Abt Jean-Pierre Longeat OSB
Präsident der AIM

 

Benediktusregel und Familie

 

JPLongeatSchon in den ersten Worten seiner Regel zeichnet Benedikt den Mönch bzw. die Nonne/Schwester als Sohn oder Tochter, die einem Vater gegenüberstehen und die innerhalb ihrer Gemeinschaften im Verhältnis von Brüdern und Schwestern zusammenleben. Damit greift er nicht nur eine Haltung auf, die sich im ersten Testament in den Weisheitsbüchern findet („Höre, mein Sohn, auf die Weisungen, die ich dir heute gebe“), sondern verweist auch auf die Haltung Jesu selbst, so wie sie die Evangelien schildern.

Diese Haltung des Hörens eines Kindes auf einen gütigen und milden Vater (so der Prolog) führt dann zu einer Verwandlung, welche in die tiefsten Schichten der Persönlichkeit hineinreicht. Dieses Hören hat also eine erzieherische Seite, die nach innen geht und das innerste Herz betrifft, bei dem es darum geht, in Handlungen nach außen zu tragen, was man in einer Haltung des Vertrauens aufgenommen hat. In dieser Einstellung hörte auch Jesus ständig auf denjenigen, den er selbst seinen Vater nannte, indem er dem Hauchen des gemeinsamen Geistes lauschte.

In dieser Haltung leben auch die Mönche unter Regel und Abt. Dieser letztere ist ein Vater, der die Regel weitergibt und auslegt mit Hilfe seines Rates, der aus dem Schoß der Gemeinschaft hervorgeht und ihn umgibt.

Der Abt soll sich ständig bewusst sein, dass er im Kloster die göttliche Vaterschaft repräsentiert, die unserer menschlichen Natur gegenübersteht, so wie es Jesus Christus selbst unmissverständlich darlegt: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Joh 14). Er, der den vollkommenen Sohn darstellt, eröffnet den Blick auf den Vater. Daher trägt der Leiter der Gemeinschaft den Namen „Abba“, Vater. Nicht nur weil er einfach dem Bild des römischen pater familias nachempfunden wäre, sondern weil er innerhalb der Gemeinschaft die Gegenwart eines Vaters bezeugt, der über Jesus Christus durch die Eingebung des Geistes vermittelt wird. Die hier vorgestellte Familie ist also nicht nur ein soziales, sondern auch ein trinitarisches Gebilde. Sie möchte eine Gemeinschaft bilden, die aus dem Evangelium heraus lebt und in der die göttliche Gegenwart die erste Rolle spielt.

Kapitel 2 und 64 der Benediktusregel, die den Abt behandeln, schenken wertvolle Hinweise, wie die Gegenwart Gottes konkret verwirklicht werden kann:

– Zwischen den Mitgliedern einer Klostergemeinschaft gibt es keine Abstufungen. Alle sind in gleicher Weise geliebt und die Beziehung untereinander ist von Geschwisterlichkeit geprägt. Es gibt keine Rangfolge aufgrund von sozialer Herkunft oder finanzieller Mittel: „Wir sind alle eins in Christus“.

– Der Abt passt seinen Dienst den Bedürfnissen des Einzelnen an. Er modifiziert daher seine jeweiligen Anordnungen, indem er verständnisvoll und behutsam, aber bei bestimmten Anlässen auch fest und bestimmt auftritt.

– Er übersieht nicht die Fehler, sondern beseitigt sie an der Wurzel.

– Er sucht zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, alles andere wird ihm dann zufallen.

– Er hat immer die letzte Gemeinschaft mit Gott vor Augen, zu der alle berufen sind. Er selbst wird seine Lehre und seine Handlungen in diesem Sinne zu verantworten haben.

Ab dem dritten Kapitel nennt Benedikt die Mönche „Brüder“. Der Abt berücksichtigt die Auffassungen der Brüder, indem er sie bei Entscheidungen, die das Leben der gesamten Gemeinschaft betreffen, zusammenruft. Benedikt gibt uns wertvolle Ratschläge, wie wir die brüderliche Gemeinschaft in solchen Situationen verwirklichen können. Wenn alle zum Rat zusammengerufen werden, dann kann gelegentlich „der Herr einem Jüngeren offenbaren, was das Bessere ist“ (RB 3,3).

