen, die an Jesus glauben, dass sie die Autorität besitzen, Dämonen auszutreiben (Mk 16,17). Wenn also die Kirche im Namen Jesu darum bittet, dass eine Person oder ein Gegenstand vor bösen Kräften bewahrt bleiben möge, so ist sie mit größtem Vertrauen erfüllt und ist sich sicher, dass das Gebet erhört wird und im Einklang mit Gottes Willen steht. Der Heilungsdienst und der Exorzismus sind also Teil von Gottes Erlösungswerk.

Vom Moment der Taufe an nimmt jeder Christ am Werk dieser Erlösung teil und ist so am „geistlichen Wohlergehen“ beteiligt, wie Paulus in Epheser 6,10-20 feststellt. Dennoch durchlebt jeder Getaufte Kämpfe mit den Kräften des Bösen. Wie 1 Petrus 5,8 feststellt, „der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht nach Menschen, die er verschlingen kann.“ Auch wenn uns eine natürliche Ausrichtung auf das Gute geschenkt wurde, da wir ja nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und durch die Taufe erneuert wurden, stehen wir dennoch dem Bösen in einer Vielzahl von Erscheinungsformen gegenüber, vor allem in der Form von Versuchung, unwiderstehlicher Anziehung und Besessenheit.

Jeden Tag werden wir alle in verschiedensten Formen versucht, wobei nicht alle vom Teufel kommen müssen. So werden wir von grundlegenden Bedürfnissen versucht wie Nahrung, Lust, Macht oder abwegige sexuelle Wünsche. Wir werden von Dingen angezogen, mit denen wir Glückserfahrungen verbinden. Unsere emotionelle Schieflage und die gefallene Natur beinhalten, dass wir leicht unschönen und destruktiven Verhaltensweisen anheimfallen. Der Teufel weiß um unsere Schwächen, spielt auf ihrer Klaviatur und kann mit verlockenden Vorstellungen uns zu Handlungen und Entscheidungen bewegen, die nicht zu unserem Glück beitragen. Wir sollten uns bewusst bleiben, dass der Teufel nur Vorschläge machen kann, er kann unsere Gedanken nicht lesen oder uns zu Entscheidungen zwingen, die wir selbst nicht wollen. Er schlägt vor, aber es liegt an uns, ob wir zustimmen.

Ein tieferer Kampf spielt sich auf der Ebene der unwiderstehlichen Anziehung ab. Eine solche entsteht, wenn wir ganz überwältigt werden oder nahezu außer Kontrolle geraten, weil wir so von bestimmten Dingen angezogen werden. Unsere Begierden haben uns vollständig im Griff, obwohl wir genau wissen, dass sie schlecht für uns und für andere sind. Wie Paulus in Römer 7 schreibt, sind wir „Sklaven der Sünde“. Bei einer derartigen starken Anziehung sind Menschen immerhin noch im Besitz ihrer Willenskraft und können über ihr Verhalten reflektieren. In diesen Fällen kann ein „kleiner Exorzismus“ oder ein Heilungsgebet große geistliche Früchte hervorbringen. Solche Heilungsgebete kann jeder Priester sprechen. Aus dem Leben Jesu können wir ersehen, wie Dämonen auf seine Gegenwart reagieren und auf seinen direkten Befehl hin verschwinden. Die Wüstenväter sprechen oft von den „Dämonen“, die unser Leben in Beschlag nehmen wollen: Furcht, Angst, Stolz, Zorn, Lust usw. Diese Haltungen werden zum Eingangstor für böse Kräfte und führen zu sündhaften Gewohnheiten. Auch Abhängigkeiten wie Drogen, Alkohol, Verbrechen, Pornographie können die Gewissen der Christen einschlafen lassen und führen schließlich zu einem Gefühl der Ausweglosigkeit.

