Einige Gedanken zur Zukunft der AIM
Dom Notker Wolf
Vor gut 50 Jahren wurde die AIM gegründet. Vieles hat sich geändert und weiterentwickelt, selbst der Name der AIM wurde zweimal umbenannt von der „Aide à l’Implantation Monastique“ über „Aide Inter Monastère“ hin zu „Alliance Inter-Monastères“. Diese Änderungen weisen jeweils ein neues Selbstverständnis auf. Lediglich die Abkürzung „AIM“ wurde beibehalten. Es stellt sich die Frage, welche Rolle die AIM auf Zukunft hin einnehmen soll, oder ob sie ihre Aufgaben erfüllt hat und möglicherweise überflüssig geworden ist.
Wie schon der Name besagt, war die AIM gegründet worden, um Neugründungen zur Seite zu stehen, weil die Gründungsklöster personell und finanziell zum Teil überlastet waren. Viele junge Klöster sind inzwischen älter geworden, sind aus dem Status der Neugründung herausgewachsen und feiern ihre ersten Jubiläen. Einige haben Rückschläge erlebt, andere wurden wieder geschlossen. Es wäre hilfreich, wenn diese Häuser eine Bestandsaufnahme über ihre derzeitige Situation angesichts der Gründungsabsichten machen würden. Wozu wurden die Gründungen einst vorgenommen, was ist ihre Identität? Was wollen sie leben und wie leben sie ihr Selbstverständnis? Wo gibt es Probleme? Wie können sie überwunden werden? Wie gehen die Gemeinschaften mit diesen Problemen um? Das sollten nicht nur Fragen bei der regulären kanonischen Visitation sein. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu wissen: Wie konnten in der Vergangenheit Krisen überwunden werden? Es wäre weiterhin zu fragen: Was ist das treibende Feuer in unseren Gemeinschaften? Welchen Stellenwert haben sie inzwischen in der Ortskirche und in der Gesellschaft ihres Landes?
Ein Hauptziel der AIM ist die Förderung der Bildung in unseren Klöstern. Qualifizierte Ausbilder fehlen mancherorts. Dabei geht es nicht nur um die erste Ausbildung im Noviziat und Juniorat, sondern um die kontinuierliche Begleitung unserer Mitbrüder und Schwestern, damit sie auf ihrem Weg nicht müde werden oder gar die Gemeinschaft verlassen, sondern weiterreifen und immer christusförmiger werden. Der „Formators’ Formation Course“ ist aus diesem Anliegen heraus erwachsen und hat vielen Gemeinschaften geholfen.
Ein bislang vernachlässigtes Gebiet der Bildung scheint mir die handwerkliche und fachliche Ausbildung zu sein. Auch die Statuten der AIM sind einseitig auf die intellektuelle und spirituelle Bildung angelegt. Wurden früher Klöster von eigenen Mönchen gebaut, so erwarten heute die jungen Mitbrüder, dass sie in ein fertiges Kloster einziehen können. Selbstverständlich wird man anfangs eine bescheidene Wohnung brauchen, zumal den Jungen die nötige Ausbildung fehlt. Aber wir sollten nicht vergessen, Maurer, Schreiner, Elektriker, Schlosser, Installateure auszubilden. Klostererweiterungen könnten dann durch die Arbeit der eigenen Hände entstehen. Das wäre auch ein Beispiel für die Umgebung: Mönche beten und lesen nicht nur, sie arbeiten. Als ich vor vielen Jahren die Benediktinerinnenabtei St. Walburga in Eichstätt besucht, sah ich eine Nonne, die als Maurerin auf dem Gerüst stand, um die Fassade zu erneuern. Wir werden die Handwerker gerade auch für den Unterhalt der Klostergebäude brauchen. Nicht zu reden von der Notwendigkeit der Landwirtschaft, und sie sollte, solange sie in kleinerem Stil betrieben wird, von den eigenen Brüdern und Schwestern bewirtschaftet werden. Landwirtschaft und Garten produzieren die Nahrung, die wir brauchen. Eigene Handwerker ersparen viele Kosten. Keine Arbeit sollte uns zu schmutzig sein und zu niedrig sein, die wir dann auf weltliche Angestellte abwälzen. In unserer abendländischen Tradition haben wir der Handarbeit zu ihrer Würde verholfen.
In Nr. 6 der Statuten wird darauf hingewiesen, dass die AIM „aide à mieux découvrir le sens de la vie monastique et souligne son originalité dans les différentes cultures.“ Es ist auf dem Gebiet der Inkulturation des monastischen Lebens Beachtliches geschehen, wenn ich an die Entdeckung der Kora für die Kirchenmusik in Westafrika denke, an die Übernahme lokaler Traditionen in die Liturgie. Aber wir müssen uns fragen, ob unsere jungen Klöster nicht doch noch sehr die Kultur ihrer Ursprungsklöster atmen. Ich denke, da tut sich noch ein weites Feld auf: der Umgang mit der Autorität des Abts, dem Gehorsam der Mönche, der Armut als Gütergemeinschaft, der Beziehungen zu den Verwandten, aber auch des Zusammenlebens von Mitgliedern unterschiedlicher kultureller Herkunft. Die Regel Benedikts hat uns hierfür Anweisungen vorgegeben.