Ganz zu Beginn der Regel wird vom Vater gesprochen, wobei auf den Vater verwiesen wird, den Jesus offenbart. Doch wo taucht die Mutter auf ? Sie erscheint im sieben Kapitel, wo der Psalm 130 (131) erwähnt wird. Wer ganz auf seine eigenen Kräfte vertraut, indem er sich aufbläht, bis er für sich selbst zum Gott geworden ist, ähnelt einem Kleinkind, dem die Muttermilch genommen ist (RB 7). Die hier heraufbeschworene Mutter steht gleichfalls für göttliche Gegenwart. Wer sich dieser Gegenwart entziehen möchte, riskiert ein vorzeitiges Abstillen in einem Stadium, in dem der Mensch sich noch in einer Wachstumsphase und in seinen Anfängen befindet. Der Mönch als Jünger Jesu ist eingeladen, sich wie ein neugeborenes Kind auf die Familie Gottes einzulassen. Das bedeutet nicht, dass er sich unreif benehmen müsste, sondern zielt darauf ab, dass er sein ganzes Vertrauen in den setzen darf, der der Spender aller Gaben ist. Solche Offenheit setzt viele geistliche Früchte frei, die unser Wille allein nicht hervorbringen könnte.

Das Leben in der Gottesfamilie beinhaltet eine Form der Erziehung, die gerade nicht auf dem Vertrauen auf ein selbstgeschaffenes Ich beruht, das offen ist für eine Haltung des Hörens und der Aufnahme gegenüber dem Wort des Vaters, das als ständige Gegenwart Gottes in unserem menschlichen Dasein gelebt werden will.

Alles das offenbart sich insbesondere in der Liturgie. Benedikt selbst lädt zu diesem Bewusstsein solcher göttlicher Gegenwart im 19. Kapitel der Regel ein: „Wir glauben, dass Gott überall ist ... das wollen wir ganz besonders dann glauben, wenn wir Gottesdienst feiern.“ Er weist die Mönche an, sich aus Ehrfurcht jedes Mal zu erheben, wenn die Heilige Dreifaltigkeit angerufen wird.

Die Gesamtheit der Liturgie erweckt also insgesamt ein Gespür für Gottes Gegenwart als Quelle unserer Glaubenskraft. Wenn wir beten, nehmen wir den auf, der zu uns spricht, der in uns sein Wort sät, der uns wachsen lässt und wir danken ihm für die Gaben, die er uns ein für alle Mal geschenkt hat. Zugleich bitten wir ihn, dass unser Herz und das Herz aller Menschen für einen solchen Austausch offen bleiben und danken ihm für dieses Geschenk. Benedikt nennt dies das reine Gebet, vollzogen durch ein reines Herz. Auf dieser Grundlage errichten benediktinische Männer und Frauen ganz konkret das Gemeinschaftsleben, in dem viele verschiedene Funktionen zum Bau beitragen.

Dies gilt für die Dekane und den Prior, die den Abt unterstützen, damit seine Herrschaft nicht ein tyrannisches Regieren umschlägt. Benedikt sorgt sich sehr darum, dass der Abt ein demütiger Diener der Gemeinschaft im Ganzen bleibt, ohne Autorität allein für sich zu vereinnahmen oder jemand zur Verzweiflung zu treiben. Er hat Autorität von Gott empfangen, weiß aber auch, sie zu delegieren.

LongeatCogon14Dasselbe gilt für den Zellerar des Klosters, von dem Benedikt verlangt, dass er wie ein Vater für die Gemeinschaft sei. Diese Bezeichnung erinnert erneut an das Familienbild, das dem Klosterleben zu eigen ist. Daher kümmert sich der Zellerar um die Schwächsten (ebenso wie der Gastmeister). Er gibt immer ein gutes Wort, auch wenn unberechtigte Forderungen gestellt werden. Er stellt jedem Mitbruder zur Verfügung, was für diesen notwendig ist.

Auch der Umstand, dass die Mönche nichts ihr eigen nennen (Kap. 33 und 34), verweisen auf die Familienstruktur. In einer Familie verfolgen alle das gleiche Interesse, selbst wenn es manchmal getrennte Konten gibt, und stellen sich in den Dienst der Gesamtheit.

Benedikt spricht in ähnlicher Weise von den Alten, Kindern und Kranken im Kloster, von den Mahlzeiten, dem Tischdienst, so als ob er das Leben einer normalen Familie regeln würde.