Der dritte und letzte Weg dämonischer Aktivitäten ist die Besessenheit. In diesem Fall befindet sich eine Person teilweise oder sogar vollständig unter der Kontrolle des Bösen. Dies kann eintreten, wenn jemand sich vollständig der Sünde hingegeben oder okkulte Praktiken ausgeübt oder seine persönliche Freiheit vollständig dem Bösen übergeben hat als Gegenleistung für Macht, Geld oder Sex. Besessenheit findet sich selten, ist aber eine ernstzunehmende Möglichkeit, besonders wenn Menschen sich willentlich dem Teufel übergeben haben. Markus 5,1-20 erzählt von einem Mann, der besessen ist, ja vollständig zerstört von den bösen Mächten, die ihn verzehren und seiner Würde beraubt haben. Als Jesus den unreinen Geist austreibt, hören wir, dass sein Name „Legion“ ist, weil es so viele von ihm gibt. Darüber sollten wir nachdenken. Oft geht die Besessenheit auf mehr als nur einen Dämon zurück.

Zwei Dinge müssen also ins Gleichgewicht gebracht werden. Einerseits ist Satan eine Realität, der wir begegnen und der wir uns entgegenstellen müssen. Andererseits hat Jesus bereits den Sieg errungen, der Teufel ist nur noch ein besiegter Feind. Unsere Aufgabe als Christen besteht darin, auf die Wunde des Bösen die Salbe der Erlösung aufzutragen. Auch wenn es tatsächlich einen „geistlichen Kampf “ gibt, so dürfen wir darauf vertrauen, dass wir dem Herrn gehören dank unserer Taufe und einem Leben aus dem Glauben, gestärkt durch die Sakramente.

 

Monastisches Verständnis des „geistlichen Kampfes“

Nachdem wir bereitwillig in die „Schule des Herrn“ (RB Prol 45) eingetreten sind und unser „Herz im Kampf des heiligen Gehorsams“ (Prol 40) vorbereitet haben, wurden wir „mit dem Glauben bekleidet unter Führung des Evangeliums“ (Prol 21) und erneuern durch unsere Gelübde das Geschenk des Lebens, das wir in der Taufe empfangen haben. Die persönliche und freiwillige Entscheidung, unter der Regel des hl. Benedikt zu leben, unter einem Vorgesetzten und in Gemeinschaft bringen uns Christus immer näher, so dass wir jeden Tag lernen, „Christus nichts vorzuziehen“ (RB 4,21; 72,11). Unsere Gelübde stellen eine bewusste Entscheidung dar, unsere Taufe in einer bestimmten Weise zu leben und vermehren das Geschenk, das wir im Wasser der Taufe erhalten haben.[5]

Papst Johannes Paul II. weist in seinem Apostolischen Schreiben Redemptionis Donum (1984) darauf hin:

„Auf der sakramentalen Grundlage der Taufe und in ihr verwurzelt stellt die Ordensprofess ein neues „Begrabensein in den Tod Christi“ dar. Sie ist neu, weil sie bewusst und willentlich geschieht, sie ist neu, weil sie auf Liebe und Berufung beruht, sie ist neu aufgrund einer unablässigen ,Bekehrung‘“.

Durch die Ablegung der monastischen Gelübde haben wir eine zweite Möglichkeit, die Taufgnade aufzugreifen und zu erfahren.

Daher sind unsere Gelübde keineswegs nur gute Absichtserklärungen oder Versprechungen, sondern „Bundesverbindungen“: ein Bund der Liebe, den wir aufrichtig und mit ganzem Herzen leben wollen. Die Gelübde führen uns direkt ins Zentrum unserer Beziehung zur Dreifaltigkeit, die in der Taufe begann und im Erlösungswerk weitergeführt wird.

In diesem Sinne enthüllen die Gelübde, wer wir eigentlich sind, sie enthüllen unsere eigentliche Identität, die in trauriger Weise verlorengeht oder verzerrt wird, wenn wir nicht entsprechend der Wahrheit des christlichen Glaubens leben, wenn wir Kompromisse zwischen unserem Glauben und traditionellen Glaubensvorstellungen und -bräuchen schließen oder mehr oder weniger bewusst uns auf okkulte Praktiken einlassen. Unsere Gelübde machen uns klar, dass Berufung keine Kariere ist, die wir aus eigenem Willen eingeschlagen haben oder die bei Bedarf geändert werden kann, dass sie mich ins Zentrum meines Daseins und meiner Identität führt (Evangelii gaudium 273). Vor diesem Hintergrund seien im Folgenden einige Richtlinien aufgelistet.

