- Anselm Sayer OSB
- Abtei Inkamana (Südafrika)
BECOSA
Ausbilderkurs 2016
Stellt euch weiße Häuschen mit Strohdächern vor, die versteckt zwischen Sträuchern auf einer makellos gepflegten Anlage einen See überblicken, der von Bergen umgeben ist. Das ist das Geistliche Bildungszentrum zum Guten Hirten, das beim Hartbeespoort Dam gelegen ist und uns über fünf Tage für unseren Ausbilderkurs (12.-16. November 2016) aufnahm. Der Kurs wurde wieder von den Benediktinerklöstern Südafrikas (BECOSA) organisiert und von der AIM gesponsert. Dieses Jahr vertieften wir in unserem Workshop das Thema: „Monastische Ausbildung im 21. Jahrhundert“. Es nahmen 12 NovizenmeisterInnen von insgesamt acht Benediktinerklöstern in Südafrika und Namibia teil. Als Moderator wirkte P. Mark Butlin von der AIM.
Nach Laudes, Gottesdienst und Frühstück begann unsere erste Tageseinheit in Form von lectio divina. P. Mark zählte anschließend fünf Schlüsselelemente für klösterliche Ausbildung auf: Liebe zu Christus, christliche Nächstenliebe, die sich in Toleranz und Verständnis für andere ausdrückt, eine positive Einstellung gegenüber dem Gemeinschaftsleben, moralische Integrität, die sich vor allem in Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen äußert, und Selbstdisziplin, die in monastische Disziplin überführt werden soll.
Angemerkt wurde, dass monastische Formation oft als Information missverstanden wurde, bei welcher der Novize vor allem daraufhin beurteilt wird, wie er sich hinsichtlich Arbeit, Studium und Gemeinschaftsleben verhält. Formation sollte jedoch eher so verstanden werden, dass die Ausbildung beiden – Ausbilder und Novize – die Möglichkeit geben soll, in eine lebendige Gottesbeziehung einzutreten. Denn diese Beziehung ist das eigentliche Anliegen der Ausbildung. Um das zu erreichen sollte man den Schwerpunkt auf Jesus legen, d.h. wie der Herr handelt und sich gegenüber anderen verhält nach den Berichten der Evangelien. Als Ausbilder sollten wir uns darum bemühen, in unseren Novizen die Sehnsucht zu verstärken, mit Jesus noch tiefer verbunden zu sein in seinen verschiedenen Rollen als Erlöser, Lehrer und Freund, der uns zur Gemeinschaft mit ihm im Hier und Jetzt einlädt. Das ist auch das eigentliche Ziel des Mönchtums: die Hinführung zu Jesus. Wenn es uns als Ausbilder gelingt, in unseren Schützlingen eine solche Grundhaltung zu inspirieren, dann wird das Klosterleben auch für weitere Kandidaten attraktiv werden.
Die Ausbilder sollten ihre Novizen zur Einsicht bringen, dass Gott sie ganz und gar liebt und annimmt. Wie können wir das erreichen? Als Inspiritation lasen wir Johannes 4,1-30, wo Jesus der samaritanischen Frau am Brunnen begegnet. Die Art, wie er sich ihr gegenüber verhält, schenkte uns wertvolle Hinweise: Jesus spricht mit ihr auf Augenhöhe, er hat keinerlei Vorurteile, er wendet sich ihr ganz zu und nimmt sie so wahr, wie sie ist. Ein solches Handeln obliegt auch uns, wenn wir den Novizen begegnen, indem wir sie vor allem als Einzelpersonen wahrnehmen und nicht nur als Teil einer Gruppe.