Wenn die Mönche sich auf das Klosterleben einlassen, verzichten sie auf alles Vermögen und sogar auf die Verfügung über sich selbst, damit sie sich selbst finden können, indem sie sich verlieren. Daher willigen sie darin ein, sich einem anderen anzuvertrauen, sowohl in materieller Hinsicht als auch in ihrem innersten Herzen durch den Weg des Gehorsams. Dies äußert sich im Ablegen der persönlichen Kleidung und durch die Übernahme der klösterlichen Gewandung sowie den Umstand, dass bei der Gelübdeablegung sich das neue Mitglied jedem Mitbruder oder Mitschwester zu Füßen wirft und um das Gebet und ein Zeichen des Friedens bittet. Erst von diesem Moment zählt das neue Mitglied zur Gemeinschaft. Und dies ist die Grundlage für die Aufnahme in die neue Familie.

Innerhalb der Gruppe wird derjenige, der später eingetreten ist, gegenüber seinem Vorgänger als jüngerer Bruder behandelt, auch wenn der Zeitabstand des Eintritts nur gering sein sollte. Auch hier zeigt sich ein Merkmal geschwisterlichen Umgangs: Während im Alltagsleben derjenige jünger ist, der später geboren wurde, ist im Kloster nicht das Alter, sondern der Eintrittszeitpunkt entscheidend. Benedikt bemerkt dazu: „Die Jüngeren sollen die Älteren ehren und die Älteren die Jüngeren lieben.“ Dies darf man innerhalb einer Familie erwarten, selbst wenn es nicht immer geschieht!

Das 64. Kapitel über die Einsetzung des Abtes bezeugt am deutlichsten den Familiencharakter der Gemeinschaft:

– Der Abt ist mehr Diener als Herrscher der Mönche;

– Er soll Barmherzigkeit der menschlichen Gerechtigkeit vorziehen;

– Er hasst die Fehler und liebt die Brüder;

– Wenn er Fehler bekämpft, handle er klug, um das Gefäß beim Reinigen nicht zu zerbrechen;

– Er soll mehr danach streben, geliebt als gefürchtet zu werden.

Mit all diesen Eigenschaften ähnelt er dem klugen Verwalter des Evangeliums, den der Herr über seine Güter eingesetzt hat, zeigt aber auch Merkmale eines Familienvaters gemäß den Vorstellungen des Evangeliums, in dem Gottvater durch den Sohn geoffenbart wird. Gestärkt durch ein solches Grundvertrauen, das sich bei solchem Handeln einstellt, werden auch die anderen Mitglieder der Gemeinschaft sich ähnlich verhalten. Das zeigt sich in Kapitel 71, das als Charta des klösterlichen Familienlebens angesehen werden kann:

– Die Mönche bezeugen gegenseitigen Respekt;

– Sie ertragen in unendlicher Geduld die Schwächen der anderen, seien sie körperlicher oder geistiger Art;

– Sie leisten sich gegenseitig Gehorsam;

– Dem Abt seien sie in demütiger und aufrichtiger Liebe zugetan.

 

Klostergemeinschaft und menschliche Familie

Wenn Männer oder Frauen in ein Kloster eintreten, verlassen sie in gewisser Weise ihre Blutsfamilie. Jesus hat selbst diese Erfahrung gemacht. Nach Matthäus 18,19-21 suchten die Mutter und Brüder (damit ist die Verwandtschaft gemeint) Jesus auf, weil sie dachten, er sei durchgedreht. Jesus, der gerade die Menge lehrte, antwortete auf die Wünsche der Familie: „Wer sind meine Mutter und meine Brüder? Diejenigen, die das Wort Gottes hören und danach handeln.“ Dann sagt er noch: „Wer mich nicht seinem Vater, seiner Mutter und seinen Brüdern vorzieht... ist meiner nicht würdig.“ Wir alle gehören zur Familie Gottes und sind Brüder und Schwestern desselben himmlischen Vaters.

Vor diesem Hintergrund fordert die Regel von uns, nicht der Blutsfamilie verhaftet zu bleiben. Das ist auch Benedikts Anliegen, wenn er einerseits verlangt, dass man bei der Rangordnung innerhalb der Gemeinschaft nicht auf die soziale Herkunft der Mönche achtet, damit die brüderlichen Beziehungen wahrhaft zwischen gleich Gestellten verlaufen (vgl. Kap. 63), und wenn er andererseits unterstreicht, dass man keine Geschenke annimmt bzw. keine Familienkontakte unterhält, die mit dem Gemeinschaftsleben unvereinbar wären (vgl. Kap. 54). Wenn die Familie einem Bruder oder einer Schwester etwas schenken will, so muss das über den Oberen laufen, damit keine Abhängigkeitsbeziehungen nach außen entstehen. Bei diesem Punkt könnte man noch vieles hinzufügen, wenn man an heutige klösterliche Verhältnisse denkt, welche die Außenbeziehungen erheblich erleichtern. Viele betrachten heute diese Transparenz zur Gemeinschaft hin als nebensächlich und man erlebt oft, wie manche Mitglieder durch ihre Familien in versteckter Weise unterstützt werden. Hier sollte das rechte Maß ernst genommen werden, das Benedikt einfordert und es in neue Kontexte zu übersetzen.