 

Richtlinien

1. Wir wollen unser Verständnis und unsere Hingabe an die Liebesbeziehung vertiefen, in die wir durch die Taufe und die benediktinischen Gelübde eingetreten sind.

2. Wir richten uns nach Christus aus, geben ihm den ersten und wichtigsten Platz in unserem Herzen, Leben und unseren Entscheidungen. Aus dieser Haltung erneuern wir unsere Zuwendung zu lectio divina und dem sakramentalen Leben der Kirche als den Hauptquellen unserer Umgestaltung in Christus.

3. Benedikt legt großen Wert auf das Gemeinschaftsleben (RB 72). Wir nehmen wahr, dass auch unsere Gemeinschaft vom „Ankläger“ unterminiert wird, indem er Unfrieden, Fehlersuche und Kämpfe verursacht.

4. Wir schätzen und ehren die Kulturen, aus denen heraus wir jeweils berufen wurden, und versuchen, das zu erkennen und zu nützen, was uns in ihnen weiterhilft.

5. Jede Kultur muss unter das Kreuz Christi gebracht und von ihm getauft werden.

6. Auch wenn wir den Reichtum unserer eigenen Kultur wahrnehmen, müssen wir zugeben, dass sich darunter nicht-christliche Bräuche und Vorstellungen befinden.

7. Wir stellen fest, dass die Anrufung der „Ahnengeister“ und die Bitte, dass sie eine Person in Geburt, Krankheit, Eheschließung oder nach dem Tod heimsuchen, nicht unserem christlichen Glauben entsprechen.

8. Der Verkehr mit Hexendoktoren und Sangomas mit dem Ziel, „spezielle“ Medizinen zu erhalten, Zaubersprüche auszusprechen oder Heilung bei Krankheiten oder die Lösung irgendwelcher Probleme zu erhalten, ist kein angemessenes Verhalten für eine Person, die getauft ist und sich Christus anvertraut hat.

9. Wir sehen ein, dass jede Form der Hexerei uns für das Dämonische öffnen kann.

10. Wer Christ und Ordensmann oder -frau ist, darf sich nicht auf irgendwelche Formen der Hexerei einlassen, da dadurch der christliche Glaube und das Ordensleben geschädigt werden.

11. Der Satan ist Wirklichkeit. Wir verstehen, dass die Dämonen danach streben, Unruhe und Zwietracht zu säen. Das ist bereits die Grundbedeutung des Wortes „Dämon“, nämlich zu zersplittern und Harmonie zu beeinträchtigen.

12. Wir sehen diese Wirklichkeit des Satans, wobei wir auch gleichzeitig anerkennen, dass er und seine dämonischen Helfer bereits von Christus besiegt sind. Daher müssen wir das Böse nicht fürchten, sondern ihm nur widerstehen.

13. In unserer Berufungspastoral sollten wir sorgfältig, aber sensibel den religiösen und kulturellen Hintergrund eines Bewerbers untersuchen. Wenn sich dabei herausstellt, dass ein Kandidat für das Ordensleben bereits einmal „besessen“ war, so wäre das ein ernsthafter Grund, ihn nicht in die klösterliche Ausbildung aufzunehmen.

14. Wir sollten in unsere Ausbildungsprogramme auch gut recherchierte Teile zu kulturellen und religiösen Praktiken aufnehmen, in denen ihre positive Seite, aber auch mögliche Konfliktfelder aufgezeigt werden.