Auch weitere wichtige Teile der Ausbildung wurden berührt. Zunächst griffen wir den Satz „Christus nichts vorziehen“ auf, der einen Schlüssel innerhalb des Ausbildungsprozesses liefert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Hinführung zum Gemeinschaftsleben als gemeinsamer Erfahrung und dazu, Gott in der Gemeinschaft zu suchen, wo die Glieder des Leibes Christi zu finden sind. Jesus hatte Gemeinschaft mit seinen Aposteln und um seinem Vorbild zu folgen, müssen wir menschlich in unseren Beziehungen werden. Daher ist ein wichtiger Teil der Ausbildung die Entfaltung unserer Menschlichkeit, was früher oft vernachlässigt wurde. Dabei unterstrichen wir die Bedeutung von Ehrlichkeit mit sich selbst, den anderen und der Gemeinschaft, um menschlich im Rahmen der monastischen Gemeinschaft reifen zu können.
Die folgenden Tage wurden die angerissenen Themen und noch weitere vertieft. So wurde gesagt, dass Ausbildung für den Novizenmeister „mit Geburtswehen“ verbunden ist, so wie es Paulus in Galater 4,19 andeutet.
P Mark sagte sogar, dass das Amt des Magisters zum „Kreuzweg“ werden kann, denn wenn man Jesus ernst nimmt, kann man in gefährliche Tiefen kommen. Die Diskussion wandte sich damit der Taufe zu. Das Ordensleben ist eng mit der Taufe verbunden, da sie eine Form ist, wie die Taufgnade gelebt wird. Darüberhinaus enthält das Ordensleben alle Elemente, die mit der Taufe verbunden werden. Der Ordensmann oder -frau ist zunächst ein tief engagierter Christ, der seine Nachfolge Christi zu einer lebenslangen Aufgabe macht. Der Kandidat sollte das besser verstehen lernen. Letztlich ist es auch nicht Willenskraft allein, die uns bei der Treue zu den Gelübden hilft, sondern unsere Beziehung zu Christus und dass er in uns lebt.
Die Heilige Schrift sollte unsere Gemeinschaften formen können, wobei die lectio divina eine entscheidende Rolle spielt. Ausbilder und Auszubildende sollten allein und gemeinsam täglich die lectio praktizieren und dabei auf das hören, was Gott ihnen sagen will. Ausbildung muss auf einer lebendigen Beziehung mit dem Gotteswort aufbauen können. In der heutigen Zeit gibt es viel Verwirrung, so dass oft auch wir selbst verunsichert, ängstlich und besorgt sind. Gerade deswegen brauchen wir jedoch Jesus, damit seine Stimme uns führen kann. Und diese Stimme hören wir in der Heiligen Schrift. P. Mark erinnerte uns, dass die Benediktusregel immer nur eine zweite Rolle gegenüber der Heiligen Schrift spielt. Die Regel allein reicht nicht aus. Wenn wir Ausbilder zuviel Zeit auf die Hinführung zur Regel verwenden, kann es sein, dass der Kandidat den echten Zugang zu den Evangelien vernachlässigt und keine enge Beziehung zum lebendigen Wort entwickeln kann.
Beim klösterlichen Leben geht es vor allem darum, dass wir geändert und bekehrt werden. Wir müssen daher fragen, ob der Kandidat überhaupt bereit ist, sich zu ändern? Will er oder sie überhaupt eine radikale Verwandlung auf sich nehmen? Diese Bekehrung ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein lebenslanger Prozess. Bei diesem Punkt angekommen, überlegten wir lange, wie das Regelkapitel über die Demut richtig zu verstehen sei. Jeder Schritt auf der Leiter der Demut bringt des Kandidaten näher zu einer Bekehrung des Herzens und des Denkens, öffnet ihm eine Tür für das Wirken des Heiligen Geistes und bereitet ihn vor auf die Begegnung mit Jesus als einer lebendigen und liebevollen Gegenwart, die ihn jeden Moment seines Lebens begleitet.