LongeatAfriqueBenedikt weist noch auf einen anderen Fall hin, bei dem die Blutsverwandtschaft nicht Vorrang vor der Mitbrüderlichkeit einnehmen sollte: „Ein Mönch nehme sich nicht heraus, als Verteidiger oder Beschützer eines anderen Mönches aufzutreten, wären die beiden auch noch so eng durch Blutsverwandtschaft verbunden“ (Kap. 69). Tatsächlich findet man öfter in Klöstern miteinander verwandte Personen. Ihre Beziehungen sollten unter keinen Umständen durch Gewohnheiten der Blutsverwandtschaft bestimmt sein. Sie sollen sich wie alle anderen Mitglieder der Gruppe zueinander verhalten, also in der Form der Geschwisterlichkeit, zu der Jesus uns alle berufen hat.

In den alten Klosterregeln wird ebenso wie bei Benedikt diese Frage nicht im Detail erläutert. Es wird lediglich gesagt, was gerade schon erwähnt wurde: keine Geschenke von der Familie annehmen, keine Unterschiede zwischen der Mönchen machen aufgrund sozialer Herkunft oder Verwandtschaftsverhältnisse. Allerdings enthält die Regel von Tarnant eine interessante Stelle: „Niemandem ist es erlaubt, häufiger zu seinen Eltern zu gehen. Der Person freilich, die erwiesenermaßen voll Sorge um das Heil der Verwandten ist, werde erlaubt, diese zu gewissen Zeiten aufzusuchen. Es müssen diese sich freilich vor den Fallstricken der Welt in hohem Maß in Acht nehmen, damit nicht einer glaubt, anderen für den Herrn gewinnen zu können, während er sich selbst vom Herrn entfremdet“ (Kap. 12,9-11).

Eine derartige Verwandlung sozialer Beziehungen ist für uns heutige Menschen von großer Bedeutung. Die Überschreitung des engeren Familienkreises, in dem der gegenseitigen Zuneigung gelegentlich blutige Auseinandersetzungen gegenüberstehen, bei denen sich Familienangehörige wegen Macht, Erbfolge oder Missbrauch der elterlichen Rechte bekämpfen, bedeutet für Jesus das Hineintreten in Jüngerkreis, bei dem est darum geht, ein einziger Leib in der Liebe zu werden. Ein solches Vorhaben bedeutet aber natürlich nicht, dass man deswegen nicht mehr Vater und Mutter ehren müsse und ihnen die wesentliche Zuwendung verweigert, die ein Mönch den Menschen schuldet.

Monastische Regeln und Konstitutionen haben sich viel mit der Frage nach dem Verhältnis zur Blutsfamilie befasst, bei den Nonnen sogar noch mehr als bei den Mönchen. Die Distanz zur eigenen Familie wurde oft als Teil der „fuga mundi“ angesehen, womit eine Verstärkung der Klausur einherging, gelegentlich sogar bis zum Exzess. Heute müssen wir in diesem Bereich ein gesundes Gleichgewicht finden.

 

Die weitere Familie

Auch wenn die Klostergemeinschaft sich noch so gut als einträchtige Familie versteht, darf sie sich nicht in sich selbst zurückziehen. In der Benediktusregel werden Oblaten, Kinder oder Laien genannt, die im Kloster mitarbeiten. Zusammen mit den Mönchen bilden sie die weitere Familie. Diese Verbindung von Personen, die nicht durch Gelübde gebunden sind, mit einer Klostergemeinschaft hat in der Geschichte viele verschiedene Formen angenommen. So gab es Konversen, dann Oblaten oder Familiaren und heute wieder neue Formen, die man ernst nehmen sollte.

Diese neuen Formen lassen sich als „geistliche Familie“ charakterisieren. Ihre Rolle in der Klöstern lässt sich kaum auf einen Nenner bringen, da die Situation überall unterschiedlich ist: andere Traditionen, andere Zusammenhänge und andere Formen der Einbindung. An manchen Orten sind die Vereinigungen hauptsächlich Gebetsgruppen. Die Mitglieder leben oft in großer räumlicher Entfernung vom Kloster. Viele Weltoblatengruppen gehören dieser Kategorie an. Andere leben in direkter Nähe zum Kloster, besuchen es regelmäßig, nehmen an den dortigen Veranstaltungen teil und erfahren, wie die bewusste Wahrnehmung von Schweigen, Gebet und geschwisterlichem Austausch ihr Leben wesentlich beeinflusst. Es ist genau das, was sie suchen, und mehr wollen sie gar nicht.