15. Wir sollten uns bewusst sein, dass dämonische Besessenheit zwar selten, aber möglich ist. Jeder, den wir im Verdacht haben, mit traditionellen Hexen- oder Satanskulten in Berührung gekommen zu sein, sollte eine Zeit der Neubesinnung und der Erneuerung der Taufversprechen durchlaufen. Dabei sollten sie mit ihrer Vergangenheit brechen und sich erneut Christus zuwenden.

16. Wenn wir tiefere Probleme vermuten oder auch eine mögliche Besessenheit einer Person, sollte sie zunächst in medizinischer Hinsicht auf ihre körperliche und geistige Gesundheit untersucht werden. Auch der Familienhintergrund sollte geklärt werden.

17. Traditionelle Zeichen von Besessenheit sind:

a) Ablehnung sakraler Gegenstände, insbesondere Weihwasser, Kreuze, der Kommunion, heilige Bilder, insbesondere von Jesus und Maria usw.;

b) Seltsame Verhaltensweisen, bei der die Betroffenen in eine Art Trance zu verfallen scheinen und ihre Augen nach oben rollen;

c) Sprechen und Verstehen von Sprachen, die sie überhaupt nicht kennen;

d) physische Kraft, die über ihr sonstiges Vermögen weit hinausgeht;

e) Kenntnis von Dingen, die sie gar nicht besitzen können.

18. Nur ein vom Bischof beauftragter Priester darf einen Exorzismus aussprechen (vgl. CIC 1172:1, n. 37).

19. Der Exorzismus sollte an einem heiligen Ort stattfinden unter Rücksichtnahme auf die Würde der Person und der betroffenen Gemeinschaft (vgl. dazu die Praenotanda von De exorcismis et supplicationibus quibusdam, Editio typica 1999, 2004, n. 33).

20. Ein Exorzismus sollte erst nach einer sorgfältigen Untersuchung erfolgen, die alle medizinischen und psychologischen Aspekte berücksichtigt. Vgl. dazu Praenotanda von De exorcismis et supplicationibus quibusdam, Editio typica 1999, n. 1-19.

21. Bei Klosterkandidaten sollte kein Exorzismus ohne Rücksprache mit Eltern und Verwandten erfolgen.

22. Vor allem sollten wir Gemeinschaften des Glaubens errichten und eine gefährliche Atmosphäre des Aberglaubens, der Gerüchte und der Angst vermeiden. Wir wollen die täglichen Gebete der Kirche ernst nehmen, in denen um Schutz gebeten wird.

 

 

[1]Mk 1,12-13; 5,1-20; 16,17; Mt 4,1-11; 1 Petr 5,8.

[2] Apophthegmata, Alphabetische Sammlung: 3, 5, 6, 9, 10, 19, 22, 42, 67, 71, 123.

[3] So schreibt Justinus in seinem „Dialog mit Trypho“: „Jeder Dämon, dem der Name des Gottessohnes entgegengehalten wird, ... wird überwunden und besiegt.“ Irenäus schreibt: „Durch die Anrufung des Namens Jesus Christus ... wird der Satan aus den Menschen ausgetrieben.“ Bei Origines heißt es im Werk „Contra Celsum“: „Die Stärke des Exorzismus liegt im Namen Jesu.“ Tertullian hält fest: „Eine Person, die offensichtlich unter dämonischem Einfluss steht, soll vor ein Gericht gebracht werden ... Wenn die Gefolgsleute Christi dort dem bösen Geist zu sprechen befehlen, wird er unverzüglich bekennen, dass er ein Dämon ist“, vgl. Apologetische Werke 23; Katechismus der Katholischen Kirche 328-350; 39,1-398; 5338-40; 550. Siehe auch LG 48; GS 2 und 37; AG 3; SC 6.

[4] Vgl. nur die folgenden Passagen der Hl. Schrift, wo unter verschiedenen Namen auf den Teufel eingegangen wird: Offb 12,8-9, 17; Mt 4,3; 26,36-44; Joh 1,9-10; 8,44; 12,31; 14,30; Gen 3,4.13; Kol 1,13 usw.

[5] Perfectae Caritatis 5.