Ich wurde oft gefragt, was wir Europäer selbst von anderen Kulturen lernen können. Wir mögen an die Betonung des Werts des Lebens und der Familie in Afrika denken. Papst Franziskus stammt aus einer Kultur der Armut. Er führt uns zu den Werten des Evangeliums zurück, zu Einfachheit, evangelischer Armut und Solidarität. Er stellt die „Gegenwartskultur“ des Abendlandes in Frage, die Vorherrschaft des Geldes, des Konsumismus und der Effizienz. Das geht tiefer als liturgische Änderungen.
Gemäß den Statuten ist die AIM auch „un centre de communication et de coordination des nouvelles fondations possibles.“ (Stat. n. 1) Das wird weiterhin eine Aufgabe der AIM bleiben. Es kommen immer wieder Anfragen von Bischöfen um monastische Gründungen in ihren Ortskirchen. Die AIM mischt sich nicht in die Angelegenheiten der Klöster und Kongregationen ein. Hier kann die AIM aber überlegen, wo eine Gründungsmöglichkeit bestünde, und die Gesuche an Obere weiterleiten.
Durch gegenseitigen Austausch können die Klöster auch lernen, in der heutigen Wirtschaftskrise zu überleben. Die AIM kann dazu Anregungen geben, indem sie die Erfahrungen anderer Klöster vermittelt. Das geschieht besonders durch das Bulletin. Hilfe zum Aufbau bedeutet auch, gemeinsam Überlegungen anzustellen, wie Klöster wirtschaftlich autonom werden können.
In der AIM, aber auch im DIM und der ICBE haben wir erfreulicherweise erfahren, wie wertvoll die Zusammenarbeit der Benediktiner und Benediktinerinnen mit den beiden zisterziensischen Orden ist, die auf derselben Regel Benedikts basieren. Vielleicht ergibt sich daraus noch mehr Zusammenarbeit. Schon heute merken wir, dass wir zwar historisch verschieden gewachsen sind, immer mehr aber zu den Grundwerte des benediktinisch-monastischen Leben zurückkehren. Der „Encuentro Monástico Latinoamericano“ (EMLA) ist ein solches Beispiel.
Und noch ein Gedanke: Bei den Versammlungen des Verwaltungsrats der AIM (Conseil de Gestion) wurde öfters die Frage gestellt, ob er nicht einseitig europäisch ausgerichtet sei und als Mitglieder auch Schwestern und Brüder aus den andern Regionen der Welt hineinberufen werden sollten. Die Frage ist noch nicht ausdiskutiert. Ich hielte es aber für wichtiger, dass sich mehr regionale Gruppen der AIM bilden würden und die bestehenden stärker ihre Eigenverantwortung für ihre Region wahrnehmen würden. Das geschieht auch teilweise in der Ausbildung der Novizen, der Junioren und späterer Weiterbildung. Auch der schon genannte Austausch über wirtschaftliche Möglichkeiten könnte den sonst isolierten Klöstern neue Perspektiven vermitteln.
Die AIM hat sich nach 50 Jahren und dem Heranwachsen früherer Neugründungen keineswegs überlebt. Ihre Aufgaben gehen weiter, wenn auch differenzierter. Die Ziele bleiben dieselben, und es wird die Aufgabe des neuen Präsidenten, Abt emeritus Jean-Pierre Longeat sein, mit seinem Rat mögliche Wege zu ihrer Erfüllung zu finden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem bisherigen Präsidenten, P. Martin Neyt, und der Generalsekretärin, Sr. Gisela Happ, und ihren Mithelferinnen für all ihr Engagement danken. Die AIM hat sich weltweit einen Namen erworben. Der Dank gilt aber auch den vorgehenden Generalsekretären und den vielen Helfern und Wohltätern. Ohne ihren selbstlosen Einsatz wären viele Klöster nicht so weit gediehen.
Gehen wir unseren Weg weiter. Die Kirche und die Welt brauchen die Klöster als Orte des Lobpreises Gottes, der Besinnung und der Begegnung. Klösterliche Gemeinschaften leben nicht nur für sich allein, sie teilen ihr Leben solidarisch mit ihrer Region. Sie geben und empfangen. So werden wir in aller Bescheidenheit unseren Dienst erbringen. Dem neuen Präsidenten wünsche ich mit Gottes Segen viel Phantasie und eine glückliche Hand.