Hier könnte sich jedoch durchaus eine Chance für die Klöster eröffnen: Sie sind solchen Laien in einer ähnlichen Grundhaltung eines hörenden Glaubens verbunden und könnten Formen kirchlicher Gemeinschaftsbildung entwickeln, der für das Leben aller Beteiligter und der Kirche insgesamt positive Folgen hätte.

Man kann sich auch fragen, ob die Verbundenheit mit einem Kloster rein privater Natur ist oder ob die damit verbundene gemeinschaftliche Dimension nicht stärker anzuerkennen ist, also die Verbindungen mit Mönchen, Nonnen oder innerhalb von Laienzusammenschlüssen. In der Praxis haben sich hier sehr unterschiedliche Lösungen entwickelt, die teils aus dem Angebot der Klöster, teils aus den Wünschen der Anfragenden zu verstehen sind.

Hingewiesen sei noch auf die wachsende Zahl von Laien, die in einem Kloster einfach mitwohnen. Sie leben oft in einem Nebengebäude und beteiligen sich an den alltäglichen Aufgaben der Gemeinschaft. Sie wollen klösterliche Spiritualität für eine gewisse Zeit mitleben. Manche Projekte entstehen aus solchen Erfahrungen heraus. So durfte ich bei einem kürzlichen Aufenthalt in Peru die Gemeinschaft von Ňaña besuchen, die sich etwas außerhalb von Lima befindet. Dort traf ich auch die Oberen von Kloster Chucuito, das am Titicacasee gelegen ist. Diese Gemeinschaften bestehen aus Mönchen und Schwestern, wobei auch Laien vollständig in das klösterliche Leben der Benediktiner mit einbezogen werden. In ihrem Alltag wollen sie sich umfassend einlassen auf die örtlichen Kulturen, die Bewohner der Umgebung und auf Sinnsucher jeder Form. Sie sind verwurzelt im Gebetsleben und in der Aufmerksamkeit auf das Gotteswort, das im Zentrum ihres Lebens und Handelns steht. Mich hat diese Praxis sehr beeindruckt, die mir nicht nur eine Variante klösterlichen Lebens unter vielen zu sein scheint, sondern eine tiefe Verwirklichung eines Familienlebens gemäß dem Evangelium. Sie verkörpert in zugespitzter Form, was die Familiendimension für das monastische Charisma bedeutet. Es ist offensichtlich ein Hoffnungszeichen, auch wenn nicht alle Klöster eine solche Realität leben werden können.

 

Schlusswort

LongeatUkraineWie alle Jünger müssen auch die Mönche und Nonnen bzw. Schwestern gegenüber Blutsverwandten Zurückhaltung üben. Um Christus nichts vorzuziehen, wie Benedikt sagt, darf man nicht zu sehr den natürlichen Beziehungen verhaftet sein, sondern sich für die Gemeinschaft mit dem Leib Christi öffnen, der die wahre Familie Gottes bildet. Auf dieser Grundlage können die Beziehungen verwandelnde Kraft ausüben, indem sie ein wesentlicher Bestandteil einer Haltung des Hörens und des Umsetzens des Gotteswortes und der Gottesliebe werden. So wird man auch befähigt, in wahrhaftiger Weise Mutter und Vater zu ehren und hundertfach zurückzuerhalten, was man mühsam hinter sich ließ, weil man es für wohlerhobene Güter hielt.

In dieser Weise können auch die Mönche und Nonnen nach dem Vorbild der frühen Kirchengemeinschaft, wie sie die Apostelgeschichte beschreibt, als ein Herz und eine Seele in der Einheit einer Gottesfamilie zusammenleben. Diese frohe Gemeinschaft strahlt aus über Gäste, Verwandte und Freunde des Klosters, vor allem über die Oblaten und Familiare, die durch Formen von Selbstverpflichtung zur klösterlichen Familie dazugehören und mit ihr Christus bezeugen möchten.

Die Ortskirchen und die Gesellschaft könnten von einem solchen Zeugnis profitieren, deren kontemplative und gleichzeitig auch apostolische Ausstrahlung der Inspiration Benedikts folgt, der selbst seine Berufung in verschiedenen Formen gelebt hat. Dieses Zeugnis ist für uns Herausforderung und Geschenk, das wir hören, leben und weitergeben möchten.