Am letzten Tag begannen wir wieder mit lectio divina, die dieses Mal sich auf Johannes 13 konzentrierte mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Versen 34-35, also der Nächstenliebe als dem neuen Gebot. Unsere Diskussion kam auf Liebe, Erbarmen und Versöhnung zu sprechen. Wir dachten daran, dass nach Benedikts Konzept das Kloster „eine Schule im Dienst des Herren“ ist, also ein Übungsplatz, wie man lieben kann. Liebe drückt sich unter anderen in Gesten und Handlungen aus (beispielsweise eine Umarmung oder ein freundliches Berühren der Schulter), im demütigen Dienst an anderen, vor allem an den Mitbrüder und -schwestern unserer eigenen Gemeinschaft. In der zweiten Unterrichtseinheit sprach P. Michael Morrissey OMI zu uns, der lange in Südafrika gearbeitet hat, und teilte mit uns seine persönlichen Erfahrungen in der Ausbildung und als Ausbilder von Ausbildern. Auch wenn Ordensleben ein Geschenk Gottes, Gnade ist, meinte P. Morrissey, müssten wir besser verstehen, wie der einzelne Mensch auf diese Berufung reagiert. Dabei hilft uns eine christlich geprägte Anthropologie in Verbindung mit Psychologie und Soziologie. Solche Instrumente erlauben dem Ausbilder, die KandidatInnen einzuschätzen und ihnen auf ihrem Weg zu helfen.
Auch wenn P. Mark über 1-2 Tage sehr mit Heiserkeit zu kämpfen hatte, waren seine Anregungen außerordentlich inspirierend. Der Erfolg unseres Workshops ist zu einem beträchtlichen Teil seiner Begeisterung, Energie und der sorgfältigen Vorbereitung jeder gemeinsamen Einheit zu verdanken. Auch jeder Teilnehmer brachte sich ein. Täglich gab es Arbeitseinheiten in Kleingruppen, die ihre Gesprächsergebnisse anschließend dem Plenum vorstellten. Jeden Nachmittag trafen sich auch noch Ausbilder freiwillig, um einen Text zur klösterlichen Ausbildung gemeinsam zu studieren und sich zu überlegen, wie ein Noviziat im 21. Jahrhundert und innerhalb ihrer konkreten Klostergemeinschaft beschaffen sein sollte. Bei den Diskussionen wurde schnell klar, dass die meisten Gemeinschaften ähnlichen Probleme bei der Ausbildung gegenüberstehen. Diese reichen von schädlichen Einmischungen der Oberen in die Noviziatsausbildung, einer Parteinahme von Mönchen mit Ewiger Profess zugunsten eines Kandidaten und gegen den Magister bis hin zu den Schwierigkeiten, Kandidaten in das Gemeinschaftsleben zu integrieren.
Am Abend vor unserer Abreise wurde noch eine spontane Party für P. Daniel Ludik organisiert, der zu den anglikanischen Benediktinern von Grahamstown in der Ostkap-Provinz gehört. Es entwickelte sich recht lebhaft mit Snacks, Drinks, Partyspielen, Gesang und Tanz. Für unseren arbeitsintensiven und kopflastigen Workshop ein angemessener Abschluss.
Am nächsten Morgen warfen wir einen letzten Blick auf den Hartbeespoort Dam und die gegenüber liegenden nördlichen Berge. Die Landschaft erinnert an die französische Riviera oder die dalmatische Küste. Nach dem Frühstück brachen zunächst die Mitbrüder und Mitschwestern aus Namibia auf und fuhren zum Flughafen. Wir anderen begaben uns anschließend auf die Straße, die uns mit Fahrten von fünf bis sechs Stunden zu unseren jeweiligen Gemeinschaften zurückführte. Uns begleitete die klare Botschaft, dass Benediktinerklöster ein Rahmen sind, wo die Menschen Christus begegnen können. Dann bilden Ordensgemeinschaften nicht nur Orte, wo sich Bekehrungen ereignen, sondern auch auch wo Liebe und Freude Wirklichkeit werden.